Europarecht

3 B 312/21

Aktenzeichen  3 B 312/21

Datum:
13.1.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG Halle (Saale) 3. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
Spruchkörper:
undefined

Verfahrensgang

nachgehend Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 9. Mai 2022, 1 M 13/22, Beschlussnachgehend Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt 1. Senat, 9. Mai 2022, 1 M 13/22, Beschluss

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Der am 28.12.2021 beim beschließenden Gericht wörtlich gestellte Antrag,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 28.12.2021 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 21.12.2021 gem. § 80 Abs. 5 VwGO wiederherzustellen,
hat keinen Erfolg.
Der wörtlich gestellte Antrag wäre bereits gem. § 80 Abs. 5 VwGO nicht statthaft. Gem. § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO können zwar Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung entfalten, deren Wiederherstellung im Wege des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO betrieben werden kann. Grds. ist § 80 VwGO allerdings nur bei allen belastenden Verwaltungsakten anwendbar, gegen die im Verfahren der Hauptsache ein Anfechtungsrechtsbehelf gegeben ist. Nur dann kann es einen Suspensiveffekt geben, der angeordnet oder wiederhergestellt werden kann. Da die Antragsgegnerin mit ihrem Antrag auf Eilrechtsschutz allerdings einen Weiterbetrieb der Spielhalle III begehrt, deren Erlaubnis zum 31.12.2021 abgelaufen ist, benötigt sie eine positive Entscheidung der Antragsgegnerin, die nur im Rahmen eines Verpflichtungsbegehrens durchgesetzt werden kann. Eine insofern durch das Gericht erfolgende Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung würde demnach ins Leere verlaufen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Antragsgegnerin etwaig einen falschen Rechtsschein gesetzt hatte, indem sie im streitgegenständlichen Bescheid vom 21.12.2021 rechtswidrig die sofortige Vollziehung des Bescheides angeordnet hatte.
Insofern kann ein einstweiliger Rechtsschutz allenfalls über § 123 Abs. 1 VwGO in Betracht kommen. Demnach war der Antrag der Antragsgegnerin entsprechend in einen Antrag nach § 123 Abs. 1 Satz 1, 2 VwGO umzudeuten. Bei eindeutig im Sinne von § 80 Abs. 5 VwGO formulierten Eilanträgen kann eine Umdeutung in einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung angezeigt sein, wenn dadurch dem wahren Rechtsschutzziel des Antragstellers entsprochen wird. Nach § 88 VwGO darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. Dem Gericht obliegt es danach, das tatsächliche Rechtsschutzbegehren zu ermitteln und zur Grundlage seiner Sachprüfung zu machen. Dabei ist maßgeblich auf das gesamte Parteivorbringen abzustellen. Unter Anwendung der für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätze ist das wirkliche Rechtsschutzziel anhand des sich aus der prozessualen Erklärung und den sonstigen Umständen ergebenden Parteiwillens zu ermitteln; der Wortlaut der Erklärung tritt insoweit hinter deren Sinn und Zweck zurück. Zu berücksichtigen ist neben dem Klageantrag und der Klagebegründung insbesondere auch die Interessenlage des Klägers, soweit sie sich aus dem Parteivortrag und sonstigen für das Gericht und den Beklagten als Empfänger der Prozesserklärung erkennbaren Umständen ergibt (vgl. zum vorstehenden: BVerwG, Beschluss vom 12.03.2012 – 9 B 7/12 – juris Rn. 5; Beschluss vom 13.01.2012 – 9 B 56/11 – juris Rn. 7; jeweils m. w. N.). Die Umdeutung scheitert auch nicht etwa daran, dass der Kläger anwaltlich vertreten ist. (vgl. Dombert, in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, vorläufiger Rechtsschutz, Rn. 271; Schoch/Schneider/Schoch, 41. EL Juli 2021, VwGO § 123, Rn. 104b). Ist der Kläger bei der Fassung des Antrags anwaltlich vertreten, kommt der Antragsformulierung allerdings gesteigerte Bedeutung für die Ermittlung des tatsächlich Gewollten zu. Selbst dann darf die Auslegung jedoch vom Antragswortlaut abweichen, wenn die Antragsbegründung, die beigefügten Bescheide oder sonstige Umstände eindeutig erkennen lassen, dass das wirkliche Klageziel von der Antragsfassung abweicht (BVerwG, a. a. O., Rn. 6 bzw. Rn. 8).
Die vorstehenden Grundsätze gelten auch in selbstständigen Beschlussverfahren, in denen § 88 VwGO entsprechend anwendbar ist (§ 122 Abs. 1 VwGO). Das Gericht ist namentlich auch in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gehalten, Anträge nach § 88 VwGO sachdienlich auszulegen und mit Blick auf das erkennbare wahre Rechtsschutzziel gegebenenfalls umzudeuten. Das Festhalten an dem Wortlaut eines für unzulässig erachteten Antrages darf auch gegenüber einem anwaltlich vertretenen Antragsteller nicht zu einer mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht zu vereinbarenden unzumutbaren Erschwerung des Rechtswegs führen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 23.10.2007 – 2 BvR 542/07 – NVwZ 2008, 417; hier zitiert nach juris Rn. 17; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.10.2013 – OVG 12 S 106/13 -, BeckRS 2013, 58019, beck-online).
Da insofern die Antragsgegnerin in ihrem Bescheid vom 21.12.2021 rechtswidrig die sofortige Vollziehung angeordnet hatte, muss sie sich auch daran messen lassen, dass die Antragstellerin dabei zunächst in ihrem Antrag die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung begehrt. Aus der Antragsbegründung und der zu berücksichtigenden Interessenlage der Antragstellerin wird allerdings hinreichend deutlich, dass ihr Eilrechtsschutzbegehren auf den vorübergehenden Weiterbetrieb der streitgegenständlichen Spielhalle III bis zu einer abschließenden Entscheidung der Antragsgegnerin im Widerspruchsverfahren gerichtet ist. Da es sich gegenüber der Antragsgegnerin insofern um ein Verpflichtungsbegehren handelt, kann die Antragstellerin dies nur über einen Regelungsantrag gem. § 123 Abs. 1 Satz 1, 2 VwGO erreichen. Im Hinblick auf das erkennbare Rechtsschutzziel ist daher das Begehren der Antragstellerin in einen Antrag nach § 123 Abs. 1 Satz 1, 2 VwGO i.S. einer Regelungsanordnung umzudeuten, in der Sie begehrt, die Antragsgegnerin bis zu einer abschließenden Entscheidung im Widerspruchsverfahren zu verpflichten, ihr eine glückspielrechtliche Erlaubnis zum Betrieb der Spielhalle III zu erteilen bzw. den Geschäftsbetrieb bis dahin zu dulden.
Der so verstandene Antrag ist zwar statthaft und insbesondere zulässig, aber unbegründet.
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1, 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. § 123 VwGO setzt daher sowohl ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtschutzes (Anordnungsgrund) als auch einen Anordnungsanspruch voraus, die glaubhaft zu machen sind (§ 123 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).
Glaubhaft machen heißt, dass bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren erforderlichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage überwiegend wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen für einen Anspruch gegeben sind.
Diesen Maßstab zugrunde gelegt kann die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch nicht hinreichend glaubhaft machen. Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage erweist sich die Ablehnung der glückspielrechtlichen Erlaubnis für die Spielhalle III über den 31.12.2021 hinaus und die Ablehnung der Duldung des Spielhallenbetriebs als rechtmäßig.
Die glücksspielrechtliche Erlaubnispflicht ist durch die landesrechtlichen Regelungen im Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV 2021) vom 29.10.2020 in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.06.2021 (GVBl. S. 689) und den entsprechenden Ausführungsgesetzen geregelt. Der Landesgesetzgeber hat von § 24 Abs. 3 GlüStV Gebrauch gemacht und in § 2 des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Spielhallen im Land Sachsen-Anhalt vom 25.06.2012 (GVBl. LSA 2012, 204, 212) (SpielhG LSA) eine Erlaubnispflicht nach § 24 GlüStV getroffen.
Unstreitig besteht für die Spielhalle III nach Ablauf der Befristung aufgrund der zwischen den Beteiligten geschlossenen Vereinbarung vom 13.06.2018 mit einer befristet erteilten Erlaubnis nach § 2 Abs. 1 SpielhG LSA bis zum 31.12.2021 keine Erlaubnis mehr. Die Antragstellerin beantragte daraufhin bei der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 20.12.2021 die Verlängerung der Erlaubnis über den 31.12.2021 hinaus auf unbestimmte Zeit bzw. die Erteilung einer neuen Erlaubnis auf Basis des GlüStV (2021) sowie hilfsweise die Verlängerung der Erlaubnis bzw. die Duldung des Betriebs für einen Zeitraum von 10 Monaten über den 31.12.2021 hinaus.
Dieser Antrag ist von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 21.12.2021 aufgrund des Versagungsgrundes des § 2 Abs. 4 Nr. 6 SpielhG LSA wegen baulichen Verbunds mit einer weiteren Spielhalle abgelehnt worden.
Nach dieser Norm ist der Betrieb der im baulichen Verbund mit einer unmittelbar angrenzenden weiteren Spielhalle stehenden Spielhalle materiell illegal und wegen des von der Antragsgegnerin angeführten Versagungsgrundes nach § 2 Abs. 4 Nr. 6 SpielhG LSA (Verbundverbot) nicht erlaubnisfähig. Das sog. Verbundverbot bewirkt, dass an einem Standort nur noch eine Spielhalle zugelassen werden darf. Damit wird ein baulicher Verbund verschiedener Spielhallen, insbesondere ein Betrieb in demselben Gebäude oder Gebäudekomplex ausgeschlossen. Berücksichtigt wird hierbei unter anderem auch, dass Mehrfachspielhallen die Intention der bundesrechtlichen Spielverordnung unterlaufen, zur Verhinderung und Bekämpfung von Spielsucht die Höchstzahl der Geldspielgeräte je Standort zu begrenzen. Zunächst ist offensichtlich, dass jedenfalls nur eine der im Verbund betriebenen Spielhallen erlaubnisfähig ist. Für die mit der hier strittigen Spielhalle III im Verbund stehende Spielhalle I hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit der Vereinbarung zur Spielhallenerlaubnis vom 13.06.2018 eine bis zum 30.06.2032 befristete Erlaubnis nach § 2 Abs. 1 SpielhG LSA erteilt, sodass daneben die hier im Streit stehende Spielhalle (derzeit) nicht zugleich erlaubnisfähig ist. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin handelt es sich hierbei auch nicht um eine Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin. Vielmehr wird dem Wortlaut des Erteilungstatbestandes in § 2 Abs. 2 SpielhG LSA und der Versagungsgründe in § 2 Abs. 4 SpielhG LSA deutlich, dass es sich insofern um eine gebundene Entscheidung der zuständigen Behörde handelt.
Nach derzeit geltendem Recht sind auch keine gegenläufigen landesgesetzlichen Regelungen vorhanden und entgegen der Auffassung der Antragstellerin in nächster Zeit auch nicht zu erwarten. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der aktuell seit dem 01.07.2021 vorliegenden staatsvertraglichen Neuregelung zur Glücksspielregulierung, die die Ministerpräsidenten der Bundesländer im März 2020 durch den Glücksspielneuregulierungsstaatsvertrag beschlossen haben. Die Öffnungsklausel des § 29 Abs. 4 GlüStV sieht für Bundesländer dabei die Möglichkeit einer Abweichung vom Verbundverbot vor. Diese soll für am 01.01.2020 bestehende Spielhallen, die in einem baulichen Verbund mit weiteren Spielhallen stehen, auf gemeinsamen Antrag der Betreiber für bis zu drei Spielhallen je Gebäude oder Gebäudekomplex gelten. Voraussetzung hierfür ist, dass mindestens alle Spielhallen von einer akkreditierten Prüforganisation zertifiziert worden sind und die Zertifizierung in regelmäßigen Abständen mindestens alle zwei Jahre wiederholt wird, die Betreiber über einen aufgrund einer Unterrichtung mit Prüfung erworbenen Sachkundenachweis verfügen und das Personal der Spielhallen besonders geschult wird.
Zwar spricht vieles dafür, dass in den Genuss der geplanten Regelung grundsätzlich solche am 01.01.2020 bestehenden Verbundspielhallen gelangen werden, die am 01.01.2020 rechtmäßig betrieben worden sind, für die also eine Erlaubnis unter Befreiung vom Verbundverbot erteilt worden oder zumindest offensichtlich zu Unrecht versagt worden war, ohne dass zuvor rechtzeitig gerichtlicher Rechtsschutz hätte erlangt werden können (OVG NRW, Beschluss vom 16.03.2020 – 4 B 977/18 – juris). Dies folgt daraus, dass das Betreiben einer Spielhalle ohne die hierfür erforderliche Erlaubnis bußgeldbewährt ist und bei der Auslegung einfachen Rechts innerhalb der Grenzen des methodisch Zulässigen ein Auslegungsergebnis vermieden werden soll, das zu normativen Wertungswidersprüchen führt (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 13.05.2015 – 8 C 12.14 – juris). Es handelt sich um eine Bestandsschutzregelung, die berücksichtigt, dass einige Länder in ihren bestehenden Ausführungsbestimmungen auf Basis der bisherigen Härtefallregelung des § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV den Betrieb von Verbundspielhallen unter bestimmten Anforderungen ermöglicht haben (OVG NRW, Beschluss vom 29.06.2020 – 4 B 665/19 – juris).
Da das Land Sachsen-Anhalt allerdings bisher von dieser Öffnungsklausel noch keinen Gebrauch gemacht hat und laut Antragsgegnerin durch Mitteilung des Landesverwaltungsamtes vom Mai 2021 auch insgesamt keinen Gebrauch machen wird, ist nach den derzeit vorliegenden Erkenntnissen davon auszugehen, dass es bei dem aus § 25 Abs. 2 GlüStV statuierten Verbundverbot. Insofern ist nach summarischer Prüfung des ablehnenden Bescheides der Antragsgegnerin vom 21.12.2021 auch keine Unbilligkeit zu erkennen, an der Befristung bis zum 31.12.2021 festzuhalten. Vielmehr ist sie hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung an das geltende Recht gebunden.
Entgegen der Rechtsauffassung der Antragstellerin begegnet auch das innerhalb des GlüStV und des SpielhG LSA geregelte Abstandsgebot und Verbundverbot von Spielhallen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist geklärt, dass die Regelungen des GlüStV und die auf die §§ 24 ff. GlüStV gestützten Regelungen der Art. 9 ff. AGGlüStV zum Betrieb der Spielhallen mit den Grundrechten aus Art. 12, Art. 14 und Art. 3 Grundgesetz (GG) vereinbar sind. Die von den Ländern im Rahmen der bundesrechtlichen Kompetenzordnung (vgl. BVerfG, Urteil vom 07.03.2017 – 1 BvR 1314/12 u.a. – BVerfGE 145, 20 LS 1 und Rn. 97 ff.) erlassenen Regelungen für die Anforderungen an den Betrieb von Spielhallen nach den §§ 24 ff. GlüStV i.V.m. den Ausführungsregelungen im Landesrecht sind verfassungsgemäß (zur grds. Verfassungskonformität des GlüStV vgl. BVerfG NVwZ 2008, 133. – Zur Vereinbarkeit des GlüStV mit Art. 49, 56 AEUV vgl. EuGH WRP 2010, 1338 (berichtigt in WRP 2010, 1564)). Zudem liegt auch nach stetiger Rechtsprechung mit dem Abstandsgebot und dem Verbundverbot kein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip und den Gleichbehandlungsgrundsatz vor. Durch die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags sollen das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht verhindert und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung geschaffen werden. Dies soll insbesondere durch den in §§ 25 Abs. 1 GlüStV, 2 Abs. 4 Nr. 6 SpielhG LSA vorgesehenen Mindestabstand von 200 m erreicht werden. Ein milderes Mittel als die schrittweise Rückführung der Zahl der Spielhallen, um die Anforderungen an den Mindestabstand zu erfüllen, ist nicht ersichtlich. Die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen die Bestandsinteressen der Betroffenen. Mit der beabsichtigten Verhinderung und Bekämpfung der Spielsucht (§ 1 Satz 1 Nr. 1 GlüStV) verfolgt der Gesetzgeber ein besonders wichtiges Gemeinwohlziel (vgl. VG Ansbach Beschluss vom 19.08.2013 – AN 4 E 13.01180 – juris; BayVerfGH, Entscheidung vom 28.06.2013, Vf. 10-VII-12, Vf. 11 VII-12, Vf. 12-VI-12, Vf. 14-VII-12, Vf. 19-VII-12 – juris; VG Saarlouis, Beschluss vom 19.11.2013 – 1 L 833/13 – Rn. 13, juris), dass selbst objektive Berufswahlbeschränkungen rechtfertigen könnte (BVerfG, Urteil vom 28.3.2006 – 1 BvR 1054/01 – BVerfGE 115, 276).
Dies ist entgegen dem schriftsätzlichen Vorbringen und den Ausführungen der Antragstellerin auch hinsichtlich des tatsächlichen Vollzugs der Begrenzung anderer Formen des Glücksspiels, etwa des virtuellen Glückspiels, der Fall. Angesichts einer Vielzahl von Glücksspielangeboten ist ein zeitgleiches Vorgehen aller Vollzugsbehörden gegen alle Anbieter selbst bei Einsatz erheblicher Ressourcen nicht möglich. Es liegt jedoch ein systematisches Handeln der nach der Zuständigkeitsverteilung der Länder zuständigen Behörden etwa hinsichtlich des Angebots im Bereich der Wetten, des Angebots von Glücksspielen im Internet (vgl. etwa die Untersagungsverfügung, die der Entscheidung des BVerwG, Urteil vom 26.10.2017 – 8 C 14.16 – juris, zugrunde liegt – zum Verbot von Spielen im Internet und zum zeitlichen Ablauf des Einschreitens gegen Online-Spiele; ebenso NdsOVG, Beschluss vom 12.04.2018 – 11 LA 501/17 – juris Rn. 40: „ist geklärt, dass ein strukturelles Vollzugsdefizit im Bereich der Online-Casinospiele […] nicht besteht“) und des Betriebs von Spielbanken (vgl. etwa OVG Hamburg, Urteil vom 07.02.2018 – 4 Bf 217/17 – juris Rn. 131 ff. und Rn. 147 ff.) vor. Ein darüberhinausgehender, alle Bereiche des Glücksspiels umfassender, in einheitlicher Weise bestehender Vollzug ist demgegenüber nicht gefordert und auch faktisch nicht möglich (vgl. VG Augsburg, Urteil vom 13.06.2018 – Au 8 K 17.1088 –, Rn. 70, juris).
Zuletzt sind Anhaltspunkte dafür, dass der Antragstellerin zur Abwicklung des Spielhallenbetriebes unter Härtefallgesichtspunkten eine weitere Frist zu gewähren sein müsste, nicht gegeben. Ein Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis für die Spielhalle III unter weiterer Befreiung von dem Verbundverbot im Sinne der Härtefallregelung des § 11 Abs. 2 SpielhG LSA kommt nach den derzeit vorliegenden Erkenntnissen nicht in Betracht. Danach kann die zuständige Behörde nach Ablauf der Übergangsfrist des § 11 Abs. 1 SpielhG LSA eine Befreiung von der Erfüllung einzelner Anforderungen, so auch des Verbundverbots, zulassen, wenn dies zur Vermeidung unbilliger Härten erforderlich ist. Hierbei sind der Zeitpunkt der Erteilung der Erlaubnis gemäß § 33i GewO sowie die Ziele des § 1 GlüStV zu berücksichtigen. Dabei gilt allerdings zu beachten, dass eine Härtefallregelung gem. § 11 Abs. 2 SpielhG LSA nur für sog. Bestandsspielhallen i.S.d. § 11 Abs. 1 Satz 1SpielhG LSA angewendet werden kann.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin handelt es sich bei der streitgegenständlichen Spielhalle III nicht um eine solche Bestandsspielhalle. Dieser wurde erst am 23.12.2011 eine Erlaubnis gem. § 33 i) Abs. 1 GewO erteilt, weshalb sie nicht als Bestandsspielhalle nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SpielhG LSA, sondern als Spielhalle gem. § 11 Abs. 1 Satz 2 SpielhG LSA gilt, auf welche die in § 11 Abs. 2 SpielhG LSA vorgesehen Härtefallregelung keine Anwendung findet. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Antragstellerin mit Bescheid vom 16.06.2017 durch die Antragsgegnerin in Anwendung der Härtefallregelung des § 11 Abs. 2 SpielhG LSA rechtswidrig eine Ausnahme erteilt worden ist, obwohl sie auch zu diesem Zeitpunkt nicht die Voraussetzungen der Härtefallregelungen erfüllt hatte. Insbesondere kann sich die Antragstellerin hierbei auch nicht auf einen Anspruch aus dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG berufen. Nach Art. 20 Abs. 3 GG muss die an Gesetz und Recht gebundene Verwaltung in jeder Hinsicht, also auch im Hinblick auf den Gleichheitssatz, rechtmäßig handeln. Dabei gebietet es der Gleichheitssatz nicht, gesetzwidrig gewährte Begünstigungen aus Gründen der Gleichbehandlung auch in weiteren Fällen zu gewähren; die Gleichheit ist nicht „im Unrecht“ durch Erweiterung des Gesetzesverstoßes herzustellen, sondern „im Recht“, nämlich dadurch, dass die Begünstigung überhaupt niemandem gesetzwidrig gewährt wird (vgl. Sachs/ Jaspers, JuS 2016, 769, beck-online).
Darüber hinaus liegt auch die in § 11 Abs. 2 SpielhG LSA geforderte unbillige Härte nicht vor. Dies folgt bereits daraus, dass die Antragstellerin spätestens seit der befristet erteilten Erlaubnis nach § 2 SpielhG LSA am 16.06.2017 bzw. am 13.06.2018 absehen konnte, dass ihre Spielhallen gegen das Verbundverbot verstoßen und somit zwei Spielhallen zu schließen sind. Die für die Spielhalle III bis zum 31.12.2021 befristete Erlaubnis wurde bereits unter Anwendung der Härtefallregelung erteilt.
Der Begriff der unbilligen Härte unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Überprüfung. Bei der standortbezogenen Betrachtung reicht eine wirtschaftliche Betroffenheit allein nicht aus. Härten, die dem Gesetzeszweck entsprechen und die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Tatbestands bewusst in Kauf genommen hat, können eine Befreiung aus Billigkeitsgründen nicht rechtfertigen. Ebenso wenig vermögen typische, den gesetzgeberischen Vorstellungen von einer gesetzlichen Regelung entsprechende Folgen eine sachliche Unbilligkeit zu begründen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 04.09.2017 – 11 ME 206/17 – juris). Es muss sich um besonders gelagerte Fallkonstellationen handeln, damit das Ziel des Landesgesetzgebers, die Anzahl und Dichte der Spielhallen zu verringern, nicht durch eine extensive Anwendung der Härtefallregelung konterkariert wird. Dabei kommen nur unvorhersehbare und irreparable Härten in Betracht, die auch durch eigene Anstrengungen, planvolle Vorausschau und wirtschaftliches Alternativverhalten nicht hätten vermieden oder zumindest abgemildert werden können (Lackner/Pautsch, GewArch Beilage WiVerw Nr. 03/2016, S. 215). Ansonsten handelt sich es um Härten, die aus dem Gesetzeszweck folgen und die der Landesgesetzgeber bei der Ausgestaltung des SpielhG LSA bewusst in Kauf genommen hat. Insgesamt gelten für das Vorliegen eines die Durchbrechung des allgemeinen Verbots rechtfertigenden Härtefalls strenge Maßstäbe (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 28.02.2017 – 1 BvR 1103/15 – juris; OVG Thüringen, Beschluss vom 23.03.2018 – 3 EO 640/17 – juris). Wirtschaftliche Einbußen und der Verlust von Einnahmemöglichkeiten sowie sonstige Belastungen, die mit der Schließung von Spielhallen verbunden sind, können allein regelmäßig keine Härte begründen (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 09.07.2018 – 4 Bs 12/18 – juris Rn. 118; OVG NRW, Beschluss vom 16.03.2020 – 4 B 977/18 – juris).
Die Antragstellerin hat die ihr nach der Härtefallregelung des § 11 Abs. 2 SpielhG LSA eingeräumte Übergangszeit, soweit ersichtlich, nicht hinreichend genutzt, um ihr Unternehmen umzustrukturieren, den Geschäftsbetrieb am streitgegenständlichen Standort schonend abzuwickeln und Möglichkeiten zur Kündigung oder Anpassung des Mietvertrages auszuschöpfen.
Eine darüberhinausgehende bzw. neu hinzugetretene unbillige Härte ist nicht ersichtlich. Die Antragstellerin hat nicht schlüssig dargelegt, dass aufgrund der verfügten Schließung der Spielhalle III eine konkret bevorstehende, nicht anders abwendbare Existenzvernichtung ihres gesamten Unternehmens droht.
Die von ihr angeführten Gesichtspunkte begründen nicht das Vorliegen einer besonderen Härte. Denn sie stellen keine besonderen atypischen Umstände dar, die die Antragstellerin in erheblicher und unangemessener Weise benachteiligen. Mit der Regelung des Verbundverbotes hat der Gesetzgeber eine Reduzierung der Höchstzahl der Geldspielgeräte an einem Standort bezweckt. Damit entfällt die Möglichkeit, größere Kapazitäten an Spielmöglichkeiten oder eine größere Vielfalt an Geräten vorzuhalten und gleichzeitig auch die Möglichkeit der Abschöpfung der sich hieraus ergebenden wirtschaftlichen Vorteile. Die negativen Auswirkungen auf die Rentabilität der Spielhallen hat der Gesetzgeber zur Erreichung der von ihm als besonders wichtig angesehenen Gemeinwohlziele in Kauf genommen und gleichzeitig eine großzügige Übergangsfrist zur Besitzstandswahrung geschaffen, um den Interessen der Betreiber ausreichend Rechnung zu tragen. Das Ziel der Begrenzung der Spielhallendichte und der Beschränkung des Gesamtangebotes erfordert danach gerade auch die Schließung von Spielhallen. Dabei haben die Besonderheiten des Glücksspiel- und Spielhallensektors mit besonderem sozialen Bezug im Spannungsverhältnis zur Suchtbekämpfung zur Folge, dass der Grundsatz des Vertrauensschutzes einen Schutz getätigter Investitionen nicht in gleichem Maße wie in anderen Wirtschaftsbereichen verlangt. Auch ein durch umfangreiche Dispositionen betätigtes besonderes Vertrauen in den Bestand des geltenden Rechts begründet grundsätzlich noch keinen abwägungsresistenten Vertrauensschutz. Solche Dispositionen erfolgen auf eigenes unternehmerisches Risiko. Den Spielhallenbetreibern ist nicht in jedem Einzelfall eine verlustfreie Abwicklung der zu schließenden Spielhallen zu ermöglichen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Die sich aus dem Antrag abgeleitete Bedeutung der Sache ergibt sich in Anlehnung an Ziff. 54.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 unter Ansatz des Mindestbetrages in Höhe von 15.000,00 Euro, der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gem. Ziff. 1.5 des gen. Streitwertkataloges regelmäßig zu halbieren ist.


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