Erbrecht

Zum Erlöschen einer altrechtlichen Grunddienstbarkeit (Weiderecht) – Erfordernis der fehlenden Eintragung im Grundbuch des dienenden Grundstücks

Aktenzeichen  6 O 933/19

Datum:
15.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 42623
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Traunstein
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 242, § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 S. 2
BayAGBGB Art. 56 Abs. 3, Art. 57 Abs. 1

 

Leitsatz

Soweit Art. 57 Abs. 1, Art. 56 Abs. 3 S. 1 BayAGBGB das Erlöschen einer altrechtlichen Grunddienstbarkeit wegen Nichtausübung von der fehlenden Eintragung der Grunddienstbarkeit im Grundbuch abhängig macht, kommt es auf das Grundbuch des dienenden Grundstücks an. Eine Eintragung des Rechts im herrschenden Grundstück hindert das Erlöschen nicht.   (Rn. 13 – 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt es zu unterlassen, Vieh im Bereich M.- und W., konkret auf den Flurnummern … der Gemarkung Ü. und den Flurnummern … der Gemarkung Gr. aufzutreiben und/oder auftreiben zu lassen sowie dort weiden zu lassen.
2. Dem Beklagten wird für jede Zuwiderhandlung gegen die Ziff. 1) eine Verurteilung zu einem Ordnungsgeld bis zu 250.000 € ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.
3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 14.800,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.
I. Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Unterlassungsanspruch aus §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1 BGB zu. Das vormals bestehende Weiderecht des Beklagten ist infolge Nichtausübung nach Art. 57 Abs. 1, 56 Abs. 3 Satz 1 BayAGBGB erloschen. Auf dieses Erlöschen kann sich der Kläger auch berufen. 1. Nach Art. 57 Abs. 1, 56 Abs. 3 Satz 1 BayAGBGB erlischt eine nicht eingetragene altrechtliche Grunddienstbarkeit mit dem Ablauf von zehn Jahren nach der letzten Ausübung. Ein Erlöschen setzt demnach voraus: 1. Eine Nichtausübung der Grunddienstbarkeit für einen Zeitraum von 10 Jahren und 2. Eine fehlende Eintragung der Grunddienstbarkeit.
a) Das Weiderecht wurde vom Beklagten unstreitig jedenfalls zwischen 1980 und 2016 und damit mehr als 10 Jahre nicht ausgeübt. Auf die Frage, ob aufgrund unzureichenden Futterertrages eine Beweidung zwischen 1980 und 1984 nicht möglich war, kommt es dabei nicht an, weil selbst unter Berücksichtigung der Hemmung nach Art. 25 Abs. 1 BayFoRG die 10- Jahresfrist abgelaufen ist.
b) Das Weiderecht ist nicht im Grundbuch der dienenden Grundstücke eingetragen. Eine Eintragung des Rechts im herrschenden Grundstück ist nicht ausreichend. Dies ergibt sich nicht bereits aus dem Wortlaut der Art. 57 Abs. 1 bzw. 56 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 BayAGBGB, die jeweils lediglich von „im Grundbuch eingetragen“ sprechen. Das damit allein „im Grundbuch des belasteten Grundstücks eingetragen“ gemeint ist, ergibt sich sowohl aus der Gesetzesbegründung als auch aus dem Sinn und Zweck der Vorschriften sowie den Grundsätzen des Immobiliarsachenrechts und der Grundbuchordnung.
1) Nach der Gesetzesbegründung zu Art. 57 BayAGBGB (Bayerischer Landtag, Drucksache 9/10458, S. 24, 38 ff.) bezog man zum einen auf die Art. 187, 189 EGBGB. Diese beziehen sich auf das belastete Grundstück. Insoweit heißt es in der Gesetzesbegründung: „Für die vor Anlegung des Grundbuchs aufgrund der vor dem 1. Januar 1900 geltenden Vorschriften entstandenen sog. altrechtlichen Grunddienstbarkeiten (vgl. Art. 189 Abs. 1 Satz 1 EGBGB) bestimmt Art. 187 Abs. 1 Satz 1 EGBGB, daß sie zur Erhaltung der Wirksamkeit gegenüber dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs nicht der Eintragung im Grundbuch bedürfen. Die Eintragung ist jedoch gemäß Satz 2 auf Verlangen des Berechtigten oder des Grundstückseigentümers vorzunehmen. Art. 187 Abs. 2 EGBGB ermächtigt den Landesgesetzgeber zu bestimmen, daß solche Grunddienstbarkeiten zur Erhaltung der Wirksamkeit gegenüber dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs in das Grundbuch eingetragen werden müssen.“.
2) Auch nach dem Sinn und Zweck der Vorschriften der Art. 56, 57 belasteten Grundstücks ankommen. Hierzu heißt es in der Gesetzesbegründung unter anderem: „Art. 187 Abs. 2 Satz 1 EGBGB gestattet eine landesgesetzliche Regelung nur dahingehend, daß die Eintragung im Grundbuch zur Erhaltung der Wirksamkeit gegenüber dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs für erforderlich erklärt wird. Eine völlige Aufhebung der Altrechte nach Ablauf einer Anmeldefrist wäre mit Art. 14 GG nicht vereinbar. Mit der .im Rahmen des Art. 187 Abs. 2 EGBGB möglichen Regelung könnte deshalb nur erreicht werden, daß etwa bestehende, nicht eingetragene Rechte bei Erwerb des belasteten Grundstücks durch einen gutgläubigen Dritten erlöschen. Gelingt es dem Berechtigten, die Kenntnis des Erwerbers von dem Recht nachzuweisen, bleibt die nicht eingetragene Grunddienstbarkeit bestehen. Zu bedenken ist weiter, daß durch die heute noch ausgeübten altrechtlichen Grunddienstbarkeiten vorwiegend bäuerlicher Besitz belastet sein dürfte, von dem auch in Zukunft erwartet werden kann, daß er in großem Umfang durch Erbgang auf die nächste Generation übertragen wird. In diesen Fällen würden die Rechte trotz Nichteintragung im Grundbuch ohne Rücksicht auf guten oder bösen Glauben des Erben im Grundbuch bestehen bleiben. Eine nunmehrige Anordnung des Eintragungserfordernisses für altrechtliche Grunddienstbarkeiten würde zu Unruhe bei den beteiligten Bevölkerungskreisen, insbesondere der ländlichen Bevölkerung führen. Es kann davon ausgegangen werden, daß hinsichtlich der heute ausgeübten, aber nicht eingetragenen Rechte die Ausübung von den Grundstückseigentümern zwar geduldet wird, diese aber nicht ohne weiteres bereit sein werden, einer Eintragung in das Grundbuch zuzustimmen.“.
3) Schließlich ist allein eine Eintragung im Grundbuch des belasteten Grundstücks mit den Grundsätzen des Immobiliarsachenrechts und der Grundbuchordnung vereinbar. Soweit der Beklagte meint, zu ausreichenden „Sichtbarkeit“ des Weiderechts wäre auch eine Eintragung beim herrschenden Grundstück ausreichend, kann dem nicht gefolgt werden. Für die „Sichtbarkeit“ kann der Bezugspunkt nur der am belasteten Grundstück Berechtigte sein. Dieser kann jedoch eine bestehende Belastung allein dann erkennen, wenn entweder die Belastung tatsächlich für ihn sichtbar ist (d.h. tatsächliche Ausübung des Rechts) oder es sich für ihn aus den ihm zur Verfügung stehenden Urkunden, insbesondere Grundbuchakten ergibt. Diese se für sämtlich ggf. weit entfernten herrschenden Grundstücke zur Verfügung. Würde auch eine Eintragung allein im Grundbuch der herrschenden Grundstücke ausreichen, wäre dies mit einer erheblichen Rechtsunsicherheit verbunden. Eine Eintragung im Grundbuch des herrschenden Grundstücks kann damit keine konstitutive Bedeutung haben. Sie ist für die Entstehung, Inhaltsänderung und Aufhebung eines Rechts am belasteten Grundstück ohne Bedeutung. Die Rechtsvorgänge hängen allein von der Eintragung auf dem Blatt des belasteten Grundstücks ab. Inhalt des Grundbuchs im Sinne der §§ 892 ff. BGB sind allein die Eintragungen auf dem Blatt des belasteten Grundstücks. Nur der Inhalt dieses Blattes kommt für die Vermutung des § 891 BGB in Betracht (BayObLG, Beschluss vom 25.02. 1970 – BReg. 2 Z 50/69, BayObLGZ 1970, 45; BayObLG, Beschluss vom 05.11.1969 – BReg. 2 Z 58/69, BayObLGZ 1969, 284).
4) Auch bei der vergleichbaren Vorschrift des § 8 GBBerG kommt es für die Frage des Erlöschens eines Rechts allein auf eine Eintragung im Grundbuch des herrschenden Grundstücks an (hierzu: BGH, Beschluss vom 15.09.2016 – V ZR 56/16).
2. Das Berufen auf das Erlöschen des Weiderechts stellt sich auch nicht als treuwidrig (§ 242 BGB) dar. Der Beklagte hat weder eine (dem Kläger zurechenbare) Pflichtverletzung nachgewiesen noch sonstige Umstände vorgetragen, aus denen im konkreten Einzelfall ein grob unbilliges Ergebnis resultieren würde.
a) Der Beklagte hat nicht darlegen können, dass ein entsprechender Eintragungsantrag durch ihn oder einer seiner Rechtsvorgänger gestellt und vom Grundbuchamt pflichtwidrig nicht ausgeführt worden wäre. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass § 9 GBO nicht für Eintragungen gilt, die vor dem 01.01.1900 bewirkt wurden (BayObLG, Beschluss vom 25.02.1970 – BReg. 2 Z 50/69, BayObLGZ 1970, 45).
b) Auch etwaige falsche Mitteilungen oder Vergleichbares, die von staatlicher Seite kamen, sind nicht dargelegt. Insbesondere ist die beklagtenseits vorgetragene Mitteilung vom 12.01.1940 durch das Grundbuchamt, dass der Grundbesitz „nebst Forstrecht“ im Grundbuch umgetragen wurde, nicht falsch. Zum damaligen Zeitpunkt gab es keine 10-jährige Nichtausübung, so dass das Recht damals noch bestand. Die Mitteilung war daher nicht falsch oder irreführend.
3. Die Gefahr der Wiederholung i.S.d. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB ist gegeben. Der Beklagte hat von seinem vermeintlichen Nutzungsrecht in der Vergangenheit Gebrauch gemacht und auch die von Klägerseite geforderte strafbewährte Unterlassungserklärung nicht abgegeben.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckung aus § 709 S. 1 u. 2 ZPO.


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