Europarecht

Anspruch auf Ersatz für Einspeisemanagementmaßnahmen („EinsMan“)

Aktenzeichen  13 HK O 29/16

Datum:
19.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 3923
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 276 Abs. 3, § 277 Abs. 2, Abs. 4, § 296 Abs. 1, § 342
EEG 2014 § 5 Nr. 9, Nr. 10

 

Leitsatz

Ein Drittvermarktungsunternehmen, das gemäß §§ 33a, 33g des EEG (in der vom 01.01.2012 bis 31.07.2014 geltenden Fassung) Windstrom von einem Anlagenbetreiber bezieht und in eigenem Namen und für eigene Rechnung verkauft, kann wegen rechtmäßiger Maßnahmen des Einspeisemanagements keinen Härtefallausgleich gemäß § 12 Abs. 1 EEG (in der vom 01.01.2012 bis 31.07.2014 geltenden Fassung, heute: § 15 Abs. 1 EEG) vom Verteil- oder Übertragungsnetzbetreiber beanspruchen; auch nicht im Wege der Drittschadensliquidation aus abgetretenem Recht des Anlagenbetreibers. (Rn. 80 – 100)

Tenor

1. Das Versäumnisurteil vom 29.6.2016 wird aufrecht erhalten.
2. Die Klägerin hat auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur gegen Leistung dieser Sicherheit fortgesetzt werden.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 557.046,36 € bis zum Einspruch vom 15.7. 2016; auf 545.549,45 € ab diesem Zeitpunkt bis zur Teilrücknahme vom 25.11.2016 und auf 353.505,59 € ab diesem Zeitpunkt festgesetzt.

Gründe

Der Einspruch gegen das Versäumnisurteil ist zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg. Die Klägerin hat die geltend gemachten Ansprüche weder aus eigenem noch aus abgetretenem Recht.
1. Der Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 15. Juli 2016, mit dem sie gegen das Versäumnisurteil Einspruch einlegt (Blatt 222 ff. d.A.), ist allerdings nicht verspätet. Denn die Klägerin wurde in der Verfügung vom 20. April 2016, als ihr die Gelegenheit gegeben wurde, zur Klageerwiderung vom 18. April 2016 Stellung zu nehmen (Blatt 127 und 94 der Akten), über die Folgen einer Fristversäumung nicht belehrt (§§ 296 Abs. 1, 276 Abs. 3, 277 Abs. 2 und Abs. 4 ZPO).
Das Gericht hat der Klägerin mit Verfügung vom 20. April 2016 eine Replikfrist bis zum 11. Mai 2016 gesetzt und diese bis zum 25. Mai 2016 verlängert (Blatt 127, 132 der Akten). In ihrem innerhalb dieser Frist eingegangenen Schriftsatz vom 24. Mai 2016 hat die Klägerin zu dem Vortrag der Beklagten in der Klageerwiderung, dass die E.N. GmbH nicht Betreiberin des Windparks B sei (Blatt 99 der Akten) keine Stellung genommen (Blatt 148 f. der Akten). Eine Stellungnahme erfolgte erst im Einspruchsschriftsatz vom 15. Juli 2015 (Blatt 222 f. der Akten).
Der Beklagten ist zuzugeben, dass aufgrund der Wirkung des § 342 ZPO ein einmal verspätestes Vorbringen trotz einer „Flucht in die Versäumnis“ verspätet bleibt. Entscheidend für ein Zurückweisen eines in einem Replikschriftsatz unterbliebenen Angriffsmittels ist aber, dass einer vom Gericht gesetzten Replikfrist gemäß § 276 Abs. 3 ZPO eine Belehrung über die Folgen der Fristversäumung gemäß § 277 ZPO beigefügt war. Dies war nicht der Fall. Der Vortrag der Klägerin in der Einspruchsbegründung vom 15. Juli 2015 ist daher zu berücksichtigen (Zöller, ZPO, 30. Auflage, § 296 Rn 40).
Die Beweisaufnahme hat dann auch zur Überzeugung des Gerichts ergeben, dass die vier Gesellschaften S GmbH & Co. KG, S II GmbH & Co. KG, S III GmbH & Co. KG und B GmbH & Co. KG die eigentlichen Anlagenbetreiber und damit der richtige Ursprung der Abtretungskette gewesen sind.
2. Ein eigener Anspruch – unmittelbar oder analog abgeleitet aus § 12 EEG 2012 – steht der Klägerin nicht zu. Sie ist nicht „Betreiberin“ im Sinne dieser Vorschrift und daher aus dieser Vorschrift nicht aktivlegitimiert.
Das Institut der Direktvermarktung gem. §§ 33a, 33b Abs. 1 EEG 2012 und die zugehörige Marktprämie (§ 33g Abs. 1 EEG 2012) sind eingeführt worden durch Gesetz vom 28. Juli 2011. Unmittelbar aus der Gesetzesformulierung des § 33a EEG 2012 ist abzuleiten, dass es nicht angängig ist, die Klägerin direkt als Betreiberin und damit als mögliche Anspruchstellerin im Sinn des § 12 EEG 2012 anzusehen. Die Klägerin ist nach der insoweit eindeutigen Formulierung des § 33a EEG 2012, der ihre Tätigkeit beschreibt und (teilweise) regelt, „Dritte“.
Aber auch eine analoge Anwendung der Anspruchsgrundlage kommt nicht in Betracht:
Nach dem Willen des Gesetzgebers steht ein Ersatz für die Marktprämie im Rahmen des Anspruchs nach § 12 EEG 2012 dem Anlagenbetreiber zu, dies ergibt sich aus der Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksache 17/6071, Bl. 81 links). Allerdings ist der Einstufung der Marktprämie als Fördermaßnahme (ebenda Bl. 80 rechts) ohne Weiteres zu entnehmen, dass die Marktprämie und damit gleichfalls der Ersatzanspruch der Finanzierung von Direktvermarkungsbemühungen dienen soll. Der Gesetzgeber ist aber nicht soweit gegangen, in diesem Zusammenhang das Direktvermarktungsunternehmen, dessen Existenz ihm ausweislich § 33a EEG 2012 bekannt war und den Anlagenbetreiber zu einer (im Sinne des § 12 EEG 2012) entschädigungsberechtigten Entität zusammenfassen; dies obgleich mit demselben Änderungsgesetz auch die Vorschrift des § 12 neu gefasst worden ist, der Gesetzgeber also den § 12 bildlich gesprochen gleichzeitig in seine formenden Hände genommen hatte.
Insoweit liegt zwar eine Regelungslücke vor, das Gericht nimmt aber nicht an, dass diese planwidrig ist.
Zwar ist die Regelung des § 12 Abs. 1 EEG 2012 Ausdruck einer herausragenden Bedeutung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, die besonders gefördert werden sollen. Dem steht es zwar auf den ersten Blick entgegen, wenn Direktvermarktungsunternehmen wie die Klägerin die nach § 12 EEG 2012 ersatzfähigen Risiken übernehmen müssen, ohne dafür den nach dieser Vorschrift vorgesehenen Ausgleich zu erhalten.
Es ist aber daraus nicht zwingend abzuleiten, dass der Gesetzgeber vom 28.07.2011 wollte, dass neben den Anlagenbetreibern auch das Geschäftsmodell von unterstützenden Dienstleistern wie der Klägerin in gleicher Weise gefördert werden sollte und die Lücke nicht gesehen hat; wesentlich näher liegt es, dass der zu diesem Zeitpunkt mit konservativ-liberaler Mehrheit ausgestattete Gesetzgeber den Kreis der Anspruchsberechtigten klein halten wollte und der Ansicht war, es reiche aus, die Anlagenbetreiber zu fördern, Vertragsfreiheit und Marktfreiheit würden dann auf Seiten der Dienstleister gewissermaßen von selbst (als unsichtbare Hand des Adam Smith) wirtschaftlich tragfähige Modelle herausbilden. Dafür spricht weiter, dass auch später bei der Aufnahme der entsprechenden Begriffsbestimmungen im § 5 Nr. 9 und 10 EEG 2014 keine Anpassung des § 12 respektive dann § 14 EEG erfolgt ist.
Eine analoge Anwendung des § 12 EEG 2012 auf die Klägerin scheidet damit aus.
3. Auch aus abgetretenem Recht kann die Klägerin den Anspruch nicht herleiten. Dabei kann unerörtert bleiben, ob alle Abtretungen tatsächlich wirksam sind bzw. ob es der Beklagten aus Vertrauensschutzgründen verwehrt ist, sich auf eine etwa fehlende Abtretung seitens der Anlagenbetreiber zu berufen, nachdem die Klägerin jahrelang unwidersprochen das Einspeiseverhältnis für die Betreibergesellschaften, vermittelt durch die E.N. GmbH abgewickelt hat.
Denn ohne einen abtretbaren Anspruch seitens der Anlagenbetreiber kann eine Abtretung nicht bzw. nur „leer“ erfolgen. Unstreitig sind den Betreibergesellschaften weder Einnahmen entgangen (die von der E.N. GmbH insoweit aufgestellten Rechnungen sind vollständig erfüllt worden) noch haben diese zusätzliche Aufwendungen gehabt.
Anderes ergibt sich auch nicht aus dem von Klägerseite herangezogenen Institut der Drittschadensliquidation.
Zu den bisher von der Rechtsprechung anerkannten Fallgruppen für die Anwendbarkeit des Instituts der Drittschadenliquidation gehört der hier zu entscheidende Rechtsstreit naturgemäß nicht, denn die zu entscheidende Konstellation ist zum 1.1.2012 erstmals entstanden.
Die Drittschadensliquidation ist ein Institut aus dem Schadensersatzrecht. Nach den allgemeinen Grundsätzen des Schadensersatzrechts (statt vieler: Palandt-Grüneberg, RndNr. 102 ff. vor § 249 BGB) ist der Kreis der Ersatzberechtigten begrenzt, mittelbare Schäden werden grundsätzlich nicht erfasst. Anspruchsberechtigt ist bei Vertragsverletzungen der Vertragspartner oder ein in den Schutzbereich des Vertrags einbezogener Dritter. Bei unerlaubten Handlungen ist es derjenige, dessen Rechte oder sonst rechtlich geschützte Interessen verletzt worden sind.
Bei der Drittschadensliquidation wird aufgrund eines Rechtsverhältnisses zwischen dem an sich Ersatzberechtigten und einem Dritten der Schaden „zufällig“ auf den Dritten verlagert in einer Weise, dass der Schadensverursacher ohne die Drittschadensliquidation einen unberechtigten Vorteil erlangen würde; typischerweise deshalb zufällig, weil das Trennungsprinzip zu einem Auseinanderfallen der Inhaberschaft am verletzungsfähigen dinglichen Recht und einer vertraglichen Gefahrzuweisung führt. Als ausgleichende Folge sieht das Institut der Drittschadensliquidation vor, dass der Anspruchsberechtigte dann auch den (ihm eigentlich nicht entstandenen) Schaden des Dritten geltend machen (bzw. zur Geltendmachung abtreten) kann.
Die Anwendung dieser Grundsätze scheitert hier letztlich daran, dass der von Klägerseite verfolgte Anspruch seiner Natur nach kein Schadensersatzanspruch ist, der billigerweise ausgeglichen werden müsste.
Rein tatbestandsmäßig ist zwar die Abregelung der streitgegenständlichen Windkraftanlagen ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Anlagenbetreiber. Die Vorschriften des EnWG (§ 13 Abs. 2 und 4 in der damaligen Fassung) enthalten aber eine Freizeichnung des Netzbetreibers für rechtmäßige Eingriffe dieser Art; als Ausnahme davon legt wiederum das EEG (§ 11 EEG 2012) Kriterien für die Rechtmäßigkeit des Eingriffs fest und gibt dem Anlagenbetreiber im Rahmen des Härtefallausgleichs in § 12 EEG 2012 einen Entschädigungsanspruch – nicht nur unabhängig vom Vertretenmüssen, sondern sogar unabhängig von Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Eingriffs.
Der Gesetzgeber hat die Regelung des § 12 EEG 2012 als „Härtefallausgleich“ überschrieben und damit noch einmal zum Ausdruck gebracht, dass es sich nicht um einen Anspruch handelt, der irgendwie an eine Vertragsverletzung oder eine deliktische Rechtsverletzung anknüpfen soll, sondern an eine (Über-) Belastung des Anlagenbetreibers (nicht eines Dritten, s.o. 2).
Der Entschädigungsanspruch richtet sich letztlich (Abs. 1 S. 3 des § 12 EEG 2012) gegen den verursachenden Netzbetreiber – und zwar unabhängig von der Frage, ob zwischen Anlagenbetreiber und Netzbetreiber eine vertragliche Regelung besteht. Gesamtschuldnerisch haftet gem. Abs. 1 S. 4 § 12 EEG 2012 weiter der – in der Regel mit dem Anlagenbetreiber vertraglich verbundene – Verteilnetzbetreiber, an dessen Netz die Anlage angeschlossen ist – und das wiederum ohne Rücksicht auf irgend eine Ursächlichkeit seinerseits.
Belastet wird in letzter Konsequenz auch gar nicht der verursachende Netzbetreiber, sondern wegen § 12 Abs. 2 S. 1 EEG 2012 regelmäßig der Netznutzer und letztlich der Stromkunde.
Es fehlt damit an der für das Institut der Drittschadensliquidation zentralen Ausgangsüberlegung, nämlich dass es unbillig sei, einen (wenigstens rechts- oder vertragswidrig handelnden) Schädiger aufgrund einer zufälligen Schadensverlagerung außerhalb seiner Einflusssphäre frei ausgehen zu lassen: Zum einen ist die Beklagte hier kein rechts- oder vertragswidrig handelnder Schädiger, dessen Entlastung unbillig wäre; zum anderen wird sie auch gar nicht entlastet; entlastet werden (bei der hier streitgegenständlichen rechtmäßigen EinsMan) Dritte, die mit der Frage der Netzkapazität oder deren Auslastung rein gar nichts zu tun haben. Einen Billigkeitsausgleich so weit zu überstrecken, überlastet die Reichweite eines gewohnheitsrechtlichen Instituts, hier war der Gesetzgeber gefragt (hat aber nichts gesagt, s.o. 2).
Aber auch die Zufälligkeit der Schadensverlagerung ist vorliegend für den Löwenanteil des geltend gemachten Schadens nicht gegeben, denn nicht nur im Verhältnis zwischen den Anlagenbetreibern und der Klägerin, sondern auch im Verhältnis zwischen den hier streitenden Parteien ist jedenfalls das Risiko, Ausgleichsenergie bezahlen zu müssen, der Klägerin zugewiesen worden.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 97, 709 und 3 ZPO.

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