Erbrecht

Unzulässigkeit der Beschwerde eines Nacherbens gegen die Ablehnung der Eintragung eines Amtswiderspruchs vor Eintritt des Nacherbfalls

Aktenzeichen  34 Wx 464/16

Datum:
4.8.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
ErbR – 2017, 744
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GBO § 51, § 53 Abs. 1 S. 1, § 71 Abs. 1
BGB § 894, § 2112, § 2113 Abs. 1, Abs. 2 S. 1
RPflG § 11 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Vor Eintritt des Nacherbfalls ist der Nacherbe nicht berechtigt, mit der Beschwerde die Eintragung eines Amtswiderspruchs gegen die Eintragung des Eigentümers zu verfolgen.  (Rn. 10 – 12)
2. Zur Einlegung der Beschwerde gegen die Ablehnung der Eintragung eines Amtswiderspruchs ist nur derjenige berechtigt, der, falls die Eintragung in dem behaupteten Sinne unrichtig wäre, in seiner Rechtsstellung beeinträchtigt wäre und deshalb nach § 894 BGB einen Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs hätte (Anschluss an OLG München BeckRS 2016, 03116). (Rn. 10 und 14) (red. LS Andrea Laube)
3. Bis zum Eintritt des Nacherbfalls haben die Nacherben nur ein unentziehbares und unbeschränkbares Anwartschaftsrecht an der Erbschaft, nicht an einzelnen Nachlassgegenständen, inne, so dass keine ernsthafte Möglichkeit der Rechtsverletzung besteht. (red. LS Andrea Laube)
4. Vor Eintritt des Nacherbfalls kann der Nacherbe die relative Unwirksamkeit der Verfügung nach § 2113 BGB allenfalls durch entsprechende Feststellungsklage geltend machen. (Rn. 17) (red. LS Andrea Laube)

Tenor

I. Die Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des Amtsgerichts München -Grundbuchamt – vom 11. August 2016 wird verworfen.
II. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 120.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der im Grundbuch als Eigentümer eingetragene Vorerbe übertrug, vertreten durch seine Ehefrau als Generalbevollmächtigte, mit notariellem Vertrag vom 21.4.2015 den Grundbesitz auf seinen Sohn M. S. zu Alleineigentum. Dieser und sein – am 5.2.2007 verstorbener – Bruder J. S., ersatzweise deren jeweilige Abkömmlinge, sind laut dem in Abteilung II des Grundbuchs am 5.1.1968 eingetragenen Nacherbenvermerk die Nach- bzw. Ersatznacherben. Die Beteiligten zu 1 und 2 sind die Abkömmlinge von J. S. Deren Zustimmung zur Übertragung konnte nicht beigebracht werden.
Das Grundbuchamt vermerkte am 24.6.2015 antragsgemäß die Auflassung im Grundbuch; der Nacherbenvermerk blieb bestehen.
Am 10.8.2015 beantragten die anwaltlich vertretenen Beteiligten zu 1 und 2 beim Grundbuchamt die Eintragung eines Widerspruchs gegen die für den Beteiligten zu 3 eingetragene Eigentümerposition. Sie vertraten die Auffassung, die Eintragung stehe im Widerspruch zum Nacherbenvermerk. Zwar habe der Notar darauf hingewiesen, dass die Eintragung gegenüber den betroffenen Nacherben unwirksam sei; dies sei aber nicht im Grundbuch vermerkt.
Mit Beschluss vom 6.8.2016 hat das Grundbuchamt den Antrag, den es als Anregung, einen Amtswiderspruch nach § 53 GBO einzutragen, ausgelegt hat, zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Eintragung des Eigentumsübergangs weder unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften erfolgt sei noch das Grundbuch unrichtig gemacht habe. Die zugrundeliegende Auflassung sei wirksam erklärt. Der Nacherbenvermerk verhindere gutgläubigen Erwerb, bewirke aber keine Grundbuchsperre. Eine die (Ersatz-)Nacherben beeinträchtigende Verfügung des Vorerben über Nachlassgegenstände sei nur den Nacherben gegenüber relativ unwirksam, im Übrigen aber wirksam.
Hiergegen wenden sich die Beteiligten zu 1 und 2 mit der Beschwerde. Sie tragen vor, die Konditionen des Überlassungsvertrags entsprächen nicht den Vorgaben, nach denen einem schriftlich niedergelegten „Konzept“ zufolge die Vermögensverteilung habe erfolgen sollen. Deshalb habe die Bevollmächtigte nicht im Rahmen der ihr erteilten Vollmacht gehandelt. Die Übertragung des Grundstücks durch den nicht befreiten Vorerben sei unzulässig. Der Vertrag verstoße gegen geltendes Recht, zumal die von der Verfügung betroffenen Nacherben weder beteiligt noch informiert worden seien. Er verstoße außerdem gegen den Willen der Erblasserin, die testamentarisch angeordnet habe, dass die Ehefrau des Vorerben und dessen Generalbevollmächtigte von der Verwaltung und Nutznießung des Nacherbes, insbesondere der Grundstücksanteile, ausgeschlossen sein solle.
Das Grundbuchamt hat nicht abgeholfen.
II.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Die Beschwerde ist bereits unzulässig.
a) Zutreffend und von der Beschwerde unangegriffen hat das Grundbuchamt den Antrag als Anregung ausgelegt, von Amts wegen gegen die Eintragung des Beteiligten zu 3 als Eigentümer einen Widerspruch nach § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO einzutragen. Gegen die Zurückweisung ist die unbeschränkte Beschwerde nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 1 GBO statthaft (OLG Karlsruhe FGPrax 2014, 49/50; Hügel/Holzer GBO 3. Aufl § 53 Rn. 55; Demharter GBO 30. Aufl. § 71 Rn. 26). Mit ihr kann wiederum nur verlangt werden, dass das Grundbuchamt angewiesen wird, nach § 53 GBO einen Widerspruch einzutragen.
b) Zur Einlegung der Beschwerde gegen die Ablehnung der Eintragung eines Amtswiderspruchs ist allerdings nur derjenige berechtigt, der, falls die Eintragung in dem behaupteten Sinne unrichtig wäre, in seiner Rechtsstellung beeinträchtigt wäre und deshalb nach § 894 BGB einen Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs hätte, denn durch die Eintragung des Amtswiderspruchs soll der Gefahr eines Rechtsverlustes – insbesondere durch gutgläubigen Erwerb – begegnet werden (Senat vom 24.9.2010, 34 Wx 120/10 = NJW-RR 2011, 235; vom 10.2.2016, 34 Wx 330/15 = NJW-RR 2016, 590; BayObLGZ 1987, 431/433; OLG Hamm FGPrax 1996, 210; Hügel/Kramer § 71 Rn. 200; Demharter § 71 Rn. 68 f.). Einen Berichtigungsanspruch hat nur der wirkliche Rechtsinhaber (vgl. BGH NJW 2000, 2021; NJW 2005, 2983; Staudinger/Gursky BGB Bearb. 2013 § 894 Rn. 67 f.). Bei nicht oder unrichtig eingetragenem Eigentum ist dies nur der wahre Berechtigte.
Die Tatsachen, aus denen sich die Beschwerdeberechtigung ergibt, müssen zwar nicht positiv festgestellt werden; es muss aber nach dem Vortrag des Beschwerdeführers zumindest die ernsthafte Möglichkeit der Rechtsbeeinträchtigung bestehen (Hügel/Kramer § 71 Rn. 198; Budde in Bauer/von Oefele GBO 3. Aufl. § 71 Rn. 64).
Daran fehlt es hier. Denn die Beteiligten zu 1 und 2 sind – auch nach eigenem Vorbringen -gegenwärtig (vgl. Staudinger/Gursky § 894 Rn. 64) nicht die Eigentümer des Grundbesitzes, selbst dann nicht, wenn die Verfügung des Vorerben ihnen gegenüber gemäß § 2113 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BGB im Fall des Eintritts der Nacherbfolge unwirksam wäre. Der Nacherbfall ist noch nicht eingetreten. Bis dahin haben die Beteiligten zu 1 und 2 nur ein unentziehbares und unbeschränkbares Anwartschaftsrecht an der Erbschaft, nicht an einzelnen Nachlassgegenständen, inne (Palandt/Weidlich BGB 76. Aufl. § 2100 Rn. 12).
c) Eine Beschwerdeberechtigung der Beteiligten zu 1 und 2 folgt auch nicht daraus, dass sie (sachlich zu Unrecht, siehe unter Ziff. 2.) monieren, die relative Verfügungsbeschränkung, denen der Vorerbe unterliege, ergebe sich nicht aus dem Grundbuch. Zwar entspricht es wohl allgemeiner Meinung, dass einen Berichtigungsanspruch nach § 894 BGB auch derjenige hat, dessen Rechtsposition durch die als fehlend oder unvollständig gerügte Eintragung einer solchen Verfügungsbeschränkung geschützt werden soll (Staudinger/Gursky § 894 Rn. 45). Die Beteiligten verfolgen mit ihrer Beschwerde jedoch ein anderes Ziel, nämlich nicht die Eintragung einer Verfügungsbeschränkung, sondern ausdrücklich die Eintragung eines Widerspruchs gegen die Eigentümereintragung.
d) Ein Beschwerderecht wird auch nicht allein dadurch begründet, dass das Grundbuchamt einer Anregung, von Amts wegen eine Eintragung vorzunehmen, nicht folgt (BayObLGZ 1969, 284/288).
2. Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen für die Eintragung eines Widerspruchs nach § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO auch nicht vorliegen. Die beanstandete Eintragung ist weder unter Verletzung des Rechts vorgenommen noch hat sie eine Grundbuchunrichtigkeit bewirkt.
a) Der in Abteilung II des Grundbuchs eingetragene Vermerk gemäß § 51 GBO ist bei Vollzug der Auflassung unverändert bestehen geblieben. Er dient der Offenlegung der Verfügungsbeschränkungen, denen der Vorerbe vor dem Nacherbfall unterworfen ist. Der Vorerbe kann nach §§ 2112, 2113 BGB Verfügungen, hinsichtlich derer er nach dem Gesetz Beschränkungen unterliegt, nur mit vorläufiger Wirkung rechtswirksam vornehmen. Allerdings ist seine Verfügung so lange dinglich wirksam, wie die Vorerbschaft dauert (Palandt/Weidlich § 2113 Rn. 8; MüKo/Grunsky BGB 7. Aufl. § 2113 Rn. 9). Der eingetragene Vermerk schützt die Rechtsposition des Nacherben und gleichermaßen des Ersatznacherben vor der Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs von Nachlassgegenständen; er bewirkt aber keine Grundbuchsperre. Einträge sind daher ohne Rücksicht auf das Recht des (Ersatz-)Nacherben vorzunehmen; seiner Beteiligung im Verfahren bedarf es ebenso wenig wie eines zusätzlichen gesonderten Vermerks über die gesetzlich angeordneten Wirkungen der Verfügungsbeschränkung. Das gilt unabhängig davon, ob eine befreite oder nicht befreite Vorerbschaft und ein entgeltliches oder unentgeltliches Geschäft vorliegen (OLG Frankfurt DNotZ 2012, 150 f.; Demharter § 51 Rn. 32).
b) Weil die gesetzliche Verfügungsbeschränkung des Vorerben erst dadurch zum Tragen kommt, dass mit Eintritt des Nacherbfalls die Wirksamkeit seiner Verfügung insoweit wegfällt, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würde (MüKo/Grunsky § 2113 Rn. 10), stimmt die im Grundbuch verlautbarte Eigentümerposition gegenwärtig mit dem materiellen Recht überein. Die erteilte Generalvollmacht deckte das Verfügungsgeschäft ab. Die – ohnehin nicht nachgewiesene – testamentarische Anordnung steht einer Bevollmächtigung grundsätzlich nicht entgegen. Vor Eintritt des Nacherbfalls kann der Nacherbe die relative Unwirksamkeit der Verfügung allenfalls durch entsprechende Feststellungsklage geltend machen (MüKo/Grunsky § 2113 Rn. 10 m. w. N.). Nach Eintritt des Nacherbfalls wird das Grundbuchamt hingegen bei entsprechendem Antrag nebst Nachweisen die Nacherben in Erbengemeinschaft eintragen.
4. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil die Beteiligten zu 1 und 2 die gerichtlichen Kosten schon nach dem Gesetz zu tragen haben, § 22 Abs. 1 GNotKG, und eine Erstattungspflicht für außergerichtliche Kosten im einseitig geführten Verfahren nicht in Betracht kommt.
Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 79 Abs. 1 Satz 1 GNotKG i. V. m. § 36 Abs. 1, 46 Abs. 1 GNotKG. Das wirtschaftliche Interesse der Beteiligten zu 1 und 2 an der Eintragung des Widerspruchs schätzt der Senat auf einen Bruchteil (rund 1/10) des Grundstückswerts.
Dieser dürfte mindestens mit dem im Jahr 2011 laut „Konzept“ angenommenen Betrag von 1,2 Mio. € zu bemessen sein.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) liegen nicht vor.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben