Erbrecht

Testament, Erblasser, Druckschrift, Gutachten, Gutachterkosten, Erstattung, Erbrecht, FamFG, Unterschrift, Wahrscheinlichkeit, Erteilung, Errichtung, Alkohol, Zweifel, notwendigen Auslagen

Aktenzeichen  VI 966/20

Datum:
1.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 42452
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Kronach
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die zur Begründung des Antrags vom 20.04.2021 auf Erteilung eines Erbscheins erforderlichen Tatsachen werden für festgestellt erachtet.
2. Die sofortige Wirksamkeit dieses Beschlusses wird ausgesetzt. Die Erteilung des Erbscheins wird bis zur Rechtskraft dieses Beschlusses zurückgestellt.
3. Die Kosten des Verfahrens – mit Ausnahme der Kosten des eingeholten Sachverständigengutachtens, die der Beteiligten  auferlegt werden – tragen die Antragsteller.
Eine Erstattung der notwendigen Auslagen der Beteiligten findet nicht statt. Diese haben die Beteiligten jeweils selbst zu tragen.

Gründe

I.
Mit Antrag vom 20.04.2021, aufgenommen zu Protokoll des Nachlassgerichts Kronach, beantragten die Beteiligten  und  die Erteilung eines Erbscheins dahingehend, dass der Erblasser beerbt wird von
1. , geboren am 00.00.1997,  zu 1/2 – ein Halb –
2. , geboren am , zu 1/2 – ein Halb –
Die Beteiligten und  leiten dieses Erbrecht aus dem eigenhändigen Testament des Erblassers vom 13.12.2020 (Bl. 66 d.A.) her, das folgenden Inhalt hat:
Testament den 13.12.2020
Ich M. möchte nach meinen Tod, daß der Nachlas an  geht
Gegen die Wirksamkeit dieses Testaments hat einzig die beteiligte Angehörige  Einwendungen erhoben.
Nachdem sie mit Schreiben vom 12.03.2021 zunächst nur pauschal mitgeteilt hatte, sie glaube nicht, dass das Testament vom Erblasser, der stets nur in Druckschrift geschrieben habe, stamme (Bl. 121 d.A.), behauptete sie mit weiterem Schreiben vom 03.05.2021, dass dieser das Testament sicher nicht eigenhändig geschrieben hätte und dies für sie anhand von vorgelegten Vergleichsproben seiner Unterschrift zweifelsfrei feststünde. Der Erblasser wäre nämlich dem Alkohol verfallen gewesen, er hätte keine Schwingungen verbinden und deshalb nur in Druckschrift schreiben können.
Da die Beteiligte  somit an ihren Einwendungen festhielt und diese nochmals zu bekräftigen versuchte, holte das Nachlassgericht mit Beweisbeschluss vom 14.05.2021 ein forensisches Schriftvergleichsgutachten zur Frage der eigenhändigen Niederschrift und Unterschrift des Testaments durch den Erblasser bei dem Sachverständigen Dipl.Verw., Dipl.Graph.  aus Neuss ein.
Der Sachverständige kommt in seinem schriftlichen Gutachten vom 05.08.2021 (Bl. 182-207 d.A), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, zu folgenden Ergebnissen:
Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit – Übereinstimmungsgrad von rund 91% – ist das fragliche Testament authentisch und somit von dem Erblasser geschrieben und unterzeichnet. Sowohl die differenzierte systematischschriftvergleichende Untersuchung als auch die Analyse der Schriftcharakteristika ergeben dies.
Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit kann ausgeschlossen werden, das das fragliche Testament von einer anderen Person geleistet bzw. nachgeahmt wurde.
Im Rahmen einer Nachahmung wäre ein solch hoher Übereinstimmungsgrad erfahrungsgemäß nicht zu erwarten. Außerdem sind zwingende Hinweise auf Schriftmerkmale eines Dritten nicht erkennbar. Die physikalischtechnische Untersuchung ergibt keine Hinweise auf technische Manipulationsspuren.
Die vom Sachverständigen attestierte sehr hohe Wahrscheinlichkeit ist dabei vorliegend mit einer numerischen Wahrscheinlichkeit von um die 98% gleichzusetzen.
II.
Dem Antrag auf Erteilung des beantragten Erbscheins ist zu entsprechen, da er der testamentarischen Erbrechtslage entspricht.
Das eigenhändige Testament vom 13.12.2020 ist zur Überzeugung des Gerichts von dem Erblasser selbst geschrieben und unterschrieben und damit rechtswirksam errichtet (§ 2247 BGB). Danach sind die Antragsteller Miterben zu je 1/2 geworden.
Nach dem Ergebnis des Schriftgutachtens, das von zutreffenden Tatsachen ausgeht und auf tragfähiger Grundlage beruht, besteht in Anbetracht der festgestellten sehr hohen Wahrscheinlichkeit der Echtheit des Testaments, die einer numerischen Wahrscheinlichkeit von um die 98% entspricht, ein für die richterliche Überzeugungsbildung in jeder Hinsicht genügender, für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der vernünftige Zweifel an einer formwirksamen Errichtung des Testaments ausschließt (Palandt-Weidlich, BGB, 80. Aufl. 2021, § 2247 Rn. 17 a.E.).
Weitere Ausführungen sind nicht veranlasst, da die gutachterlichen Feststellungen, zu denen die Beteiligte  durch Übersendung einer Abschrift des Gutachtens binnen angemessener Äußerungsfrist rechtliches Gehör hatte, nicht in Frage gestellt worden sind.
III.
Die Kosten des Verfahrens fallen – mit Ausnahme der Kosten des eingeholten Schriftgutachtens, die der Beteiligten  auferlegt werden – den Antragstellern zur Last (§ 81 Abs. 1 S. 1 FamFG).
Ist – wie hier – der Tatbestand eines Regelbeispiels gemäß § 81 Abs. 2 Nrn. 1. – 5. FamFG (Verschuldensprinzip) nicht oder jedenfalls nicht nachweislich erfüllt, so verbleibt es bei der allgemeinen Kostenvorschrift des § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG. Dabei ist nicht von einem RegelAusnahme-Verhältnis auszugehen, wonach etwa Gutachterkosten regelmäßig vom Antragsteller zu tragen wären. Vielmehr hängt die Entscheidung vom Ergebnis der freien Billigkeitserwägung ab (OLG München, ZEV 2012, 661).
Bei der vorliegenden Konstellation wäre es schlichtweg unbillig, die Antragsteller (auch) mit den Gutachterkosten zu belasten. Vielmehr entspricht es nur der Billigkeit, der Beteiligten , deren – als sicher und aus ihrer Sicht feststehend hingestellte – Behauptung, das Testament sei nicht von dem Erblasser selbst geschrieben und unterschrieben, durch das allein deswegen einzuholende Gutachten nicht bestätigt, sondern ohne vernünftige Zweifel widerlegt worden ist, die Kosten des Sachverständigengutachtens aufzuerlegen (OLG München, ZEV 2012, 661; Keidel-Weber, FamFG, 20. Aufl., § 81 Rn. 9, m.w.N.). Die vom Sachverständigen festgestellte sehr hohe Wahrscheinlichkeit der Urheberidentität legt nämlich bei lebensnaher Betrachtung den Schluss nahe, dass die Behauptung der Beteiligten doch mehr oder weniger ins Blaue hinein aufgestellt worden ist, auch wenn ihr diesbezüglich ein schuldhaftes Handeln letztlich nicht mit der erforderlichen Gewissheit nachgewiesen werden kann.
Eine Erstattung der notwendigen Auslagen der Beteiligten findet nicht statt. Diese haben die Beteiligten jeweils selbst zu tragen.


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