Europarecht

Abschiebungsanordnung nach Rumänien gemäß § 34a Abs. 1 Satz 2 AsylG für unbegleiteten Minderjährigen, der im Erststaat, nicht aber nach Weiterreise in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat – Wiederaufnahmeverfahren nach Art. 24 Abs. 2 Dublin III-VO Keine Zuständigkeitsänderungen mehr nach der Dublin III-VO nach einmal festgelegter Zuständigkeit, Zuständigkeit nach Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO:, – Notwendigkeit der Asylantragstellung im für zuständig erachteten Staat/keine Anwendung auf Aufgriffsfall ohne Asylantragstellung, – maßgeblicher Zeitpunkt nach Art. 7 Dublin III-VO, – Zweifel an der Minderjährigkeit

Aktenzeichen  AN 17 S 21.50195

Datum:
9.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 26537
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 34a
24 Dublin III-VO Art. 7 Abs. 2, Abs. 3, 8 Abs. 4, 18 Abs. 1 Buchst. d,

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
3. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), mit dem seine Abschiebung nach Rumänien angeordnet wurde, weil er dort ein Asylverfahren durchlaufen hatte.
Der Antragsteller ist seinen Angaben zufolge am … 2004 geboren und pakistanischer Staatsangehöriger. Er wurde von der Polizeiinspektion … am 14. April 2021 in … zusammen mit fünf weiteren Personen im Laderaum eines LKW aufgegriffen, mit dem er illegal und ohne Wissen des LKW-Fahrers in die Bundesrepublik eingereist ist. Alle sechs nach Deutschland geschleusten Personen gaben an, den LKW in Rumänien bestiegen zu haben.
Im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung durch die Polizei am 15. April 2021 gab der Antragsteller an, Pakistan Ende 2019 verlassen und über den Iran und die Türkei im April 2020 nach Griechenland gereist zu sein, wo er ca. zehn Monate gelebt, aber keinen Asylantrag gestellt habe. Er habe dann ca. vier Monate in Serbien verbracht, anschließend ca. drei Monate in Rumänien in … Er sei nach Deutschland gekommen, um hier ein neues Leben zu beginnen. Dort, wo er in Pakistan gelebt habe, habe er keine Zukunft; es habe immer Schießereien gegeben. Eine förmliche Asylantragstellung erfolgte nicht.
Der Antragsteller wurde als unbegleiteter Minderjähriger behandelt und vom zuständigen Jugendamt betreut. Das Amtsgericht … bestellte mit Beschluss vom 30. April 2021 eine Vormundin. Die Jugendschutzstelle …, bei der der Antragsteller anfangs untergebracht war, schätzte das Alter des Antragstellers auf Anfang 20.
Eurodac-Datenbank-Abfragen durch das Bundesamt ergaben unter verschiedenen Namen und Geburtsdaten des Antragstellers (…, …, geb. …2004 und …) für Rumänien übereinstimmend eine Asylantragstellung und Fingerabdruckabnahme am 27. November 2020.
Auf das Übernahmegesuch des Bundesamtes vom 1. Juni 2021 erklärte die rumänische Asylbehörde mit Schreiben vom 11. Juni 2021, dass der Antragsteller am 28. November 2020 einen Asylantrag in Rumänien gestellt habe, der am 14. Januar 2021 abgelehnt worden sei. Ein Gerichtsverfahren sei noch anhängig und stehe kurz vor der Entscheidung. Die Übernahme des Antragstellers wurde gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin III-VO akzeptiert.
Bei schriftlichen Befragungen durch Bundesamt im Juli 2021 gab der Antragsteller mit Unterstützung seiner Vormundin an, in keinem Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt, aber in Rumänien Fingerabdrücke abgegeben zu haben. Nach Rumänien wolle er nicht überstellt werden, da er dort sehr schlecht behandelt worden sei. Er sei geschlagen worden, habe kein Essen und kein Trinken bekommen. Es sei sehr kalt und schmutzig gewesen. Er habe Läuse bekommen. Gesundheitliche Beschwerden habe er nicht. Angaben zu seinem Namen, zu seinem Geburtsdatum und dazu, ob er Personalpapiere vorlegen könne, machte er nicht. Unbeantwortet blieb auch die Abfrage, ob er in Deutschland Asyl beantragt habe.
Mit Bescheid vom 2. August 2021, dem Antragsteller über seine Vormundin zugestellt am 5. August 2021, ordnete das Bundesamt die Abschiebung des Antragstellers nach Rumänien an (Ziffer 1) sowie ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG und befristete dieses auf neun Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 2).
Zur Begründung führte das Bundesamt im Bescheid im Wesentlichen aus, dass die Abschiebung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG anzuordnen sei, weil Rumänien für die Bearbeitung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß Art. 3 Abs. 2 i.V.m. Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin III-VO zuständig sei. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot im Sinne eines systemischen Mangels im rumänischen Asylverfahren liege nicht vor. Asylverfahren von unbegleiteten Minderjährigen würden prioritär behandelt, sie erhielten wie rumänische in Not geratene Kinder Zugang zu Bildung. Im Fall der Ablehnung des Antrags eines unbegleiteten Minderjährigen leite die Generaldirektion für Soziale Fürsorge und Kinderschutz die Festlegung einer Schutzmaßnahme für die betreffende Person ein, indem sie bei einem Gericht die Unterbringung des Kindes in einer Anstalt für besonderen Schutz beantrage. Gleichzeitig werden die Direktion für Asylwesen und Integration für die Situation des unbegleiteten Minderjährigen informiert. Auch inlandsbezogene Abschiebungsverbote lägen nicht vor.
Hiergegen erhob der Antragsteller durch seine Vormundin am 10. August 2021 beim Verwaltungsgericht Ansbach – unter Angabe weiterer Aliaspersonalien und Berufung auf einen Rechtsanspruch auf Durchführung des Asylverfahrens in Deutschland – Klage; die Verpflichtung der Antragsgegnerin auf Asylanerkennung, Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und subsidiären Schutzes und Feststellung von Abschiebungshindernissen wurde beantragt.
Mit Schriftsatz seines nunmehrigen Bevollmächtigten stellte er am 12. August 2021 außerdem einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO und beantragte,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziffer 1 des Bescheids vom 2. August 2021 anzuordnen und dem Antragsteller Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz vom 18. August 2021,
den Antrag abzulehnen.
Mit Schriftsatz vom 2. September 2021 berief sich die Antragstellerseite auf die Zuständigkeit Deutschland nach Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO, die gleichermaßen bei einem „Aufgriffsfall“ wie bei einem förmlichen Asylantrag gelte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die beigezogene Behördenakte und die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die kraft Gesetzes sofort vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG) ist zulässig, insbesondere fristgerecht innerhalb der Wochenfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG gestellt, aber unbegründet, weil die gerichtliche Interessensabwägung ein Überwiegen des Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin gegenüber dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers ergibt.
Das Gericht trifft im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene, originäre Ermessensentscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung auf Grund der sich ihm im Zeitpunkt seiner Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG) darbietenden Sach- und Rechtslage. Das Gericht hat dabei das Aussetzungsinteresse des Antragstellers und das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gegeneinander abzuwägen (Eyermann/Hoppe, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 85 ff.). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel abzulehnen, wenn der Rechtsbehelf in der Hauptsache nach summarischer Prüfung voraussichtlich erfolglos bleiben wird; ergibt eine vorläufige Überprüfung der Hauptsacheklage dagegen, dass diese offensichtlich erfolgreich sein wird, so überwiegt regelmäßig das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Sind die Erfolgsaussichten offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen (Eyermann/Hoppe, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 93).
Nach dieser Maßgabe erweist sich die in Ziffer 1 des Bescheids vom 2. August 2021 erlassene Abschiebungsanordnung nach Rumänien voraussichtlich als rechtmäßig.
1. Rechtsgrundlage für die Anordnung der Abschiebung nach Rumänien ist § 34a Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylG. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass die Abschiebung dorthin durchgeführt werden kann.
a) § 34a AsylG ist dabei ungeachtet der Tatsache einschlägig, dass der Antragsteller in Deutschland keinen Asylantrag gestellt hat (vgl. zur fehlenden Asylantragstellung im Einzelnen im Folgenden). Zwar ist in einem solchen Fall der Geltungsbereich des Asylgesetzes nach § 1 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 13 AslyG streng genommen nicht eröffnet, jedoch erfasst § 34a Abs. 1 Satz 2 AsylG nach dem Willen des Gesetzgebers bei seiner Einführung auch die sog. Aufgriffsfälle, bei denen Ausländer im Inland angetroffen werden, die in einem anderen Staat, in dem die Dublin III-VO Anwendung findet, einen Asylantrag gestellt haben (vgl. VG München, B.v. 8.7.2016 – M 8 S 16.50302 – juris Rn. 20 f. mit Verweis auf BT-Drs.17/13556, S. 7).
b) Rumänien ist der für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers zuständige Staat. Der Antragsteller hat ausweislich des Eurodac-Treffers und der Mitteilung der rumänischen Asylbehörde im Übernahmeschreiben vom 11. Juni 2021 dort am 27. bzw. 28. November 2020 und damit vor seiner Einreise nach Deutschland einen Asylantrag im Rumänien gestellt. Das Asylverfahren ist in Rumänien auch durchgeführt worden und hat nach der Mitteilung von Rumänien zu einer im Zeitpunkt der Mitteilung noch nicht bestandskräftigen Ablehnung des Antrags geführt. Damit liegt, da der Antragsteller während der Prüfung seines Antrags weiter nach Deutschland gereist ist und hier keinen Aufenthaltstitel hat, die Situation des Art. 18 Abs. 1 Buchst. b (Alt. 2) Dublin III-VO vor. Dies berechtigte das Bundesamt zur Einleitung eines Wiederaufnahmeverfahrens mit Rumänien nach Art. 24 Abs. 1 Dublin III-VO. Ebenso berechtigt zu einem Wiederaufnahmegesuch ist nach Art. 24 Abs. 1, Abs. 4 Dublin II-VO der Staat des Aufenthaltsortes, wenn der Asylantrag im ersten Mitgliedsstaat bereits bestands- bzw. rechtskräftig negativ abgeschlossen ist (Fall des Art. 18 Abs. 1 Buchst. d Dublin III.VO), so dass dahinstehen kann, ob dies inzwischen der Fall ist und auf welchen Zeitpunkt es insoweit ankommt.
c) Das Wiederaufnahmeverfahren ist auch rechtzeitig innerhalb der Frist des Art. 24 Abs. 2 Dublin III-VO eingeleitet worden. Da eine Eurodac-Abfrage durch das Bundesamt erfolgte, war das Wiederaufnahmegesuch innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der Eurodac-Treffermeldung (hier am 15.4.2021) zu stellen. Dies war mit der Antragstellung am 1. Juni 2021 der Fall. Rumänien hat die Rückübernahme auch innerhalb der Frist von zwei Wochen nach Art. 25 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO erklärt.
d) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof (EuGH, U.v. 2.4.2019 – C-582/17 und C-583/17 – juris) ist im Fall eines Wiederaufnahmeantrags nach Art. 23, Art. 24 Dublin III-VO anders bei einem Aufnahmeantrag nach Art. 21, Art. 22 Dublin III-VO für eine Überstellung nicht erforderlich, dass die Zuständigkeit des angefragten Staates nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO geklärt ist bzw. muss der anfragende Staat nicht selbst in die Prüfung einsteigen, ob der ersuchte Staat nach Art. 8 bis 15 Dublin III-VO zuständig ist. Auch der Asylbewerber kann sich im Wiederaufnahmeverfahren grundsätzlich nicht darauf berufen, dass der ersuchende Staat vorrangig vor dem ersuchten Staat zuständig ist (EuGH, U.v. 2.4.2019 – C-582/17, C-583/17 – juris Rn. 54 ff., VG Ansbach, B.v. 10.5.2021 – AN 17 S 21.50090 – juris, U.v. 28.6.2021 – AN 17 K 19.50954 – juris; VG München, B.v. 27.11.2020 – M 1 S 20.50531 – juris Rn. 20). Die zugrundeliegende Entscheidung des Europäischen Gerichtshof (EuGH) ist zwar für einen Fall eines im ersten Mitgliedstaat aufgrund zurückgenommenen Asylantrags abgeschlossenen Verfahrens ergangen (Fall nach Art. 20 Abs. 5 i.V.m. Art. 18 Abs. 1 Buchst. c Dublin III-VO), sie ist nach den Darlegungen des EuGH aber gleichermaßen und erst recht in den Fällen eines im ersten Mitgliedstaat noch offenen oder negativ geschlossenen Verfahrens einschlägig.
In der vom EuGH entschiedenen Konstellation nach Art. 20 Abs. 5 i.V.m. Art. 18 Abs. 1  Buchst. c Dublin III-VO hat dieser zwar eine Ausnahme für den Fall gemacht, dass die betroffene Person dem Zweitstaat, in dem sie sich befindet, Gesichtspunkte übermittelt, die offensichtlich belegen, dass dieser Mitgliedstaat gemäß den Zuständigkeitskriterien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall hat der ersuchende und für das Prüfungsverfahren eigentlich unzuständige Staat seine Zuständigkeit gleich anzuerkennen (EuGH, U.v. 2.4.2019 – C-582/17, C-583/17 – juris Rn. 83 ff.). Andernfalls entstünde ein unerwünschtes und uneffektives Hin- und Herverschieben von Asylantragstellern.
Vorliegend besteht jedoch keine offensichtliche Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland für das Asylverfahren des Antragstellers. Allenfalls könnte sich diese aus Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO i.V.m. mit der zur Vorgängerregelung des Art. 6 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 – Dublin II-VO – ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof (EuGH, U.v. 6.6.2013 – C -648-11 – juris) ergeben. Danach ist aus Kindeswohlgesichtspunkten der Mitgliedstaat zuständig, in dem sich ein unbegleiteter Minderjähriger, der in keinem Mitgliedstaat Familienangehörige hat, aufhält und einen Asylantrag gestellt hat. Im Fall von unbegleiteten Minderjährigen, die als besonders gefährdete Personen anzusehen sind, soll nämlich ein möglichst rascher und unkomplizierter Zugang zum Asylverfahren gewährt werden.
Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO begründet hier aber aus mehreren Gründen keine Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland. Eine solche liegt jedenfalls nicht offensichtlich vor.
aa) Das behördliche Zuständigkeitsbestimmungsverfahren in Rumänien ist – mit dem Ergebnis, dass Rumänien sich selbst für zuständig erachtet hat und im nationalen Verfahren den Asylantrag des Antragstellers inhaltlich entschieden hat – bereits abgeschlossen. Dieser Verfahrensstand ergibt sich aus der Mitteilung Rumäniens vom 11. Juni 2021. In dieser Situation ist kein Raum mehr für eine erneute und abweichende Zuständigkeitsbestimmung. Ein einmal abgeschlossenes Zuständigkeitsbestimmungsverfahren nach der Dublin III-VO kann nicht neu aufgerollt werden, sondern legt die Zuständigkeit bindend fest.
Diese Rechtsfolge ist in der Dublin III-VO zwar nicht ausdrücklich bzw. mit Allgemeingültigkeit geregelt, sie ergibt sich aber aus der Zielsetzung der Dublin III-VO, aus verschiedenen Einzelregelungen in der Dublin III-VO und ist allgemein anerkannt. Grundlegendes Ziel der Dublin III-VO ist es, eine schnelle, praktikabel, klare und unveränderliche Zuständigkeit festzulegen (vgl. insbesondere Erwägungen 4 und 5 zur Dublin III-VO). Aus Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO ergibt sich, dass ein Asylantrag nur von einem einzigen Staat (inhaltlich) geprüft wird. Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO legt fest, dass die Zuständigkeit in Bezug auf den Zeitpunkt des ersten Asylantrags zu ermitteln ist (Versteinerungsklausel) und spätere Ädnerungen keine Rolle mehr spielen. Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO gewährleistet damit materiell-rechtlich, dass die Bestimmung der Zuständigkeit objektiv und grundsätzlich unveränderlich erfolgt. Aus Art. 7 Abs. 3 Satz 2 Dublin III-VO ergeben sich hierzu in engen Grenzen zwar Ausnahmen; in diesem Zusammenhang ist aber festgelegt, dass eine Berücksichtigung von Familienaspekten längstens bis zu einer „Erstentscheidung in der Sache“ möglich ist. Für die Ermessensvorschrift des Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO ist ebenfalls klar geregelt, dass ein Selbsteintritt eines Staates nur solange erfolgen kann, als ein anderer Staat noch keine Erstentscheidung in der Sache getroffen hat. Die behördliche Erstentscheidung über die Asylgründe, wie sie in Rumänien für den Antragsteller am 14. Januar 2021 ergangen ist, legt die Zuständigkeit Rumäniens damit unveränderlich fest. Auf den Abschluss und den Ausgang eines sich gegebenenfalls anschließenden Gerichtsverfahrens kommt es nicht mehr an.
Bezogen auf den Zeitpunkt der Asylantragstellung in Rumänien (Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO) und auch bei Berücksichtigung von Art. 7 Abs. 3 Dublin III-VO bestand und bestehen auch keinerlei Zweifel daran, dass Rumänien seine Zuständigkeit (damals) zu Recht bejaht hat. Als unbegleiteter Minderjähriger ohne Familienangehörige im Bereich der Mitgliedstaaten ergab und ergibt sich die Zuständigkeit Rumäniens aus Art. 8 Abs. 4 Dublin III. Wäre von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen, ergäbe sich diese aus Art. 13 Dublin III-VO (illegale Einreise über Rumänien).
Die Weiterreise nach Deutschland erfolgte erst nach der bindenden und korrekten Zuständigkeitsbestimmung am 14. Januar 2021 und führt deshalb zu keiner Änderung. Zwar wird für Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO vertreten, dass es hierfür abweichend von Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO nicht auf die erste Asylantragstellung, sondern auf den letzten Asylantrag (vgl. insoweit VG Minden, B.v. 27.1.2015 – 10 L 820/14.A – juris Rn. 20 ff.) ankommt. Dies kann aus den dargelegten Gründen jedoch nicht gelten, wenn das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren zu Zeitpunkt eines weiteren Asylantrags bereits abgeschlossen war.
bb) Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO führt aber auch, wenn man ein Neuaufrollen des abgeschlossenen Zuständigkeitsbestimmungsverfahren für unbegleitete Minderjährige zulassen würde und zeitlich auf die aktuelle Situation abstellen würde, nicht zur Zuständigkeit Deutschlands. Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO ermöglicht seinem Wortlaut nach nur den Verbleib in dem Mitgliedsstaat, in dem ein Asylantrag gestellt wurde (so auch VG Minden, B.v. 27.1.2015 – 10 L 820/14.A – juris Rn. 17). Von der Notwendigkeit der Antragstellung im Aufenthaltsstaat dispensierte auch der EuGH in seiner Entscheidung vom 6. Juni 2013 (EuGH, a.a.O.) nicht, sondern setzte den Asylantrag voraus. Lediglich die nach Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO weiter zu beantwortende Frage, was dem Wohl des Kindes dient, legte der EuGH – bei Vorliegen aller weiteren Voraussetzungen – dahingehend aus, dass dies regelmäßig der Staat des aktuellen Aufenthaltsortes des Minderjährigen ist. Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO begründet entgegen der Ansicht der Antragstellerseite keine Zuständigkeit für bloße Aufgriffsfälle ohne Asylantrag.
Ein Antrag auf internationalen Schutz hat der Antragsteller in der Bunderepublik aber gerade nicht gestellt. Ein solcher setzt in formeller Hinsicht nach Art. 20 Abs. 2 Dublin III-VO voraus, dass entweder ein eingereichtes Formblatt oder ein behördliches Protokoll dem Bundesamt als zuständiger Behörde zugegangen ist. Dies lässt sich der Behördenakte und dem Vorbringen der Antragstellerseite nicht entnehmen. Im Rahmen seines Aufgriffs durch die Polizei hat der Antragsteller weder ausdrücklich, noch sinngemäß inhaltlich ein Asylgesuch i.S.d. § 13 AsylG geäußert. Er hat weder politische Verfolgung in seinem Herkunftsland, noch einen dort drohenden ernsthaften Schaden i.S.v. § 4 AsylG geltend gemacht, sondern nur geäußert, dass er in Deutschland ein neues Leben beginnen wolle und in Pakistan keine Zukunft habe. Diese Erklärung nimmt keinen Bezug zu Bedrohungen nach §§ 3 oder 4 AsylG, sondern stellt lediglich eine sehr allgemeine und sehr unpräzise und unklare Erklärung und damit keinen Asylantrag dar. Da der Antragsteller rechtlich zwischenzeitlich zum einen durch eine Vormundin und zum anderen durch einen Rechtsanwalt vertreten ist, bestand und besteht auch kein Anlass für das Bundesamt nachzufragen, ob ein Asylantrag gestellt werden sollte. Trotz rechtlicher Unterstützung ging bis dato kein klares und schon gar kein formelles Schutzgesuch beim Bundesamt ein. Allenfalls ließe sich ein Schutzersuchen aus dem Schriftsatz zur Klageerhebung vom 10. August 2021 oder der Klagebegründung vom 2. September 2021 entnehmen. Dieses ist jedoch nicht durch Formblatt oder als behördliches Protokoll (vgl. insoweit EuGH, U.v. 26.7.2017 – C-670/19 – juris Rn. 84 ff.) erfolgt.
cc) Im Rahmen des Wiederaufnahmeverfahrens können die Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO jedenfalls nur dann der Rückführung entgegensetzt werden, wenn diese offensichtlich für eine Zuständigkeit des zweiten Staates sprechen (EuGH, U.v. 2.4.2019 – C-582/17, C-583/17 – juris Rn. 83). Dies ist bei den oben darstellten rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit dem Eingreifen von Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO aber gerade nicht der Fall.
Überdies bestehen auch begründete Zweifel an der Minderjährigkeit des Antragstellers. Er hat keinerlei Personaldokumente vorgelegt, die seine Minderjährigkeit belegen und ist mit drei verschiedenen Geburtsdaten (…2003 und …2004 – vgl. hierzu Übernahmeerklärung Rumäniens vom 11.6.2021 sowie …2004 – eigene Angaben des Antragstellers beim Aufgriff) registriert, die wohl alle auf seinen eigenen Angaben beruhen. Aufgrund der Widersprüchlichkeit der Angaben kann keiner dieser Angaben vertraut werden. In seiner schriftlichen Anhörung durch das Bundesamt hat der Antragsteller zudem gar keine Angabe zu seinem Geburtstag gemacht, sondern eine Lücke im Fragebogen gelassen. Die Jugendschutzstelle … hat den Antragsteller auf Anfang 20 geschätzt. Hierfür sprechen nach Einschätzung des Gerichts auch die im Rahmen der Identitätsfeststellung gemachten Lichtbilder. Eine offensichtliche Minderjährigkeit liegt in dieser Situation jedenfalls nicht vor. Eine Klärung durch eine gutachtliche Feststellung kommt im gerichtlichen Eilverfahren bei nur summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht in Betracht. Die Zweifel an seiner Minderjährigkeit gehen hier vielmehr zu Lasten des Antragstellers, der es in der Hand gehabt hätte, die von ihm selbst begründeten Zweifel durch klärende Angaben oder Dokumente auszuräumen (zu einer grundsätzlichen Orientierung an die Einstufung durch das Familiengericht bzw. das Jugendamt vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 – 12 C 14.1865 – juris Rn. 21, hier wegen des Fehlens jeglicher Anhaltspunkte für die Minderjährigkeit jedoch nicht heranziehbar).
e) Der Zuständigkeit Rumäniens stehen nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO auch nicht das Vorliegen systemischer Schwachstellen im Asylverfahren oder prekäre Aufnahmebedingungen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh mit sich bringen, entgegen. Solche bestehen in Rumänien nicht.
Nach dem System der normativen Vergewisserung (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – NVwZ 1996, 700/704 f.) respektive dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens (EuGH, U.v. 21.12.2011 – N.S., C-411/10, C-493/10 – NVwZ 2012, 417/419) gilt die Vermutung, dass die Behandlung von Asylbewerbern in jedem Mitgliedsstaat der Europäischen Union (EU) den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte der EU (GRCh) entspricht. Diese Vermutung ist jedoch dann widerlegt, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem Mitgliedsstaat systemische Mängel aufweisen, die regelhaft so defizitär sind, dass sie im konkreten Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK bergen (EuGH, U.v. 21.12.2011 – N.S., C-411/10, C-493/10 – NVwZ 2012, 417; BVerwG, U.v. 8.1.2019 – 1 C 16/18 – juris Rn. 37). Ein systemischer Mangel liegt jedoch nur dann vor, wenn er im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt ist oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägt. Derlei Mängel treffen den Einzelnen nicht unvorhersehbar oder schicksalshaft, sondern lassen sich wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren (BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6/14 – juris Rn. 9).
Diesen strengen Beurteilungsmaßstab zugrunde gelegt ergeben sich für das Gericht nach den zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen zur Lage für Dublin-Rückkehrer in Rumänien keine derartigen systemischen Mängel (so auch die überwiegende verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung, etwa VG München, B.v. 27.11.2020 – M 1 S 20.50531; VG Würzburg, B.v. 7.10.2019 – W 8 S 19.50715; VG Regensburg, U.v. 17.4.2019 – RO 6 K 17.52358; VG Lüneburg, U.v. 13.3.2019 – 8 B 51/19; VG Aachen, B.v. 21.9.2018 – 6 L 1144/18.A – alle juris; a.A. VG Köln, B.v. 30.11.2020 – 20 L 1980/20.A – juris und die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Ansbach, vgl. B.v. 28.7.2021 – AN 17 S 21.50168).
Das erkennende Gericht geht nach den ihm vorliegenden Erkenntnismitteln von folgender Lage für Dublin-Rückkehrer nach Rumänien aus:
aa) In Rumänien existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit. Die Asylantragsteller haben Zugang zu kostenfreier Rechtsberatung, die Vertretung durch einen Anwalt im gerichtlichen Verfahren kann durch Nichtregierungsorganisationen (NGO) zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit eine Art staatlicher Prozesskostenhilfe zu beantragen. Der rumänische Staat kooperiert insoweit mit dem UNHCR und anderen Hilfsorganisationen (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich [BFA], Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Rumänien, Stand 14.6.2019, S. 6; AIDA, Country Report Romania, Update 2019, S. 26 ff.; s.a. US Department of State [USDOS], Romania 2019 Human Rights Report, S. 15).
Dublin-Rückkehrer werden am Flughafen empfangen, über den Status ihres Asylverfahrens informiert und in die regionalen Aufnahmezentren begleitet, wo sie ggf. noch am selben Tag einen Asylantrag stellen können. Der legale Status des Dublin-Rückkehrers hängt vom Stand seines Asylverfahrens in Rumänien ab. Wurde in Rumänien zuvor ein Asylverfahren eröffnet, welches noch läuft, wird dieses fortgesetzt. Wurde ein Asylverfahren begonnen und in der Folge beendet, weil sich der Asylbewerber abgesetzt hat, wird der Rückkehrer für längstens 18 Monate in Gewahrsam genommen. Er kann sodann einen Folgeantrag stellen, der aufschiebende Wirkung mit Blick auf eine Abschiebung hat. Hat der Asylbewerber das Land vor dem Asylinterview verlassen und kehrt binnen neun Monaten nach Schließen des Verfahrens zurück, wird sein Antrag hingegen als Erstantrag behandelt, obgleich durch das Verlassen des Landes der Asylantrag zunächst als stillschweigend zurückgenommen gilt (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Rumänien, Stand 14.6.2019, S. 6 f.; AIDA, Country Report Romania, Update 2019, S. 55).
In Rumänien besteht ein rechtstaatliches gerichtliches Überprüfungsverfahren. Nach Abschluss eines Asylantrags können neue Umstände im Rahmen eines Asylfolgeverfahrens geltend gemacht werden. Ist das Asylverfahren negativ abgeschlossen droht die Rückführung in den Herkunftsstaat, was nach rechtstaatlicher Überprüfung aber in keiner Weise zu beanstanden ist. Eventuell drohende Abschiebehaft zur Durchsetzung der Ausreisepflicht ist nicht per se rechtswidrig, auch nicht generell eine Inhaftierung eines Folgeantragstellers, soweit Fluchtgefahr herrscht, was bei Antragstellern, der sich bereits einmal dem Asylverfahren in Rumänien bereits entzogen haben wohl angenommen werden kann (hierzu bereits VG Ansbach, B.v. 23.2.2021 – AN 17 S 21.50015). Die humanitären Bedingungen in den Haftanstalten (AIDA a.a.O., S. 120 ff.) können als ausreichend eingestuft werden.
Soweit teilweise über die Verweigerung des Zutritts zum rumänischen Staatsgebiet für Asylbewerber und von Push-Backs von Asylbewerbern berichtet wird (AIDA, Country Report Romania, Update 2019, S. 18 ff.; USDOS, Romania 2019 Human Rights Report, S. 15), so betrifft dies den Antragsteller als Dublin-Rückkehrer jedenfalls nicht (mehr), da nicht erneut über Serbien einreist, sondern mit Direktflug von Deutschland aus nach Bukarest verbracht wird.
bb) Auch die humanitäre Lage und die Versorgungslage für Asylbewerber und für Dublin-Rückkehrer nach Rumänien erfüllen nicht die Voraussetzungen einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK. Es ist von folgender Situation auszugehen:
Asylbewerber, die selbst nicht über ausreichende Mittel verfügen, haben bis zum Ende des Asylverfahrens Anspruch auf Unterbringung in einem der sechs Unterbringungszentren des Generalinspektorats für Immigration in Timisoara, Şomcuta Mare, Rădăuţi, Galaţi, Bucharest und Giurgiu. Diese bieten 900 Unterkunftsplätze, wobei die Kapazität auf 1090 Plätze erhöht werden kann. Werden die Unterkunftszentren länger als 72 Stunden ohne Genehmigung des Generalinspektorats für Immigration verlassen, können Unterstützungsleistungen gekürzt werden (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Rumänien, Stand: 14.6.2019, S. 10; s.a. AIDA, Country Report Romania, Update 2019, S. 87 ff.).
Neben der Unterkunft erhalten Asylbewerber finanzielle Unterstützungsleistungen für Lebensmittel, Kleidung und ein Taschengeld, welche sich insgesamt auf 104,00 EUR bis 110,00 EUR pro Monat für einen alleinstehenden Erwachsenen belaufen (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Rumänien, Stand: 14.6.2019, S. 10; AIDA, Country Report Romania, Update 2019, S. 88). Daneben gibt es etwa saisonale Beihilfen von etwa 15,00 EUR für Sommerkleidung und etwa 20,00 EUR für Winterkleidung (AIDA a.a.O). Weiterhin stellen NGOs darüber hinaus gehende Leistungen zur Verfügung, wie zum Beispiel finanzielle Hilfen für die Übersetzung und Beglaubigung von wichtigen Dokumenten wie Personenstandsurkunden oder Zeugnissen oder Essenspakete und Sozialgutscheine (AIDA a.a.O, S. 90 f.).
Was die medizinische Versorgung anbelangt, so haben Asylbewerber ein Recht auf kostenlose medizinische Erstversorgung und Behandlung. Im Falle besonderer Bedürfnisse haben sie Zugang zu sonstiger adäquater medizinischer Behandlung. In den Unterbringungszentren steht den Asylbewerbern jeweils ein Allgemeinmediziner zur Verfügung. Bei medizinischen Problemen erfolgt ein Weiterverweisung an das Krankenhaus des Innenministeriums (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Rumänien, Stand 14.6.2019, S. 12). Teilweise wird zwar von einem ungenügenden Niveau der staatlichen Gesundheitsversorgung berichtet, jedoch führen auch NGOs Projekte für Asylbewerber durch (BFA a.a.O.). Sie sind insbesondere auf dem Feld der psychischen Krankheiten tätig (AIDA, Country Report Romania, Update 2019, S. 105 f.).
Der Arbeitsmarkt steht Asylbewerbern in Rumänien offen, sobald ihr Erstantrag länger als drei Monate anhängig ist (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Rumänien, Stand: 14.6.2019, S. 11). Teilweise wird in diesem Zusammenhang zwar von Schwierigkeiten der Asylbewerber berichtet, legale Arbeit zu finden (BFA a.a.O.), eine andere Quelle sieht hingegen keine praktischen Hindernisse beim Zugang zum Arbeitsmarkt, wenn es sich bei den Tätigkeiten, die Asylbewerber ausübten, meist auch um geringqualifizierte handelt (AIDA, Country Report Romania, Update 2019, S. 101). Eine solche Arbeit ist allein reisenden und niemanden sonst zum Unterhalt verpflichteten Personen wie dem Antragsteller aber zumutbar. Die Arbeitslosenquote stieg in Rumänien in den letzten Wochen und Monaten zwar an, betrug etwa im März 2021 etwa 5,5% (https://www.ceicdata.com/ de/indicator/romania/unemployment-rat; abgerufen am 10.5.2021), ist im europäischen Vergleich aber nach wie vor eher gut.
Aufgrund der Corona-Pandemie herrscht in Rumänien nach wie vor der Alarmzustand (aktuell angeordnet bis 9.9.2021) mit ähnlichen Beschränkungen wie in Deutschland; inländische Reisebeschränkungen existieren jedoch nicht (www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/rumaenien-node/rumaeniensicherheit/210822, abgerufen am 9.9.2021). Nach den Daten der Johns-Hopkins-Universität vom 9. September 2021 gibt es in Rumänien bei einer Gesamtbevölkerung von etwa 19,5 Millionen Einwohnern insgesamt bislang rund 1,11 Infizierte und rund 34.871 Tote, aber ein im europäischen Vergleich derzeit gemäßigtes Infektionsgeschehen und rund 9,85 Millionen verabreichte Impfungen und damit keine im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland besorgniserregende Lage.
cc) Zusammenfassend sind damit systemische Schwachstellen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK mit sich bringen, im rumänischen Asylsystem für den Antragsteller als Dublin-Rückkehrer im Allgemeinen oder für eine Personengruppe, der der Antragsteller angehört, nicht ersichtlich (so ständige Rechtsprechung der Kammer, etwa VG AN, B.v. 10.5.2021 – 17 S 21.50090 – juris).
Der Antragsteller hat als Dublin-Rückkehrer Zugang zu einem rechtstaatlich ausgestalteten Asylverfahren sowie währenddessen zu einer adäquaten Unterbringung und zu finanzieller Unterstützung für Nahrungsmittel, Bekleidung und täglichen Bedarf. Damit ist selbst dann, wenn dem Antragsteller die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht gelingen sollte, kein Abrutschen hinein in eine unmenschliche oder entwürdigende Situation zu befürchten. Ihm steht nach einer Wartezeit von drei Monaten nach Asylantragstellung der rumänische Arbeitsmarkt offen, der mit einer Arbeitslosenquote von etwa 5,5% trotz der Corona-Pandemie in keiner kritischen Schieflage ist, zumal die rumänische Regierung vielfältige wirtschaftliche Unterstützung für die Unternehmen auf den Weg gebracht hat. Eine gleichermaßen rechtstaatliche Behandlung existiert auch für die Personengruppe der unbegleiteten Minderjährigen, die in Rumänien wie in Deutschland besondere Fürsorge und Verfahrensgarantien erfahren (BFA a.a.O., S. 7, vgl. die spezielle Regelungen in Art. 16, 40, 41, 47, 72, 73, 136 des rum. Asylgesetzes Nr. 122/2006). Die insoweit zu pauschalen und allgemeinen Einlassungen des Antragstellers zu schlechten Erfahrung in Rumänien widerlegen dies nicht.
f) Dem Antragsteller droht auch nach einer etwaigen Anerkennung als international Schutzberechtigter in Rumänien keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist bei der Prüfung, ob ein Überstellung im Rahmen des Dublin-Verfahrens in den an sich zuständigen Mitgliedstaat die Gefahr einer gegen Art. 4 GRCh und Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung birgt, nicht nur in den Blick zu nehmen, ob diese Gefahr im Rahmen des Asylverfahrens droht, sondern auch ob nach einer etwaigen Anerkennung als Asylberechtigter eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu befürchten ist (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 87 ff.).
Die Lebensverhältnisse in Rumänien stellen sich für anerkannte arbeitsfähige, gesunde Erwachsene nicht als unzumutbar im Hinblick auf die Gewährleistung von „Brot, Bett und Seife“ (VGH BW, B.v. 27.5.2019 – A 4 S 1329/19 – juris Rn. 5) dar. Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte sind in Rumänien rumänischen Staatsbürgern in allen maßgeblichen Bereichen gleichgestellt und können unter den gleichen Voraussetzungen staatliche und karitative Hilfe in Anspruch nehmen, um ihre Grundbedürfnisse zu decken.
aa) Das Gericht geht dabei von folgender tatsächlicher Situation aus:
Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte haben in Rumänien Zugang zu Bildung, Wohnungen, Arbeit, Krankenversorgung und Sozialleistungen, wobei der faktische Zugang nicht überall im Land gleich einfach möglich ist. Integrationsprogramme, insbesondere mit Fokus auf die kulturelle Orientierung und den Spracherwerb, werden angeboten (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Rumänien, Stand 14.6.2019, S. 12 ff.). Antragsteller mit Flüchtlingsstatus erhalten zunächst eine dreijährige Aufenthaltsbewilligung, subsidiär Schutzberechtigte eine zweijährige, die jeweils problemlos verlängert werden können. Eine permanente Aufenthaltsbewilligung ist ab einem rechtmäßigen Aufenthalt von mindestens fünf Jahren in Rumänien möglich, wenn weitere Voraussetzungen wie etwa Sprachkenntnisse des Rumänischen, eine Krankenversicherung und eine Unterkunft erfüllt sind (BFA a.a.O; AIDA, Country Report Romania, Update 2019, S. 132, 134 f.).
Soweit Begünstigte internationalen Schutzes nach ihrer Anerkennung über keine eigenen finanziellen Mittel verfügen, können sie, wenn sie an einem Integrationsprogramm teilnehmen, jedenfalls für sechs weitere Monate in den regionalen Unterbringungszentren verbleiben. In Ausnahmefällen ist eine Verlängerung um weitere sechs Monate möglich. Dafür müssen sie zwar grundsätzlich – vulnerable Personen ausgenommen – eine Miete von 1,40 EUR pro Tag im Winter und 1,20 EUR pro Tag im Sommer entrichten. Allerdings wird für die Unterbringungszentren in Timișoara, Şomcuta Mare, Rădăuţi, Galaţi und Giurgiu berichtet, dass in den ersten zwei bzw. drei Monaten nach der Anerkennung keine Miete zu entrichten ist. Darüber hinaus scheint die NGO Jesuit Refugee Service Romania über das Projekt „A New House“ in allen Regionalzentren mindestens teilweise die dann noch anfallenden Mietkosten zu übernehmen (AIDA, Country Report Romania, Update 2019, S. 146 f.). Außerhalb der Unterbringungszentren haben die anerkannten Schutzberechtigten wie rumänische Staatsbürger Zugang zum Sozialwohnungsprogramm. Soweit staatlicherseits keine Sozialwohnung zur Verfügung gestellt werden kann, wird für maximal ein Jahr ein Mietzuschuss von bis zu 50% für die Anmietung einer sonstigen Wohnung gewährt (AIDA a.a.O., S. 147 f.).
An Sozialleistungen wird den international Schutzberechtigten, wenn sie an einem Integrationsprogramm teilnehmen, für ein Jahr eine monatliche Leistung von circa 110,00 EUR (sowie ein Sprachkurs) zur Verfügung gestellt (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Rumänien, Stand 14.6.2019, S. 13).
Der Zugang zum Arbeitsmarkt besteht grundsätzlich einschränkungslos, zudem werden Anerkannte mit der Teilnahme am Integrationsprogramm automatisch als Arbeitssuchende bei der rumänischen Arbeitsagentur registriert. Gleichwohl gibt es teils praktische Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche, etwa dergestalt, dass es vielen international Schutzberechtigten an nachweisbaren Schul-, Berufs- oder Studienabschlüssen fehlt und sie somit von bestimmten Positionen ausgeschlossen sind oder die rumänische Sprache nicht ausreichend beherrscht wird (AIDA, Country Report Romania, Update 2019, S.148 ff.). Hinsichtlich der allgemeinen Arbeitsmarktlage wird nach oben Dargestellte verwiesen.
Auch die gesundheitliche Versorgung von anerkannten Schutzberechtigten ist gewährleistet. Sie haben unter den gleichen Bedingungen wie rumänische Staatsbürger Anspruch auf eine Krankenversicherung. Psychische Krankheiten wie insbesondere Traumata werden behandelt. Soweit es praktische Schwierigkeiten beim Zugang zur Gesundheitsversorgung zu überwinden gilt, sind NGOs behilflich. Die Kosten für erwerbslose Anerkannte für die staatliche Krankenversicherung betragen 44,00 EUR pro Monat, wobei gleichzeitig davon berichtet wird, dass eine jahresweise Versicherung für einen Betrag von 265,00 EUR zu haben ist. NGOs übernehmen teils die Kosten für die Krankenversicherung (AIDA, Country Report Romania, Update 2019, S. 159 f.).
bb) Unter Berücksichtigung des strengen rechtlichen Maßstabes für die Annahme einer Verletzung von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRCh bezüglich der Versorgungs- und Lebensbedingungen anerkannt Schutzberechtigter, der im Hinblick auf eine eigenverantwortliche Lebensführung anzulegen ist (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 93 f.; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 97), ist unter summarischer Prüfung des Vortrags des Antragstellers und der wirtschaftlichen und sozialen Lage in Rumänien eine solche Verletzung für ihn im Falle einer Anerkennung nicht ernsthaft („real risk“ – vgl. OVG RhPf, B.v. 17.3.2020 – 7 A 10903/18.OVG – BeckRS 2020, 5694 Rn. 28 unter Verweis auf VGH BW, U.v. 3.11.2017 – A 11 S 1704/17 – juris Rn. 184 ff. m.w.N. zur Rspr. des EGMR) zu befürchten.
Obdachlosigkeit droht wegen der auch nach der Anerkennungsentscheidung möglichen sechs bis zwölfmonatigen Anschlussunterbringung in den staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber unmittelbar nicht. Die dafür teilweise zu entrichtende Miete von durchschnittlich 1,30 EUR pro Tag wird zum einen teils durch Hilfsorganisationen übernommen, zum anderen kann sie vom Antragsteller von der monatlichen Unterstützungsleistung für international Schutzberechtigte von etwa 110,00 EUR getragen werden. Darüber hinaus hat der Antragsteller Zugang zum Sozialwohnungsprogramm des rumänischen Staates beziehungsweise wird ihm, falls gerade keine Sozialwohnungen zur Verfügung stehen, für ein Jahr ein Mietzuschuss von bis zu 50% für das Anmieten einer sonstigen Wohnung gewährt. Damit ergreift Rumänien ausreichende Maßnahmen, um einer Verelendung anerkannter Asylbewerber durch Obdachlosigkeit entgegenzuwirken. Zudem steht dem Antragsteller als jungen, gesunden und arbeitsfähigen Mann der rumänische Arbeitsmarkt offen, der trotz der Corona-Pandemie eine verhältnismäßig geringe Arbeitslosigkeit von circa 5,5% aufweist. Insofern ist jedenfalls mittelfristig damit zu rechnen, dass er sich unabhängig von den staatlichen Hilfeleistungen ein Auskommen wenigstens am Rande des Existenzminimums wird erwirtschaften und damit auch eine Unterkunft wird finanzieren können.
Angesichts der bei der Teilnahme am Integrationsprogramm für ein Jahr gewährten Unterstützungsleistung von 110,00 EUR pro Monat ist zunächst unabhängig vom Erfolg bei der Arbeitssuche auch sichergestellt, dass der Antragsteller seine Grundbedürfnisse über die Unterkunft hinaus wird befriedigen können, insbesondere was Nahrungsmittel, Kleidung und Hygienebedarf anbelangt.
Im Ergebnis keine andere Bewertung ergibt sich für unbegleitete Minderjährige, die eine Schutzstatus in Rumänien erworben haben. Sie können im Vergleich zu Volljährigen mit einer weitergehenden Betreuung und Förderung rechnen.
g) Sollte es bei einer Ablehnung von internationalem Schutz durch Rumänien nach Beendigung des Gerichtsverfahrens verbleiben, muss der Antragsteller in sein Heimatland zurückkehren und mit einer Abschiebung rechnen. Grundsätzliche rechtstaatliche Bedenken an diesem Vorgehen bestehen auch bei Minderjährigen nicht, machen nur besondere Vorkehrungen nötig. Dass diese von Rumänien nicht getroffen würden, ist nicht ersichtlich und nicht zu befürchten.
h) Nachdem auch ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG für den Antragsteller in Bezug auf Rumänien nicht ersichtlich ist, erweist sich die Abschiebungsanordnung im Ergebnis als voraussichtlich rechtmäßig. Hinsichtlich eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK stellen sich keine anderen oder zusätzlichen rechtlichen Fragen. Auf die obigen Darstellungen wird verwiesen.
Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG – eine mit hoher Wahrscheinlichkeit drohende Extremgefahr für Leib, Leben oder Freiheit – sind im Hinblick auf die allgemeine humanitäre Lage erst recht nicht erfüllt (vgl. rechtlich hierzu BVerwG, B.v. 23.8.2018 – 1 B 42.18 – juris Rn. 13; VGH BW, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris).
i) Mit der Zustimmung Rumäniens zur Wiederaufnahme des Antragstellers und der Aufforderung den Flughafen Otopeni International Airport für die Überstellung zu nutzen, steht auch die tatsächliche Durchführbarkeit der Abschiebung i.S.v. § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG fest. Etwaige inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse, die im Rahmen der Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG anders als bei der Abschiebungsandrohung durch das Bundesamt zu prüfen sind (Pietzsch in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 28. Ed. 1.10.2020, § 34a AsylG Rn. 9 ff.), sind nicht ersichtlich.
2. Die Kostenentscheidung des damit erfolglosen Antrags ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylG.
3. Aus den dargelegten Gründen kamen dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage keine hinreichenden Erfolgsaussichten zu und wird deshalb auch der Antrag auf Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung unabhängig von den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragstellers abgelehnt, § 166, §§ 114 ff. ZPO.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.


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