Erbrecht

Schadensersatz, Bewilligung, Grenzbebauung, Grundbuch, Baugenehmigungsverfahren, Gemarkung, Grunddienstbarkeit, Streitwert, Gesamtschuldner, Vollstreckung, Zufahrt, Genehmigung, Bauvorhaben, Sicherheitsleistung, Kosten des Rechtsstreits, vorgerichtliche Anwaltskosten, rechtliche Beurteilung

Aktenzeichen  73 O 3073/16

Datum:
20.6.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 164146
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Widerklage wird abgewiesen.
3. Die Kläger haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu 94 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 6% zu tragen. 
4. Das Urteil ist für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. Das Urteil ist für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 10.588,22 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage erweist sich als unbegründet.
I.
Im Hauptantrag erweist sich die Klage als unbegründet, da das Grundbuch nicht als unrichtig anzusehen ist und daher ein Anspruch gemäß § 894 BGB nicht besteht. Der Inhalt des Grundbuchs steht mit der wirklichen Rechtslage im Einklang. Mit notariellem Vertrag vom 18.11.1980 (Anlage K 1) wurde ein gegenseitiger Verzicht auf Einwendungen im Baugenehmigungsverfahren gegen eine etwaige Grenzbebauung an der gemeinsamen Grundstücksgrenze vereinbart, der dann auch so im Grundbuch eingetragen wurde.
1. Entgegen der Klägeransicht ist die bestellte Grunddienstbarkeit weder widersprüchlich noch unbestimmt.
Zunächst ist auszuführen, dass die eingetragene Grunddienstbarkeit auch einen eintragungsfähigen Inhalt aufwies. Ein Verzicht auf die Einhaltung nachbarrechtlicher Vorschriften des Baurechts durch sog. Grenzbebauungsrechte ist grundsätzlich möglich (Weber in Staudinger, BGB, 2017, § 1018, RdNr. 128; vgl. auch OLG München, NJOZ 2013, 841). Auch ist anerkannt, dass der Inhalt einer solchen Dienstbarkeit sich nicht auf den Verzicht privater Rechte beschränkt, sondern sich auch auf den Verzicht auf öffentlich-rechtliche Rechtspositionen erstreckt (OLG Hamm, NJOZ 2013, 1126).
Des Weiteren mangelt es der eingetragenen Grunddienstbarkeit auch nicht an der erforderlichen Bestimmtheit. Der Bestimmtheitsgrundsatz leitet sich aus dem Zweck des Grundbuchs ab, auf sicherer Grundlage bestimmte und sichere Rechtsverhältnisse an unbeweglichen Sachen zu schaffen und zu erhalten (OLG Hamm, a.a.O., 1129). Der eingetragene Anspruch muss hinreichend bestimmt sein. Hierfür ist ausreichend, dass der Umfang des Rechts aufgrund objektiver Umstände bestimmbar ist, welche auch außerhalb des Grundbuchs liegen können, sofern sie nachprüfbar und mindestens in der Eintragungsbewilligung angedeutet sind (BGH, NJW1995, 2780, 2781). Vorliegend wurde unter Ziffer 3. des notariellen Vertrages vom 18.11.1980 vereinbart, dass beiderseits auf „jegliche Einwendungen in Baugenehmigungsverfahren gegen eine etwaige Grenzbebauung an der gemeinsamen Grenze der beiden Grundstücke“ verzichtet wird. Es ist folglich ein Totalverzicht vereinbart worden, welcher den Bestimmtheitsgrundsatz grundsätzlich wahrt (BayObLG, NJW-RR 2004, 1460). Nachdem selbst ein Totalverzicht auf Abwehr- und Schadensersatzansprüche und die Verpflichtung zur Unterlassung der Einlegung von Rechtsmitteln und Rechtsbehelfen gegen sämtliche einzuholenden Genehmigungen und Bescheide eintragungsfähig ist (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 08.03.2013, Az. 15 W 233/12), muss erst recht ein Einwendungsverzicht nur bezüglich der Grenzbebauung als eintragungsfähig angesehen werden. Auch ist der Bestimmtheitsgrundsatz nicht bereits dadurch verletzt, dass die Parteien unterschiedlicher Auffassung sind. Als ausreichend ist bereits anzusehen, wenn ein Dritter sich eine ungefähre Vorstellung davon machen kann, welche Bedeutung die Dienstbarkeit für das Eigentum hat (vgl. BGH, NJW-RR 2015, 208). Diese Voraussetzung ist unproblematisch erfüllt.
2. Ein Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften und eine daraus resultierende Nichtigkeit der Vereinbarung vom 18.11.1980 (§ 134 BGB) ist ebenfalls nicht gegeben.
Sofern die Kläger sich hier auf Art. 64 Abs. 4 Satz 2 berufen ist auszuführen, dass ein eventueller Verstoß gegen Art. 64 Abs. 4 BayHO – ein solcher ist bislang nicht nachgewiesen – auf die Wirksamkeit der Bestellung keinen Einfluss hätte. Die Vorschrift entfaltet nach Ansicht des Gerichts keine drittschützende Wirkung zu Gunsten privater Dritter. Nach der Schutznormtheorie entfalten nur solche Vorschriften des öffentlichen Rechts drittschützende Wirkung, die zumindest auch der Rücksichtnahme auf Interessen Dritter dienen. Um eine solche Vorschrift handelt es sich bei Art. 64 Abs. 4 BayHO gerade nicht, da dieser ausschließlich dem Schutz staatlicher Interessen dient. Der Einholung einer behördlichen Auskunft bedurfte es daher nicht.
3. Des Weiteren verstößt die Einigung vom 18.11.1980 auch nicht gegen die guten Sitten, § 138 Abs. 1 BGB.
Bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung wie hier kann sich der Dritte grundsätzlich gegenüber dem Genehmigungsempfänger vertraglich verpflichten, auf Einwendungen zu verzichten. Solche Verträge sind grundsätzlich mit § 138 BGB vereinbar und wirksam, wenn der Vertrag nicht durch Druck oder unter Ausnützung wirtschaftlicher oder persönlicher Abhängigkeit zustande gekommen ist, was im vorliegenden Fall mehr als fernliegend ist. Es liegt im Rahmen der Dispositionsbefugnis des Dritten, ob er Rechtsschutz in Anspruch nehmen will, so dass es ihm auch möglich ist, sich vertraglich zu verpflichten, in Zukunft auf ihm zustehende materielle Rechtspositionen zu verzichten.
Darüber hinaus wird vorliegend schon durch die Wechselseitigkeit des erklärten Einwendungsverzichts das Austauschverhältnis gewahrt. Zum Zeitpunkt der Bestellung der Grunddienstbarkeit war im Übrigen – worauf die Beklagten zurecht hingewiesen haben – ein Teil auf dem Grundstück der Fl.Nr. – an der Grenze bebaut, so dass von einer völlig einseitigen Vertragsgestaltung nicht ausgegangen werden kann. Im Übrigen ist der Beklagtenseite dahingehend Recht zu geben, dass ein Rechtsgrundsatz, dass bei einem wechselseitigen Einwendungsverzicht der materielle Vorteil für beide Grundstücke gleich groß sein müsste, nicht besteht.
II.
Auch im Hilfsantrag erweist sich die Klage als unbegründet. Ein Anspruch auf Bewilligung der Löschung gemäß § 894 BGB besteht ebenfalls nicht.
Gemäß § 1019 BGB kann eine Grunddienstbarkeit zwar nur in einer Belastung bestehen, die für die Benutzung des herrschenden Grundstücks Vorteil bietet. Dieser Vorteil ist jedoch nicht durch geänderte bauliche Verhältnisse entfallen mit der Folge, dass die Beklagten zur Bewilligung der Löschung verpflichtet wären. Dies ergibt sich nicht aus der klägerseits als Anlage K 4 eingereichten Mitteilung des Amtes für Bauaufsicht und Wohnungswesen der Stadt Landshut vom 23.03.2017, wonach von Seiten des damaligen Eigentümers des Grundstücks Fl.Nr. – ein Bauantrag hinsichtlich des Neubaus einer Lagerhalle und Werkhallte mit Tektur gestellt wurde und dass die in der Folge errichtete Lagerhalle im Jahr 1996 wieder abgebrochen wurde (vgl. in diesem Zusammenhang auch die klägerseits am 12.06.2017 vorgelegten Unterlagen). Es besteht nach wie vor ein Vorteil für das herrschende Grundstück nach § 1019 BGB. Eine Bebauung durch einen Rechtsnachfolger ist möglich. Auch wird, nachdem auf jegliche Einwendungen wegen Grenzbebauung verzichtet wurde, die Grunddienstbarkeit nicht auf bestimmte Nutzungsarten der Grundstücke beschränkt. Nachdem die Nützlichkeit einer Grunddienstbarkeit objektiv zu bestimmen ist (vgl. Moor in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 1019, RdNr. 3), ist noch nicht von einem Wegfall des Vorteils des herrschenden Grundstücks auszugehen.
III.
Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.
IV.
Die Widerklage erweist sich ebenfalls als zulässig aber unbegründet.
1. Kosten der Abwehr von unbegründeten Ansprüchen können nur unter den Voraussetzungen des Verzugs, der Pflichtverletzung, der unerlaubten Handlung und der Geschäftsführung ohne Auftrag ersetzt verlangt werden (Grüneberg in Palandt, BGB, 76. Aufl., § 249, RdNr. 56). Hier wäre allenfalls an einen Anspruch aus Pflichtverletzung gemäß § 280 Abs. 1 BGB zu denken. Eine Ersatzpflicht besteht nicht, wenn der Anspruchsberühmung eine vertretbare rechtliche Beurteilung zugrunde liegt (derselbe, a.a.O., § 280, RdNr. 27 mit Verweis auf BGH, NJW 2009, 1262). Im vorliegenden Fall hält sich die durch die Klägerseite vorgenommene rechtliche Beurteilung noch in den Grenzen der Vertretbarkeit, so dass ein Anspruch ausscheidet.
2. Über den Antrag in der Hilfswiderklage war aufgrund der Abweisung der Klage nicht mehr zu entscheiden.
V.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.
VI.
Der Streitwert war gemäß §§ 3 ff. ZPO festzusetzen. Die Streitwerte von Klage und Widerklage waren zusammenzurechnen, § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG.


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