Europarecht

Anschwärzung und gezielte Behinderung durch Warnung potentieller Investoren

Aktenzeichen  21 O 13540/21

Datum:
10.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2021, 38397
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UWG § 2 Abs. 1 Nr. 1 u. Nr. 3, § 4 Nr. 2 u. Nr. 4

 

Leitsatz

1. Eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG liegt bei einem Schreiben vor, das sich an potentielle Investoren eines Mitbewerbers richtet und diese dazu bewegen soll, von der Investition Abstand zu nehmen. (Rn. 29 – 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Gegen eine geschäftliche Handlung spricht nicht, wenn diese zwar von einer Privatperson ausgeht, die Person aber auf ihre Rolle als Geschäftsführer eines Wettbewerbs hinweist. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei der Frage nach der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit einer Warnung eines Investors vor möglichen Rechtsstreitigkeiten in Millionenhöhe gelten die gleichen Grundsätze wie bei der unberechtigten Abnehmerverwarnung wegen Ausschließlichkeitsrechten. (Rn. 56) (redaktioneller Leitsatz)
4. Wirbt ein Start-Up Unternehmen in einer frühen Phase nach Gründung bei Inverstoren für einen Finanzierungsbeitrag, ist es kreditgefährdend, wenn vor bevorstehenden konkreten Rechtsstreitigkeiten gewarnt wird, die kostenintensiv sind. (Rn. 57) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Dem Verfügungsbeklagten wird es bei Meidung eines für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an dem Verfügungsbeklagten, untersagt,
in der Bundesrepublik Deutschland im geschäftlichen Verkehr gegenüber Dritten wörtlich und/oder sinngemäß zu behaupten und/oder zu verbreiten und/oder behaupten und/oder verbreiten zu lassen,
a)
„Dieses Schreiben geht in gleichlautender Form an alle mir bekannten Investoren des obigen Unternehmens und dient dem Zweck jetzt schon vorhersehbare künftige juristische Auseinandersetzungen in Millionenhöhe zu vermeiden.“
oder
„…; mein Mandant macht im Rahmen einer Vindikationsklage die Herausgabe aller Rechte an der Technologie geltend, mit welcher die m… GmbH von Ihnen Gelder schon eingeworben het. Hier drohen jedem Investor Schadensersatzansprüche in Millionenhöhe. (…)“
oder
b)
„In dem Heidelberger Labor (…) ist das, in was Sie jetzt 2 Millionen € investieren wollen, bereits Kenntnisstand.“
oder
c)
„Wichtig erscheint mir auch der Hinweis, dass alle Rechte an der Technologie, soweit sie nicht die EU, die USA und Kanada betreffen, bereits bei meinem Mandanten liegen, insbesondere betrifft dies auch Eurasien und somit Rumänien, sodass es für den Unterzeichner recht erstaunlich ist, dass der rumänische Investor S… sich hier beteiligt.“,
wenn dies geschieht wie in dem als
Anlage AST 1
beigefügten Schreiben vom 12.09.2021.
2. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
3. Der Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig (nachfolgend Ziffer A.) und – jedenfalls im ganz überwiegenden Umfang – auch begründet (nachfolgend Ziffer B.).
A.
Der Antrag ist zulässig; insbesondere ist das Landgericht München I als Gericht der Hauptsache für den Erlass der einstweiligen Verfügung zuständig (§ 937 Abs. 1 ZPO).
Die (ausschließliche) sachliche Zuständigkeit des Landgerichts folgt aus § 14 Abs. 1 UWG. Es liegt eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit vor, mit der Ansprüche auf Grund von §§ 8 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1, 4 Nr. 2 und Nr. 4 UWG geltend gemacht werden.
Das Landgericht München I ist nach § 14 Abs. 2 Satz 2 UWG örtlich zuständig. Hiernach ist für alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, mit denen ein Anspruch auf Grund des UWG geltend gemacht wird, auch das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Zuwiderhandlung begangen wurde. Bei einer wie hier streitgegenständlichen Versendung von Schriftstücken kann der Ort der Begehung sowohl der Absende- als auch der Empfangsort sein (Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl. 2021, § 14 UWG Rn. 19 unter Verweis auf BGH, GRUR 1964, 316, 318 – Stahlexport). Der Verfügungsbeklagte sandte das Schreiben insbesondere an die in München ansässige Occident Ventures GmbH; der entsprechende Empfangsort begründet mithin die örtliche Zuständigkeit.
B.
Ein Verfügungsanspruch besteht hinsichtlich des ganz überwiegenden Teils der angegriffenen Äußerungen (nachfolgend Ziffer I.). Auch ein Verfügungsgrund ist zu bejahen (nachfolgend Ziffer II.).
I.
Der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsanspruch liegt vor. Der von der Verfügungsklägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist auf der Grundlage der §§ 8 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, 4 Nr. 2, 4 Nr. 4 UWG begründet. Das angegriffene Schreiben vom 12.09.2021 stellt eine geschäftliche Handlung dar. Seinem Inhalt nach ist das Schreiben im ganz überwiegenden Umfang der angegriffenen Äußerungen unter dem Gesichtspunkt nicht erweislich wahrer, kreditschädigender Tatsachenbehauptungen und unlauteren Behinderungswettbewerbs unzulässig und wettbewerbswidrig.
1. Mit dem Versand des von der Verfügungsklägerin angegriffenen Schreibens vom 12.09.2021 hat der Verfügungsbeklagte eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG vorgenommen.
a) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Seinem Sinn und Zweck nach dient der Begriff der geschäftlichen Handlung dazu, den Anwendungsbereich des Lauterkeitsrechts gegenüber dem allgemeinen Deliktsrecht abzugrenzen (BGH, GRUR 2016, 946, 952 Rn. 67 – Freunde finden; Keller in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl. 2021, § 2 UWG Rn. 2; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl. 2021, § 2 Rn. 3). Vor dem Hintergrund dieser Zielsetzung ist das Merkmal des „objektiven Zusammenhangs“ funktional zu verstehen und setzt voraus, dass die Handlung bei objektiver Betrachtung darauf gerichtet ist, durch Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung der Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer den Absatz oder Bezug von Waren oder Dienstleistungen des eigenen oder eines fremden Unternehmens zu fördern (BGH, GRUR 2013, 945, 946 Rn. 17 – Standardisierte Mandatsbearbeitung).
Dem gesetzgeberischen Willen nach ist der Begriff der geschäftlichen Handlung dabei weit zu verstehen und erfasst über das – europarechtlich von der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken geregelte – Verhältnis zwischen Unternehmen und Verbrauchern auch mögliche unlautere Verhaltensweisen eines Unternehmens gegenüber anderen Unternehmen wie Absatz- und Werbebehinderungen, Betriebsstörungen und unberechtigte Abmahnungen. Denn auch zwischen derartigen Praktiken und dem Absatz oder dem Bezug von Waren und Dienstleistungen besteht letztlich ein objektiver Zusammenhang, weil der Absatz oder der Bezug von Waren und Dienstleistungen durch derartige Verhaltensweisen regelmäßig – wenn in der Regel auch mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung – zugunsten des unlauter handelnden Unternehmens beeinflusst werden kann (BT-Drs. 16/10145, 21; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl. 2021, § 2 UWG Rn. 53).
Keinen objektiven Zusammenhang mit dem Absatz von Waren oder Dienstleistungen und den anderen genannten Unternehmensaktivitäten weisen dagegen rein weltanschauliche, wissenschaftliche, redaktionelle oder verbraucherpolitische Äußerungen von Unternehmen oder anderen Personen auf (BT-Drs. 16/10145, 21). Auch rein private und rein unternehmensinterne Verhaltensweisen sind mangels Marktbezugs nicht als geschäftliche Handlung zu qualifizieren (Hasselblatt/Zarn in Gloy/Loschelder/Danckwerts, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2019, § 31 Rn. 19 ff.; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl. 2021, § 2 UWG Rn. 36).
b) Diese Maßstäbe zu Grunde gelegt ist das streitgegenständliche Schreiben nach der Überzeugung der Kammer geschäftlicher Natur.
aa) Mit dem anwaltlichen Schreiben vom 12.09.2021 wandte sich der Verfügungsbeklagte gezielt an potentielle Investoren der Verfügungsklägerin, um vor einem mit deren Finanzierungszusage verbundenen Risiko möglicher Rechtsstreitigkeiten in Millionenhöhe zu warnen. Diese ausdrückliche Warnung stellt sich aus dem maßgeblichen Blickwinkel eines objektiven Betrachters als Aufforderung an die adressierten Investoren dar, ihre Finanzierungszusage im eigenen Interesse nochmals zu überdenken und von dieser gegebenenfalls wieder Abstand zu nehmen. Die entsprechende Verhinderung einer Finanzierung zu Gunsten der Verfügungsklägerin kommt zugleich – zumindest mittelbar – dem eigenen Unternehmen des Verfügungsbeklagten zu Gute und fördert dessen Marktposition.
Überdies betont der Verfügungsbeklagte in seinem Schreiben vom 12.09.2021 selbst, mit der B… GmbH mit Sitz in … ein eigenes Unternehmen gegründet zu haben, das in Zusammenarbeit mit einem weiteren in der Pfalz ansässigen Biotechnologieunternehmen und in Kooperation mit einem Industrieunternehmen erfolgreich Forschung betreibe. Mithin begründet der Verfügungsbeklagte den Beweggrund seines Schreibens gerade mit eigener, unternehmerischer und damit geschäftlicher Tätigkeit.
bb) Dem damit aus Sicht der Kammer fraglos feststehenden geschäftlichen Charakter des streitgegenständlichen Schreibens kann der Verfügungsbeklagte nicht entgegenhalten, hierbei nur als Privatperson gehandelt zu haben. Richtig ist insoweit zwar, dass die Tatbestandsvoraussetzung der geschäftlichen Handlung in negativer Hinsicht gerade rein private Handlungen vom Anwendungsbereich des Wettbewerbsrechts ausgrenzen will. Dieses Argument verfängt aber bereits deswegen nicht, weil der Verfügungsbeklagte selbst auf seine Rolle als Geschäftsführer der B… GmbH und deren unternehmerische Tätigkeit verweist. Das Schreiben betrifft überdies – schon nach der eigenen Darstellung des Verfügungsbeklagten – unmittelbar den Aufgabenkreis des von ihm als maßgebliches Organ vertretenen Unternehmens (vgl. OLG München, WRP 2012, 1145, 1146 Rn. 8 – Verschleierte Werbung auf Wikipedia). So verweist der Verfügungsbeklagte ausdrücklich darauf, dass er nach dem Ausscheiden aus der m… GbR eine eigene GmbH gegründet hat und gemeinsam mit einem Biotechnologieunternehmen und einem weiteren Industrieunternehmen Forschungsarbeit leistet, in deren Rahmen die investitionsgegenständlichen Kenntnisse bereits vorhanden sind (Anlage AST 1, Seite 5 oben).
cc) Dahinstehen kann zudem, ob das Unternehmen des Verfügungsbeklagten bereits fertigte Produkte am Markt anbietet oder ob sich der Tätigkeitsbereich derzeit ausschließlich auf Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten erstreckt. Zum einen sind Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten dem Absatz von Produkten denklogisch vorgeschaltet und hierauf ausgerichtet. Zum anderen ergibt sich aus dem von der Verfügungsklägerin als Anlage AST 5 vorgelegten Handelsregistereintrag der von dem Verfügungsbeklagten gegründeten B… GmbH, dass Forschungs- und Entwicklungsleistungen als solche zum Kreis unternehmensgegenständlicher Leistungen zählen. Dass der Tätigkeitsbereich der B… GmbH rein wissenschaftlicher und deswegen nicht geschäftlicher Natur ist, trägt der Verfügungsbeklagte hingegen nicht einmal selbst vor. Angesichts der aus dem Handelsregisterauszug ersichtlichen, evidenten unternehmerischen Zielsetzung der B… GmbH wäre eine dahingehende Argumentation auch fernliegend.
2. Die Verfügungsklägerin ist als Mitbewerberin des Verfügungsbeklagten gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG aktivlegitimiert. Mitbewerber ist jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht, § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Da im Interesse eines wirksamen lauterkeitsrechtlichen Individualschutzes grundsätzlich keine hohen Anforderungen an das Vorliegen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses zu stellen sind, reicht es hierfür aus, dass sich der Verletzer durch seine Verletzungshandlung im konkreten Fall in irgendeiner Weise in Wettbewerb zu dem Betroffenen stellt. Voraussetzung hierfür ist ein konkreter, wettbewerblicher Bezug der Ware oder Dienstleistung des handelnden Unternehmers zur Ware oder Dienstleistung eines anderen Unternehmers (BGH, GRUR 2017, 918, 919 – Wettbewerbsbezug; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl. 2021, § 2 UWG Rn. 109a).
Die Verfügungsklägerin und die von dem Verfügungsbeklagten als Geschäftsführer vertretene B… GmbH sind im Bereich der Herstellung von Biomaterialien einschließlich Peptiden und hiermit in Zusammenhang stehenden Forschungs- und Entwicklungsleistungen tätig. Dass beide Unternehmen damit auf demselben sachlich relevanten Markt tätig sind, bestätigt überdies bereits das streitgegenständliche Schreiben vom 12.09.2021, indem der Verfügungsbeklagte selbst betont, die gleiche Technologie zu verwenden, mit welcher die Verfügungsklägerin bereits Gelder eingeworben habe.
3. Die von der Verfügungsklägerin angegriffenen Aussagen aus dem Schreiben des Verfügungsbeklagten vom 12.09.2021 sind – jedenfalls ganz überwiegend – gemäß § 4 Nr. 2 und Nr. 4 UWG unlauter:
a) Die Unlauterkeit der Äußerung
„In dem Heidelberger Labor (…) ist das, in was Sie jetzt 2 Millionen € investieren wollen, bereits Kenntnisstand“
ergibt sich aus § 4 Nr. 2 UWG. Der Verfügungsbeklagte behauptet hiermit die nicht erweislich wahre Tatsache, in seinem Labor bereits über die Kenntnisse zu verfügen, die Grundlage der von den adressierten Investoren erfolgten Finanzierungszusage sind. Die Aussage ist kreditschädigend, da die Behauptung des Verfügungsbeklagten, ihm lägen bereits die Kenntnisse vor, deretwegen die Investoren der Verfügungsklägerin eine Finanzierung zugesagt haben, geeignet ist, dieser Finanzierungszusage die Grundlage zu entziehen. Hierzu im Einzelnen:
aa) Gemäß § 4 Nr. 2 Halbs. 1 UWG handelt unlauter, wer über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind. Nicht vom Anwendungsbereich des § 4 Nr. 2 UWG erfasst sind hingegen Meinungsäußerungen und Werturteile (Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl. 2021, § 4 UWG Rn. 2.13; Bruhn in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl. 2021, § 4 UWG Rn. 44, 55). Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert. Demgegenüber werden Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt.
Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich ist. Das scheidet bei Werturteilen und Meinungsäußerungen aus, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sind und sich deshalb nicht als wahr und unwahr erweisen lassen (st. Rspr., statt vieler: BGH, NJW 2016, 2106, 2109 f. – Ärztebewertungsportal III). Die Beurteilung, ob eine Äußerung als eine Tatsachenbehauptung oder als Werturteil anzusehen ist, bestimmt sich danach, wie die angesprochenen Verkehrskreise sie nach Form und Inhalt in dem Gesamtzusammenhang verstehen, in den sie gestellt ist (OLG München, Urt. v. 06.06.2013, BeckRS 2013, 10252; LG Hamburg, Urt. v. 28.07.2011, BeckRS 2016, 13772).
Vermengen sich in einer Äußerung Tatsachen und Meinungen, ist die Abgrenzung danach vorzunehmen, ob die Äußerung als solche durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, oder ob bei dem angesprochenen Adressaten die Vorstellung von konkreten, in eine Wertung eingekleideten Vorgängen hervorgerufen wird, die als solche einer Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich sind (BGH, NJW 2016, 56, 59). Enthält eine Aussage einen Vorwurf rechtswidrigen Verhaltens, ist grundsätzlich von einem Werturteil auszugehen, insbesondere wenn eine komplexe rechtliche Würdigung erforderlich ist und der wertende Gehalt der fraglichen Äußerung einen etwaigen Tatsachenkern überlagert (Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl. 2021, § 4 UWG Rn. 2.16 m.w.N.).
bb) Auf dieser rechtlichen Grundlage geht die Kammer davon aus, dass die vorgenannte Äußerung eine Tatsachenbehauptung darstellt. Den von dem Verfügungsbeklagten angesprochenen Investoren ist bewusst, dass die in dem Schreiben enthaltenen Äußerungen im Zusammenhang mit der Pressemitteilung vom 29.07.2021 zu sehen sind (Anlage AST 3, sowie von dem Verfügungsbeklagten selbst vorgelegt als Anlage AG 8). Aus dieser Pressemitteilung ist ersichtlich, dass die Finanzierungszusage erfolgte, um die Peptidproduktionsplattform der Verfügungsklägerin zu industrialisieren. Vor diesem Hintergrund können die adressierten Investoren die streitgegenständliche Aussage, wonach „das, in was [s]ie jetzt 2 Millionen € investieren wollen, bereits Kenntnisstand“ ist, nur dahingehend verstehen, dass der Verfügungsbeklagte in seinem Labor sowohl über die Kenntnisse betreffend die Peptidproduktionsplattform der Verfügungsklägerin als auch deren Industrialisierung bereits verfügt. Dies gilt umso mehr, als der Verfügungsbeklagte im Zusammenhang mit der fraglichen Äußerung ausdrücklich darauf hingewiesen hat, „seit nunmehr ca. einem Jahr erfolgreich auch in Zusammenarbeit mit einem weiteren in der Pfalz ansässigen Biotechnologieunternehmen und in Kooperation mit einem Industrieunternehmen geforscht“ zu haben.
Ob seiner Behauptung entsprechend die Kenntnisse zu der Peptidproduktionsplattform der Verfügungsklägerin und deren Industrialisierung auf Seiten des Verfügungsbeklagten vorhanden sind, wäre mit Mitteln des Beweises als wahr oder unwahr überprüfbar, indem etwa Zeugen der von dem Verfügungsbeklagten selbst erwähnten Kooperationsunternehmen vernommen werden. Zugleich könnte ein Sachverständigengutachten über die technischen Funktionalitäten der Peptidproduktionsplattform der Verfügungsklägerin erholt werden. Ein Vergleich eines solchen Gutachtens mit den Aussagen möglicher Zeugen und gegebenenfalls einer Parteivernehmung des Verfügungsbeklagten selbst könnte schlussendlich Aufschluss über das Vorhandensein der von ihm behaupteten Kenntnisse geben.
cc) Entgegen der ihm gemäß § 4 Nr. 2 UWG obliegenden Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast hat der Verfügungsbeklagte nicht hinreichend substantiiert vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass er tatsächlich bereits über die von ihm behaupteten Kenntnisse hinsichtlich der derzeit von der Verfügungsklägerin betriebenen Peptidproduktionsplattform und deren Industrialisierung verfügt (vgl. OLG Köln, BeckRS 2015, 11926 Rn. 17).
Irrelevant ist insoweit der Vortrag des Verfügungsbeklagten, Haupterfinder der Technologie zu sein, mit welcher die m… GbR bestehend aus ihm selbst und den Geschäftsführern der Verfügungsklägerin Fördermittel des E… Forschungstransfer-Förderprogramms akquirierte und hierbei im Wesentlichen alleine im Labor gearbeitet zu haben. Dieser Vortrag kann aus Sicht der Kammer im vorliegenden Verfahren als wahr unterstellt werden. Dass der Verfügungsbeklagte mit der ganz überwiegend von ihm entwickelten Erfindung die wesentliche Grundlage für die ursprüngliche Gründung und Förderung der m… GbR gelegt hat, ändert im Ergebnis nichts daran, dass die vorliegend angegriffene Äußerung ihrerseits unlauter und wettbewerbswidrig ist. Denn mit der Feststellung der Haupterfindereigenschaft ist nichts über die der von der Verfügungsklägerin aktuell verwendete Peptidproduktionsplattform und die avisierte Industrialisierung dieser Peptidproduktionsplattform ausgesagt. Ebenso wenig ist auf dieser Grundlage in substaniierter und nachvollziehbarer Weise dargelegt, über welche konkreten technischen Kenntnisse der Verfügungsbeklagte überhaupt verfügt und inwieweit diese mit dem investitionsrelevanten Vorhaben auf Seiten der Verfügungsklägerin übereinstimmen.
Der Vortrag des insoweit darlegungsbelasteten Verfügungsbeklagten erschöpft sich vielmehr in der bloßen Behauptung, dass die Verfügungsklägerin nach wie vor nur die Technologie verwende, die Gegenstand seiner ursprünglichen Erfindung war. Soweit der Verfügungsbeklagte auf – als solche jedoch wiederum nur pauschal behauptete – Übereinstimmungen der Beschreibungen der Technologie auf der aktuellen Internet-Webseite der Verfügungsklägerin mit früheren Fassungen der Internet-Webseite der m… GbR verweist, lässt auch dies eine hinreichend substantiierte Darlegung der von der Verfügungsklägerin verwendeten Technologie nicht ansatzweise erkennen. Weiter ist auch das Vorliegen der von dem Verfügungsbeklagten behaupteten Kenntnisse so weder dargelegt noch anderweitig nachvollziehbar.
Daran ändert auch der Hinweis des Verfügungsbeklagten auf seine frühere Zusammenarbeit mit den Geschäftsführern der Verfügungsklägerin und deren vermeintlich mit Blick auf die unternehmensgegenständliche Technologie fehlende fachliche Qualifikation sowie die infolgedessen gesperrte Auszahlung weiterer Fördermittel durch den Projektträger J… nichts. Auch diese Ausführungen substantiieren die streitgegenständliche Behauptung des Verfügungsbeklagten in keiner Weise. Bezeichnend ist aus Sicht der Kammer insoweit der von dem Verfügungsbeklagten noch am Tag der mündlichen Verhandlung eingereichte Schriftsatz, in dem auf die Veröffentlichung der Patentanmeldung mit der Nummer WO … hingewiesen wird. Welche technischen Merkmale diese Anmeldung beansprucht und inwieweit diese durch die von der Verfügungsklägerin verwendete Technologie verwirklicht werden, wird indes nicht näher erläutert. Eine dahingehende Erläuterung ist auch im Übrigen auf Seiten des Verfügungsbeklagten nicht erfolgt.
dd) Die den vorstehenden Ausführungen nach nicht erweislich wahre Behauptung, bereits über all die Kenntnisse zu verfügen, welche der seitens der Investoren erfolgten Finanzierungszusage zu Grunde liegen, ist kreditschädigend im Sinne von § 4 Nr. 2 UWG. Die angegriffene Behauptung ist geeignet, die adressierten Investoren dazu zu bringen, die ihrerseits bereits zugesagte Finanzierung zurückzunehmen. Denn unter den von dem Verfügungsbeklagten behaupteten Umständen wäre das Unternehmen der Verfügungsklägerin als Investitionsobjekt letztlich deutlich weniger attraktiv. Wären die einer Finanzierung zu Grunde liegenden Kenntnisse einem im Wettbewerbsumfeld tätigen Dritten ohnehin bereits bekannt, wäre ein entsprechendes Investment mit Blick auf den mit den avisierten Forschungs- und Entwicklungsarbeiten erhofften Innovationsvorsprung letztlich gegenstandslos.
b) Weiter ist auch die Äußerung,
„Wichtig erscheint mir auch der Hinweis, dass alle Rechte an der Technologie, soweit sie nicht die EU, die USA und Kanada betreffen, bereits bei meinem Mandanten liegen, insbesondere betrifft das auch Eurasien und somit Rumänien, so dass es für den Unterzeichner recht erstaunlich ist, dass der rumänische Investor S… sich hier beteiligt“
als unwahre, kreditschädigende Tatsachenbehauptung gemäß § 4 Nr. 2 UWG unlauter.
aa) Aus Sicht der angesprochenen Investoren kann die Aussage letztlich nur so verstanden werden, dass der Verfügungsbeklagte behauptet, jedenfalls in Ländern außerhalb der EU, den USA und Kanada und damit insbesondere auch in Rumänien bereits Inhaber aller Rechte an der von der Verfügungsklägerin verwendeten Technologie zu sein. In dieser Aussage findet sich zwar mit der Behauptung dem Verfügungsbeklagten zustehender Rechte auch eine im Regelfall als Meinungsäußerung einzustufende Äußerung einer Rechtsauffassung. Allerdings stellt auch eine Rechtsauffassung eine Tatsachenbehauptung dar, wenn die zu würdigende Äußerung nicht als Rechts- oder Moralauffassung kenntlich gemacht ist, sondern beim Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten, in die rechtliche Wertung eingekleideten Vorgängen hervorruft, die einer beweismäßigen Überprüfung zugänglich sind. Ob und inwieweit sich mit der hier in Frage stehenden Behauptung der eigenen Rechteinhaberschaft für den Adressaten zugleich ein substantielles Tatsachensubstrat verkörpert, ist der Kontext entscheidend, in dem die Behauptung aufgestellt wird (vgl. BGH, GRUR 1982, 633, 634 – Geschäftsführer, Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl. 2021, § 4 UWG Rn. 2.16 m.w.N.). Ein demzufolge notwendiges substantielles Tatsachensubstrat ist hier zu bejahen. Der Verfügungsbeklagte behauptet, als Haupterfinder der von der Verfügungsklägerin verwendeten Peptidproduktionsplattform in den vorgenannten Ländern der Inhaber aller Rechte an der Technologie der Verfügungsklägerin zu sein. Welche Technologie die Verfügungsklägerin verwendet und welche Rechte der Verfügungsbeklagte besitzt, ist indes eine objektiv nachprüfbare und mit Mitteln des Beweises feststellbare Behauptung.
bb) Die Behauptung des Verfügungsbeklagten, in den genannten Ländern Inhaber aller Rechte an der Technologie der Verfügungsklägerin zu sein, ist nicht erweislich wahr. Dabei kann dahinstehen, ob die Aussage bereits aus dem Grund objektiv unwahr ist, weil Rumänien Mitgliedstaat des Europäischen Patentübereinkommens ist und damit eine Rechteinhaberschaft mit Blick auf Eurasien eine Rechteinhaberschaft in Rumänien bereits im Ansatz nicht begründen kann. Entscheidend ist aus Sicht der Kammer vielmehr, dass der Verfügungsbeklagte entgegen der ihm nach § 4 Nr. 2 UWG obliegenden Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast nicht substantiiert zu der von der Verfügungsklägerin aktuell verwendeten Technologie vorgetragen hat. Aus dem Gesamtzusammenhang mit der Pressemitteilung vom 29.07.2021 betreffend die seitens der Investoren erfolgte Finanzierungszusage ist zwar ersichtlich, dass es dem Verfügungsbeklagten um die Peptidproduktionsplattform der Verfügungsklägerin geht. Es fehlt insoweit aber – wie bereits ausgeführt – jeder nachvollziehbare Vortrag zu den technisch-funktionellen Merkmalen dieser Technologie, so dass bereits mit Blick auf den Gegenstand der von dem Verfügungsbeklagten behaupteten Rechteinhaberschaft eine pauschale, unsubstantiierte Behauptung vorliegt.
Darüber hinaus hat der Verfügungsbeklagte aber auch seine behauptete Rechteinhaberschaft nicht ansatzweise substantiiert vorgetragen. Entgegen der Verfügungsklägerin kann die Unwahrheit der fraglichen Äußerung insoweit jedoch nicht allein damit begründet werden, dass der Verfügungsbeklagte noch nicht Inhaber eines eingetragenen Patents ist, sondern das fragliche Patent sich noch im Anmeldestadium befindet. Dieser Umstand ist den adressierten Investoren aus dem Gesamtzusammenhang des Schreibens vom 12.09.2021 bewusst. Auf dessen Seite 5 stellt der Verfügungsbeklagte ausdrücklich klar, dass er „zu 95 % Inhaber eines angemeldeten aber noch nicht eingetragenen Patents“ ist. Letztlich beruht der dem Verfügungsbeklagten zur Last liegende Unlauterkeitsvorwurf aber gerade nicht auf einer unzutreffenden Behauptung der Inhaberschaft eines eingetragenen Patents, sondern auf einer nicht erweislich wahren Behauptung der Inhaberschaft aller Rechte an der Technologie der Verfügungsklägerin insbesondere in den Ländern außerhalb der EU, den USA und Kanada. Insoweit fehlt es jedoch an jedwedem näheren Vortrag zu den seitens des Verfügungsbeklagten behaupteten Rechten und deren Verwirklichung durch die derzeit von der Verfügungsklägerin verwendeten Technologie. Der Verfügungsbeklagte trägt nicht ansatzweise zu den technischen Merkmalen seiner Erfindung und deren Verwirklichung in der Peptidproduktionsplattform der Verfügungsklägerin vor. Wie ausgeführt kann insbesondere der Verweis auf die Haupterfindereigenschaft des Verfügungsbeklagten in der Frühphase der Gründung der m… GbR und die – letztlich gleichfalls nur behauptete – Übereinstimmungen der technikbezogenen Ausführungen auf der aktuellen Internetwebseite der Verfügungsklägerin die Anforderungen an einen hinreichend substantiierten Vortrag der Erfindung und deren Benutzung durch die Verfügungsklägerin nicht erfüllen.
Dazu kommt, dass der Vortrag des Verfügungsbeklagten, Inhaber aller Rechte an der Technologie der Verfügungsklägerin zu sein, insoweit widersprüchlich ist, als er diese selbst seinen eigenen Ausführungen folgend gerade nicht alleine entwickelt hat. So ergibt sich aus der von dem Verfügungsbeklagten zitierten E-Mail von Herrn Professor L… vom 28.05.2019 (Seite 8 der Schutzschrift vom 30.09.2021), dass experimentelle Arbeiten auch – wenngleich in geringem Umfang – unter Beteiligung von Herrn G… und den Herrn A… und M… durchgeführt wurden. Dem entspricht zudem die gemeinsam mit Herrn G…, einem der Geschäftsführer der Verfügungsklägerin, erfolgte Erfindungsmeldung vom 30.11.2017 (Anlage AST 18). In dem von dem Verfügungsbeklagten und Herrn G… unterzeichneten Erklärung heißt es ausdrücklich, dass im Rahmen der gemeinsamen Forschungsarbeit eine wichtige neue Erkenntnis entstand, die in den bisherigen Unterlagen nicht vorzufinden ist und daher in die Patentanmeldung zu der streitgegenständlichen Erfindung aufgenommen werden soll. Nicht zuletzt wurde Herrn G… auf dieser Grundlage auch eine Miterfinderstellung, wenn auch nur im Umfang von 5 %, eingeräumt.
cc) Die Behauptung, Inhaber aller Rechte an der Technologie der Verfügungsklägerin in bestimmten Ländern zu sein, ist weiter geeignet, den Kredit der Verfügungsklägerin zu schädigen. Ein Technologieunternehmen wie die Verfügungsklägerin stellt aus dem Blickwinkel der angesprochenen Investoren ein naturgemäß weniger attraktives Investitionsobjekt dar, wenn die Rechte an der von ihm verwendeten Technologie tatsächlich einem Dritten zustehen. Dies aber behauptet der Verfügungsbeklagte, so dass letztlich auch mit dieser Aussage ein wesentlicher Beweggrund der zu Gunsten der Verfügungsklägerin erfolgten Finanzierungszusage in Frage gestellt ist.
c) Die weiteren Aussagen
„Dieses Schreiben geht in gleichlautender Form an alle mir bekannten Investoren des obigen Unternehmens und dient dem Zweck jetzt schon vorhersehbare künftige juristischer Auseinandersetzungen in Millionenhöhe zu vermeiden“
und
„mein Mandant macht im Rahmen einer Vindikationsklage die Herausgabe aller Rechte an der Technologie geltend, mit welcher die m… GmbH von Ihnen Gelder schon eingeworben hat. Hier drohen jedem Investor Schadensersatzansprüche in Millionenhöhe.“
sind gemäß § 4 Nr. 4 UWG unzulässig, weil es sich hierbei nach den in der vorliegenden Fallkonstellation entsprechend anwendbaren Kriterien zur Unlauterkeit unberechtigter Abnehmerverwarnungen jeweils um eine gezielte und damit wettbewerbswidrige Behinderungsmaßnahme handelt.
aa) Gemäß § 4 Nr. 4 UWG handelt unlauter, wer Mitbewerber gezielt behindert. Eine unlautere Behinderung in diesem Sinne erfordert eine Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeit eines Mitbewerbers, die über die Beeinträchtigung im Rahmen normalen Wettbewerbs hinausgeht und bestimmte Unlauterkeitskriterien aufweist (st. Rspr.; statt vieler: BGH, GRUR 2017, 92, 93 Rn. 14 m. w. N – Fremdcoupon-Einlösung). Unlauter ist die Beeinträchtigung im Allgemeinen dann, wenn gezielt der Zweck verfolgt wird, Mitbewerber an ihrer Entfaltung zu hindern und sie dadurch zu verdrängen, oder wenn die Behinderung dazu führt, dass die beeinträchtigten Mitbewerber ihre Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen können. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, lässt sich nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Interessen der Mitbewerber, Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer sowie der Allgemeinheit beurteilen (BGH, a.a.O.). Maßgebliche Umstände sind insbesondere der Aussageinhalt der beanstandeten Äußerung und deren wettbewerbliche Auswirkungen:
(1) Inhaltlich sind die vorstehenden Äußerungen aus Sicht der angesprochenen Investoren jeweils dahingehend zu verstehen, dass ihnen erhebliche Kosten in Form juristischer Auseinandersetzungen bzw. Schadensersatzansprüchen in Millionenhöhe drohen, wenn sie an ihrer Finanzierung zu Gunsten der Verfügungsklägerin festhalten. Als Grund verweist der Verfügungsbeklagte in seinem im Gesamtkontext zu lesenden Schreiben darauf, dass er der maßgebliche Erfinder der Technologie der Verfügungsklägerin sei und ihm alle Rechte an dieser Technologie zustehen. Dies ergibt sich für die Adressaten des Schreibens vom 12.09.2021 deutlich aus dem darin enthaltenen Hinweis auf das ebenfalls vor dem Landgericht München I geführte Patentvindikationsverfahren und die entsprechende Erfinderstellung des Verfügungsbeklagten sowie die zugleich betonte Verwendung seiner Erfindung durch die Verfügungsklägerin.
(2) Ihren wettbewerblichen Folgen nach greift eine wie hier vorliegende Warnung eines Investors vor möglichen Rechtsstreitigkeiten in Millionenhöhe ähnlich und in einer unberechtigten Abnehmerverwarnung vergleichbaren Art und Weise erheblich und unmittelbar in die Freiheit eines Unternehmens ein, ihre Leistung durch eigene Anstrengung im Wettbewerb zur Geltung zu bringen. Im Falle unberechtigter Abnehmerverwarnungen ist davon auszugehen, dass bereits die Geltendmachung von Ausschließlichkeitsrechten – unabhängig, ob sie berechtigt ist oder nicht – zu einem möglicherweise existenzgefährdenden Eingriff in die Kundenbeziehungen des mit dem Inhaber des Schutzrechts konkurrierenden Herstellers oder Lieferanten führt. Grund ist, dass ein von einer Schutzrechtsverwarnung adressierter Abnehmer typischerweise ein geringeres Interesse an einer sachlichen Auseinandersetzung mit dem Schutzrechtsinhaber hat (vgl. BGH, NJW-RR 2009, 1496, 1497 Rn. 17 – Fräsautomat; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Auflage 2021, § 4 UWG Rn. 4.178). Gleiches gilt in Fällen einer wie hier vorliegenden Investorenwarnung:
Seed-Finanzierungen, mit anderen Worten Finanzierungen in der frühen Entwicklungsphase eines Start-up Unternehmens, erfolgen typischerweise mit Blick auf eine von dem jeweiligen Investor erhoffte Wertsteigerung des Finanzierungsobjekts: Finanzierungen setzen dementsprechend notwendigerweise eine Prognoseentscheidung voraus, in deren Rahmen Gewinnerwartungen einerseits und mögliche Kosten andererseits sorgsam gegeneinander abgewogen werden. Wird nun ein Investor wie hier mit dem Schreiben vom 12.09.2021 davor gewarnt, dass er kostspielige Rechtsstreitigkeiten führen muss, weil das zu finanzierende Unternehmen nicht über die Rechte an der relevanten projektbezogenen Technologie verfügt, besteht die unmittelbare Gefahr, dass eine bereits erfolgte Investitionszusage wieder rückgängig gemacht wird. Dies gilt umso mehr und in besonderem Maße, als der Verfügungsbeklagte unter Verweis auf das Urteil des Landgerichts Mannheim auf Seite 4 des Schreibens hervorhebt, der Haupterfinder der fraglichen Peptidproduktionsplattform zu sein.
Ähnlich wie nun ein Abnehmer eines mutmaßlich Drittrechte verletzenden Produkts eine Auseinandersetzung mit entsprechenden Rechteinhabern meidet und so in Folge eines Verkaufsstopps der inkriminierten Produkte die Vertriebschancen zum Nachteil des betroffenen Anbieters nachteilig beeinträchtigt werden, wird ein Seed-Investor ihm zur Verfügung stehende Finanzierungsmittel im Falle einer wie hier erfolgten Investorenwarnung vorzugswürdig in alternative Zielunternehmen investieren, anstatt mit einem mutmaßlichen Inhaber von Rechten an der von einem Zielunternehmen verwendeten Technologie kostspielige Rechtsstreitigkeiten zu führen. Dies gilt in besonderem Maße bei Investmentunternehmen wie den von dem Verfügungsbeklagte adressierten, da diese – wie aus Anlage AG 8 ersichtlich – jeweils über Portfolien mehrerer Zielunternehmen verfügen.
Zieht ein Investor eine bereits erfolgte Finanzierungszusage zurück, hat dies – mehr noch als der mögliche Verkaufsstopp durch einen wegen mutmaßlicher Schutzrechtsverletzung abgemahnten Abnehmer – einen potentiell existenzvernichtenden Eingriff zu Lasten eines fremdfinanzierten Start-up Unternehmens zur Folge. Vor diesem Hintergrund ist es zur Überzeugung der Kammer gerechtfertigt, die strengen, für unberechtigte Abnehmerverwarnungen entwickelten Grundsätze im vorliegenden Fall entsprechend anzuwenden.
bb) Ausgehend von den zu Schutzrechtsverwarnungen entwickelten Grundsätzen ist die gegenüber den Investoren der Verfügungsklägerin erfolgte Warnung vor Rechtsstreitigkeiten in Millionenhöhe unberechtigt und damit unlauter, wenn die behaupteten Ansprüche mangels Rechtsverletzung tatsächlich nicht bestehen (vgl. BGH, GRUR 2016, 630, 632 – Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung II; BGH, WRP 2018, 950 Rn. 70 – Ballerinaschuh). Dies ist vorliegend der Fall, da der Verfügungsbeklagte lediglich pauschal den Eindruck erweckt hat, dass die Technologie der Verfügungsklägerin in den Schutzbereich ihm zustehender Patentanmeldungen falle. Entgegen der dem Verfügungsbeklagten insoweit obliegenden Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast fehlt hier – wie ausgeführt – jeder auch nur ansatzweise substantiierte Vortrag zu den insoweit relevanten technischen Merkmalen und deren Verwirklichung durch die Technologie der Verfügungsklägerin.
Die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast hinsichtlich des Bestands der behaupteten Rechte und deren Verletzung liegt bei dem Verfügungsbeklagten. Die prozessuale Rollenverteilung ist insoweit nicht maßgeblich. Entscheidend ist vielmehr, dass der Verfügungsbeklagte die Nutzung ihm zustehender Rechte aus einer Patentanmeldung gegenüber Investoren der Verfügungsklägerin geltend gemacht hat. Ebenso wie im Falle einer negativen Feststellungsklage muss daher in Bezug auf die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast ein Gleichlauf mit einem Verletzungsverfahren umgekehrten Rubrums erzielt werden (vgl. BGH, NJW 1993, 1716, 1717; OLG München, GRUR 2020, 385, 386 Rn. 60 – Elektrische Anschlussklemme; Zigann in Haedicke/Timmann, Handbuch des Patentrechts, 2. Aufl. 2020, § 15 Rn. 411/416). Die Anwendung dieser Grundsätze ist darüber hinaus vor dem Hintergrund erst Recht geboten, als der Verfügungsbeklagte in selbsthilfegleicher Art und Weise zur Durchsetzung eines noch im Anmeldestadium befindlichen Patents Investoren der Verfügungsklägerin vor möglichen Rechtsstreitigkeiten und damit verbundenen Kostenrisiken in Millionenhöhe gewarnt hat. Eine entsprechend im Wege der Selbsthilfe erfolgende Durchsetzung eines sachlich noch nicht geprüften Schutzrechts muss aber zumindest dadurch ein Korrektiv erfahren, dass die das ihr vermeintlich zustehende Recht durchsetzende Partei ungeachtet der prozessualen Rollenverteilung gehalten ist, den Rechtsbestand des fraglichen Schutzrechts darzulegen und zu beweisen bzw. im Verfügungsverfahren zumindest glaubhaft zu machen. Dem wird der Vortrag des Verfügungsbeklagten – wie ausgeführt – nicht ansatzweise gerecht. Vielmehr beschränkt sich das den Investoren zugesandte Schreiben auf die rein pauschale Behauptung der Nutzung einer Technologie, an welcher Rechte des Verfügungsbeklagten bestehen.
d) Im folgenden Umfang ist eine Unlauterkeit hinsichtlich der angegriffenen Äußerungen indes nicht festzustellen:
aa) Keine Unlauterkeit vermag die Kammer insoweit zu erkennen, als der Verfügungsbeklagte in seinem Schreiben vom 12.09.2021 ausführt, der Auffassung zu sein, dass die O… GmbH die von ihr vertretenen Investoren auf seine Ausführungen hinweisen müsse. Hierbei handelt es sich ersichtlich um eine bloße Meinungsäußerung. Unlauterkeitsbegründende Umstände liegen insoweit auch unter Berücksichtigung des Gesamtkontexts des streitgegenständlichen Schreibens nicht vor.
bb) Ebenfalls nicht unlauter ist es aus Sicht der Kammer, wenn der Verfügungsbeklagte für sich genommen weiter ausführt, dass in seinem Heidelberger Labor seit nunmehr einem Jahr erfolgreich auch in Zusammenarbeit mit einem weiteren in der Pfalz ansässigen Biotechnologieunternehmen und in Kooperation mit einem Industrieunternehmen geforscht werde. Auch insoweit liegt der entsprechenden Aussage des Verfügungsbeklagten mit Blick auf die als erfolgreich bezeichnete Zusammenarbeit eine wertende und damit rein subjektive Einschätzung zu Grunde, für welche der Anwendungsbereich des § 4 Nr. 2 UWG bereits im Ansatz nicht eröffnet ist.
4. Die für einen Unterlassungsanspruch notwendige Wiederholungsgefahr liegt im Hinblick auf die ganz überwiegend mit Erfolg angegriffenen Äußerungen vor. Die Wiederholungsgefahr ist durch den mit Versand des Schreibens vom 12.09.2021 begangenen Wettbewerbsverstoß indiziert und wurde insbesondere nicht durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt.
5. Soweit der von der Verfügungsklägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch durchgreift, kann sich der Verfügungsbeklagte im Rahmen des vorliegenden Prozesses nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sich die Verfügungsklägerin ihrerseits rechtswidrig verhalte.
a) Dem Verfügungsbeklagten ist zwar dem Grunde nach zuzugeben, dass wettbewerbsrechtliche Ansprüche unter dem Gesichtspunkt der Abwehr rechtswidrigen Verhaltens im Einzelfall ausgeschlossen sein können, wenn der Wettbewerbsverstoß zu dem Zweck begangen wurde, einen gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff des Gläubigers abzuwehren (Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl. 2021, § 11 UWG Rn. 2.5; Goldmann in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl. 2021, Vorbem. zu §§ 8 ff. UWG Rn. 220). Eine Rechtfertigung unter dem Gesichtspunkt wettbewerblicher Abwehr kommt indes nur insoweit in Betracht, als die ihrerseits wettbewerbswidrige Maßnahme geeignet, erforderlich und angemessen ist, um den fraglichen, gegenwärtigen Angriff abzuwehren (vgl. BGH, GRUR 1979, 157, 159 – Kindergarten-Malwettbewerb; Goldmann in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl. 2021, Vorbem. zu §§ 8 ff. UWG Rn. 233/235).
b) Im vorliegenden Fall hat der Verfügungsbeklagte bereits die demzufolge notwendige Abwehrlage nicht hinreichend substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht.
aa) Soweit der Verfügungsbeklagte ausführt, dass die Verfügungsklägerin auf ihrer Internet-Webseite mit tatsächlich nicht auf ihren Verdienst zurückzuführenden Wissenschaftspreisen und Förderungen wie den T… Award und Förderungen durch die Z… und die E… Förderung werbe, fehlt es an einem hinreichend substantiierten, nachvollziehbaren Vortrag zu einer irreführenden und damit gegebenenfalls wettbewerbswidrigen geschäftlichen Handlung. Ungeachtet der Eigenschaft des Verfügungsbeklagten als Haupterfinder und wesentlicher technischer Ideengeber zu der von ihm gemeinsam mit den Geschäftsführern der Verfügungsklägerin zunächst gegründeten m… GbR steht dessen eigenem Vortrag nach fest, dass auch die Geschäftsführer der Verfügungsklägerin als seine früheren Mitstreiter an den zu Grunde liegenden Arbeiten mitgewirkt haben, wenn auch – wie ausgeführt – in geringem Umfang. Insbesondere wurde dem Geschäftsführer der Verfügungsklägerin G… auf eine gemeinsam verfasste Erfindermeldung vom 30.11.2017 hin eine Miterfinderstellung im Umfang von 5 % eingeräumt.
bb) Nichts anderes gilt, wenn man den Vortrag des Verfügungsbeklagten dahingehend versteht, dass sich die Verfügungsklägerin unberechtigt fremde Arbeitsergebnisse zu Nutze mache und mit der Verwendung ihrer Peptidproduktionsplattform Rechte des Verfügungsbeklagten an dessen Erfindung verletze. Insoweit fehlt es an jedwedem substantiiertem und glaubhaft gemachtem Vortrag des Verfügungsbeklagten zu den technischen Merkmalen seiner Erfindung und deren Verwirklichung durch die von der Verfügungsklägerin verwendete Technologie. Auch insoweit ist entscheidend, dass seitens des Verfügungsbeklagten jedweder Vortrag dazu fehlt, welche konkreten Rechte vermeintlich verletzt sein sollen und inwieweit die aktuell von der Verfügungsklägerin verwendete Technologie entsprechende technische Merkmale verwirklicht.
Ein wie hier nur erfolgter pauschaler Verweis ausgewählter übereinstimmender Informationen der Internetseite der Verfügungsklägerin mit der früheren Internetseite der m… GbR kann den notwendigen substantiierten Vortrag zur Verwirklichung konkreter Rechte an einer Erfindung nicht ersetzen. Im vorliegenden Verfahren sieht sich die Kammer daher außer Stande, die Frage, ob oder ob nicht die Verfügungsklägerin unbefugt Leistungsergebnisse des Verfügungsbeklagten nutzt, zu beurteilen. Da der Verfügungsbeklagte indes auch mit Blick auf den von ihm geltend gemachten Einwand der Abwehr wettbewerbswidrigen Verhaltens die Darlegungs- und Beweislast trägt, kann er mit dieser Argumentation auch insoweit im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht durchdringen.
II.
Die Verfügungsklägerin kann den ihr zustehenden, wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens geltend machen. Der hierzu notwendige Verfügungsgrund liegt vor. Gemäß § 12 Abs. 1 UWG können einstweilige Verfügungen zur Sicherung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche auch ohne die Darlegung und Glaubhaftmachung der in den §§ 935, 940 ZPO bezeichneten Voraussetzungen erlassen werden. Die daraus folgende Dringlichkeitsvermutung ist nicht widerlegt. Insbesondere hat die Verfügungsklägerin den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung innerhalb der nach obergerichtlicher Rechtsprechung maßgeblichen Monatsfrist gestellt (vgl. OLG München, Beschl. v. 09.02.2005, BeckRS 2005, 2343 Rn. 11).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 269 Abs. 3 Satz 2, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Einschränkung des ursprünglich gestellten Verfügungsantrages in der mündlichen Verhandlung vom 10.11.2021 ist ihrem Umfang nach nur geringfügig. Die teilweise Zurückweisung des gestellten Antrages ist auf einen jeweils nebensächlichen Zusatz zweier im Kern untersagter, wettbewerbswidriger Äußerungen beschränkt. Höhere Kosten wurden durch den zunächst weiter gefassten Verfügungsantrag nicht veranlasst.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus der Natur des Verfügungsverfahrens. Ein gesonderter Ausspruch hierzu war im Tenor daher nicht vorzunehmen.


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