Europarecht

Anfechtungsklage, Versagungsgegenklage, Geschäft für Braut- und Abendmoden, Ablehnung eines Antrags auf Gewährung der Novemberhilfe des Bundes, fehlende Antragsberechtigung, ständige Verwaltungspraxis, Rücknahme des Bescheids über Abschlagszahlung, unrichtige Angaben, kein Vertrauensschutz

Aktenzeichen  W 8 K 21.619

Datum:
15.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41782
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
VwGO § 113 Abs. 5
BayHO Art. 53
GO Art. 3
BayVwVfG Art. 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 3
BayVwVfG Art. 49a
Richtlinie für die Gewährung von außerordentlicher Wirtschaftshilfe des Bundes für November 2020 (Novemberhilfe)

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die Klage ist hinsichtlich der Rücknahme des Bescheids vom 28. Januar 2021 und der Anordnung der Rückerstattung der erfolgten Abschlagszahlung als Anfechtungsklage und bezüglich der begehrten weitergehenden Förderung als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage (§ 42 Abs. 1 Halbs. 2 Alt. 1 VwGO) statthaft.
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 7. April 2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO).
Dass die Voraussetzungen für die Gewährung der Novemberhilfe an die Klägerin nicht vorliegen, hat die Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid vom 7. April 2021, auf dessen Gründe, die sich das Gericht zu eigen macht, zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird (§ 117 Abs. 5 VwGO), zutreffend begründet und im Schriftsatz vom 21. Juli 2021 ergänzend erläutert.
Das Vorbringen der Klägerin führt zu keiner anderen Beurteilung.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Novemberhilfe von insgesamt 21.927,09 EUR. Ein solcher Anspruch auf Bewilligung folgt nicht aus der ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten auf der Basis der Richtlinie. Des Weiteren liegt auch kein atypischer Ausnahmefall vor. Genauso wenig ist der Ausschluss der Klägerin von einer Förderung für ihr B …- und A …eschäft nach der Richtlinie und der Förderpraxis der Beklagten als gleichheitswidriger oder gar willkürlicher Verstoß zu werten.
Denn bei Zuwendungen der vorliegenden Art, wie der Novemberhilfe, handelt es sich – wie sich bereits aus der Vorbemerkung Satz 1 erster Spiegelstrich der Richtlinie ergibt – um eine Billigkeitsleistung nach Art. 53 der Bayerischen Haushaltsordnung (BayHO), die ohne Rechtsanspruch im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel gewährt wird. Eine explizite Rechtsnorm, die konkret einen Anspruch der Klägerin auf Bewilligung der bei der Beklagten beantragten Zuwendung begründet, existiert nicht. Vielmehr erfolgt die Zuwendung auf der Grundlage der einschlägigen Förderrichtlinien und der allgemeinen haushaltsrechtlichen Bestimmungen im billigen pflichtgemäßen Ermessen der Behörde und im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel (vgl. Vorbemerkung Satz 2 der Richtlinie sowie Art. 23, 44 BayHO). Ein Rechtsanspruch besteht danach nur ausnahmsweise, insbesondere aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis auf Basis der einschlägigen Richtlinie. Förderrichtlinien begründen als ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften nicht wie Gesetze und Rechtsverordnungen unmittelbar Rechte und Pflichten, sondern entfalten erst durch ihre Anwendung Außenwirkung. Das Gericht ist somit grundsätzlich an den Zuwendungszweck gebunden, wie ihn der Zuwendungsgeber versteht. Für die gerichtliche Prüfung einer Förderung ist deshalb entscheidend, wie die Behörde des zuständigen Rechtsträgers die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz gebunden ist (vgl. allgemein BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – BayVBl 2020, 365 – juris Rn. 26; vgl. auch ausführlich VG Würzburg, U.v. 25.5.2020 – W 8 K 19.1546 – juris und B.v. 18.6.2020 – W 8 E 20.736 – juris sowie zuletzt zu Corona-Hilfen VG München, U.v. 20.9.2021 – M 31 K 21.2632 – BeckRS 2021, 29655; U.v. 15.9.2021 – M 31 K 21.110 – juris sowie VG Würzburg, U.v. 26.7.2021 – W 8 K 20.2031 – juris; U.v. 21.6.2021 – W 8 K 20.1303 – juris; U.v. 17.5.2021 – W 8 K 20.1561 – juris und allgemein U.v. 27.9.2021 – W 8 K 21.550, U.v. 21.6.2021 – W 8 K 20.1302 – juris; U.v. 14.6.2021 – W 8 K 20.2138 – juris).
Ein Anspruch auf Förderung besteht danach im Einzelfall über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung und dem Gleichheitssatz dann, wenn die in den Richtlinien dargelegten Fördervoraussetzungen vorliegen und vergleichbare Anträge in ständiger Förderpraxis der Beklagten auch positiv verbeschieden werden (BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – BayVBl 2020, 346 – juris Rn. 26).
Dabei dürfen Förderrichtlinien nicht – wie Gesetze oder Verordnungen – gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dienen nur dazu, eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (BayVGH, B.v. 18.5.2020 – 6 ZB 20.438 – juris). Da Richtlinien keine Rechtsnormen sind, unterliegen sie grundsätzlich keiner richterlichen Interpretation. Eine Überprüfung hat sich darauf zu beschränken, ob aufgrund der einschlägigen Förderrichtlinien überhaupt eine Verteilung öffentlicher Mittel vorgenommen werden kann (Vorbehalt des Gesetzes) und bejahendenfalls, ob bei Anwendung der Richtlinien in Einzelfällen, in denen die begehrte Leistung versagt worden ist, der Gleichheitssatz (Art. 3 GG) verletzt oder der Rahmen, der durch die gesetzliche Zweckbestimmung gezogen ist, nicht beachtet worden ist (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.1979 – 3 C 111/79 – BVerwGE 58, 45 – juris Rn. 24).
Bei der rechtlichen Beurteilung staatlicher Fördermaßnahmen, die wie hier nicht auf Rechtsnormen, sondern lediglich auf verwaltungsinternen ermessenslenkenden Vergaberichtlinien beruhen, kommt es damit nicht auf eine objektive Auslegung der Richtlinien an, sondern grundsätzlich nur darauf, wie die ministeriellen Vorgaben von der zuständigen Stelle tatsächlich verstanden und praktiziert worden sind (vgl. BayVGH, U.v. 10.12.2015 – 4 BV 15.1830 – juris Rn. 42 m.w.N.). Die Beklagte bestimmt im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens darüber, welche Ausgaben sie dem Fördergegenstand zuordnet und wer konkret begünstigt werden soll. Außerdem obliegt ihr allein die Ausgestaltung des Förderverfahrens. Insoweit hat sie auch die Interpretationshoheit über die maßgeblichen Verwaltungsvorschriften (vgl. BayVGH, B.v. 14.9.2020 – 6 ZB 20.1652 – juris Rn. 9; B.v. 17.11.2010 – 4 ZB 10.1689 – juris Rn. 19 m.w.N.), so dass es allein darauf ankommt, wie die administrative Binnenvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt wurde (vgl. auch BayVGH, B.v. 22.5.2020 – 6 ZB 20.216 – juris).
Es ist allein Sache des Zuwendungsgebers, die Modalitäten einer Förderung festzulegen, seine Richtlinien auszulegen und den Förderzweck zu bestimmen sowie seine Förderpraxis nach seinen Vorstellungen entsprechend auszurichten (vgl. etwa NdsOVG, U.v. 5.5.2021 – 10 LB 201/20 – NVwZ-RR 2021, 835 – juris Rn 30; U.v. 24.3.2021 – 10 LC 203/20 – RdL 2021, 251 – juris Rn. 29 ff.; BayVGH, U.v. 8.11.2021 – 6 ZB 21.2023 – juris Rn. 13; B.v. 3.5.2021 – 6 ZB 21.301 – juris Rn. 8; B.v. 14.9.2020 – 6 ZB 20.1652 – juris Rn. 9; jeweils m.w.N.) und auch – sofern nicht willkürlich – zu ändern (OVG NW, U.v. 22.3.2021 – 14 A 1131/18 – DWW 2021, 186 – juris LS 2 u. Rn. 53).
Die Richtlinien setzen Maßstäbe für die Verteilung der staatlichen Hilfen und regeln insoweit die Ermessenshandhabung. Die Ermessensbindung reicht jedoch nur so weit wie die festgestellte tatsächliche ständige Verwaltungspraxis. Die gerichtliche Überprüfung erfolgt nur im Rahmen des § 114 VwGO. Das Gericht hat nicht die Befugnis zu einer eigenständigen oder gar erweiternden Auslegung der Richtlinien (vgl. NdsOVG, U.v. 24.3.2021 – 10 LC 203/20 – RdL 2021, 251 – juris; SaarlOVG, B.v. 28.5.2018 – 2 A 480/17 – NVwZ-RR 2019, 219; OVG SH, U.v. 17.5.2018 – 3 LB 5/15 – juris; OVG NW, B.v. 29.5.2017 – 4 A 516/15 – juris; HessVGH, U.v. 28.6.2012 – 10 A 1481/11 – ZNER 2012, 436).
Ausgangspunkt ist die ständige Verwaltungspraxis in vergleichbaren Fällen, sofern sie nicht im Einzelfall aus anderen Gründen zu rechtswidrigen Ergebnissen führt. Spielraum für die Berücksichtigung der Besonderheiten atypischer Fälle muss bleiben (Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl. 2021, § 40 Rn. 42 ff.; Schenke/Ruthig in Kopp/Schenke, VwGO 27. Aufl. 2021, § 114 Rn. 41 ff.).
Nach den dargelegten Grundsätzen hat die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung der begehrten Novemberhilfe. Weder die Richtlinie selbst noch ihre Handhabung in ständiger Verwaltungspraxis des Beklagten sind vorliegend zu beanstanden.
Mangels gesetzlicher Anspruchsgrundlage steht der Klägerin nur ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung zu. Bei der dem Gericht gemäß § 114 VwGO nur beschränkt möglichen Überprüfung der Ermessensentscheidung ist der ablehnende Bescheid vom 7. April 2021 nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat insbesondere den Rahmen, der durch die haushaltsrechtliche Zweckbestimmung gezogen wurde, eingehalten, den erheblichen Sachverhalt vollständig und im Ergebnis zutreffend ermittelt und sich bei der eigentlichen Beurteilung an allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe gehalten, insbesondere das Willkürverbot und das Gebot des Vertrauensschutzes nicht verletzt.
Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Gewährung der Novemberhilfe ist nach der geübten Verwaltungspraxis der Beklagten der Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde, sodass neuer Tatsachenvortrag und die Vorlage neuer Unterlagen im Klageverfahren irrelevant wären, weil bzw. wenn und soweit die Zuwendungsvoraussetzungen allein aufgrund der bis zur behördlichen Entscheidung eingegangenen Unterlagen bewertet werden (VG München, U.v. 20.9.2021 – M 31 K 21.2632 – BeckRS 2021, 29655 Rn. 24 u. 26 ff. mwN).
Die Klägerin ist nach ihren Angaben im Onlineantragsformular ein Einzelhandelsbetrieb im Bereich B …- und A … Diese Tätigkeit führt nicht zu einer Anspruchsberechtigung der Klägerin auf Bewilligung einer Novemberhilfe nach der ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten aufgrund der Richtlinie.
Nach Nr. 2.1 Satz 1 der Richtlinie setzt die Antragsberechtigung von Unternehmen u.a. voraus, dass ihre wirtschaftliche Tätigkeit vom Lockdown betroffen ist, aa) weil sie aufgrund der auf Grundlage des Beschlusses von Bund und Ländern vom 28. Oktober 2020 erlassenen Bestimmungen auf Landesebene, insbesondere der Schließungsverordnung, den Geschäftsbetrieb einstellen mussten oder es sich bei ihnen um Beherbergungsbetriebe oder Veranstaltungsstätten handelt (direkt Betroffene), bb) weil sie nachweislich und regelmäßig mindestens 80% ihrer Umsätze mit direkt von den oben genannten Maßnahmen betroffenen Unternehmen erzielen (indirekt Betroffene) oder cc) weil sie regelmäßig mindestens 80% ihrer Umsätze durch Lieferungen und Leistungen im Auftrag direkt von den Maßnahmen betroffener Unternehmen über Dritte (zum Beispiel Veranstaltungsagenturen) erzielen (über Dritte Betroffene) und sie im November 2020 wegen der Schließungsverordnung auf der Grundlage der Ziffern 5 und 6 des Beschlusses der Bundeskanzlerin und der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 28. Oktober 2020 einen Umsatzeinbruch von mehr als 80% gegenüber dem Vergleichsumsatz erleiden.
Die Beklagte hat ihre Verwaltungspraxis dargelegt und unter Einbeziehung der Richtlinie erläutert. So führte die Beklagte aus, dass nach ihrer ständigen Verwaltungspraxis auf der Basis der Richtlinie eine Förderung des Einzelhandels, der im November 2020 anders als die Gastronomie noch nicht von Schließungsanordnungen betroffen gewesen sei, nicht erfolgt sei. In der mündlichen Verhandlung trug die Beklagte ergänzend vor, dass sie auch hinsichtlich Geschäften, die Faschings- und Karnevalausstattung und damit ähnlich wie die Klägerin Saisonware verkauften, keine Novemberhilfe gewähre.
Die Klägerin hat nichts vorgetragen, was für eine andere Verwaltungspraxis sprechen würde. Konkrete Förderfälle im Sinne der Klägerseite wurden nicht benannt und sind auch sonst nicht bekannt. Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag der Klägerin eine andere Förderpraxis vorgelegen hat. Eine gegenläufige Verwaltungspraxis, bezogen auf andere Geschäfte des Einzelhandels mit Bekleidung, die als Vergleichsmaßstab für die Klägerin dienen könnten, ist nicht ersichtlich.
Im Übrigen ist anzumerken, dass es gerade in Zuwendungsverfahren grundsätzlich in der Sphäre des Zuwendungsempfängers liegt, die Voraussetzungen für die Gewährung einer Zuwendung bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt darzulegen und nachzuweisen (VG München, U.v. 20.9.2021 – M 31 K 21.2632 – BeckRS 2021, 29655 Rn. 30 zur „Corona-Soforthilfe“; VG Würzburg, U.v. 26.7.2021 – W 8 K 20.2031 – juris Rn. 21 zur Corona-Überbrückungshilfe; VG Weimar, U.v. 29.1.2021 – 8 K 795/20 We – juris Rn. 31; U.v. 17.9.2020 – 8 K 609/20 – juris Rn. 26 jeweils zu einer Thüringer Corona-Hilfe).
Ausgehend hiervon führt das Führen eines B …- und A …geschäfts nicht zu einer Anspruchsberechtigung der Klägerin für die Novemberhilfe.
Der Einzelhandel mit Bekleidung musste nicht aufgrund der auf Grundlage des Beschlusses von Bund und Ländern vom 28. Oktober 2020 erlassenen Bestimmungen auf Landesebene den Geschäftsbetrieb einstellen, so dass eine direkte Betroffenheit im Sinn der Richtlinie unter Berücksichtigung der Verwaltungspraxis der Beklagten nicht gegeben ist. Das Vorbringen der Klägerin, die erheblichen Umsatzeinbußen im November 2020 seien auch auf die grundsätzliche Einschränkung des öffentlichen Lebens aufgrund des fehlenden Publikumsverkehrs und fehlender Käufe durch Unternehmen sowie die massive Beschränkung der Anzahl der möglichen Kunden im Verkaufsraum zurückzuführen, führt zu keiner anderen Beurteilung. Nach der Förderpraxis der Beklagten ist entscheidend, dass die konkreten Schließungsanordnungen die Leistungserbringung verbieten und die Umsatzausfälle nicht – wie hier – durch andere Erwägungen wirtschaftlicher, gesundheitlicher oder privater Art bedingt sind.
Auch eine indirekte Betroffenheit der Klägerin liegt nicht vor. Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass sie regelmäßig 80 Prozent ihrer Umsätze mit von den oben genannten Maßnahmen direkt betroffenen Unternehmen erzielt.
Soweit die Klägerin im Klageverfahren ergänzend vorbringen ließ, sie beliefere mit einem großen Anteil ihres Umsatzes insbesondere Künstler und Musiker, die selbst wieder zu einem großen Teil selbständig seien, ist dies schon verfahrensmäßig wegen des oben dargestellten maßgeblichen Beurteilungszeitpunkts der Fördervoraussetzungen im Behördenverfahren unbeachtlich. Die Klägerin hat darüber hinaus weder dargelegt noch nachgewiesen, dass sie regelmäßig 80 Prozent ihrer Umsätze mit Unternehmen erzielt, die von den oben genannten Schließungsanordnungen direkt betroffenen sind. Selbständige Künstler sind nur als indirekt von der Schließung der Veranstaltungsbranche betroffen zu sehen. So gilt nach dem in Nr. 1.3 der FAQ (https://www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de/UBH/Redaktion/DE/FAQ /ausserordentliche-wirtschaftshilfe.html; nach dem 7. Spiegelstrich der Richtlinie wird die Novemberhilfe u.a. nach Maßgabe der FAQ als erläuternde Hinweise des Bundes gewährt) genannten dritten Beispiel eine Musikerin, die über 80 Prozent ihrer Umsätze mit Live-Auftritten in von den Schließungsanordnungen direkt betroffenen Restaurants erzielt, als indirekt betroffene Soloselbständige.
Die Klägerin ist entgegen ihrem Vorbringen auch nicht vergleichbar mit einem Getränkelieferanten. Denn das Geschäft der Klägerin wird typischerweise durch die Kundinnen bzw. Kunden direkt beauftragt und nicht durch die geschlossene Veranstaltungsbranche bzw. Gastronomie an sich, so dass insofern die Kaufentscheidung der Direktkunden dazwischengeschaltet ist (vgl. auch Nr. 1.3 der FAQ 6. Beispiel (Taxiunternehmen) – https://www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de/UBH/Redaktion/DE/FAQ/ ausserordentliche-wirtschaftshilfe.html). Dass die Klägerin aber regelmäßig mindestens 80 Prozent ihres Umsatzes direkt über die geschlossene Veranstaltungsbranche erzielt, wurde wie oben bereits ausgeführt weder vorgetragen noch nachgewiesen. Feierliche Anlässe, zu denen das Modeangebot der Klägerin getragen werden kann, wie z.B. Hochzeiten oder Erstkommunionfeiern, waren aber auf Grundlage des Beschlusses von Bund und Ländern vom 28. Oktober 2020 nicht grundsätzlich verboten.
In der vorliegenden Konstellation ist weiter kein atypischer Ausnahmefall gegeben, der eine abweichende Entscheidung der Beklagten hätte gebieten müssen (vgl. OVG NRW, B.v. 29.5.2017 – 4 A 516/15 – juris), weil der konkrete Sachverhalt keine außergewöhnlichen Umstände aufweist, die von den Richtlinien und der darauf basierenden Förderpraxis nicht erfasst werden und von solchem Gewicht sind, dass sie eine von der im Regelfall vorgesehenen Rechtsfolge abweichende Behandlung gebieten. Es liegt eine Fallgestaltung vor, die häufiger vorkommt und nach der Ausgestaltung der Förderpraxis und des praktizierten Förderverfahrens gerade nicht gefördert werden soll.
Des Weiteren ist der Ausschluss der Klägerin von der Förderung auch sonst nicht willkürlich, weil sachgerechte und vertretbare Gründe von der Beklagten vorgebracht wurden.
Der Allgemeine Gleichheitssatz gebietet nur, ein gleichheitsgerechtes Verteilungsprogramm zu erstellen und in diesem Rahmen einen Anspruch zu gewähren (NdsOVG, U.v. 3.2.2021 – 10 LC 149/20 – AUR 2021, 98 – juris Rn. 21).
Aufgrund des freiwilligen Charakters einer Förderung und dem weiten Ermessen des Förderungsgebers bei der Aufstellung von Förderrichtlinien, ist eine entsprechende Nachprüfung der Förderrichtlinien nur im Hinblick auf eine möglicherweise willkürliche Ungleichbehandlung potentieller Förderungsempfänger eröffnet, nicht aber in Form einer Verhältnismäßigkeitsprüfung (vgl. BVerwG, U.v. 14.3.2018 – 10 C 1/17 – Buchholz 451.55 Subventionsrecht Nr.119 – juris Rn. 15 ff. m.w.N. zur Rechtsprechung des BVerfG; VG München, U.v. 28.8.2019 – M 31 K 19.203 – juris Rn. 15). Nach der Willkür-Formel des Bundesverfassungsgerichts (seit U.v. 23.10.1951 – 2 BvG 1/51 – BVerfGE 1, 14, 52 – juris Rn. 147; B.v. 19.101982 – 1 BvL 39,80 – BVerfGE 61, 138, 147 – juris Rn. 34) ist Willkür dann anzunehmen, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Ungleichbehandlung nicht finden lässt.
Art. 3 Abs. 1 GG gebietet eine gleichmäßige Verwaltungspraxis. Dazu gehört das Verbot einer nicht durch sachliche Unterschiede gerechtfertigten Differenzierung zwischen verschiedenen Sachverhalten bei der Förderung (BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – BayVBl 2020, 346 – juris Rn. 32). Geboten ist so eine bayernweit gleichmäßige und willkürfreie Mittelverteilung. Nicht erlaubt ist eine uneinheitliche und damit objektiv willkürliche Förderpraxis (vgl. BayVGH, U.v. 25.7.2013 – 4 B 13.727 – DVBl 2013, 1402). Dabei steht dem Richtliniengeber frei, sich für eine bestimmte Verwaltungspraxis zu entscheiden und diese zu handhaben. Die Willkürgrenze wird selbst dann nicht überschritten, wenn es auch für eine alternative Förderpraxis gute Gründe gäbe. Eine Verletzung des Willkürverbots liegt mithin nur dann vor, wenn die maßgeblichen Kriterien unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar wären und sich daher der Schluss aufdrängen würde, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhten (vgl. NdsOVG, U.v. 24.3.2021 – 10 LC 203/20 – RdL 2021, 251 – juris Rn. 33 ff.; VG Würzburg, U.v. 25.5.2020 – W 8 K 19.1546 – juris Rn. 48; VG Köln, G.v. 17.8.2015 – 16 K 6804/14 – juris; jeweils m.w.N.).
Der Zuwendungsgeber hat dabei einen weiten Gestaltungsspielraum, soweit er bei der Förderung nicht nach unsachlichen Gesichtspunkten vorgeht. Sachbezogene Gesichtspunkte stehen der öffentlichen Hand in weitem Umfang zu Gebote (OVG LSA, B.v. 26.4.2021 – 1 L 49/19 – juris Rn.10; NdsOVG, U.v. 24.3.2021 – 10 LC 203/20 – RdL 2021, 251 – juris Rn. 30 ff. u. 38; OVG NRW, U.v. 22.3.2021 – 14 A 1131/18 – DWW 2021, 186 – juris Rn. 44; mwN).
Der Zuwendungs- und Richtliniengeber ist auch bei Corona-Beihilfen nicht daran gehindert, im Sinne einer Eingrenzung des Kreises der Zuwendungsempfänger und Verteilung der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel den Kreis der Begünstigten im Wege einer dem Zweck der Förderung entsprechenden, sachgerechten Abgrenzung auf bestimmte Antragsberechtigte zu beschränken. Denn nur der Zuwendungs- und Richtliniengeber bestimmt im Rahmen des ihm eingeräumten weiten Ermessens bei der Zuwendungsgewährung darüber, welche Ausgaben dem Fördergegenstand zugeordnet werden und wer konkret begünstigt werden soll. Insoweit besitzen Zuwendungs- und Richtliniengeber und damit der Beklagte die Interpretationshoheit über die maßgeblichen Verwaltungsvorschriften (VG München, U.v. 15.9.2021 – M 31 K 21.110 – juris Rn. 26).
Dem Richtlinien- bzw. Zuwendungsgeber steht es frei, sich für eine bestimmte Verwaltungspraxis zu entscheiden und zu handhaben (BayVGH, U.v. 8.11.2021 – 6 ZB 21.2023 – juris Rn. 13). Eine Verletzung des Willkürverbots liegt auch bei den Corona-Beihilfen nur dann vor, wenn die maßgeblichen Kriterien unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vertretbar, sondern vielmehr offenkundig sachwidrig wären (VG München, U.v. 15.9.2021 – M 31 K 21.110 – juris Rn. 28 zur Corona Überbrückungshilfe; vgl. ferner VG Gießen, U.v. 3.8.2021 – 4 K 573/21.GI – juris Rn. 28 ff. zur hessischen Soforthilfe Corona sowie BayVGH, B.v. 19.5.2021 – 12 ZB 21.430 – juris Rn. 13).
Für den Schluss auf eine willkürliche Fassung oder Handhabung der Förderrichtlinie bestehen keine triftigen Anhaltspunkte. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte in anderen vergleichbaren Zuwendungsfällen anders verfahren wäre, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Erwägungen, die streitgegenständliche Förderung auf solche Unternehmen zu beschränken, die ab dem 1. November 2020 von Schließungsanordnungen betroffen waren und ihre Leistungen nicht mehr anbieten durften, stellen einen vertretbaren sachlichen Grund für die Verneinung der Förderberechtigung der Klägerin dar. Zudem wird die Möglichkeit der indirekten Betroffenheit durch den Richtliniengeber und ihm Rahmen der Verwaltungspraxis berücksichtigt.
Die Klägerin ist damit hinsichtlich der streitgegenständlichen Novemberhilfe nicht antragsberechtigt.
Mithin war der Bescheid über die Abschlagszahlung vom 28. Januar 2021 infolge der Nichtbeachtung der Voraussetzung für die Antragsberechtigung nach Nr. 2.1 der Richtlinie rechtswidrig.
Die Klägerin kann sich hinsichtlich der Rücknahme des Weiteren nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn sie hat den Verwaltungsakt durch in wesentlicher Beziehung unrichtige Angaben erwirkt, Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG. Im Onlineantrag erklärte die Klägerin, als Mischbetrieb antragsberechtigt zu sein. Als Einzelhandelsbetrieb sei sie im Bereich B …- und A … in besonderer und direkter Weise von der Absage von Veranstaltungen jeglicher Art (Abschlussbälle, Hochzeiten etc.) betroffen und erleide hierdurch erhebliche Umsatzeinbußen.
Ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG ist, dass die Angaben, mit Hilfe derer der Begünstigte den Verwaltungsakt erwirkt hat, objektiv unrichtig oder unvollständig waren; ob der Begünstigte dies wusste, ist unerheblich. Ebenso kommt es nicht auf ein Verschulden an (vgl. J. Müller in BeckOK, VwVfG, 51. Edition Stand: 1.4.2021, § 48 Rn. 78 m.w.N.). In Abgrenzung zu Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 BayVwVfG ist zudem keine Täuschungsabsicht erforderlich.
Es ist anzunehmen, dass die Beklagte bei richtiger Angabe den Bescheid über die Abschlagszahlung nicht erlassen hätte.
Ermessenfehler hinsichtlich der Rücknahmeentscheidung sind vorliegend nicht ersichtlich. Das behördliche Rücknahmeermessen ist insoweit reduziert (vgl. Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Auflage 2021, § 48 Rn. 127b). Gründe, die ein Abweichen von dem gesetzlich normierten Regelfall rechtfertigen würden, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Überdies erfordert der in der Landeshaushaltsordnung verankerte Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwendung öffentlicher Mittel regelmäßig die Rücknahme rechtswidriger Subventionsbescheide, damit öffentliche Mittel sparsam und effektiv verwendet werden (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.1996 – BVerwG 3 C 22.96 – juris, Rn. 16; vgl. auch: HessVGH, U.v. 13.5.2014 – 9 A 2289/12 – juris Rn. 44), was auch bei einer Bewilligung von Corona-Soforthilfen gilt (vgl. VG Gießen, U.v. 3.12.2020 – 4 K 3429/20.GI – juris Rn. 39 f.).
Die Rücknahme des Bescheids vom 28. Januar 2021 in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids war damit rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die in Nr. 3 des Bescheids vom 7. April 2021 angeordnete Erstattung des Betrags von 10.963,55 EUR bis 7. Mai 2021 findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 49a Abs. 1 BayVwVfG. Der Rückerstattungsanspruch kam mit Leistungsbescheid geltend gemacht werden (OVG NRW, B.v.16.4.2021 – 4 A 3435/20 juris Rn. 24).
Nach Art. 49a BayVwVfG ist der zu erstattende Betrag vom Eintritt der Unwirksamkeit des Verwaltungsakts an zu verzinsen. Die Regelung in Nr. 4 des streitgegenständlichen Bescheids, dass eine Verzinsung erst bei Nichteinhaltung der Zahlungsfrist erfolge, weicht hiervon zugunsten der Klägerin ab und begegnet damit keinen Bedenken.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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