Erbrecht

Verbot der Überpfändung in der Immobiliarvollstreckung

Aktenzeichen  34 Wx 210/16

Datum:
15.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
ZfIR – 2016, 546
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GBO § 53 Abs. 1
ZPO § 803 Abs. 1 S. 2, § 866, § 867 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

1. Das auf die Vollstreckung in bewegliche Sachen zugeschnittene Verbot der Überpfändung findet in der Immobiliarvollstreckung weder direkt noch entsprechend Anwendung. (amtlicher Leitsatz)
2. Bei § 803 Abs. 1 S. 2 ZPO (Verbot der Überpfändung) handelt es sich um eine auf die Mobiliarvollstreckung zugeschnittene Pfändungsvorschrift. Sie dient ebenso wie § 803 Abs. 2 ZPO (Verbot der zwecklosen Pfändung) dem Schutz des Schuldners vor dem Verlust eines Vermögensgegenstandes. Im Immobiliarvollstreckungsrecht findet das Verbot keine Anwendung, weil die §§ 864 ff. ZPO und das ZVG einen vergleichbaren Grundsatz nicht enthalten (Fortführung von BGH BeckRS 2002, 30273395; BGH BeckRS 2004, 02389). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

unbekannt 2016-04-29 Ent AGTRAUNSTEIN AG Traunstein

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten gegen die je am 29. April 2016 im Wohnungsgrundbuch des Amtsgerichts Traunstein von Traunstein Bl. …, Dritte Abteilung, vollzogenen Eintragungen von Zwangssicherungshypotheken zu je 89.959,81 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. Februar 2014 für K. Heike (lfd. Nr. 2) und S. Wolfgang (lfd. Nr. 3) wird zurückgewiesen.

Gründe

I. Die Beteiligte ist Inhaberin eines mit dem Sondereigentum an einer Wohnung verbundenen Miteigentumsanteils. Nach dem gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbaren Endurteil des Landgerichts vom 19.1.2016 hat sie an die beiden Titelgläubiger je einen Betrag von 89.959,81 € nebst Zinsen in gesetzlicher Höhe seit dem 1.2.2014 zu bezahlen. Unter Vorlage einer vollstreckbaren Urteilsausfertigung nebst Bescheinigung über die Titelzustellung an die Beteiligte am 25.1. und 3.2.2016 beantragte der aus dem Urteilsrubrum als Vertreter der Titelgläubiger ersichtliche Rechtsanwalt am 27.4.2016 beim Grundbuchamt die Eintragung je einer Zwangshypothek über den titulierten Betrag zugunsten des jeweiligen Gläubigers zulasten des bezeichneten Wohnungseigentums.
Das Grundbuchamt hat am 29.4.2016 unter Bezugnahme auf den Titel zugunsten der Gläubiger je eine Zwangssicherungshypothek im Gleichrang untereinander in der beantragten Höhe eingetragen.
Gegen die Eintragung wendet sich die Beteiligte über ihre Verfahrensbevollmächtigte mit der Beschwerde vom 23.5.2016, mit der sie die Löschung der Zwangshypotheken und hilfsweise die Eintragung eines Amtswiderspruchs beantragt. Unter Hinweis auf die bereits vor Eintragung der Zwangshypotheken erfolgte Pfändung des gegen eine Sparkasse gerichteten Anspruchs auf Auszahlung des auf Geldmarktkonten vorhandenen Guthabens rügt sie einen Verstoß gegen das Überpfändungsverbot, der die Unrichtigkeit des Grundbuchs zur Folge habe.
Das Grundbuchamt hat nicht abgeholfen.
II. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
1. Gegen eine vollzogene und am öffentlichen Glauben des Grundbuchs teilnehmende Eintragung kann der Betroffene nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 2 GBO Beschwerde nur mit dem Ziel einlegen, gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO die Eintragung eines Widerspruchs gegen die Richtigkeit der beanstandeten Eintragung oder gemäß § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO deren Löschung wegen inhaltlicher Unzulässigkeit herbeizuführen (Demharter GBO 30. Aufl. § 71 Rn. 36 f. mit Rn. 49). Die in diesem Sinne beschränkte Beschwerde nach § 71 GBO – und nicht die Erinnerung nach § 766 ZPO oder die sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO – ist daher auch dann der zutreffende Rechtsbehelf gegen eine Zwangshypothek, wenn der Eigentümer Vollstreckungsmängel geltend macht (Hügel/Kramer GBO 3. Aufl. § 71 Rn. 71; Schöner/Stöber Grundbuchrecht 15. Aufl. Rn. 2199; Seiler in Thomas/Putzo ZPO 37. Aufl. § 765 Rn. 8b).
Daneben ist die Eintragung einer inhaltlich zulässigen Zwangshypothek ausnahmsweise gemäß § 71 Abs. 1 GBO mit dem Ziel der (berichtigenden) Löschung angreifbar, wenn die Eintragung wegen ganz gravierender Vollstreckungsmängel unheilbar nichtig ist und deshalb am öffentlichen Glauben des Grundbuchs nicht teilnimmt (Senat vom 15.4.2016, 34 Wx 34/16 und 34 Wx 37/16, juris; BayObLGZ 1992, 13/14; Bittmann in Wieczorek/Schütze ZPO 4. Aufl. § 867 Rn. 42; MüKo/Eickmann ZPO 4. Aufl. § 867 Rn. 51; Demharter § 53 Rn. 1) oder wenn nach dem konkreten Inhalt des Grundbuchs die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs der zwar eingetragenen, aber wegen heilbarer Mängel noch nicht entstandenen Hypothek sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft rechtlich ausgeschlossen ist (BGHZ 64, 194; Senat a. a. O.; OLG Frankfurt FGPrax 1998, 205 sowie OLGZ 1981, 261/262; Demharter § 71 Rz. 45; Schöner/Stöber Rn. 2199; Bittmann in Wieczorek/Schütze § 867 Rn. 57).
Das Vorliegen eines Ausnahmefalls der beschriebenen Art, in dem das Grundbuchamt zur Löschung angewiesen werden könnte, macht die Beteiligte nicht geltend und ist auch nicht ersichtlich.
Das somit nur im Übrigen statthafte Rechtsmittel erweist sich als zulässig (§ 73 GBO; § 10 Abs. 2 Satz 1, § 11 FamFG), aber unbegründet.
2. Mit dem Ziel der Amtslöschung kann die Beschwerde nicht durchdringen.
Unzulässig im Sinne von § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO sind nur Eintragungen, die nach ihrem Inhalt einen Rechtszustand oder -vorgang verlautbaren, den es aus Rechtsgründen nicht geben kann (BGH NJW-RR 2005, 10/11; BayObLGZ 2001, 301/305; OLG Karlsruhe FGPrax 2014, 49/50; Hügel/Holzer § 53 Rn. 56). Dabei muss sich die Unzulässigkeit der Eintragung aus dem Eintragungsvermerk selbst oder den zulässig in Bezug genommenen Eintragungsunterlagen ergeben (BayObLGZ 1975, 398/403).
Die mit der Beschwerde angegriffene Eintragung ist nicht in diesem Sinne unzulässig. Das Gesetz sieht die Eintragung von Zwangshypotheken mit dem in der Eintragung verlautbarten Inhalt vor, §§ 866, 867 Abs. 1 und 2 ZPO. Das für vorläufig vollstreckbar erklärte und daher gemäß § 704 ZPO als Vollstreckungstitel geeignete Endurteil, auf das in den Eintragungen Bezug genommen ist (§ 1115 Abs. 1 BGB), weist die konkret bezifferten Vollstreckungsforderungen (§ 1113 BGB) übereinstimmend mit den vorgenommenen Eintragungen aus.
3. Auch mit dem Ziel der Eintragung eines Amtswiderspruchs hat die Beschwerde keinen Erfolg.
Die Eintragung eines Amtswiderspruchs setzt gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO voraus, dass das Grundbuchamt unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften eine Eintragung vorgenommen hat, durch die das Grundbuch unrichtig geworden ist (Hügel/Holzer § 53 Rn. 15 f. und 24). Dabei müssen die Gesetzesverletzung feststehen und die Unrichtigkeit des Grundbuchs glaubhaft sein (Demharter § 53 Rn. 28).
a) Bei der Eintragung hat das Grundbuchamt nicht gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen.
aa) Die grundbuchrechtlichen Voraussetzungen für die Eintragung der Zwangshypotheken (Schöner/Stöber Rn. 2180 – 2183; Demharter Anh. zu § 44 Rn. 69) waren gegeben.
bb) Auch die vollstreckungsrechtlichen Voraussetzungen (Schöner/Stöber Rn. 2169 – 2179; Demharter Anh. zu § 44 Rn. 68 ff.) lagen vor.
(1) Die Eintragung erfolgte auf Antrag (§ 867 Satz 1 ZPO) der im Titel ausgewiesenen Gläubiger, die hierbei wirksam von ihrem im Erkenntnisverfahren beauftragten Verfahrensbevollmächtigten (§ 81 ZPO) vertreten wurden (BGH vom 26.2.2015, V ZB 30/14, juris Rn. 28; Seiler in Thomas/Putzo § 867 Rn. 3). Gemäß § 720a Abs. 1 Satz 1 Buchst. b ZPO waren die Gläubiger auch ohne Sicherheitsleistung (§ 751 Abs. 2 ZPO) befugt, die Sicherungsvollstreckung aus dem Urteil durch Eintragung einer Zwangshypothek in den Grundbesitz der Titelschulderin zu betreiben. Die vollstreckbare Ausfertigung des Titels lag dem Grundbuchamt vor (§§ 704, 724, 725 ZPO). Die Titelzustellung als Voraussetzung für den Beginn der Zwangsvollstreckung (§ 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO) geht aus der auf die vollstreckbare Ausfertigung gesetzten gerichtlichen Zustellbescheinigung hervor. Einer gesonderten Zustellung der einfachen Vollstreckungsklausel unter Einhaltung einer zweiwöchigen Mindestfrist zwischen Zustellung und Beginn der Zwangsvollstreckung (§ 750 Abs. 3 ZPO) bedurfte es nicht (BGH Rpfleger 2005, 547/548; Hügel/Wilsch ZwSi Rn. 66).
(2) Bei der Eintragungstätigkeit hat das Grundbuchamt nicht gegen § 803 Abs. 1 Satz 2 ZPO verstoßen. Nach dieser Vorschrift darf die Pfändung, mithin die Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung in bewegliches Vermögen (§ 803 Abs. 1 Satz 1 ZPO), nicht weiter ausgedehnt werden, als es zur Befriedigung des Gläubigers und zur Deckung der Kosten der Zwangsvollstreckung erforderlich ist. Auf die Vollstreckung in Immobiliarvermögen kann die Vorschrift nach ihrem Wortlaut und nach ihrer systematischen Einordnung in Titel 2 (Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen) des Abschnitts 2 (Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen) des Achten Buchs (Zwangsvollstreckung) der ZPO nicht angewandt werden. Zu den für alle Formen der Vollstreckung geltenden Allgemeinen Vorschriften des Abschnitts 1 des Achten Buchs der ZPO gehört die Norm nicht.
Eine vergleichbare Regelung ist dem Recht der Immobiliarvollstreckung (§§ 864 ff. ZPO sowie die Bestimmungen des ZVG) unbekannt. Mangels planwidriger Regelungslücke findet die Norm dort auch keine entsprechende Anwendung (vgl. BGHZ 151, 385/386 f.; Rpfleger 2004, 302; NJW-RR 2015, 850/851 Rn. 10 je zu § 803 Abs. 2 ZPO; LG Bad Kreuznach Rpfleger 1957, 353; MüKo/Gruber § 803 Rn. 61; Münzberg in Stein/Jonas ZPO 22. Aufl. § 803 Rn. 25; Lüke in Wieczorek/Schütze § 803 Rn. 43; Becker in Musielak/Voigt ZPO 13. Aufl. § 803 Rn. 12a; Tombrink in Prütting/Gehrlein ZPO 7. Aufl. § 803 Rn. 5; Fleck in Vorwerk/Wolf Beck-OK 20. Edition Stand 1.3.2016 § 803 Rn. 15). § 803 Abs. 1 Satz 2 ZPO (Verbot der Überpfändung) dient ebenso wie § 803 Abs. 2 ZPO (Verbot der zwecklosen Pfändung) dem Schutz des Schuldners vor dem Verlust eines Vermögensgegenstands (BGH NJW-RR 2011, 1693/1694). Die Nutzungsfunktion des Eigentums (siehe BGH Rpfleger 2004, 302) genießt danach Vorrang, wenn die Verwertung des gepfändeten Gegenstands zur Befriedigung der Gläubigerforderung nicht erforderlich ist (§ 803 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Zugeschnitten auf die Besonderheiten der Vollstreckung in bewegliche Sachen (BGH Rpfleger 2004, 302) hat der Gesetzgeber den insoweit bestehenden Interessenwiderstreit zwischen Gläubiger und Schuldner mit § 803 ZPO geregelt. Im Bereich der Immobiliarvollstreckung wurde der Rechtsschutz des Schuldners jedoch mit speziellen, ihrerseits nicht auf die Mobiliarvollstreckung anwendbaren Normen ausgestaltet.
(3) Selbst wenn ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis der Gläubiger an der Sicherungsvollstreckung in Grundvermögen bei Antragstellung nicht mehr bestanden haben sollte, liegt kein Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften bei der Eintragungstätigkeit des Grundbuchamts vor. Zwar muss ein Rechtsschutzbedürfnis als sachliche Verfahrensvoraussetzung auch der Zwangsvollstreckung in Immobiliarvermögen zugrunde liegen (BGHZ 151, 384/388; vgl. ferner BVerfGE 61, 126/135). Es fehlt allerdings nicht zwingend allein deshalb, weil die Gläubiger durch die vorangegangene Pfändung liquider Forderungen – nach der Behauptung der Beteiligten – gesichert sind (zu den hohen Anforderungen BGHZ 151, 384/388). Unabhängig davon war für das Grundbuchamt aus dem ihm unterbreiteten Sachverhalt ein etwaiger Mangel des Rechtsschutzbedürfnisses weder bekannt noch erkennbar. Das berechtigte Interesse an der Durchführung der Zwangsvollstreckung ist vielmehr grundsätzlich durch den Vollstreckungstitel selbst ausgewiesen (BGHZ 151, 384/388; BGH Rpfleger 2004, 302/303). Über die Werthaltigkeit gepfändeter Forderungen hatte das Grundbuchamt keine Erkenntnisse. Sollten die Gläubiger mit der Eintragung in das Grundbuch trotz anderweitig erlangter Sicherheit nicht schutzwürdige Ziele verfolgt haben, so blieb dies dem Grundbuchamt verborgen. Eine Gesetzesverletzung liegt aber dann nicht vor, wenn das Grundbuchamt – wie hier – das Gesetz auf den ihm bekannten Sachverhalt richtig angewandt hat (BGHZ 30, 255/258 f.; OLG Schleswig FGPrax 2007, 210; OLG Hamm FGPrax 2005, 192; Hügel/Kramer § 71 Rn. 101-103). Dies gilt auch, wenn ihm der Sachverhalt nicht vollständig unterbreitet worden ist (Schöner/Stöber Rn. 401; Hügel/Holzer § 53 Rn. 23 f.) und die Unvollständigkeit für das Grundbuchamt – wie hier – nicht erkennbar war. Eine Nachforschungspflicht hatte das Grundbuchamt nicht (BGHZ 30, 255; Hügel/Holzer § 1 Rn. 61).
b) Gemäß § 867 Abs. 1 Satz 2 ZPO sind die Zwangshypotheken mit Eintragung im Grundbuch entstanden. Damit ist auch eine Grundbuchunrichtigkeit nicht glaubhaft gemacht.
4. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Pflicht der Beteiligten, die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, folgt schon aus dem Gesetz, § 22 Abs. 1 GNotKG. Die Gläubiger waren am Verfahren nicht beteiligt, so dass insoweit keine Kosten entstanden sind.
Einer Geschäftswertfestsetzung bedarf es nicht. Der Wert des Beschwerdeverfahrens entspricht der Summe aus den Hauptsachebeträgen der beanstandeten Hypothekeneintragungen (§ 79 Abs. 1 Satz 2, § 53 Abs. 1 GNotKG).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) liegen nicht vor.


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