Europarecht

Aperol Spritz unterliegt der Branntwein- und Alkopopsteuer – Verletzung der Fürsorgepflicht der Behörde hat keinen Einfluss auf die Besteuerung

Aktenzeichen  14 K 979/14

Datum:
18.5.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
BranntwMonG BranntwMonG § 130 Abs. 1
BranntwMonG BranntwMonG § 130 Abs. 5
BranntwMonG BranntwMonG § 149 Abs. 1 S. 1
AlkopopStG AlkopopStG § 1 Abs. 1
AlkopopStG AlkopopStG § 1 Abs. 2
AlkopopStG AlkopopStG § 3 Abs. 1
KaffeeStG KaffeeStG § 17 Abs. 1
KN Pos 2208
AO AO § 89 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Aperol Spritz ist eine Ware der Position 2208 der KN i. S. d. BranntwMonG und damit Branntwein.
2. Aperol Spritz ist Gegenstand der Alkopopsteuer.
3. Unter den Begriff der Alkopops fallen nicht nur Getränkemischungen, die aus zwei Komponenten bestehen, sondern auch Mischungen aus alkoholfreien Getränken, gegorenen Getränken und Spirituosen.
4. Verletzt die Behörde ihre Fürsorgepflicht, ist der Steuerpflichtige im Rahmen des rechtlich Zulässigen grundsätzlich so zu stellen, wie er stünde, wäre der Verstoß nicht passiert. Auf die Besteuerung hat ein etwaiger Verstoß gegen die Fürsorgepflicht aus § 89 Abs. 1 S. 1 AO jedoch keinen Einfluss.

Gründe

II.
Die Klage ist unbegründet. Der Steuerbescheid vom 18. November 2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
1. Die Festsetzung der Branntweinsteuer ist rechtmäßig.
a)Das streitgegenständliche Mixgetränk “Aperol Spritz” ist gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über das Branntweinmonopol (Branntweinmonopolgesetz – BranntwMonG) Gegenstand der Branntweinsteuer. Danach unterliegen Branntwein sowie branntweinhaltige Waren (Erzeugnisse) der Branntweinsteuer.
Branntwein i.S.d. § 130 Abs. 1 BranntwMonG sind Waren der Positionen 2207 und 2208 der KN mit einem Alkoholgehalt über 1,2 Volumenprozent (§ 130 Abs. 2 Nr. 1 BranntwMonG) sowie Waren der Positionen 2204, 2205 und 2206 der KN mit einem Alkoholgehalt über 22 Volumenprozent.
KN i.S.d. BranntwMonG ist gemäß § 130 Abs. 5 BranntwMonG die Warennomenklatur nach Art. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. L 256 vom 07. September 1987, S. 1, L 341 vom 03. Dezember 1987, S. 38, L 378 vom 31. Dezember 1987, S. 120, L 130 vom 26. Mai 1988, S. 42) in der am 19. Oktober 1992 geltenden Fassung und der bis zu diesem Zeitpunkt zur Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 erlassenen Rechtsvorschriften. § 130 Abs. 5 BranntwMonG enthält damit eine statische Verweisung auf die KN/Stand Oktober 1992 (vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union – EuGH – vom 14. Juli 2011 C-196/10, Paderborner Brauerei Haus Cramer, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern – ZfZ – 2011, 242).
Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist das entscheidende Kriterium für die zolltarifliche Einreihung von Waren im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der KN-Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (EuGH-Urteil vom 16. Februar 2017 C-145/16, Aramex Niederland, ECLI:EU:C:2017:130).
Im Streitfall steht zur Überzeugung des Senats fest, dass das streitgegenständliche Getränk einen Alkoholgehalt von 9 % vol. aufwies und u.a. Prosecco, Aperol und Sodawasser enthalten hat. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus der Auskunft der Inhaberin der Marke “Aperol”, die das HZA im Rahmen des Klageverfahrens eingeholt hat (vgl. Mitteilung der X vom 26. August 2015).
Aperol ist ein Destillat aus Rhabarber, Chinarinde, Gelbem Enzian, Bitterorange und verschiedenen Kräutern. Das streitgegenständliche Getränk Aperol Spritz enthält also sowohl gegorenen Alkohol in Form von Prosecco als auch destillierten Alkohol in Form von Aperol.
Die genannten Stoffe fallen unter verschiedene Tarifpositionen. Sodawasser fällt für sich genommen unter die KN-Position 2201; Prosecco unter die KN-Position 2204 und Aperol unter die KN-Position 2208 “Ethylalkohol mit einem Alkoholgehalt von weniger als 80 % vol, unvergällt; Branntwein, Likör und andere Spirituosen; zusammengesetzte alkoholhaltige Zubereitungen der zum Herstellen von Getränken verwendeten Art”. Weil vorliegend ein Mischgetränk einzureihen ist, kommt außerdem die KN-Position 2206 “…Mischungen gegorener Getränke und Mischungen gegorener Getränke und nichtalkoholischer Getränke, anderweit weder genannt noch inbegriffen” in Betracht.
Aperol Spritz ist eine Ware der Position 2208 der KN i.S.d. BranntwMonG und damit Branntwein.
Nach der Allgemeinen Vorschrift für die Auslegung der KN (AV) 2 b gilt jede Anführung eines Stoffes in einer Position für diesen Stoff sowohl in reinem Zustand als auch gemischt oder in Verbindung mit anderen Stoffen. Solche Mischungen oder aus mehr als einem Stoff bestehenden Waren werden nach den Grundsätzen der Allgemeinen Vorschrift 3 eingereiht.
Danach geht die Position mit der genaueren Warenbezeichnung den Positionen mit allgemeiner Warenbezeichnung grundsätzlich vor. Allerdings werden zwei oder mehr Positionen, von denen sich jede – wie hier – nur auf einen Teil der in einer gemischten oder zusammengesetzten Ware enthaltenen Stoffe bezieht, im Hinblick auf diese Waren als gleich genau betrachtet, selbst wenn eine von ihnen eine genauere oder vollständigere Warenbezeichnung enthält (AV 3 a). Deshalb muss im Streitfall auf die AV 3 b zurückgegriffen werden. Danach werden Mischungen nach dem Stoff eingereiht, der ihnen ihren wesentlichen Charakter verleiht.
Charakterbestimmend ist vorliegend der Aperol. Er ist nicht nur wesentlicher Bestandteil des Produktnamens, unter dem die Ware vermarktet und vertrieben wird, sondern verleiht dem Mixgetränk Aperol Spritz auch die ausgeprägte leuchtend-orangene Farbe und den typischen bitter-fruchtigen Geschmack. Der enthaltene Prosecco dagegen ist vom Aperol überdeckt; er ist geschmacklich kaum und optisch gar nicht wahrnehmbar. Eine Einreihung in die Position 2206 scheidet damit aus.
b) Die Branntweinsteuer ist gemäß § 149 Abs. 1 Satz 1 BranntwMonG entstanden, weil die Klägerin den Aperol Spritz zu gewerblichen Zwecken aus dem steuerrechtlich freien Verkehr eines anderen Mitgliedstaats bezogen hat.
Die Steuer entsteht dadurch, dass der Bezieher die Erzeugnisse im Steuergebiet in Empfang nimmt (§ 149 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BranntwMonG) oder die außerhalb des Steuergebiets in Empfang genommenen Erzeugnisse in das Steuergebiet befördert oder befördern lässt (§ 149 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BranntwMonG).
c) Die Klägerin ist als Bezieher Steuerschuldnerin (§ 149 Abs. 1 Satz 2 BranntwMonG).
d) Die Steuer bemisst sich gemäß § 131 Abs. 1 Satz 1 BranntwMonG nach der im Erzeugnis enthaltenen Alkoholmenge. Sie beträgt für einen Hektoliter reinen Alkohols gemessen bei einer Temperatur von 20 Grad Celsius als Regelsatz 1.303 EUR. Ausgehend davon hat das HZA die Branntweinsteuer richtig berechnet.
2. Auch die Festsetzung der Alkopopsteuer ist rechtmäßig.
a) Aperol Spritz ist Gegenstand der Alkopopsteuer.
Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 AlkopopStG unterliegen alkoholhaltige Süßgetränke (Alkopops) der Alkopopsteuer. Nach der in § 1 Abs. 2 AlkopopStG enthaltenen Definition sind Alkopops Getränke, die
–aus einer Mischung von Getränken mit einem Alkoholgehalt von 1,2 % vol oder weniger oder gegorenen Getränken mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 % vol mit Erzeugnissen nach § 130 Abs. 1 BranntwMonG bestehen,
–einen Alkoholgehalt von mehr als 1,2 % vol, aber weniger als 10 % vol aufweisen,
–trinkfertig gemischt in verkaufsfertigen, verschlossenen Behältnissen abgefüllt sind und
–als Erzeugnisse nach § 130 Abs. 1 BranntwMonG der Branntweinsteuer unterliegen.
Das streitgegenständliche Mixgetränk erfüllt als branntweinsteuerpflichtige (siehe oben 1), trinkfertige Abfüllung mit einem Alkoholgehalt von 9 % vol die drei letztgenannten Merkmale eines Alkopops. Es handelt sich auch um eine Getränkemischung i.S.v. § 1 Abs. 2 erster Spiegelstrich AlkopopStG.
Nach § 1 Abs. 2 erster Spiegelstrich AlkopopStG muss eine Komponente der Getränkemischung zwingend ein Erzeugnis nach § 130 Abs. 1 BranntwMonG sein. Dies ist vorliegend der Fall, weil im Aperol Spritz der Bitterlikör Aperol enthalten ist, der dem Mixgetränk seinen wesentlichen Charakter verleiht (siehe oben 1.a)). Der Aperol ist mit einem alkoholfreien Getränk (Soda) und einem gegorenen Getränk (Prosecco) gemischt. Solche Mischungen aus mehr als zwei Komponenten sind von der Regelung des § 1 Abs. 2 erster Spiegelstrich AlkopopStG erfasst.
Zwar könnte die Verwendung des Wortes “oder” im ersten Spiegelstrich des § 1 Abs. 2 AlkopopStG darauf hindeuten, dass unter den Begriff der Alkopops nur Getränkemischungen fallen, die aus zwei Komponenten bestehen, wobei eine Komponente zwingend ein Erzeugnis nach § 130 Abs. 1 BranntwMonG sein muss und die andere Komponente alternativ aus einem alkoholfreien bzw. alkoholarmen Getränk (z.B. Limonade, Cola) oder aus einem gegorenen Getränk mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2% vol (also z.B. Bier oder Wein) bestehen kann. Ein solches Verständnis der Norm fände eine Stütze in den Gesetzesmaterialien. Denn im ursprünglichen Gesetzesentwurf war nur die Besteuerung von Mischungen aus Getränken mit einem Alkoholgehalt von 1,2% vol oder weniger mit branntweinsteuerpflichtigen Getränken vorgesehen (vgl. BT-Drs. 15/2587). Auf Vorschlag des Finanzausschusses wurden zusätzlich die gegorenen Getränke in § 1 Abs. 2 AlkopopStG aufgenommen. Durch diese Änderung sollte erreicht werden, dass auch solche branntweinsteuerpflichtigen Mischgetränke der Sondersteuer unterliegen, bei denen in der Mischung anstelle eines alkoholfreien Getränks (bis 1,2% vol.) ein gegorenes Getränk (z.B. leicht vergorener Fruchtwein mit 1,3% vol. oder mehr, Traubenwein, Bier oder ein sonstiges gegorenes Getränk wie z.B. Malz- oder Honigwein) verwendet wurde (BT-Drs. 15/3084, S. 2 und 11).
Allerdings enthält § 1 Abs. 2 AlkopopStG seinem Wortlaut nach keine Beschränkung auf zwei Zutaten. Der Senat sieht den Tatbestand deshalb auch dann als erfüllt, wenn sich einzelne in der Mischung enthaltene Zutaten den genannten Komponenten zuordnen lassen (so auch Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht, 2. Aufl., Rn. M5; Pfab, Die Besteuerung von Alkopops in DStZ 2006, 249, 251). Dies ist auch bei Mischungen aus alkoholfreien, gegorenen Getränken und Spirituosen der Fall.
Aperol Spritz erfüllt damit alle im Gesetz genannten Tatbestandsmerkmale eines Alkopops. Gleichwohl verkennt der Senat nicht, dass sich Aperol Spritz geschmacklich von anderen Mixgetränken unterscheidet, die gerade deshalb besonders attraktiv bei Jugendlichen sind, weil sie süß und nicht nach Alkohol schmecken. Aperol dagegen ist ein Bitter-Aperitif, dessen fruchtig-bitterer Geschmack auch bei einer Mischung mit Soda und Prosecco erhalten bleibt.
Nach Auffassung des Senats fällt Aperol Spritz trotz dieser Merkmale unter das AlkopopStG. Denn der Geschmack eines Getränks ist von subjektiven Eindrücken geprägt und damit kein taugliches Abgrenzungskriterium zur Bestimmung des Steuergegenstandes. Denkbar wäre allenfalls eine Erweiterung des Gesetzes um ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, das an den Gehalt an Zucker oder anderen Süßungsmitteln anknüpft.
Zweck der Sondersteuer ist der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Getränken, bei denen der süße Geschmack den enthaltenen Alkohol überdeckt. So lässt sich sowohl aus der Gesetzesüberschrift “Sondersteuer auf alkoholhaltige Süßgetränke” und aus dem in § 1 Abs. 1 Satz 1 AlkopopStG synonym für Alkopops verwendeten Begriff “alkoholhaltige Süßgetränke” als auch aus den Gesetzesmaterialien entnehmen, dass der Gesetzgeber zuckerhaltige Getränke im Blick hatte. Auch der Finanzausschuss hat in seiner Beschlussempfehlung den hohen Gehalt an Süßungsmitteln, die den Alkoholgeschmack stark maskieren, als ein Merkmal der Alkopops genannt (BT-Drs. 15/3084, Seite 6). Anders als z.B. in der Schweiz ist ein bestimmter Mindestgehalt an Süßungsmitteln jedoch nicht als Begriffsmerkmal von Alkopops in das Gesetz aufgenommen worden.
Der Senat kann offen lassen, ob es der Zweck der Sondersteuer erfordert, das Gesetz um ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal zu ergänzen und nur Getränke zu besteuern, die einen bestimmten Mindestgehalt an Zucker oder anderen Süßungsmitteln aufweisen. Denn nach dem Vortrag der Klägerin enthält das streitgegenständliche Getränk mehr als 9 Gramm Zucker pro 100 ml und unterscheidet sich damit kaum von anderen typischen Alkopopgetränken. Trotz des bitteren Geschmacks handelt es sich bei Aperol Spritz also um ein zuckerhaltiges Getränk, das nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers Steuergegenstand des AlkopopStG ist.
Anders als die Klägerin meint kann aus Sicht des Senats nicht auf das Verhältnis von Zucker und Alkohol abgestellt werden, weil sich hierfür keine Stütze im Gesetz findet.
b) Die Alkopopsteuer ist gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 AlkopopStG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 des Kaffeesteuergesetzes (KaffeeStG) entstanden. Werden danach Alkopops zu gewerblichen Zwecken aus dem steuerrechtlich freien Verkehr eines anderen Mitgliedstaats bezogen, entsteht die Steuer dadurch, dass der Bezieher die Alkopops im Steuergebiet in Empfang nimmt oder die außerhalb des Steuergebiets in Empfang genommenen Alkopops in das Steuergebiet befördert oder befördern lässt.
c) Die Klägerin ist als Bezieherin Steuerschuldnerin (§ 3 Abs. 2 Satz 1 AlkopopStG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 KaffeeStG).
d) Die Steuer bemisst sich gemäß § 2 AlkopopStG nach der in dem Alkopop enthaltenen Alkoholmenge. Sie beträgt für einen Hektoliter reinen Alkohol, gemessen bei einer Temperatur von 20 Grad Celsius 5.550 EUR. Ausgehend davon hat das HZA die Steuer richtig berechnet.
3. Das HZA war auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben daran gehindert, die Branntweinsteuer und die Alkopopsteuer festzusetzen.
Hat die Finanzbehörde einem Steuerpflichtigen zugesichert, einen konkreten Sachverhalt, dessen steuerrechtliche Beurteilung zweifelhaft erscheint und der für die wirtschaftliche Disposition des Steuerpflichtigen bedeutsam ist, bei der Besteuerung in einem bestimmten Sinn zu beurteilen, muss sie sich unter Umständen an ihrer Auskunft festhalten lassen. Dabei kann auch eine dem Gesetz widersprechende Zusage binden, es sei denn, der Steuerpflichtige hat die Gesetzwidrigkeit erkannt oder erkennen können. Voraussetzung für eine Bindung in solchen Fällen ist allerdings, dass der vom Steuerpflichtigen mitgeteilte Sachverhalt in allen wesentlichen Punkten richtig und vollständig dargestellt wurde, so von der auskunftserteilenden Person verstanden wurde und offensichtlich ist, dass von der Auskunft gewichtige wirtschaftliche Entscheidungen des Steuerpflichtigen abhängen. Weitere Voraussetzung ist, dass der im Zeitpunkt der Auskunftserteilung für die spätere Entscheidung im Veranlagungsverfahren zuständige Beamte oder der Behördenleiter die Auskunft erteilt hat (BFH-Urteil vom 13. Dezember 1989 X R 208/87, BStBl II 1990, 274).
Auskünfte mit Bindungswirkung (Zusagen) werden in der Praxis im Allgemeinen schriftlich gegeben. Grundsätzlich kann die Finanzbehörde aber auch an eine (fern-)mündliche Auskunft gebunden sein. Da jedoch bei mündlichen Auskünften die Annahme nahe liegt, dass nur eine unverbindliche Meinungsäußerung beabsichtigt war, sind an den Nachweis der Verbindlichkeit strenge Anforderungen zu stellen. Insbesondere muss zweifelsfrei feststehen, dass der Sachverhalt und die steuerrechtliche Frage zutreffend dargelegt sowie von dem Auskunft erteilenden Beamten richtig verstanden worden sind, und dass dieser für die spätere Veranlagung des um Auskunft bittenden Steuerpflichtigen zuständig war. Unklarheiten im Sachverhalt gehen zu Lasten dessen, der sich auf die Verbindlichkeit einer Auskunft beruft (BFH-Urteil in BStBl II 1990, 274).
Ausgehend von diesen Grundsätzen kann im Streitfall nicht davon ausgegangen werden, dass der telefonisch befragte Zollbeamte des HZA (…) eine verbindliche Auskunft über die Branntweinsteuerpflicht erteilt hat. Nach dem Vortrag der Klägerin waren ihr die Inhaltsstoffe des streitgegenständlichen Getränks zum Zeitpunkt der telefonischen Anfrage nicht bekannt. Eine richtige und vollständige Darstellung des Sachverhalts war demzufolge gar nicht möglich. Unter diesen Umständen konnte die Klägerin auch keine über eine unverbindliche Meinungsäußerung hinausgehende Auskunft erwarten.
Ebenso wenig konnte die fehlende Reaktion des HZA (…) auf die ihm vorgelegten vereinfachten Begleitdokumente einen Vertrauenstatbestand schaffen. Zum einen ist nicht vorgetragen und auch aus den Akten nicht ersichtlich, dass der Beamte, der die vereinfachten Begleitdokumente in Empfang genommen hat, für die Besteuerung zuständig war. Zum anderen war das Schweigen des HZA keinesfalls dahingehend zu verstehen, dass trotz der Angaben in den Begleitdokumenten keine Branntweinsteuerpflicht besteht. Denkbar wäre allenfalls, dass das HZA im Rahmen seiner aus § 89 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) folgenden Fürsorgepflicht auf die fehlenden Steueranmeldungen (vgl. § 149 Abs. 5 Satz 1 BranntwMonG; § 39 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 35, § 39 Abs. 4 Satz 1 der Verordnung zur Durchführung des Branntweinmonopolgesetzes – Branntweinsteuerverordnung – BrStV) hinweisen hätte müssen. Verletzt die Behörde ihre Fürsorgepflicht, ist der Steuerpflichtige im Rahmen des rechtlich Zulässigen grundsätzlich so zu stellen, wie er stünde, wäre der Verstoß nicht passiert (Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 148. Lieferung, § 89 AO Rz. 19). Auf die Besteuerung hat ein etwaiger Verstoß gegen die Fürsorgepflicht aus § 89 Abs. 1 Satz 1 AO jedoch keinen Einfluss.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
5. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).


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