Europarecht

Anfechtungsklage, Verwaltungsakt, Bescheid, Zulassung, Feststellungsklage, Vollziehung, Patentanwalt, Berufung, Gesellschafter, Rechtsdienstleistung, Widerruf, Gesellschaft, Statthaftigkeit, Vertretung, sofortige Vollziehung, rechtliches Interesse, gerichtliche Entscheidung

Aktenzeichen  Pat A-Z 1/2021

Datum:
21.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 54493
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Die Klägerinnen haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.  
III.Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

I. Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin zu 2) als niedergelassene europäische Patentanwältin alleinige Geschäftsführerin der Klägerin zu 1) als Patentanwaltsgesellschaft werden kann.
Die Klägerin zu 1), eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, ist aufgrund Bescheids der Beklagten vom 17.02.2020 (FPS5, nachfolgend werden als „FPS“ gekennzeichnete Anlagen mit „K“ bezeichnet) als Patentanwaltsgesellschaft zugelassen.
Die Klägerin zu 2) ist Ingenieurin und in Frankreich als Conseil en Propriété Industrielle zugelassen. Sie wurde als niedergelassene europäische Patentanwältin gemäß § 21 EuPAG in die Patentanwaltskammer aufgenommen (Bescheid der Beklagten vom 27.07.2020, K2). In Deutschland ist die Klägerin zu 2) im Rahmen der Klägerin zu 1) tätig, deren Gesellschafterin sie zu 49% ist.
Die Klägerin zu 2) möchte alleinige Geschäftsführerin der Klägerin zu 1) werden. Vor diesem Hintergrund fragte sie bei der Beklagten an, ob dem Hinderungsgründe entgegenstünden. In ihrer Antwort verwies die Beklagte darauf, dass die Klägerin zu 2) die Voraussetzungen des § 52f Abs. 1 PAO nicht erfülle, da sie keine in Deutschland zugelassene Patentanwältin sei (Schriftwechsel K7, K8, K9). So heißt es in der E-Mail der Geschäftsführerin der Beklagten vom 17.09.2020 (K7): „Wenn Patentanwalt (…) nicht mehr Geschäftsführer ist, sind die Voraussetzung des § 52f Abs. 1 PAO nicht mehr gewahrt und die Zulassung als Patentanwaltsgesellschaft müsste gemäß § 52h Abs. 3 Satz 1 PAO widerrufen werden.” 
Die Klägerinnen sind der Meinung, nachdem hier eine Anfechtungsklage unzulässig sei, weil die Beklagte bislang keinen Verwaltungsakt erlassen habe, stehe ihr nur der besondere Rechtsbehelf der Feststellungsklage zur Verfügung.
Der in Aussicht gestellte Widerruf der Zulassung der Klägerin zu 1) als Patentanwaltsgesellschaft sei rechtswidrig, die Klägerin zu 2) erfülle die Voraussetzungen für die alleinige Geschäftsführung der Klägerin zu 1).
Soweit sich die Beklagte zur Begründung ihrer gegenteiligen Rechtsauffassung auf Absatz 1 des § 52f PAO berufe, wonach die Patentanwaltsgesellschaft von Patentanwälten verantwortlich geführt werden muss (Satz 1 von § 52f Abs. 1 PAO) und die Geschäftsführer mehrheitlich Patentanwälte sein müssen (Satz 2 von § 52f Abs. 1 PAO), sei hervorzuheben, dass das Bundesverfassungsgericht Satz 1 des § 52f Abs. 1 PAO für nichtig erklärt habe (1 BvR 2998/11 und 1 BvR 236/12, NJW 2014, 613). Die Parallelvorschrift zu Satz 2 des § 52f Abs. 1 PAO in der Bundesrechtsanwaltsordnung, nämlich § 59f Abs. 1 Satz 2 BRAO habe das Bundesverfassungsgericht in dieser Entscheidung ebenfalls für nichtig erklärt. Diese Entscheidung zur BRAO sei auf Satz 2 des § 52f Abs. 1 PAO zu übertragen.
Außerdem lege die Beklagte den Begriff „Patentanwalt“ in § 52f Abs. 1 PAO zu restriktiv aus. Hierunter seien nicht nur in Deutschland zugelassene Patentanwälte zu verstehen. Der Gesetzgeber habe bei der Berechtigung zur Geschäftsführung keine Differenzierung zwischen dem „europäischen“ Patentanwalt und dem „deutschen“ Patentanwalt gewollt. Eine solche Differenzierung verstoße gegen die EU-Richtlinie über die Anerkennung von Berufsqualifikationen und den EU-Grundsatz der Niederlassungsfreiheit. Weiter verletze eine solche Unterscheidung die Klägerinnen in ihren Grundrechten und diskriminiere sie in verfassungswidriger Weise. § 52f Abs. 1 PAO bezwecke, die berufliche Unabhängigkeit der Patentanwälte zu gewährleisten. Den Vorschriften der PAO, die diese Unabhängigkeit sicherstellten, unterliege auch die Klägerin zu 2) als niedergelassene europäische Patentanwältin. Was die Bestimmungen des Absatzes 2 von § 52f PAO angehe, gehöre die Klägerin zu 2) unter zwei Gesichtspunkten zu den in dieser Vorschrift genannten Personen, die Geschäftsführer einer Patentanwaltsgesellschaft sein könnten. Zum einen sei sie Mitglied der Patentanwaltskammer. Dabei unterscheide § 52f Abs. 2 PAO nicht nach dem Grund der Aufnahme in die Kammer, sodass die Aufnahme als niedergelassene europäische Patentanwältin ausreiche. Zum anderen sei die Klägerin zu 2) in Frankreich als Conseil en Propriété Industrielle zugelassen und damit Angehörige von Patentanwaltsberufen aus anderen Staaten im Sinne von § 52a Abs. 2 Nummer 1 PAO, auf den § 52f Abs. 2 PAO Bezug nehme.
Die Klägerinnen beantragen,
festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, der Klägerin zu 1) die Zulassung als Patentanwaltsgesellschaft aus dem Grunde zu widerrufen, dass die Klägerin zu 2) ihre alleinige Geschäftsführerin wird.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, die Zulassung als Patentanwaltsgesellschaft sei zu widerrufen, wenn die Geschäftsführung nicht mehr die Voraussetzungen des § 52f PAO erfülle.
Gemäß § 52f Abs. 2 PAO könne Geschäftsführer einer Patentanwaltsgesellschaft nur sein, wer zur Ausübung eines der in § 52e Abs. 1 Satz 1 PAO genannten Berufe berechtigt sei. Unter diese Berufe falle auch der gemäß § 20 EuPAG niedergelassene europäische Patentanwalt.
Satz 1 des § 52f Abs. 1 PAO, der die verantwortliche Führung von Patentanwaltsgesellschaften bestimme, sei nach der Maßgabe der bereits von den Klägerinnen zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nichtig. Dies müsse auch für Satz 2 dieser Vorschrift gelten, dies habe das Bundesverfassungsgericht für die Parallelvorschrift der Bundesrechtsanwaltsordnung schließlich bereits entschieden. Jedoch könne die Klägerin zu 2) deshalb nicht Geschäftsführerin der Klägerin zu 1) werden, weil sie nicht in der Lage sei, Rechtsangelegenheiten entsprechend dem Gesellschaftszweck der Klägerin zu 1) zu beraten und zu vertreten. Denn sie sei als niedergelassene europäische Patentanwältin nur berechtigt, sich unter der Berufsbezeichnung ihres Herkunftsstaates zur Rechtsbesorgung auf dem Gebiet des ausländischen und des internationalen gewerblichen Rechtsschutzes in Deutschland niederzulassen, § 20 EuPAG. Sie sei nicht berechtigt, auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes nach § 3 Abs. 2 und Abs. 3 PAO tätig zu werden. Berufsangehörige des Patentanwaltsberufs eines Mitgliedstaats der EU könnten erst nach Vorliegen einer Bescheinigung nach § 2 Abs. 5 EuPAG und der dann erfolgten Zulassung als Patentanwalt die Befugnis nach § 3 Abs. 2 und Abs. 3 PAO ausüben. Werde der europäische Patentanwalt auf dem Gebiet des deutschen gewerblichen Rechtsschutzes geschäftsmäßig rechtsbesorgend tätig, sei dies nicht mehr durch § 1 Abs. 2 RDG gedeckt. Für Berufsangehörige von Patentanwaltsberufen aus den Mitgliedstaaten sei das Recht auf berufliche Tätigkeit dadurch gewahrt, dass ihnen in § 20 EuPAG das Recht eingeräumt werde, im internationalen und ausländischen gewerblichen Rechtsschutz beratend tätig zu werden. Es sei auch gewahrt durch die Eröffnung der genannten Möglichkeit der Eignungsprüfung und Bescheinigung nach § 2 EuPAG.
Eine Patentanwaltsgesellschaft müsse aber in der Lage sein, in Rechtsangelegenheiten zu beraten und zu vertreten, die dem Unternehmensgegenstand nach § 52c Abs. 1 PAO entspreche. Hierzu bediene sie sich ihrer Gesellschafter und Geschäftsführer. Die alleinige Geschäftsführung sei zwar zulässig. In der Verantwortung des alleinigen Geschäftsführers einer Patentanwaltsgesellschaft lägen dann aber alle Maßnahmen zur Erreichung des Gesellschaftszwecks, somit auch die Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten im Sinne des § 3 Abs. 2 und Abs. 3 PAO. Diese Rechtsdienstleistungen könnten aber nur von einem solchen alleinigen Geschäftsführer erbracht werden, in dessen Person die für die Erbringung der Rechtsdienstleistung erforderlichen Befugnisse vorlägen. Er könne nur dann persönlich handeln, wenn er selbst persönlich die Voraussetzung für die Beratung und Vertretung nach § 3 Abs. 2 und Abs. 3 PAO erfülle. Das treffe auf die Klägerin zu 2) nicht zu. Hierauf erwidern die Klägerinnen, eine Patentanwaltsgesellschaft sei nicht gezwungen, sämtliche ihr erlaubte Tätigkeiten auszuüben. Insbesondere aus § 3 Abs. 2 und Abs. 3 PAO ergebe sich keine Pflicht, sämtliche der dort genannten Tätigkeiten auch tatsächlich auszuüben. Im Gegenteil sei ein Angehöriger eines freien Berufs und unabhängiger Berater und Vertreter frei, bestimmte Tätigkeiten, zu denen er befugt sei, nicht auszuüben und entsprechende, an ihn herangetragene Mandate abzulehnen. Für Patentanwaltsgesellschaften gelte dies auch, wie sich aus § 52c Abs. 1 PAO und der darin enthaltenen Verweisung auf § 3 Abs. 2 und Abs. 3 PAO ergebe.
Auch der im Handelsregister eingetragene Geschäftsgegenstand der Patentanwaltsgesellschaft verpflichte nicht dazu, sämtliche von der Eintragung erfasste Tätigkeiten auch auszuüben. Die Klägerin zu 1) könne ihre Tätigkeit in Deutschland sehr wohl auf die Rechtsbesorgung auf dem Gebiet des ausländischen und des internationalen gewerblichen Rechtsschutzes beschränken. Zumal diese Tätigkeit von § 3 Abs. 2 und Abs. 3 PAO umfasst sei. Damit könne die Klägerin zu 1) ausschließlich durch die Klägerin zu 2) handeln. Die Klägerin zu 1) könne sich auf einzelne Geschäftsbereiche wie zum Beispiel die Anmeldung und Verteidigung von europäischen Schutzrechten vor dem EPA beschränken und damit im zugelassenen Tätigkeitsbereich der Klägerin zu 2) arbeiten.
Die Klägerin zu 1) könne aber auch im Rahmen des § 3 Abs. 2 und Abs. 3 PAO tätig sein, indem sie sich, wie üblich, angestellter Patentanwälte oder freier patentanwaltlicher Mitarbeiter bediene. Auch diese seien zu Erbringung der Rechtsdienstleistungen des § 3 PAO befugt. Ihnen könne vertraglich die Befugnis eingeräumt werden, die Gesellschaft in Mandatsangelegenheiten allein zu vertreten. Dies sei gängige Praxis.
Außerdem sei die Frage, wer Geschäftsführer einer Patentanwaltsgesellschaft werden könne abschließend in §§ 52a ff. PAO geregelt. Ein Rückgriff auf § 5 PAO sei ausgeschlossen. § 52f PAO in Verbindung mit § 52e Abs. 1 Satz 1 PAO und § 52a Abs. 2 Nummer 1 PAO sei abschließend. Ein solcher Rückgriff sei auch nicht deshalb angezeigt, weil in § 52f Abs. 1 PAO der Begriff Patentanwälte verwendet werde. Schließlich erweitere § 52f Abs. 2 PAO den Kreis der zur Geschäftsführung Befugten ausdrücklich auf die zur Ausübung eines in § 52e Abs. 1 Satz 1 PAO genannten Berufs Berechtigten.
Im Übrigen wird auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30.09.2021 Bezug genommen.
II. Die Feststellungsklage, mit der die Klägerinnen festgestellt wissen wollen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, der Klägerin zu 1) die Zulassung als Patentanwaltsgesellschaft aus dem Grunde zu widerrufen, dass die Klägerin zu 2) ihre alleinige Geschäftsführerin wird, ist wegen fehlender Statthaftigkeit unzulässig, § 94b Abs. 1 Satz 1 PAO, § 43 Abs. 1 VwGO.
1. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Feststellungsklage deshalb unstatthaft ist, weil es im hier gegebenen Fall bereits an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis der Parteien fehlt (§ 94b Abs. 1 Satz 1 PAO, § 43 Abs. 1 VwGO). Ein solches ist schließlich nicht gegeben bei der Wahrnehmung der in § 69 Abs. 2 Nummer 1 PAO geregelten Aufgaben der Patentanwaltskammer, weil hier der für die Statthaftigkeit einer Feststellungsklage erforderliche Grad der Konkretisierung bzw. Verdichtung des Rechtsverhältnisses zwischen der Kammer und dem Patentanwalt nicht gegeben ist (zur Parallelvorschrift der BRAO, vgl. BGH NJW 2017, 2556, 2559).
Denn jedenfalls haben die Klägerinnen ein Feststellungsinteresse nach § 94b Abs. 1 Satz 1 PAO, § 43 Abs. 1 Hs. 2 VwGO weder dargetan noch ist ein solches unter den hier gegebenen Umständen sonst ersichtlich. Durch Klage kann auch in Verfahren vor dem Patentanwaltssenat die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger gemäß § 94b Abs. 1 Satz 1 PAO, § 43 Abs. 1 Hs. 2 VwGO ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (BGH, a.a.O., m.w.N.). Ein solches Interesse schließt jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art ein. Diese Voraussetzungen liegen in Bezug auf den Feststellungsantrag der Klägerinnen jedoch nicht vor.
a) Bei dem von den Klägerinnen für unzutreffend erachteten Schreiben der Beklagten vom 12.11.2020 (K9) handelt es sich um einfache Belehrungen bzw. präventive Hinweise, darin wird weder ein konkretes Unterlassungsgebot hinsichtlich der von den Klägerinnen beabsichtigten Bestellung der Klägerin zu 2) zur Geschäftsführerin der Klägerin zu 1) ausgesprochen, noch legt sich die Beklagte bereits auf eine verbindliche Regelung der aufgeworfenen Fragen fest.
b) In der E-Mail der Geschäftsführerin der Beklagten vom 17.09.2020 (K7) heißt es zwar, die Zulassung der Klägerin zu 1) als Patentanwaltsgesellschaft müsste widerrufen werden. Dies aber in Bezug auf den Sachverhalt, dass der derzeitige Geschäftsführer der Klägerin zu 1) – ein deutscher Patentanwalt – nicht mehr ihr Geschäftsführer ist. Eine abschließende rechtliche Beurteilung des Sachverhalts ist darin nicht zu sehen, zumal die Geschäftsführerin in einem, ihre E-Mail begleitenden Telefonat schon angekündigt hat, die aufgeworfenen Fragen möglicherweise dem Vorstand der Patentanwaltskammer vorzulegen (Schreiben der Klägerin vom 06.10.2020, Seite 1 aE). Dies relativiert die Verbindlichkeit ihrer E-Mail maßgeblich.
Damit begehren die Klägerinnen mit ihrem Feststellungsantrag der Sache nach vorbeugenden Rechtsschutz. Dieser zielt auf die vorbeugende Abwehr einer Verwaltungsmaßnahme der Beklagten, falls die Klägerin zu 2) zur Geschäftsführerin der Kläger zu 1) bestellt wird. Da der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz wegen des Grundsatzes der Gewaltenteilung jedoch grundsätzlich nicht vorbeugend, sondern nachgängig ausgestaltet ist (vgl. nur BVerwG, NVwZ 2015, 906 Rn. 17 mwN; NVwZ-RR 2016, 907 Rn. 19), ist eine vorbeugende Feststellungsklage – wie auch eine sonstige vorbeugende verwaltungsgerichtliche Klage – nur zulässig, wenn ein spezielles, besonders schützenswertes, gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Interesse besteht. Dieses ist (nur) gegeben, wenn der Betroffene nicht in zumutbarer Weise auf den von der Verwaltungsgerichtsordnung als grundsätzlich angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz gegen die befürchtete Beeinträchtigung verwiesen werden kann, wenn mit anderen Worten der Verweis auf den nachgängigen Rechtsschutz mit für den Kläger unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre (stRspr; vgl. nur BVerwG, LMuR 2014, 75 Ls. = BeckRS 2014, 46927 Rn. 41; Beschluss vom 19.5.2015 – 3 B 6/14, BeckRS 2015, 46741 Rn. 14; BVerwG, NVwZ 2015, 906 Rn. 17; NVwZ-RR 2016, 323 Rn. 6, jew. mwN). Denn die Zulassung vorbeugenden Rechtsschutzes würde die Zuweisung der Erstentscheidung an die Verwaltung unterlaufen. Der Sinn und Zweck des Verwaltungsverfahrens verbieten es in der Regel, während des Verfahrens oder vor seiner Einleitung eine Gerichtsentscheidung über die Rechtmäßigkeit des zu erlassenden Verwaltungsakts herbeizuführen.   
Zwar sind Ausnahmen von diesem Grundsatz anzuerkennen. Beispiele für zulässige vorbeugende Unterlassungsklagen gegen drohende Verwaltungsakte finden sich in der Rechtsprechung vor allem in Fällen, in denen eine Vielzahl gleichartiger Verwaltungsakte teils schon ergangen ist und teils noch zu ergehen droht, wenn immer wieder befristete und sich vor Durchführung des Widerspruchsverfahrens erledigende Verwaltungsakte ausgesprochen werden, wenn der drohende Verwaltungsakt vollendete Tatsachen schafft oder in gewissen Fällen gegen straf- oder bußgeldbewehrte Verwaltungsakte (vgl. Pietzcker/Marsch in: Schoch/Schneider, Verwaltungsgerichtsordnung: VwGO Rn. 166 zu § 42 Abs. 2 m.w.N.)
So oder vergleichbar liegt der Fall hier indes nicht. Ein schützenswertes rechtliches Interesse der Klägerinnen, bereits im Vorfeld des von ihnen beabsichtigten Geschäftsführerwechsels eine gerichtliche Entscheidung über deren Zulässigkeit zu erhalten, ist entgegen der Auffassung der Klägerinnen, wonach ihr erhebliche Nachteile drohen (vgl. im Einzelnen, Klageschrift vom 2101-2021, Seite 10) nicht ersichtlich. Vielmehr ist es ihnen ohne Weiteres zuzumuten, wenn sie trotz der von der Beklagten mit Schreiben vom 17.09.2020 und vom 12.11.2020 ausgesprochenen Belehrung an ihrer gegenteiligen Rechtsauffassung und an dem geplanten Geschäftsführerwechsels festhalten, einen möglichen Widerruf der Zulassung der Klägerin zu 2) abzuwarten. Sofern die Beklagte für einen solchen Zulassungswiderruf die sofortige Vollziehung anordnet, steht den Klägerinnen zudem der vorläufige Rechtsschutz gemäß § 94b Abs. 1 Satz 1 PAO, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO offen.
Eine Wiedereröffnung der Verhandlung nach § 156 ZPO hinsichtlich des Schriftsatzes der Klagepartei vom 13.10.2021 war nicht geboten (vgl. Greger in: Zöller, ZPO, 32. Auflage, Rdnr. 4 und 5 zu § 156 m.w.N.).
III.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 94b Abs. 1 Satz 1 PAO, § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 94b Abs. 1 Satz 1 PAO, § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Die Berufung ist nicht gemäß § 23 EuPAG, § 94b Abs. 1 Satz 1 PAO, § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen. Weder liegen die Voraussetzungen der § 94b Abs. 1 Satz 1 PAO, § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO vor, noch hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (vgl. § 94b Abs. 1 Satz 1 PAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).


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