Europarecht

15 U 180/22

Aktenzeichen  15 U 180/22

Datum:
11.5.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
OLG Koblenz 15. Zivilsenat
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:OLGKOBL:2022:0511.15U180.22.00
Spruchkörper:
undefined

Verfahrensgang

vorgehend LG Mainz, 5. Januar 2022, 9 O 247/21, Urteilnachgehend OLG Koblenz, 17. Juni 2022, 15 U 180/22, Beschlussnachgehend OLG Koblenz 15. Zivilsenat, 17. Juni 2022, 15 U 180/22, Beschluss

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil der Einzelrichterin der 9. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 05.01.2022, Az. 9 O 247/21, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Hinweises.

Gründe


I.
Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz im Zusammenhang mit dem sogenannten Dieselskandal.
Am 02.04.2019 erwarb der Kläger von einem nicht am Rechtstreit beteiligten Fahrzeughändler ein am 11.03.2016 erstmals zugelassenes Gebrauchtfahrzeug der Marke … 2.0 (FIN …) zu einem Betrag von 20.980,00 € (Bestellung, Anlage K 1a) mit einer Laufleistung von 54.635 km. Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor des Typs EA288 ausgestattet. Für diesen Fahrzeugtyp wurde die Typgenehmigung nach der VO (EG) Nr. 715/2007 mit der Schadstoffklasse Euro 6 erteilt. Zur Reduktion des Stickoxidausstoßes ist der streitgegenständliche PKW werkseitig mit einem System zur Abgasrückführung (AGR) und mit einem NOx-Speicherkatalysator (NSK) ausgerüstet. Bei der Abgasrückführung wird ein Teil der Abgase zurück in das Ansaugsystem des Motors geführt und nimmt erneut an der Verbrennung teil. Die Abgasrückführung wird unter anderem in Abhängigkeit von der Außentemperatur zurückgefahren (sog. „Thermofenster“). Die im Fahrbetrieb emittierten Stickoxide werden beim NSK in der Katalysatorbeschichtung eingelagert und im Fahrbetrieb regelmäßig „regeneriert“, d.h. der Katalysator wird in einem chemischen Vorgang geleert, durch den die eingelagerten Stickoxide größtenteils aus der Speicherstruktur entfernt und in die Komponenten Stickstoff (N2) und Kohlendioxid (CO2) reduziert werden. Im Straßenbetrieb erfolgt diese NSK-Regeneration (sog. DeNox-Event) in bestimmten Streckenintervallen (ca. alle 5 km) oder wenn der NSK voll „beladen“ ist, je nachdem, welches Ereignis zuerst eintritt. In die Motorsteuerung des streitgegenständlichen Fahrzeugs war eine Software implementiert, welche mittels einer sog. „Fahrkurvenerkennung“ (auch allgemein „Zykluserkennung“ genannt) die Vorkonditionierung („Precon“) für die Messung auf dem Teststand im „Neuen Europäischen Fahrzyklus“ (NEFZ) erkennt. Während des ca. 11 Kilometer langen Prüfprogramms des NEFZ findet keine beladungsgesteuerte Regeneration des Katalysators statt, sondern dieser wird lediglich streckengesteuert und deshalb stets genau zweimal je Zyklusdurchlauf geleert.
Gemäß einer mit Schreiben vom 29.12.2015 an das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) übersandten Applikationsrichtlinie der Beklagten vom 18.11.2015 (Anlage K 37 zum Klägerschriftsatz vom 09.12.2021, zu Bl. 101 ff., 206 eGA-LG), welche die Beschreibung der Funktion einer Fahrkurvenerkennung (sog. „Fahrkurve“) und die Planung der Entfernung derselben im Rahmen einer freiwilligen Servicemaßnahme enthielt, war die seinerzeit installierte Software ab der 22. Kalenderwoche 2016 auszubedaten. Die freiwillige Servicemaßnahme wurde durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) freigegeben.
Ein verpflichtender Rückruf für das Fahrzeug des Klägers wurde nicht angeordnet.
Im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur untersuchte das KBA im Frühjahr 2016 insgesamt 53 Fahrzeugmodelle verschiedener Hersteller im Hinblick auf Abgasmanipulationen zwischen Testbetrieb und Fahrbetrieb, darunter acht Fahrzeugmodelle mit dem Motortyp EA288 der Beklagten. Gemäß dem am 22.04.2016 veröffentlichten Untersuchungsbericht des KBA (Anlage B 1 zur Klageerwiderung vom 24.11.2021, zu Bl. 36 ff. eA-LG) wurden die EA288-Fahrzeuge in die Gruppe I „mit unauffälligem Verhalten“ eingeordnet, unzulässige Abgasmanipulationen wurden bei diesen Fahrzeugen nicht festgestellt.
Erstinstanzlich hat der Kläger Ansprüche aus deliktischer Haftung, insbesondere sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung geltend gemacht und hierzu im Wesentlichen vorgetragen, das Fahrzeug verfüge über unzulässige Abschalteinrichtungen in Gestalt einer Prüfstandserkennung, die das Durchfahren des NEFZ erkenne und einen speziellen Betriebsmodus aktiviere, sowie in Gestalt des Thermofensters und des NSK in seiner konkreten Ausgestaltung (Fahrkurvenerkennung); auch sei das System der On-Board-Diagnose (OBD) an das Thermofenster gekoppelt, womit eine weitere Prüfstandserkennung vorliege. Insgesamt würden hierdurch die Maßnahmen zur Reduzierung des Stickoxidausstoßes unter normalen Betriebsbedingungen teilweise außer Kraft gesetzt. Die Beklagte sei im Typgenehmigungsverfahren nicht ihrer Pflicht zur Angabe von Details der Motorsteuerung nachgekommen und habe zudem unzutreffende Angaben gemacht.
Der Kläger hat beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer … an die Klagepartei EUR 20.980,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit abzüglich EUR 2.523,08 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer … in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von EUR 1.214,99 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat schon den Einsatz unzulässiger Abschalteinrichtungen im streitgegenständlichen Fahrzeug in Abrede gestellt und ausgeführt, für eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung seien auch im Übrigen Anhaltspunkte nicht substantiiert vorgetragen. Sie habe das KBA bei der Erteilung der Typgenehmigung weder arglistig getäuscht noch ihm gegenüber falsche Angaben gemacht. Das Fahrzeug habe den Vorgaben der Euro 6-Norm zu jeder Zeit entsprochen und könne uneingeschränkt genutzt werden. Das Emissionskontrollsystem sei über verschiedene Parameter optimal gesteuert, was zulässig sei. Eine Prüfstanderkennung mit Umschaltlogik liege nicht vor. Das Emissionskontrollsystem arbeite im Fahrbetrieb auf der Straße unter denselben Bedingungen genauso wie auf dem Prüfstand. Auch könne ihr kein besonders verwerfliches Handeln vorgeworfen werden, da sie bei der Ausgestaltung des Emissionskontrollsystems zumindest einer vertretbaren Rechtsauffassung gefolgt sei.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe zu dem behaupteten Einsatz unzulässiger Abschalteinrichtungen bereits nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Es fehle insoweit auch am konkreten Bezug zum streitgegenständlichen Fahrzeug. Zudem seien Anhaltspunkte für eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nicht dargetan. Dabei wirke sich auch aus, dass die Beklagte hinsichtlich der von ihr verwendeten Motorsteuerungsfunktionen jedenfalls einer vertretbaren Rechtsauffassung gefolgt sei. Aussagekräftige Indizien für eine Täuschung des KBA im Genehmigungsverfahren seien dem Klägervortrag nicht zu entnehmen.
Gegen diese, seinen Prozessbevollmächtigten am 06.01.2022 zugestellte Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner am 03.02.2022 eingelegten und mit am 04.03.2022 eingegangenem Schriftsatz begründeten Berufung, mit der er unter Wiederholung, Vertiefung und Ergänzung seines erstinstanzlichen Vortrags das Klagebegehren im Wesentlichen weiterverfolgt. Er ist der Auffassung, das Landgericht habe zu Unrecht eine deliktische Haftung abgelehnt. Entgegen der Auffassung des Erstgerichts habe er hinreichend substantiiert zur Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen sowie zur diesbezüglichen Täuschung des KBA und der Käufer vorgetragen. Insbesondere bezüglich des Einsatzes des sog. Thermofensters seien hinreichende Anhaltspunkte für ein Unrechtsbewusstsein und ein vorsätzliches Handeln der Beklagten dargetan. Selbst wenn nur ein fahrlässiges Handeln der Beklagten angenommen werde, ergebe sich ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 Unterabsatz 2 und Art. 5 Abs.1 der VO (EG) Nr. 715/2007. Die Beklagte könne ihr Tun auch nicht damit rechtfertigen, Motorbauteile vor Beschädigungen durch bspw. Versottung schützen zu wollen. Seinen – des Klägers – Hinweis auf den bei einem anderen Fahrzeugmodell erfolgten Rückruf sowie den Sachvortrag zu weiteren unzulässigen Abschalteinrichtungen (Akustikfunktion, OBD-System etc.) habe das Landgericht übergangen und damit das rechtliche Gehör verletzt. Die der Beklagten obliegende sekundäre Darlegungslast, insbesondere zu Details der Motorsteuerung, habe das Landgericht zusätzlich verkannt.
Der Kläger beantragt:
1. Die Entscheidung des Landgerichts Mainz vom 05.01.2022, zugestellt am 06.01.2022, Az. 9 O 247/21, wird abgeändert.
2. Die Beklagte wird verurteilt, Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer … an die Klagepartei 20.980,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit abzüglich 4.599,41 € zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer … in Annahmeverzug befindet.
4. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 1.214,99 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages. Im Wesentlichen führt sie aus, der Kläger habe zu den objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer sittenwidrigen Schädigung nicht hinreichend vorgetragen und stelle weiterhin nur Mutmaßungen – insbesondere zur Unzulässigkeit des Thermofensters und der Fahrkurvenerkennung – an. Ohne konkreten Bezug zum streitgegenständlichen Fahrzeug bleibe das Vorbringen des Klägers unsubstantiiert. Angesichts dessen treffe sie – die Beklagte – auch keine sekundäre Darlegungslast, die zu näheren Angaben hinsichtlich des Typgenehmigungsverfahrens verpflichten könnte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen Urteil sowie auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).
II.
Die statthafte Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511, 517, 519, 520 ZPO).
Die Berufung hat nach einstimmiger Auffassung des Senats indes offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
1.
Vertragliche Gewährleistungsansprüche bestehen nicht, da der Kläger das Fahrzeug nicht von der Beklagten gekauft hat. Zwischen den Parteien wurden zu keinem Zeitpunkt unmittelbare Vertragsverhandlungen geführt, eine vertragliche Verbindung kam zwischen ihnen nicht zustande.
Vorvertragliche Ansprüche gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2, 249 Abs. 1 BGB sind ebenfalls nicht erkennbar. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Beklagte als Mutterkonzern der …[B] AG unmittelbar oder mittelbar an dem Kaufvertragsschluss (vgl. Bestellung unter dem Firmenlogo „…[B]“, Anlage K 1a, zu Bl. 1ff. eGA-LG) zwischen dem Kläger und dem Autohaus …[C] GmbH & Co. KG beteiligt gewesen wäre, noch, dass sie ein über ihr allgemeines Absatzinteresse hinausgehendes wirtschaftliches Interesse gerade an dem Gebrauchtfahrzeugkauf des Klägers besessen oder durch die Inanspruchnahme von Vertrauen diesen beeinflusst hätte (vgl. MüKo/Emmerich, 8. Aufl. 2019, BGB, § 311 Rn. 187 ff.). Allein der gute Name der Konzernmutter vermag eine Haftung nicht zu begründen (OLG Stuttgart, Urteil vom 04.08.2020 – 16a U 197/19 -, Rn. 57, juris).
Zwischen den Parteien besteht auch kein Garantievertrag. Soweit der Kläger sich insoweit in der Klage (Bl. 27 f. eA-LG) auf die vom Hersteller ausgestellte Übereinstimmungsbescheinigung berufen hat, ist dies zur Darlegung der Voraussetzungen eines Garantievertrages im vorliegenden Fall nicht geeignet. Die Übereinstimmungsbescheinigung begründet weder ein besonderes Vertrauen in die Beklagte noch gibt die Beklagte damit eine Garantieerklärung i.S.d. § 443 BGB ab. Die Beklagte hat mit der Übereinstimmungsbescheinigung die ihr vorgeschriebene Verpflichtung, nämlich die Bescheinigung der Übereinstimmung des Fahrzeuges mit der EG-Typgenehmigung, erfüllt. Einen Garantievertrag, welcher einen deutlich darüberhinausgehenden Inhalt aufweist, nämlich die Verpflichtung einzustehen, falls die Sache nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufweist oder andere als die Mängelfreiheit betreffende Anforderungen nicht erfüllt, die in der Erklärung oder einschlägigen Werbung beschrieben sind (§ 443 Abs. 1 BGB), wollte die Beklagte damit ersichtlich nicht abschließen (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 01.06.2021 – I-34 U 81/20 -, Rn. 62 m.w.N.; vgl. auch OLG Stuttgart, Urteil vom 04.08.2020 – 16a U 197/19 -, Rn. 52 ff., und Beschluss vom 14.12.2020 – 16a U 155/19 -, Rn. 44 ff., alle zitiert nach juris).
2.
Auch die Voraussetzungen der somit einzig in Betracht kommenden deliktischen Anspruchsgrundlagen sind nicht erfüllt.
Die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche ergeben sich nicht aus §§ 826, 31 BGB.
Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (BGH, Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19 -, Rn. 15, m.w.N., juris). Schon zur Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben. Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH, Urteil vom 29.09.2021 – VII ZR 126/21, Rn. 10, Beschluss vom 09.03.2021 – VI ZR 889/20, Rn. 12, Urteil vom 30.07.2020 – VI ZR 5/20, Rn. 29, Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19, Rn. 15, m.w.N., juris). Erforderlich ist darüber hinaus ein mit den objektiven Voraussetzungen korrespondierender Schädigungsvorsatz.
Das Vorliegen dieser Voraussetzungen kann hier nicht festgestellt werden.
Zwar hat der Bundesgerichtshof bereits mehrfach entschieden, dass das Inverkehrbringen eines Motors, in den – wie beim Motor EA189 der Beklagten – eine verborgene unzulässige Abschalteinrichtung mit Umschaltlogik eingebaut ist, die zur Folge hat, dass bestimmte Teile der Emissionskontrolle lediglich im Prüfstandbetrieb aktiviert werden, eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung darstellen kann (vgl. z.B. BGH, Urteile vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19 -, Rn. 16 ff. und vom 30.07.2020 – VI ZR 5/20 -, Rn. 32 ff., juris).
Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es jedoch nicht ausreichend, dass eine Abschalteinrichtung unzulässig ist, um dem Verhalten der Beklagten ein sittenwidriges Gepräge zu geben. Ein damit verbundener Gesetzesverstoß ist für sich genommen nicht geeignet, den Einsatz dieser Steuerungssoftware durch die für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen zu lassen (BGH, Beschluss vom 29.09.2021 – VII ZR 126/21 -, Rn. 12, Beschluss vom 19.01.021 – VI ZR 433/19 -, Rn. 16, Beschluss vom 09.03.2021 – VI ZR 889/20 -, Rn. 26; alle bei juris). Daher kann selbst ein – hier nicht gegebener – durch das KBA angeordneter verpflichtender Rückruf zwar eine unzulässige Abschalteinrichtung indizieren, nicht aber eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch die Fahrzeugherstellerin. Vielmehr müssen – wenn nicht schon aus der Funktionsweise der Abschalteinrichtung, insbesondere deren Prüfstandbezogenheit auf ein als sittenwidrig zu bewertendes Verhalten geschlossen werden kann – weitere Umstände hinzutreten, die das Verhalten der handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen (BGH, Beschluss vom 29.09.2021 – VII ZR 126/21 -, Rn. 14, Urteil vom 16.01.2021 – VII ZR 190/21 -, Beschluss vom 19.01.2021 – VI ZR 433/19 -, Rn. 19, Beschluss vom 09.03.2021 – VI ZR 889/20 -, Rn. 28; alle bei juris), und die Annahme tragen, dass die für die Beklagte handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung einer Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Fehlt es hieran, ist bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt (BGH, Beschluss vom 29.09.2021 – VII ZR 126/21 -, Rn. 12, Beschluss vom 19.01.021 – VI ZR 433/19 -, Rn. 19, Beschluss vom 09.03.2021 – VI ZR 889/20 -, Rn. 28; alle bei juris).
Gemessen an diesen Grundsätzen rechtfertigt die Ausstattung des streitgegenständlichen Fahrzeugs mit den vom Kläger als unzulässige Abschalteinrichtungen gerügten Funktionen nicht die Annahme einer sittenwidrigen Schädigung des Klägers durch die Beklagte. Sonstige Anhaltspunkte, die für ein sittenwidriges vorsätzliches Vorgehen der Beklagten zum Zeitpunkt des Kaufs des Fahrzeugs durch ihn sprechen, hat der Kläger nicht dargetan.
a)
Das sogenannte Thermofenster rechtfertigt den Vorwurf besonderer Verwerflichkeit bei der gebotenen Gesamtbetrachtung – unabhängig von der konkreten Konfiguration der Einrichtung bzw. des betroffenen Temperaturbereichs – nicht. Dies gilt auch dann, wenn eine solche Konfiguration im Ergebnis als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung 715/2007/EG zu qualifizieren ist (EuGH, Urteil vom 17.12.2020 – C-693/18, juris), denn ein darin liegender Verstoß ist für sich genommen nicht geeignet, den Einsatz dieser Steuerungssoftware durch die für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen zu lassen (BGH, Beschluss vom 13.10.2021 – VII ZR 179/21 -, Rn. 13, m.w.N.; juris).
Die Applikation einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems ist nicht mit der Verwendung der Prüfstanderkennungssoftware mit Umschaltlogik vergleichbar, wie sie ursprünglich beim Motor EA189 der Beklagten zum Einsatz kam. Anders als bei der beim Motor EA189 verwandten Prüfstanderkennungssoftware mit Umschaltlogik ist die beim Motor EA288 zum Einsatz kommende temperaturabhängige Steuerung des Emissionskontrollsystems nicht von vornherein durch Arglist geprägt (vgl. BGH, Urteil vom 13.07.2021 – VI ZR 128/20 -, Rn. 13 ff.; Beschlüsse vom 19.01.2021 – VI ZR 433/19 -, Rn. 17 f. und vom 09.03.2021 – VI ZR 889/20 -, Rn. 27 ff., juris). Denn eine temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung unterscheidet nicht danach, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im normalen Fahrbetrieb befindet. Sie weist gerade keine Funktion auf, die bei erkanntem Prüfstandbetrieb eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert und den Stickoxidausstoß gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert, sondern arbeitet in beiden Fahrsituationen im Grundsatz in gleicher Weise (vgl. zum Einsatz einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems BGH, Beschluss vom 19.01.2021 – VI ZR 433/19 -, Rn. 18, juris; vgl. auch statt vieler OLG Saarbrücken, Urteil vom 05.01.2022 – 2 U 86/21 -, Rn. 23, juris zu dem Motortyp EA288 der Beklagten).
Da nicht bereits aus der Funktionalität des Thermofensters auf ein sittenwidriges Handeln der für die Beklagte handelnden Organe geschlossen werden kann, bedarf es der Darlegung weiterer Umstände, um das Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen und darauf schließen zu lassen, dass diese Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung des Thermofensters in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Bei nur fahrlässiger Verkennung der Rechtslage fehlt es hingegen an dem für die Sittenwidrigkeit erforderlichen Bewusstsein der Rechtswidrigkeit (vgl. Grüneberg/Sprau, BGB, 81. Aufl. 2022, § 826, Rn. 8).
Hierfür ist vorliegend nichts ersichtlich.
Die europarechtliche Gesetzeslage war insoweit – zumindest bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 17.12.2020 – weder unzweifelhaft noch eindeutig. Dies zeigt bereits die kontrovers geführte Diskussion über Inhalt und Reichweite der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 a) VO (EG) 715/2007. Nach Einschätzung der vom Bundesverkehrsministerium (BMVI) eingesetzten Untersuchungskommission …[D] (vgl. Anlage B 1 zur Klageerwiderung vom 24.11.2021, zu Bl. 36 ff. eA-LG) liegt ein Gesetzesverstoß durch die von allen Autoherstellern eingesetzten Thermofenster jedenfalls nicht eindeutig vor. So heißt es im Bericht der Kommission zur Auslegung der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 a) VO (EG) 715/2007 ausdrücklich (BMVI, Bericht der Untersuchungskommission …[D], Stand April 2016, Seite 123):
„Zudem verstößt eine weite Interpretation durch die Fahrzeughersteller und die Verwendung von Abschalteinrichtungen mit der Begründung, dass eine Abschaltung erforderlich ist, um den Motor vor Beschädigung zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten, angesichts der Unschärfe der Bestimmung, die auch weite Interpretationen zulässt, möglicherweise nicht gegen die Verordnung (EG) Nr. 715/2007.
Konsequenz dieser Unschärfe der europäischen Regelung könnte sein, dass unter Berufung auf den Motorschutz die Verwendung von Abschalteinrichtungen letztlich stets dann gerechtfertigt werden könnte, wenn von Seiten des Fahrzeugherstellers nachvollziehbar dargestellt wird, dass ohne die Verwendung einer solchen Einrichtung dem Motor Schaden droht, sei dieser auch noch so klein.“
Zwar ist auf Seite 2 der Leitlinien C (2017) 352 vom 26.01.2017 der Europäischen Kommission ausgeführt, dass „sowohl die Definition als auch das Verbot von Abschalteinrichtungen (mit einigen Ausnahmen)“ „in Artikel 3 Absatz 10 beziehungsweise Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 715/2007 klar festgelegt“ ist. Diese Leitlinien ändern aber nichts daran, dass diese Bestimmung durchaus eine Unschärfe aufweist, die weite Interpretationen zulässt.
Zudem zeigt auch der in der Literatur (vgl. Führ, NVwZ 2017, 265) betriebene erhebliche Begründungsaufwand, um das „Thermofenster“ als unzulässige Abschalteinrichtung einzustufen, dass keine klare und eindeutige Rechtslage gegeben war, gegen die die Beklagte bewusst verstoßen hätte (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 04.07.2019 – 3 U 148/18 -, Rn. 6, juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 30.07.2019 – 10 U 134/19 -, Rn. 89, juris).
Aus der wie dargelegt – zumindest bis zur genannten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs – unklaren Gesetzeslage resultierte auch nicht die Verpflichtung der Beklagten, zur Vermeidung einer eventuell unrichtigen Auslegung Rechtsgutachten einzuholen oder die Europäische Kommission oder das KBA um Klarstellung zu ersuchen oder die für Käufer günstigste Auslegung zu wählen. Solange die Rechtsansicht – anders als z. B. beim Motor EA189 – nicht gänzlich unvertretbar ist, kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte vor ihrer Meinungsbildung ein Rechtsgutachten einholt, sich auf eine Rechtsauffassung der zuständigen Behörde oder anderer Stellen stützt oder ob sie diese selbst entwickelt. Maßgeblich ist nur die Vertretbarkeit der damaligen (und heutigen) Rechtsauffassung der Beklagten, wonach es sich bei dem Thermofenster nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt. Davon ist hier auszugehen, da sie vom KBA als Fachbehörde geteilt wird.
Eine entsprechende amtliche Auskunft hat das KBA am 08.03.2021 in einem anderen Rechtsstreit (LG Aschaffenburg, 12 O 138/20, zu einem EA288-Motor bei einem …[D] 2.0 110 kW) erteilt (Anlagenkonvolut B 20, zu Bl. 84 ff. eGA-LG):
„Die Korrektur kann aus Gründen des Motorschutzes gerechtfertigt sein, wenn dadurch u.a. übermäßige temperaturbedingte Ablagerungen oder Kondensation vermieden werden, die zur Beschädigung des Motors inklusive einzelner Bauteile führen. Eine Unzulässigkeit einer solchen Funktion wurde bei dem Motor EA288 von dem KBA nicht festgestellt.“
Vertritt ein Unternehmen eine Ansicht, die nach hier erfolgter Offenlegung der Tatsachen auch von der zuständigen Zulassungsbehörde geteilt wird, kann allein hierauf – selbst wenn sich diese Rechtsansicht letztlich nicht durchsetzen sollte – jedenfalls die Annahme eines sittenwidrigen Gepräges nicht gestützt werden (OLG Koblenz, Urteil vom 24.08.2021 – 3 U 184/21 -, juris Rn. 39 m.w.N.; vgl. auch OLG Stuttgart, Urteil vom 30.07.2019 – 10 U 134/19 -, Rn. 90, juris).
Auch soweit der Kläger meint, die Beklagte habe dem KBA die Abgasnachbehandlungsstrategien im Genehmigungsverfahren nicht hinreichend offengelegt (vgl. Klageschrift, Bl. 23 eGA-LG), kann dies letztlich dahinstehen. Selbst bei einer unterbliebenen Offenlegung der genauen Wirkungsweise des Thermofensters gegenüber dem KBA folgen keine Anhaltspunkte dafür, dass die für die Beklagte handelnden Personen in dem Bewusstsein agierten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden (vgl. BGH, Beschluss vom 25.11.2021 – III ZR 202/20 -, Rn. 15, juris). Denn dem KBA war nach dem unstreitigen Parteivortrag die Verwendung von Thermofenstern bei allen Herstellern und die in diesem Zusammenhang geführte rechtliche Diskussion um den Motorschutz bekannt. Es war deshalb zu einer Überprüfung des Emissionsverhaltens der Fahrzeuge – gegebenenfalls nach weiteren Rückfragen beim Hersteller – ohne weiteres in der Lage (vgl. BGH, Beschluss, a.a.O.) und wäre bei fehlenden Angaben nach dem Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG gehalten gewesen, diese zu erfragen (vgl. BGH, Urteil vom 16.09.2021 – VII ZR 190/20 -, Rn. 26, juris). Entgegen der Ansicht des Klägers ist daher die Einholung einer amtlichen Auskunft beim KBA, ob ihm bei Genehmigung die genaue Wirkungsweise des Thermofensters in dem streitgegenständlichen Fahrzeugtyp bekannt gewesen sei, (vgl. Berufungsbegründung; Bl. 33 eGA-OLG), nicht veranlasst.
Dem weiteren Vortrag des Klägers lassen sich ebenfalls keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Vergleichbarkeit der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems mit einer Prüfstandserkennungssoftware entnehmen.
Soweit der Kläger auf Messungen der …[A] verweist und pauschal behauptet, die Testergebnisse sprächen für das Vorliegen einer Umschaltlogik (Replik, Bl. 104 eGA-LG), bietet dies ebenfalls keinen ausreichenden greifbaren Anhaltspunkt dafür, dass die für die Beklagte handelnden Personen in dem Bewusstsein agierten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, zumal der Emissionsausstoß im Echtbetrieb zwangsläufig von dem auf dem Prüfstand abweicht und sich nicht erschließt, dass die Parameter der Testung (der DUH) denen des NEFZ entsprechen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.12.2020 – 5 U 318/19 -, Rn. 30, juris; zu den einzelnen NEFZ-Bedingungen: vgl. Anlage K 32, zu Bl. 206 ff. eGA-LG, BMVI, Bericht der Untersuchungskommission „…[D]“, Stand April 2016; Seite 9 f.). Hinzu kommt, dass es sich bei dem klägerseits bezeichneten Testfahrzeug, einen …[D] 2.0 … Euro 6 (Replik, Bl. 107 eGA-LG), ausweislich der im Gutachten aufgeführten technischen Daten um ein Fahrzeug mit einem 140 kW-Motor und einem SCR-Katalysator handelt (Anlage K 11, zu Bl. 101 ff. eGA-LG), wohingegen das streitgegenständliche Fahrzeug nach den tatbestandlichen Feststellungen des Erstgerichts mit einem NOx-Speicherkatalysator (NSK) ausgerüstet ist und eine Leistung von 150 kW, also eine andere technische Ausstattung hat, und nicht wie der Kläger vorträgt (Replik, Bl. 107 eGA-LG), dem untersuchten Motor entspreche (vgl. zu dieser Problematik auch OLG Hamm, Urteil vom 09. 01.2020 – 13 U 235/18 -, Rn. 53, juris).
Überdies kommt es entgegen der Auffassung des Klägers (vgl. u.a. Klageschrift; Bl. 5 eGA-LG, Berufungsbegründung; Bl. 45 f. eGA-OLG), nicht auf die Messwerte im realen Straßenverkehr und die behaupteten Diskrepanzen zwischen Stickoxidemissionen unter Prüfstandbedingungen und auf der Straße an, weil nach damaliger Rechtslage zur Erlangung der Typgenehmigung allein die Prüfstandbedingungen maßgeblich waren (vgl. BGH, Urteil vom 13.07.2021 – VI ZR 128/20 -, Rn. 23, juris) und die Real Driving Emissions-Grenzwerte erst seit dem 01.09.2017 für neue Fahrzeugtypen stufenweise verbindlich wurden (vgl. BMDV aktuell, „Informationen zu aktuellen Abgastests“, Stand 18.02.2022, https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/StV/Stras-senverkehr/informationen-zu-wltp-tests.html), somit nicht für das bereits im März 2016 zugelassene Fahrzeug (vgl. Bestellung, Anlage K 1a, zu Bl. 1 ff. eGA-LG) galten.
b)
Ein sittenwidriges Handeln der Beklagten ergibt sich auch nicht aus der Fahrkurvenerkennung in der hier zu betrachtenden Form („Akustikfunktion“).
Eine solche Zykluserkennung ist nach den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur dann geeignet, eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung zu begründen, wenn sich an die Erkennung des Prüfstands ein Eingriff in das Emissionskontrollsystem anschließt, durch den dieses im Prüfstandbetrieb anders arbeitet als im realen Fahrbetrieb. Dies ist nicht dargelegt.
Schon aus der als Anlage B 11 mit der Klageerwiderung vom 24.11.2021 (zu Bl. 36 ff. eA-LG) vorgelegten amtlichen Auskunft des KBA vom 13.11.2020 zu einer Anfrage des Oberlandesgerichts Stuttgart in einem anderen gegen die Beklagte gerichteten Streitverfahren, ob der Motor EA288 des dort streitgegenständlichen Fahrzeuges (…[B] A4 sport Avant 2.0 TDI) mit einer Abschalteinrichtung in Form der von dem Motor EA189 bekannten „Umschaltlogik“ mit den „Betriebsmodi 0 und 1“ ausgerüstet sei, ergibt sich auf der Grundlage durchgeführter Prüfungen der Behörde vielmehr das Gegenteil:
„Die Funktion „Umschaltlogik” in der Motorsteuerung der Aggregate des EA288 wird seitens des KBA nicht als unzulässige Abschalteinrichtung beurteilt. Der bloße Verbau einer Fahrkurvenerkennung ist nicht unzulässig, solange die Funktion nicht als Abschalteinrichtung gemäß Art. 3 Abs. 10 der Verordnung (EG) 715/2007 genutzt wird. Prüfungen im KBA zeigen, dass auch bei Deaktivierung der Funktion die Grenzwerte in den Prüfverfahren zur Untersuchung der Auspuffemissionen nicht überschritten werden, sodass es sich nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt.“
Die mit der Klageerwiderung vorgelegte weitere amtliche Auskunft des KBA vom 08.10.2020 (Anlagenkonvolut B 10, zu Bl. 36 ff. eA-LG) bestätigt dies:
„Der Fahrzeugtyp …[D] 2.0 … 110 kW Euro 5 mit einem Motor aus dem Entwicklungsauftrag (EA) 288 mit einem AGR-System wurde durch das KBA überprüft. Dieser Fahrzeugtyp ist hinsichtlich des Motors sowie der Abgasnachbehandlung mit dem streitgegenständlichen Fahrzeug (Anm. d. Senats: …[B] 2.0 …) technisch vergleichbar. … Es konnte keine Unzulässigkeit bei der softwareseitigen Überprüfung der Motorsteuerungs-Software festgestellt werden. Das streitgegenständliche Fahrzeug weist daher nach diesseitigem Kenntnisstand keine unzulässige Abschalteinrichtung oder Konformitätsabweichung hinsichtlich des Emissionsverhaltens auf. Es wurden weder Nebenbestimmungen zu diesem Fahrzeug angeordnet, noch besteht ein behördlich angeordneter Rückruf.“
Dass für sein konkretes Fahrzeug etwas Anderes gälte, ergibt sich auch nicht aus dem Verweis des darlegungs- und beweispflichtigen Klägers (vgl. Replik vom 09.12.2021, Bl. 101 ff. eGA-LG) auf die mit einem Motor EA288 ausgestatteten und zurückgerufenen Fahrzeuge aus der Modellreihe …[D]… . Soweit der Kläger dennoch die Auffassung vertritt (Replik, a.a.O.), die Auskunft des KBA vom 16.12.2020 (K 17, zu Bl. 206 ff. eGA-LG) „beweise“ das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung, widerstreitet dieser Annahme der klare Wortlaut der Auskunft, wonach das KBA bei dem dort in Rede stehenden Fahrzeug (…) eine Abweichung, jedoch keine Abschalteinrichtung festgestellt hat:
„Bei obigem Fahrzeug (…[D] … – Rückrufaktion 23Z7 –) wurde eine Abweichung von den Abgasemissionsvorschriften festgestellt. Der Fahrzeughersteller wurde durch das KBA verpflichtet, die Abweichung abzustellen. Dazu hat er alle betroffenen Fahrzeuge zurückgerufen.“
Zwar legt der Kläger mit Schriftsatz vom 09.12.2021 (Anlage K 19, zu Bl. 120 eGA-LG) eine anderslautende Halteraufforderung der Zulassungsstelle des Landratsamts …[Z] vom 04.01.2021 zu einem anderen, ebenfalls der Rückrufaktion 23Z7 unterlegenen Fahrzeug („Personenbeförderung mit 8 Sitzplätzen, Kombilimousine“) vor:
„Rückrufsaktion 23Z7; wie uns das KBA mitteilt, ist in Ihrem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut.“
Demgegenüber ergibt sich indes aus einer späteren amtlichen Auskunft des KBA an das Landgericht Berlin vom 01.02.2021 (Anlagenkonvolut B 20) zu einem…[D] 1.6 l Diesel 81 kW, dass es bei keinem einzigen Fahrzeug der Motorbaureihe EA288 eine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt hat, somit das in dem Halteranschreiben des Landratsamts bezeichnete Fahrzeug allenfalls von einem Rückruf (nur) aufgrund einer Konformitätsabweichung hätte betroffen sein können:
„Das KBA führte insgesamt sehr umfassende Untersuchungen an Fahrzeugen mit Motoren der Reihe des Entwicklungsauftrages (EA) durch. Es wurde weder bei dem streitgegenständlichen Fahrzeugtypen (…[D] 1.6 l Diesel 81 kW) noch bei einem anderen Fahrzeug, welches ein Aggregat des EA 288 aufweist, eine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt. Es wurden daher weder Nebenbestimmungen angeordnet, noch besteht ein behördlich angeordneter Rückruf aufgrund als unzulässig eingestufter Abschalteinrichtungen.
Die Fahrkurvenerkennung in der Motorsteuerung der Aggregate des Entwicklungsauftrags (EA) 288 wird nach den Untersuchungen des KBA nicht als unzulässige Abschalteinrichtung beurteilt. Der bloße Verbau einer Fahrkurvenerkennung ist nicht unzulässig, solange die Funktion nicht als Abschalteinrichtung gemäß Art. 3 Abs. 10 der Verordnung (EG) 715/2047 genutzt wird. Prüfungen im KBA zeigen, dass auch bei Deaktivierung der Funktion die Grenzwerte in den Prüfverfahren zur Untersuchung der Auspuffemissionen nicht überschritten werden, sodass es sich nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt.“
Dass das KBA deutlich zwischen einer Konformitätsabweichung und einer unzulässigen Abschalteinrichtung unterscheidet, ergibt sich aus dem weiteren Inhalt seiner amtlichen Auskunft vom 01.02.2021:
„Das streitgegenständliche Fahrzeug …[D] 1,6 l Diesel 81 kW Euro 6 mit der FIN (…) weist keine unzulässige Abschalteinrichtung oder Konformitätsabweichung hinsichtlich des Emissionsverhaltens auf.“
Auch der allgemein gehaltene Hinweis des Klägers (Replik, Bl. 101 ff., eGA-LG, Anlage K 10, zu Bl. 106 eGA-LG) auf den Bericht des KBA vom Januar 2020 verhilft seinem Sachvortrag hinsichtlich des Vorliegens einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht zu mehr Substanz.
Selbst wenn man zugunsten des Klägers die im streitgegenständlichen Fahrzeug implementierte Fahrkurvenerkennung als unzulässige Abschalteinrichtung annehmen wollte, ergäbe sich daraus noch kein sittenwidriges Vorgehen der Beklagten, da angesichts des Vorstehenden nicht von deren bewusst unzulässiger Verwendung durch die Beklagte auszugehen wäre. Ihr – von demjenigen des Klägers abweichendes – Normverständnis wird nämlich nicht nur vom KBA als der für die Typgenehmigung zuständigen Behörde geteilt, sondern auch zumindest von Teilen der obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG München, Beschluss vom 08.03.2021 – 17 U 6806/20 -; OLG Stuttgart, Urteil vom 04.05.2021 – 16a U 202/19 -, Rn. 56; OLG Schleswig, Urteil vom 13.07.2021 – 7 U 188/20 -, Rn. 44, 45, alle zitiert bei juris) und ist daher zumindest durchaus vertretbar. Wie bereits zum Thermofenster dargelegt, kann aber ein Handeln unter vertretbarer Auslegung des Gesetzes nicht als besonders verwerfliches Verhalten angesehen werden (OLG Stuttgart, Urteil vom 30.07.2019 – 10 U 134/19 -, Rn. 90, juris).
Unter Berücksichtigung all dessen kann auch anhand der pauschalen Behauptungen des Klägers zum Vorliegen von weiteren unzulässigen Abschalteinrichtungen ein sittenwidriges Handeln der Beklagten nicht erkannt werden. Soweit der Kläger darüber hinaus einzelne, angeblich bestehende weitere unzulässige Abschalteinrichtungen anführt, wie bspw. Lenkwinkelerkennung, drehzahlabhängige Abschaltung der Abgasreinigung und Ladeverhalten der Autobatterie (Bl. 174 ff. eGA-LG), bleibt dies insgesamt ohne Bezug zum streitgegenständlichen Fahrzeug. Auch auf den insoweit zutreffenden Vorhalt der Beklagten, es fehlten jegliche Anhaltspunkte für die Verknüpfung einer Lenkwinkelerkennung zu einer Umschaltung in ein abweichendes Getriebeschaltprogramm (Beklagtenschriftsatz vom 18.12.2021, Bl. 227 eGA-LG), hat der Kläger seinen Vortrag nicht substantiell ergänzt.
Mit dem Vorstehenden ist zugleich den Vorwürfen des Klägers zu dem nach seiner Auffassung „manipulierten“ OBD-System die Grundlage entzogen. Das OBD-System ist selbst keine Abschalteinrichtung, sondern ein Fahrzeugdiagnosesystem, das während des Fahrbetriebs bestimmte (gesetzlich festgelegte) abgasrelevante Bauteile auf ihre grundsätzliche Funktionsfähigkeit überwacht und einen nicht ordnungsgemäßen Betrieb der Abgassysteme im Normalbetrieb anzeigt. Das System dient der Überprüfung der Fahrtüchtigkeit des Fahrzeugs sowie der Erkennung eventuell auftretender Fehler im System. Auch unter Beachtung des Sachvortrags des Klägers, der selbst von einem reinen Kontrollsystem ausgeht (Replik, Bl. 101 ff. 186 ff. eGA-LG), ist nicht ersichtlich, inwieweit durch die von ihm behauptete Manipulation des OBD-Systems auf das Abgasverhalten und den Emissionsausstoß konkret eingewirkt worden sein soll. Der Vortrag des Klägers gibt aber auch unter dem Gesichtspunkt einer Verdeckungstechnologie keine greifbaren Anhaltspunkte, die für die Sittenwidrigkeit des Verhaltens der Beklagten sprechen könnten. Bei seiner Behauptung, die Beklagte habe das OBD-System manipuliert, spekuliert der Kläger und zieht aus der Nichtanzeige von Fehlern eine ungerechtfertigte Schlussfolgerung. Abgesehen davon, dass der Kläger aus der Nichtanzeige eines Fehlers durch das OBD-System auf eine Manipulation durch die Beklagte schließt und damit schlicht das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung oder sonstiger Systemfehler unterstellt, für die er indes keine greifbaren Tatsachen aufzeigt, hat er mit diesem Zirkelschluss auch keine Umstände aufgezeigt, die auf ein sittenwidriges Handeln der Beklagten schließen lassen (vgl. auch OLG Oldenburg, Urteil vom 14.05.2021 – 6 U 310/20 -, Rn. 91 f., juris).
c)
Soweit der Kläger zur Begründung der geltend gemachten Ansprüche Langzeitschäden und fehlende Garantieübernahme der Beklagten für den Fall des Aufspielens eines Software-Updates behauptet (Klageschrift, Bl. 7 eGA-LG), fehlt es schon an einem schlüssigen Vortrag dazu, dass ihm ein solches Update für das streitgegenständliche Fahrzeug angeboten wurde. Zudem handelte es sich bei den behaupteten negativen Auswirkungen um technische Folgen (bspw. erhöhter Kraftstoffverbrauch), die zwar möglicherweise einen Mangel (im kaufrechtlichen Sinne) darstellen könnten, aber nicht geeignet wären, das Handeln der Beklagten als besonders verwerflich erscheinen zu lassen. Ungeachtet dessen ist auch nicht ersichtlich, dass die behauptete Schädigung durch ein Software-Update – wenn es dies für den streitbefangenen Motor denn gäbe – kausal sein könnte für den vorliegend geltend gemachten Schaden in Form des ungewollten Kaufvertragsschlusses, der zur Rückgängigmachung der Vertragsfolgen führen soll. Die Schädigungshandlung läge zeitlich nach dem Kaufvertragsschluss und könnte den Vertragsschluss als solchen von vornherein nicht beeinflussen.
d)
Auch sonstige Umstände, die für ein verwerfliches Vorgehen der Beklagten – die Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen unterstellt – sprächen, hat der Kläger nicht dargetan.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 30.07.2020 – VI ZR 5/20 -; Beschluss vom 09.03.2021 – VI ZR 889/20 -, juris) ist für die Bewertung eines schädigenden Verhaltens als sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB in einer Gesamtschau dessen Gesamtcharakter anhand des gesamten Verhaltens des Schädigers bis zum Eintritt des Schadens beim konkreten Geschädigten zu ermitteln. Fallen die erste potenziell schadensursächliche Handlung (hier die behauptete Täuschung des KBA über das Thermofenster oder die Fahrkurvenerkennung im Typgenehmigungsverfahren) und der Eintritt des Schadens (potentiell ungewollter Fahrzeugerwerb durch den Kläger) zeitlich auseinander, ist der Bewertung eines schädigenden Verhaltens als sittenwidrig das gesamte Verhalten des Schädigers bis zum Eintritt des Schadens bei dem konkreten Geschädigten zugrunde zu legen (BGH, Beschluss vom 09.03.2021 – VI ZR 889/20 -, Rn. 13; OLG Koblenz, Urteil vom 30.03.2021 – 3 U 1438/20 -, juris).
Nach diesem Maßstab wäre das Verhalten der Beklagten jedenfalls zum Zeitpunkt des Fahrzeugerwerbs durch den Kläger am 02.04.2019 nicht mehr als objektiv sittenwidrig anzusehen.
Mit der Ad-hoc-Mitteilung der Beklagten vom 22.09.2015 und der in der Presse veröffentlichten Mitteilung vom selben Tage, dass Millionen Fahrzeuge der Konzernmarken mit einer vom KBA beanstandeten Software ausgestattet waren (vgl. den Bericht der Untersuchungskommission …[D],Anlage K 32, Klägerschriftsatz vom 09.12.2021, zu Bl. 206 ff; vgl. auch OLG Schleswig, Urteil vom 11.03.2022 – 1 U 94/21 -, Rn. 3, juris; vgl. statt vieler etwa auch OLG Schleswig, Urteil vom 11.02.2022 – 1 U 49/21 -, Rn. 4, juris) wurde die strategische unternehmerische Entscheidung, im eigenen Kosten- und Gewinninteresse das KBA und letztlich die Fahrzeugkäufer zu täuschen, erkennbar ersetzt durch die Strategie, an die Öffentlichkeit zu treten, Unregelmäßigkeiten einzuräumen und in Zusammenarbeit mit dem KBA Maßnahmen zur Beseitigung des gesetzwidrigen Zustandes zu erarbeiten, um die Gefahr einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung zu bannen. Das nunmehrige Bemühen der Beklagten um die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben zeugt zudem von der Aufgabe ihrer gleichgültigen und rücksichtslosen Gesinnung im Hinblick auf die die Umwelt und Gesundheit der Bevölkerung schützenden Rechtsvorschriften (BGH, Urteil vom 08.12.2020 – VI ZR 244/20 -, Rn. 15, juris; zum Kauf nach Ad-hoc-Mitteilung vgl. auch BGH, Urteil vom 30.07.2020 – VI ZR 5/20 -, Rn. 32 ff., juris). Die Beklagte hat mit dem KBA zusammengearbeitet und eine Klärung darüber herbeigeführt, ob das KBA als zuständige Behörde für die Erteilung der Typgenehmigung die in der Motorsteuerung verbaute Software als unzulässige Abschalteinrichtung qualifiziert. Anders als für Fahrzeuge mit dem Motor EA189 ordnete das KBA aber keinen (verpflichtenden) Rückruf der EA288-Fahrzeuge an. Droht aber wie hier nach einer Offenlegung des Sachverhalts und einer Zusammenarbeit mit der zuständigen Behörde nach deren eigenen Untersuchungen keine Betriebsbeschränkung oder -untersagung, ist bei einer Gesamtwürdigung der Vorwurf eines sittenwidrigen Verhaltens nicht gerechtfertigt (vgl. auch OLG Stuttgart, Urteil vom 22.09.2020 – 16a U 55/19 -; OLG Brandenburg, Urteil vom 25.02.2021 – 5 U 99/20 -; OLG Bremen, Beschluss vom 15.03.2021 – 3 U 94/20 -; OLG München, Beschluss vom 15.03.2021 – 20 U 7287/20 -; zum Fehlen eines Schadens bei fehlendem Stilllegungsrisiko: OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21.12.2020 – 10 U 102/19 -; OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.02.2021 – I-12 U 21/20 -; OLG Bamberg, Urteil vom 26.11.2020 – 1 U 368/19 -; OLG Dresden, Urteil vom 04.12.2020 – 9a U 2074/19 – , alle zitiert bei juris).
e)
Überdies ist auch ein Vorsatz der Beklagten nicht hinreichend dargetan.
In subjektiver Hinsicht setzt der Schädigungsvorsatz gem. § 826 BGB zwar keine Schädigungsabsicht im Sinne eines Beweggrundes oder Zieles voraus. Der Handelnde muss die Schädigung des Anspruchstellers aber gekannt beziehungsweise vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen, jedenfalls aber für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben. Es genügt nicht, wenn die relevanten Tatumstände lediglich objektiv erkennbar waren und der Handelnde sie hätte kennen können oder kennen müssen oder sie sich ihm sogar hätten aufdrängen müssen; in einer solchen Situation ist lediglich ein Fahrlässigkeitsvorwurf gerechtfertigt (BGH, Beschluss vom 29.09.2021 – VII ZR 126/21 -, Rn. 24 m.w.N.). Ein solcher Vorsatz ist vorliegend schon wegen der bereits dargelegten unsicheren Rechtslage nicht festzustellen, aufgrund derer sich den für die Beklagte tätigen Personen die Gefahr einer Schädigung des Klägers nicht aufdrängen musste.
3.
Der Kläger kann sein Begehren auch nicht auf andere Anspruchsgrundlagen stützen.
a)
Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil das hier betroffene Vermögen bzw. die Dispositionsfreiheit des Klägers kein sonstiges Recht im Sinn dieser Vorschrift darstellt (MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl. 2020, BGB § 823 Rn. 423).
b)
Ein Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB scheidet aus, da nach dem Vorstehenden die Beklagte den Kläger nicht arglistig getäuscht hat.
c)
Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 5 VO (EG) Nr. 715/2007 bzw. mit §§ 6, 27 EG-FGV scheitert schon daran, dass das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, nicht im Aufgabenbereich dieser Normen liegt (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19 -, Rn. 73 ff. und Urteil vom 30.07.2020 – VI ZR 5/20 -, Rn. 12, juris; OLG Koblenz, Urteil vom 26.01.2020 – 3 U 1283/20 -, BeckRS 2021, 1744 Rn. 25).
d)
Auch eine Haftung der Beklagten für Verrichtungsgehilfen aus § 831 BGB ist nicht gegeben, da aus den oben genannten Gründen schon nicht von einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigungshandlung ausgegangen werden kann.
4.
Da nach alledem ein Schadensersatzanspruch des Klägers nicht gegeben ist, ist weder der Zahlungsantrag zu Ziff. 1 begründet noch stehen dem Kläger die mit den anderen (Feststellungs- bzw. Freistellungs-) Anträgen geltend gemachten Ansprüche zu.
III.
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Fall der Berufungsrücknahme ermäßigen sich die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
Zu einer Aussetzung des Rechtsstreits gemäß § 148 ZPO bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in den Verfahren Az. C-663/19 – 1 und C-100/21 sieht sich der Senat nach dem bisherigen Vorbringen des Klägers nicht veranlasst.
Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren entsprechend dem Zahlungsantrag auf 16.380,59 € festzusetzen (§ 47 GKG). Der Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs hat keinen eigenständigen wirtschaftlichen Wert (BGH, Beschluss vom 20.06.2017 – XI ZR 109/17 -, Rn. 4, juris, m. w. N.). Die aufgewandten Rechtsanwaltskosten zur Durchsetzung des im laufenden Verfahren geltend gemachten Hauptanspruchs wirken sich als Nebenforderungen (§ 4 Abs. 1 ZPO) ebenfalls nicht streitwerterhöhend aus.


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