Europarecht

Asylrecht/Dublin-Verfahren (Spanien): Ablehnung eines Asylantrags als unzulässig; systemische Mängel in den Aufnahmebedingungen und dem Asylverfahren in Spanien (verneint); junge alleinstehende Frau von der Elfenbeinküste

Aktenzeichen  6 K 963/21 Ge

Datum:
22.2.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG Gera 6. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 29 Abs 1 Nr 1a AsylVfG 1992
§ 34a AsylVfG 1992
§ 11 AufenthG
§ 60 Abs 5 AufenthG
§ 60 Abs 7 S 1 AufenthG
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Spruchkörper:
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Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
3. Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), mit dem ihr in Deutschland gestellter Asylantrag als unzulässig abgelehnt und ihre Abschiebung nach Spanien angeordnet wurde.
Die 1997 geborene Klägerin ist Staatsbürgerin der Elfenbeinküste, dem Volk der W… zugehörig und christlicher Glaubenszugehörigkeit. Sie reiste eigenen Angaben zufolge am 30. April 2021 auf dem Landweg aus Frankreich kommend in die Bundesrepublik Deutschland ein und äußerte in der Folge ein Asylgesuch, von dem das Bundesamt durch behördliche Mitteilung am 3. Mai 2021 Kenntnis erlangte. Einen förmlichen Asylantrag stellte die Klägerin am 16. Juli 2021. Aufgrund eines Eurodac-Treffers der Kategorie 2 hinsichtlich Spaniens (Zeitpunkt der Abnahme von Fingerabdrücken dort am 20. Februar 2021) richtete das Bundesamt am 21. Juni 2021 ein Übernahmeersuchen nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO) an das Königreich Spanien, gestützt auf Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO. Die spanischen Behörden erklärten mit E-Mail vom 6. Juli 2021 über das Dublin-Net ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages der Klägerin.
Bei den persönlichen Gesprächen zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und zur Klärung der Zulässigkeit des gestellten Asylantrags am 16. und 19. Juli 2021 gab die Klägerin im Wesentlichen an, dass sie am 10. Februar 2021 in Spanien aus Marokko kommend angekommen sei und sich in diesem Land ca. zweieinhalb Monate aufgehalten habe. Dann sei sie nach Frankreich und mit der Bahn weiter nach Deutschland gereist. Ihr Zielland sei von Anfang an Deutschland gewesen. In Spanien habe sie zunächst auf der Insel Fuerteventura in einem Flüchtlingscamp, das zu einer Kirche gehörte, gelebt. Die spanischen Behörden hätten dann mitgeteilt, dass sie und weitere Flüchtlinge auf das Festland gebracht werden würden. Sie habe sich nach ihrem Flug auf das spanische Festland noch für etwa drei oder vier Tage in Madrid aufgehalten. Einen Asylantrag habe sie in Spanien nicht gestellt, da man ihr gesagt habe, dass sie in Deutschland Sicherheit und Sozialhilfe erhalte. Sie sei allerdings von Leuten befragt worden, ob sie einen Asylantrag stellen wolle, wobei dies aber keine Personen von den spanischen Asylbehörden gewesen seien. Sie sei in Spanien mit Kleidung und Schuhen ausgestattet worden, habe im Übrigen jedoch keine finanziellen Leistungen erhalten. Sie sei auch nicht durch nichtstaatliche Organisationen unterstützt worden. Nach Spanien könne sie nicht zurückkehren, weil sie wisse, dass sie nur in Deutschland einen entsprechenden Schutz erhalte. Sie möchte Deutsch lernen und in Deutschland arbeiten. Im Hinblick auf das Vorliegen von Erkrankungen und Gebrechen gab die Klägerin an, beschnitten worden zu sein und gelegentlich Schmerzen zu bekommen. Sie befinde sich nicht in ärztlicher Behandlung und nehme keine Medikamente. Die Klägerin verneinte im Zeitpunkt ihrer Befragung eine bestehende Schwangerschaft. Weiter gab die Klägerin an, nicht lesen und schreiben zu können. Familienangehörige und Verwandte in Deutschland habe sie keine.
Mit Bescheid vom 23. August 2021 lehnte das Bundesamt den Asylantrag der Klägerin als unzulässig ab (Ziffer 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2) und ordnete die Abschiebung der Klägerin nach Spanien an (Ziffer 3). In Ziffer 4 des Bescheides wurde das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäߧ 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und auf 21 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Der Bescheid wurde der Klägerin am 30. August 2021 im Wege der Ersatzzustellung durch Niederlegung des zuzustellenden Schriftstückes in einer Postfiliale mittels Postzustellungsurkunde der Deutschen Post AG zugestellt. Der Bescheid enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung, die über die Möglichkeit der Klageerhebung sowie Stellung eines Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO binnen einer Frist von einer Woche ab Bekanntgabe der Entscheidung informierte.
Am 6. September 2021 erhob die Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten mit elektronischem Schriftsatz Klage und stellte mit weiterem, datumsgleichen Schriftsatz ihres Bevollmächtigten einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO.
Der Bevollmächtigte der Klägerin begründete die Klage mit Schriftsatz vom 1. Oktober 2021. Dazu lässt die Klägerin vortragen, sie habe das spanische Staatsgebiet am 10. Februar 2021 auf der Insel Fuerteventura betreten und sei zunächst in einem nichtstaatlichen Flüchtlingscamp untergebracht gewesen. Auf Veranlassung der spanischen Behörden sei sie dann nach Madrid geflogen worden, wo sie sich weitere drei bis vier Tage aufgehalten habe, bevor sie nach Frankreich weitergereist sei. Unterstützung von internationalen Organisationen habe sie nicht erhalten. Während ihres Aufenthaltes in Spanien sei es nicht zu einer förmlichen Asylantragstellung gekommen. Die Klägerin habe sich vor ihrer Einreise nach Spanien in Marokko aufgehalten und sei dort mehrfach Opfer sexueller Gewalt geworden. Die Klägerin könne nicht lesen und schreiben. In ihrem Heimatland, der Elfenbeinküste, sei sie zwangsverheiratet worden. Die Klägerin sei beschnitten worden und leide an Schmerzen. Die weitere Sachaufklärung der Beklagten im Asylverfahren sei vor diesem Hintergrund unzureichend gewesen. Für Flüchtlinge in Spanien sei die Situation ebenso wie für dort anerkannt Schutzberechtigte problematisch. Dazu werde auf zwei Erkenntnisquellen, eines Reports von AIDA ECRE, Country Report Spain 2020 und den Erkenntnissen des US Departements of State, Jahresbericht zur Menschenrechtslage in Spanien 2020 Bezug genommen. Die irreguläre Migration in Spanien habe im Jahresverlauf des Jahres 2020 um 26 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitpunkt im Jahr 2019 zugenommen. Die Covid-19-Pandemie habe das Asylantragsverfahren während des staatlich verordneten Ausnahmezustandes eingefroren. Nichtregierungsorganisationen hätten Bedenken über Verzögerungen im spanischen Asylsystem angemeldet. Die Wartezeiten variierten je nach Region, betrügen aber zwischen ein und drei Monaten, um einen Asylantrag in Madrid zu erhalten, in einigen Gebieten Kataloniens bis zu einem Jahr. Die Beklagte sei für die Bearbeitung des Asylantrages der Klägerin letztlich wegen der systemischen Mängel im spanischen Asylsystem und der daraus resultierenden Lebensumstände zuständig. Eine individuelle Zusicherung der spanischen Behörden über eine menschenrechtskonforme Behandlung und Unterbringung der Klägerin läge nicht vor. Die Beklagte habe die spanischen Behörden diesbezüglich nicht einmal beteiligt. Insoweit werde auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober 2019 (2 BvR 1380/19) verwiesen. Ebenso seien die Lebensbedingungen bei anerkannt Schutzberechtigten in Spanien menschenrechtswidrig.
Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung beantragt,
den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 23. August 2021 aufzuheben,
hilfsweise zugunsten der Klägerin das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5, Abs. 7 AufenthG im Hinblick auf Spanien festzustellen.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht die Beklagte sich auf die angefochtene Entscheidung und vertieft ihre Auffassung mit Schriftsatz des Bundesamtes vom 6. Oktober 2021. Die Zuständigkeit des Königreichs Spanien für die Behandlung des Asylgesuchs der Klägerin ergebe sich aus Art. 22 Abs. 7 Dublin-III-VO. Die Aufenthaltsdauer der Klägerin in Spanien sei hierfür unerheblich, ebenso der Umstand, dass die Klägerin vor ihrer Weiterreise nach Frankreich in Spanien keinen Asylantrag gestellt habe. Insbesondere sei – unter Verweis auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen vom 6. Mai 2021 – nicht davon auszugehen, dass das spanische Asylsystem an erheblichen Mängeln leide. Bei Spanien handle es sich um einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union, so dass das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens in die unionsrechtskonforme Umsetzung der europäischen Grundfreiheiten und der EMRK greife. Entgegenstehendes sei nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) nur anzunehmen, wenn systemische oder allgemeine oder bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichten. Auch die weltweite Covid-19-Pandemie führte bislang in der Rechtsprechung nicht zur Feststellung von zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten im Hinblick auf Spanien. Spanien verfüge über ein rechtsstaatliches Asylsystem mit administrativen und gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten. Auf die dazu ergangene verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung werde Bezug genommen. Schließlich sei auch die Situation anerkannt Schutzberechtigter in Spanien nicht menschenrechtswidrig. Die Lebensbedingungen in Spanien seien ausreichend. Eklatante Missstände seien nicht festzustellen. Das spanische Asylsystem sei auf die Integration der Flüchtlinge ausgerichtet. Eine extreme materielle Not drohe anerkannt Schutzberechtigten somit nicht. Insbesondere in Bezug auf die Vermittlung von Wohnraum könne auch auf die Hilfe von Nichtregierungsorganisationen zurückgegriffen werden. Das spanische System zur Integration von Flüchtlingen und Vulnerablen sei seit 2018 verbessert worden. Die Umsetzung erfolge im Rahmen einer spanisch-europäischen Co-Finanzierung und in Zusammenarbeit mit der spanischen Nichtregierungsorganisation „ACCEM“. Eine Gleichstellung anerkannt Schutzberechtigter mit spanischen Staatsbürgern beim Zugang zum Arbeitsmarkt und zu sozialen Hilfen, einschließlich des öffentlichen Gesundheitssystems sei gewährleistet.
Mit Beschluss vom 21. Oktober 2021, dem Klägerbevollmächtigten zugestellt am 27. Oktober 2021 und der Beklagten zugestellt am 26. Oktober 2021, hat das Verwaltungsgericht Gera im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (6 E 964/21 Ge) den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung abgelehnt. Auf die Gründe des Beschlusses wird für die Einzelheiten verwiesen.
Mit Beschluss der Kammer vom 5. Januar 2022 wurde das vorliegende Hauptsacheverfahren auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.
In der mündlichen Verhandlung vertiefte die Klägerin ihr Vorbringen. Das Flüchtlingscamp auf der spanischen Insel sei stark belegt gewesen. Zum Teil seien bis zu 15 Frauen in einem Zimmer mit Mehrstockbetten untergebracht gewesen. Auch in dem Flüchtlingscamp in Madrid habe es Mehrbettzimmer für bis zu vier Personen gegeben. In den Camps seien auch Familien und Schwangere untergebracht worden. Man habe ihr zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt, wie es im Einzelnen für sie weitergehen solle. Die Überstellung von Fuerteventura nach Madrid sei für sie überraschend gekommen. Man habe sie auch nicht nach Gewalterfahrungen o.ä. befragt. Ärztlich sei sie nur kurz untersucht worden. Deutschland sei von Anfang an ihr Zielland gewesen. Zu ihrer Familie, darunter ihren beiden Kindern, die in der Elfenbeinküste verblieben seien, habe sie je nach technischer Möglichkeit regelmäßig aber nicht häufig Kontakt. Sie sei in Deutschland einmal ärztlich untersucht worden, habe auch ab und zu Schmerzen, nehme jedoch keine Medikamente und befinde sich nicht in laufender ärztlicher Kontrolle oder Behandlung.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze in der Gerichtsakte, auf die beigezogene Gerichtsakte des Eilverfahrens, die in elektronischer Form vorliegende Bundesamtsakte und auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 22. Februar 2022 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig (hierzu 1.), aber unbegründet (hierzu 2.) und damit abzuweisen.
1. Die Klägerin begehrt die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids vom 23. August 2021. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Anfechtungsklage die allein statthafte Klageart bei einer Unzulässigkeitsentscheidung des Bundesamts nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG (BVerwG, Urteil vom 27.10.2015 – 1 C 32/14 – juris LS 1 und Rn. 13; Urteil vom 8.1.2019 – 1 C 16/18 – juris Rn. 13). Denn die gerichtliche Aufhebung der Unzulässigkeitsentscheidung im Falle des Erfolgs einer darauf gerichteten Anfechtungsklage hat zur Folge, dass das Bundesamt das Verfahren fortführen und eine Sachentscheidung treffen muss.
Als statthaft erweist sich darüber hinaus auch der hilfsweise geltend gemachte Verpflichtungsantrag (§ 88 VwGO) auf Zuerkennung eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG in Bezug auf das Königreich Spanien. Denn das Bundesamt hat nach § 31 Abs. 3 AsylG insoweit bereits eine inhaltliche Entscheidung getroffen, die gerichtlicherseits überprüft werden kann (BVerwG, Urteil vom 14.12.2016 – 1 C 4/16 – juris Rn. 20).
Die Klage ist schließlich innerhalb der Klagefrist formgerecht erhoben worden und insgesamt zulässig.
2. Die Klage ist unbegründet, da der Bescheid vom 23. August 2021 im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG rechtmäßig ist und die Klägerin dadurch nicht in ihren Rechten verletzt wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a. Das Bundesamt hat den Antrag der Klägerin zu Recht als unzulässig gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 a) AsylG abgelehnt. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Dublin III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Die Zuständigkeit des Königreichs Spanien für die Bearbeitung des Asylantrages der Klägerin ergibt sich hier aus den Vorschriften der Art. 3 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO, da die Klägerin – unstreitig – aus Marokko, einem Drittstaat im Sinne der vorgenannten Vorschrift, kommend am 10. Februar 2021 auf dem Seeweg die Staatsgrenze zum Königreich Spanien auf Höhe der kanarischen Insel Fuerteventura überschritten hat. Die gegebenenfalls vorgehenden (vgl. Art. 7 Abs. 1 VO Dublin-III-VO) Regelungen der Art. 8 bis 12 VO Dublin-III-VO sind nicht einschlägig. Bis zur erstmaligen Äußerung eines Asylgesuchs der Klägerin im Mai 2021 bzw. bis zur förmlichen Stellung des Asylantrages bei dem Bundesamt am 16. Juli 2021 war ersichtlich auch noch kein Jahr seit der erstmaligen Einreise der Klägerin in das Dublin-Gebiet vollendet, Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO (vgl. dazu: VGH Mannheim, Urteil vom 18.3.2015 – 11 S 2042/14 – BeckRS 2015, 44963). Die weiteren Verfahrensvorschriften nach der Dublin-III-VO für das Aufnahmeverfahren (Art. 21 Abs. 1 UAbs. 2, Art. 22 Abs. 1 Dublin-III-VO) sind ebenfalls ersichtlich gewahrt und stehen auch nicht im Streit. Dass die Klägerin auf dem Hoheitsgebiet des Königreichs Spanien noch keinen Asylantrag gestellt hat, ist für die Zuständigkeitsfrage im Hinblick auf den in der Bundesrepublik Deutschland gestellten Antrag unbeachtlich, was aus Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO selbst folgt (vgl. i.Ü. auch zur Zuständigkeit des Ersteinreisestaates aufgrund von Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO bei Antragstellern, die von dort zur Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz in einen anderen Mitgliedsstaat weiterziehen wollen: EuGH, Urteil vom 26.7.2017 – C-646/16 – NVwZ 2017, 1357). Auch ist für die Klägerin die Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch nicht abgelaufen. Durch den fristgerechten Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wurde diese Überstellungsfrist unterbrochen und durch den ablehnenden Beschluss vom 21. Oktober 2021 im Verfahren 6 E 964/21 Ge neu in Lauf gesetzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.5.2016 – 1 C 15.15 – juris; Urteil vom 9.1.2019 – 1 C 36.18 – BeckRS 2019, 395 Rn. 14).
Daraus folgt für das Königreich Spanien aufgrund von Art. 18 Abs. 1 a) Dublin-III-VO die Pflicht, die Klägerin nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 Dublin-III-VO aufzunehmen. Eine entsprechende Aufnahmebereitschaft haben die spanischen Behörden mit E-Mail an das Bundesamt vom 6. Juli 2021 erklärt.
b. Die Beklagte ist auch nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 und 3 Dublin-III-VO für die Prüfung des Asylantrages der Klägerin zuständig. Denn es sind keine hinreichenden Gründe für die Annahme der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 – juris Rn. 106) bzw. dem übereinstimmenden Art. 3 EMRK (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 9.4.2018 – 10 LB 92/17 – juris Rn. 26) bei einer Rückkehr der Klägerin nach Spanien aufgrund systemischer Mängel im Asylverfahren oder in den dortigen Aufnahmebedingungen feststellbar.
aa. Bei der Prüfung, ob ein Mitgliedsstaat hinsichtlich der Behandlung von rücküberstellten Schutzsuchenden gegen Art. 3 EMRK verstößt, ist ein strenger Maßstab anzulegen (Nds. OVG, Urteil vom 9.4.2018 – 10 LB 92/17 – juris Rn. 27; BVerwG, Beschluss vom 6.6.2014 – 10 B 35/14 – juris Rn. 5). Denn nach dem Konzept, welches Art. 16a Abs. 2 GG und §§ 26a, 29 Abs. 1, 34a AsylG zu Grunde liegt, ist davon auszugehen, dass unter anderem in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention) und der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten (EMRK) sichergestellt ist und daher dort einem Schutzsuchenden keine politische Verfolgung droht sowie keine für Schutzsuchende unzumutbare Bedingungen herrschen („Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“, vgl. auch EuGH, Urteil vom 19.3.2019 – C-173/17 – juris Rn. 82, und Urteil vom 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 -, NVwZ 2012, 417; BVerwG, Urteil vom 9.1.2019 – 1 C 36.18 – juris Rn. 19; Nds. OVG, Urteil vom 9.4.2018 – 10 LB 92/17 – juris Rn. 27). Diese Vermutung ist zwar nicht unwiderleglich. Eine Widerlegung ist aber wegen der gewichtigen Zwecke des gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU (ABl. 2013, L 180/96), die Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU (ABl. 2011, L 337/9) oder die Verfahrensrichtlinie 2013/32/EU (ABl. 2013, L 180/60) genügen, um die Überstellung eines Schutzsuchenden an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (BVerwG, Beschluss vom 6.6.2014 – 10 B 35.14 – juris Rn. 5; Nds. OVG, Urteil vom 9.4.2018 – 10 LB 92/17 – juris Rn. 27). Kann einem Mitgliedstaat hingegen nicht unbekannt sein, dass die systemischen Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Schutzsuchende in dem zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass ein Antragsteller oder eine Antragstellerin tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK ausgesetzt zu werden, hat eine Überstellung zu unterbleiben (vgl. EuGH, Urteil vom 19.3.2019, C-163/17, juris Rn. 85; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 6.6.2014 – 10 B 35.14 – juris Rn. 5; Nds. OVG, Urteil vom 9.4.2018 – 10 LB 92/17 – juris Rn. 27). Systemische Schwachstellen erreichen allerdings erst dann die besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (EuGH, Urteil vom 19.3.2019 – C-163/17 -juris Rn. 92). Das Gericht muss auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandard der Grundrechte (in einem Klageverfahren) feststellen, dass dieses Risiko für den jeweiligen Kläger bzw. die jeweilige Klägerin gegeben ist, weil er oder sie sich im Fall der Überstellung unabhängig von seinem bzw. ihrem Willen und persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände (EuGH, Urteil vom 19.3.2019 – C-163/17 – juris Rn. 98). Der Nachweis obliegt nach europarechtlichen Maßstäben dabei dem Schutzsuchenden (vgl. EuGH, Urteil vom 19.3.2019 – C 163/17 – juris Rn. 95), jedenfalls soweit es um die Darlegung persönlicher Defizite und Ereignisse und Anknüpfungstatsachen im höchstpersönlichen Bereich geht. Soweit aufgrund der verfahrensrechtlichen Ordnung in Deutschland das Bundesamt und die Verwaltungsgerichte die Zustände, die das Asylsystem und die Lebensbedingungen in anderen Dublin-Mitgliedsstaaten betreffen, von Amts wegen zu untersuchen haben, sind möglichst aktuelle Erkenntnismittel heranzuziehen. Das Verwaltungsgerichts muss sich Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigen Behandlung ausgesetzt wird (BVerwG, Beschluss vom 19.3.2014 – 10 B 6.14 – BeckRS 2014, 49494 Rn. 9). Die verfahrensrechtlichen Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung haben dem hohen Wert der in Rede stehenden Rechtsgüter Rechnung zu tragen (BVerfG, Beschluss vom 18.12.2017 – 2 BvR 2259/17 – NVwZ 2018, 318 Rn. 18). Zur Feststellung dieser Verhältnisse sind Berichte von internationalen Organisationen (des UNHCR, des Internationalen Roten Kreuzes, der EU-Kommission), Gerichtsentscheidungen, Erkenntnisse aus dem europäischen Informationsaustausch der Asylbehörden sowie Berichte von Nichtregierungsorganisationen heranzuziehen (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 – C-411/10 u.a. – NVwZ 2012, 417 Rn. 90). Ergibt sich aus der Zusammenschau dieser Berichte ein klares Bild über die Verhältnisse in dem jeweiligen Drittstaat, so ist das erforderliche Maß der Offensichtlichkeit erfüllt. Ist die Informationslage hingegen diffus, so ist die erforderliche allgemeine Bekanntheit nicht gegeben, die erforderliche Überzeugungsgewissheit kann nicht erreicht werden. In diesem Fall greift wieder die grundsätzliche Vermutung innerhalb der Mitglied- und Vertragsstaaten, dass sie jeweils als sicherer Drittstaat die Grundrechte der Asylbewerber hinreichend achten. Auch wenn das Gericht hier intensive Ermittlungsbemühungen anzustellen hat, trägt die materielle Beweislast insoweit der Asylbewerber (Günther, in: BeckOK AuslR, 32. Ed. 1.10.2021, AsylG § 29 Rn. 24).
bb. Es bestehen nach Überzeugung des Gerichts unter Berücksichtigung aktueller Erkenntnisquellen keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, dass in Spanien die Anforderungen gemäß der europäischen Asylrichtlinien sowie nach der EMRK, der GR-Charta und der GFK betreffend das dortige Asylverfahren und die entsprechenden Aufnahmebedingungen nicht eingehalten werden (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich (BFA), Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Spanien, Gesamtaktualisierung vom 3.2.2021; AIDA, Country Report: Spain, 2020 Update; USDOS, Spain 2020 Human Rights Report; Raphaelswerk e.V., SPANIEN: Informationen für Geflüchtete, die nach Spanien rücküberstellt werden, Stand 11/2019). Das spanische Asylsystem weist nach Überzeugung des Gerichts keine systemischen Mängel auf, sodass mit der einhelligen Rechtsprechung nicht davon auszugehen ist, dass die Klägerin in Spanien generell Gefahr läuft, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (vgl. etwa: VG Würzburg, Beschluss vom 9.12.2021 – W 2 S 21.50343 – BeckRS 2021, 40171 und Beschluss vom 22.12.2020 – W 8 S 20.50327 – juris; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.8.2020 – OVG 3 B 35.19 – juris; VG Ansbach, Beschluss vom 18.3.2020 – AN 17 S 20.50116 – juris; VG Berlin, Beschluss vom 14.3.2019 – 31 L 828.18 A – juris; VG Lüneburg, Beschluss vom 21.2.2019 – 8 B 16/19 – juris). Diesbezüglich wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des Gerichts im Beschluss vom 21. Oktober 2021 im Verfahren 6 E 964/21 Ge verwiesen, die sich mangels neuem Vortrag der Klägerseite zur Lage von Asylbewerbern im Königreich Spanien auch noch zum Schluss der mündlichen Verhandlung als zutreffend erweisen. Insbesondere ergeben sich für das Gericht keine Anhaltspunkte für neuere Erkenntnisquellen, die eine der Klägerin günstige Betrachtungsweise des spanischen Asylsystems zumindest nahelegen.
Zudem macht der Einzelrichter von der ihm kraft Gesetzes eingeräumten Befugnis Gebrauch und verweist zur Begründung auch auf die Gründe des angefochtenen Bescheids und macht sich diese zu Eigen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
cc. Ergänzend ist aber noch auszuführen:
Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass die Klägerin prognostisch bereits im spanischen Asylverfahren eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung erfahren wird. Der spanische Staat steht der – zweifelsohne – Vielzahl an auf seinem Hoheitsgebiet ankommenden Flüchtlingen nicht interessenlos gegenüber. Zwar mag es durchaus zutreffend sein, dass insbesondere mit der verstärkten Nutzung der sog. Westroute (vgl. dazu: Europäischer Rat, Migrationsströme: Östliche, zentrale und westliche Mittelmeerroute – abrufbar unter: https://www.consilium.europa.eu/de/infographics/migration-flows/) der Flüchtlingsströme von den Maghreb-Staaten in Richtung Europa das Königreich Spanien im Besonderen mit einem Anstieg an aufzunehmenden Menschen und damit einhergehenden Schwierigkeiten in logistischer Hinsicht konfrontiert war und ist. Zudem wurde der spanische Staat – wie praktisch alle Mitgliedsstaaten im Dublin-Raum – durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie auch im Bereich der Asylverwaltung vor Herausforderungen gestellt, sei es, dass Verwaltungsstellen zunächst vorrangig mit anderen Aufgaben betraut wurden oder der ganz praktischen Handhabung und Sicherstellung pandemiebedingter Einschränkungen in Bereichen von Gemeinschaftsunterkünften u.ä. und nicht zuletzt auch der vorübergehenden Aussetzung von Überstellungen im Rahmen des Dublin-Systems Anfang des Jahres 2020. Allerdings geben die Erkenntnismittel des Gerichts keine Situation wieder, die auf eine völlige Überforderung des spanischen Staates und weiterer ziviler und kirchlicher Einrichtungen vor Ort schließen lassen oder die Annahme rechtfertigen, das spanische Asylsystem leide an erheblichen Defiziten, die nicht nur durch kurzfristige bzw. vorübergehende Mehrbelastungen und personelle und/oder kapazitive Einschränkungen bedingt sind. Staatliche und nichtstaatliche Stellen, v.a. das Spanische Rote Kreuz, arbeiten in praktischen Flüchtlingsfragen vielmehr zusammen (AIDA, a. a. O. S. 78 f.; Raphaelswerk e.V., a. a. O. S. 3). Insbesondere legt auch der Vortrag der Klägerin selbst dies nahe, denn ihr und den anderen Menschen, die mit ihr über den Atlantik gereist waren, wurde auf der Insel Fuerteventura Anlaufhilfe durch das Rote Kreuz zuteil, erhielt die Klägerin Obdach, Kleidung und Nahrung und wurde auch ärztlich untersucht. Dass es sich dabei wohl nicht um eine staatliche Einrichtung handelte, sondern um ein Flüchtlingscamp einer Nichtregierungsorganisation, steht der Annahme eines mit den europäischen Asylgrundwerten und den Anforderungen der EMRK und der Grundrechtecharta konformen Asylsystems nicht entgegen (dazu jüngst: BVerwG, Urteil vom 7.9.2021 – 1 C 3.21 – juris Rn. 26). Vielmehr sind mit der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich der erkennende Einzelrichter anschließt, Unterstützungsleistungen vor Ort tätiger nichtstaatlicher Hilfeorganisationen bei der Prognose zu berücksichtigen, ob international Schutzberechtigte im Mitgliedstaat der Zuerkennung der ernsthaften Gefahr ausgesetzt sein werden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh. zu erfahren, weil sie unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not leben müssen, die es ihnen nicht erlaubt, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen. Dies muss nach Ansicht des erkennenden Einzelrichters auch schon bei der vorangehenden Stufe des Asylsystems berücksichtigt werden, denn die hier anzustellende Gesamtbetrachtung bedingt ein nahtloses Ineinanderfließen von Erstversorgung nach Ankunft, Antragstellung auf Gewährung internationalen Schutzes, Ausgestaltung des Asylsystems insbesondere auch vor dem Hintergrund von Integrationsleistungen wie Hilfe zum Spracherwerb, Wohnraum und sonstigen Grundvoraussetzungen zur Führung eines eigenständigen Lebens in der Fremde und schließlich möglicher Integrations- und Unterstützungsleistungen nach erfolgreichem Abschluss eines Asylverfahrens.
Dublin-Rückkehrer stoßen nach neueren Erkenntnissen nicht auf erhebliche Schwierigkeiten, (erneut) Zugang zum spanischen Asylsystem zu erlangen (Raphaelswerk e.V., a. a. O.; so auch: VG Aachen, Urteil vom 6.5.2021 – 4 K 134/19.A – BeckRS 2021, 20025 Rn. 30 ff.). Auch hierbei unterstützen lokale Nichtregierungsorganisationen die ankommenden Menschen, v.a. im Raum Madrid (AIDA, a. a. O. S. 53) und koordinieren die zuständigen staatlichen Stellen die Rücküberstellung und das weitere Verfahren. Soweit es in den Jahren 2018 bis 2020 bei Dublin-Rückkehrern zu Schwierigkeiten beim (erneuten) Zugang zu den Aufnahmeeinrichtungen gekommen war, wurden die zuständigen Behörden gerichtlich dazu verpflichtet, für die Unterbringung zu sorgen und hat sich dem die Verwaltungspraxis auch in tatsächlicher Hinsicht angepasst (AIDA, a. a. O. S. 53). Dublin-Rückkehrer haben somit nach den Erkenntnissen des Gerichts tatsächlichen Zugang zu den staatlichen Aufnahmezentren für Schutzsuchende, was im Übrigen durch den Vortrag der Klägerin untermauert wird. Die Klägerin hatte angegeben, nach ihrer Überstellung auf das spanische Festland in einem weiteren Flüchtlingscamp untergekommen zu sein. Anhaltspunkte dafür, dass sich dies bei einer Rücküberstellung der Klägerin nach Spanien anders verhalten könnte, sind weder substantiiert vorgetragen, noch aus den Erkenntnisquellen des Gerichts heraus ableitbar. Soweit dem Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung glaubhaft entnommen werden kann, dass das Flüchtlingscamp des Roten Kreuzes auf der Insel Fuerteventura die Aufnahmekapazitäten ausschöpfte und zum Teil bis zu 15 Personen in einem Raum untergebracht waren, wobei wohl eine Trennung zwischen Personen mit und ohne besondere Bedürfnisse (bspw. Familien mit Kindern, Schwangere etc.) nicht erfolgte, lässt dies unter Berücksichtigung der Erkenntnisquellen zu Spanien und der Erkenntnisse zu den Migrationsrouten über die Maghreb-Staaten in Richtung Europa ebenfalls nicht den Schluss zu, das spanische Asylsystem sei regelhaft defizitär. Erkennbar und dem Vortrag der Klägerin folgend war die Erstunterbringung der auf Fuerteventura anlandenden Menschen nur vorübergehender Natur und eine Überführung auf das spanische Festland zur Durchführung eines geordneten Asylverfahrens auch das Ziel der spanischen Behörden. Der Vortrag der Klägerin, sie habe von keiner Seite Unterstützung erfahren, ist für das Gericht nicht nachvollziehbar und wird durch den klägerischen Vortrag selbst verneint bzw. ist zum Teil widersprüchlich. Im Übrigen muss sich die Klägerin vorhalten lassen, dass sie selbst wahrscheinlich gar nicht um weiterführende Informationen zum Asylsystem in Spanien nachgesucht hat, denn es war ihr erklärtes Ziel, von Anfang an nach Deutschland zu gelangen, um hier internationalen Schutz beantragen zu können. Gegenüber dem Bundesamt hatte die Klägerin überdies noch angegeben, in Madrid befragt worden zu sein, ob sie einen Asylantrag stellen wolle, was nicht ihren weiteren Vorstellungen entsprach. Folgerichtig hat die Klägerin dann auf dem spanischen Festland auch lediglich ein paar Tage zugebracht, bevor sie die Weiterreise nach Frankreich antrat. Insoweit ist der Vortrag der Klägerin zu ihrer Situation in Spanien nur bedingt geeignet, valide Rückschlüsse auf Defizite im spanischen Asylsystem ziehen zu können.
Solche erheblichen Defizite sieht das Gericht für Spanien auch unter weiterer Berücksichtigung der nachfolgenden Punkte nicht.
Das spanische Recht garantiert allen Asylsuchenden uneingeschränkten Zugang zum öffentlichen Gesundheitssystem auf dem gleichen Niveau wie den eigenen Staatsangehörigen (vgl. AIDA, a. a. O. S.105 ff.; BFA, a. a. O. S. 15). Auch der Zugang zu spezieller Behandlung und die Möglichkeit, sich von Psychologen und Psychiatern behandeln zu lassen, sind garantiert. Wenn es auch keine spezialisierten medizinischen Zentren gibt, die ausschließlich und umfassend die besonderen Probleme von Opfern schwerer Verletzungen und Misshandlungen adressieren, gibt es verschiedene Nichtregierungsorganisationen, die für die Unterbringung von Asylbewerbern mit psychischen Problemen zuständig sind (AIDA, a. a. O. S.106). Dafür, dass die konkreten Umstände dieser finanziellen und sächlichen Unterstützung, die in verschiedene Phasen eingeteilt ist, für alle Asylantragsteller die tatsächliche Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung mit sich bringen, hat das Gericht keine greifbaren Anhaltspunkte. Die Klägerin hat eine ärztliche Untersuchung im ersten Aufnahmecamp selbst angegeben und darüber hinaus vorgetragen, dass sie zwar Schmerzen habe, sich aber nicht in regelmäßiger Behandlung oder ärztlicher Beobachtung befinde und auch keine Medikamente einnehme. Dass sich dies als notwendig erweisen würde, hat die Klägerin nicht behauptet und scheint dies auch deswegen fernliegend, weil eine weitere ärztliche Untersuchung der Klägerin in Deutschland wohl auch nicht zu dem Ergebnis geführt hat, die Klägerin sei wegen ihrer Schmerzen oder aus anderen gesundheitlichen Gründen fortlaufend ärztlich zu beobachten oder auf die Einnahme von Medikamenten angewiesen. Zutreffend hat der Klägerbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung dazu angemerkt, dass bei der Klägerin für die Notwendigkeit einer psychologischen bzw. psychotherapeutischen Behandlung aufgrund der erlittenen Gewalthandlungen in Marokko oder sonstiger Umstände keine greifbaren Anhaltspunkte vorliegen. Es ist daher in der Gesamtschau weder generell noch für den konkreten Einzelfall der Klägerin ersichtlich, dass diese in Spanien als Asylsuchende keine zureichende, ggf. für sie spezifisch notwendige medizinische Behandlung erlangen kann, deren prognostische Nichtgewährung für sich genommen oder mit weiteren Umständen kumulativ die Gefahr einer unmenschlichen Behandlung begründen wird.
Der Schutz vulnerabler Personen (vgl. Art. 21, 22 Aufnahmerichtlinie – EU – Nr. 33/2013) ist durch staatliche Maßnahmen, ergänzt durch private Initiativen ebenso generell gewährleistet. Im spanischen Aufnahmesystem wird versucht, Asylsuchende in der Aufnahmeeinrichtung unterzubringen, die ihrem Profil und ihren Bedürfnissen (je nach Alter, Geschlecht, Haushalt, Nationalität, Vorhandensein von Familiennetzwerken, Unterhalt usw.) am besten entspricht. Es erfolgt eine Einzelfallprüfung durch die Asyl- und Flüchtlingsbehörde und die jeweilige Nichtregierungsorganisation, die für die Aufnahmezentren zuständig ist. Da die Unterbringung von Asylbewerbern von Fall zu Fall erfolgt, gibt es einen laufenden Überwachungsmechanismus, der die Reaktion auf die Aufnahmebedürfnisse jeder Person in Bezug auf die genannten Profile berücksichtigt. Vulnerable dürfen zudem länger in den Aufnahmeeinrichtungen bleiben, als andere Antragsteller. Zwar garantiert das spanische Aufnahmesystem keine spezialisierten Aufnahmeplätze für Asylbewerber wie Opfer von Menschenhandel, Opfer von Folter, unbegleitete Minderjährige oder Personen mit psychischen Störungen, was auch durch den Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung untermauert wird. Bei Bedarf werden diese jedoch an externe und stärker spezialisierte Dienste verwiesen. Einige Nichtregierungsorganisationen bieten Aufnahmeeinrichtungen und Dienstleistungen für Asylbewerber mit psychischen Problemen an. Darüber hinaus verfügen einige Organisationen über spezielle Plätze in ihren Aufnahmeeinrichtungen, die sich speziell an von Menschenhandel betroffene Frauen richten (vgl. AIDA, a. a. O. S.107 ff.). Im Übrigen ist die Gefahr der Nichtidentifizierung als vulnerable Person für die Klägerin auch dadurch minimiert, dass diese im vorliegenden Dublin-Verfahren dazu vortragen konnte, so dass die deutschen Behörden ggf. gehalten sein werden, im Falle einer Rücküberstellung der Klägerin deren besondere Schutzbedürftigkeit gegenüber den spanischen Behörden zu kommunizieren. Im Ergebnis kann es jedenfalls unentschieden bleiben, ob die Klägerin als vulnerable Person anzusehen ist, denn auch bei Bejahung dieses Merkmals war die Beklagte aufgrund der aus den Erkenntnismitteln zu entnehmenden Situation vulnerabler Menschen im spanischen Asylsystem nicht gehalten, entsprechend der vom Klägerbevollmächtigten zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine vorherige Zusage der spanischen Behörden dazu einzuholen, dass die Klägerin eine ihrer spezifischen Situation notwendige Behandlung im Asylverfahren, einschließlich einer gesonderten Unterbringung, erfahren wird. Die entsprechende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die zum Rückführungszielland Italien ergangen, aber auch auf andere Mitgliedsländer des Dublin-Raums übertragbar ist, setzt eben als Grundannahme voraus, dass das jeweilige Asylsystem jedenfalls gegenüber besonders schutzbedürftigen Personen erhebliche Defizite aufweist. Das erkennt der hier entscheidende Einzelrichter für Spanien nicht. Die Beklagte war aus diesen Gründen auch nicht verpflichtet, weitergehende Aufklärungen zur Frage der Vulnerabilität der Klägerin anzustellen, soweit diese nicht selbst durch substantiierten Vortrag Anlass dazu bot.
c. Auch die Lebensumstände, die Schutzsuchende zu erwarten haben, wenn ihnen internationaler Schutz gewährt wird, stehen einer Überstellung nicht entgegen. Es ist nicht ersichtlich, dass sich die Klägerin, falls ihr internationaler Schutz gewährt wird, aufgrund ihrer besonderen Verletzbarkeit unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not im Sinne der vorstehenden Ausführungen befände.
So erhalten anerkannt Schutzberechtigte in Spanien im Rahmen des in drei Phasen gegliederten Aufnahmesystems dieselben Leistungen wie die noch im Asylverfahren befindlichen Personen. Sie werden also zunächst in Aufnahmeeinrichtungen untergebracht, in denen ihre Bedürfnisse umfänglich gedeckt werden. Im Anschluss daran erfolgt ihre Unterbringung auf dem privaten Wohnungsmarkt und sie erhalten finanzielle Unterstützung bei den Grundausgaben, insbesondere den Unterkunftskosten. Dabei kann es u.a. wegen des Mangels an sozialem Wohnungsraum und der nicht in allen Fällen ausreichenden finanziellen Unterstützung auch zu schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen und der Gefahr von Obdachlosigkeit kommen, was das Gericht nicht verkennt. Dass den Betroffenen insoweit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verelendung und Verwahrlosung droht, ist den der Kammer vorliegenden Erkenntnissen hingegen nicht zu entnehmen. Dagegen spricht auch, dass Nichtregierungsorganisationen versuchen, die Situation der betroffenen Ausländer durch deren Unterstützung bei der Suche nach angemessenem Wohnraum abzumildern. Anerkannt Schutzberechtigte haben zudem unter den gleichen Bedingungen wie spanische Staatsangehörige Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Bildung. Nach Abschluss des Aufnahmeverfahrens werden ihnen ferner spezielle Maßnahmen und Orientierungshilfen zur Integration in den Arbeitsmarkt angeboten. Die Tatsache, dass sich für viele der Eintritt in das Arbeitsleben aufgrund unzureichender Sprachkenntnisse, fehlender Qualifikation und der allgemeinen Wirtschaftslage als schwierig darstellt, rechtfertigt für sich noch nicht die Annahme generell unzumutbarer Lebensbedingungen. Anerkannt Schutzberechtigten ist des Weiteren uneingeschränkter Zugang zum öffentlichen Gesundheitssystem einschließlich kostenfreier spezieller Behandlungen für psychisch Kranke oder Traumatisierte auf dem gleichen Niveau wie den spanischen Staatsangehörigen garantiert (auch hierzu: AIDA, a. a. O., S.131-134, 142 f., 143, 145; BFA, a. a. O. S. 16 f.).
Vor diesem Hintergrund erscheint es prognostisch wahrscheinlich, dass die Klägerin bei ihrer Rückkehr eine Unterkunft und ausreichende Verpflegung auch nach erfolgreichem Durchlaufen des Asylverfahrens in Spanien zumindest mit anfänglicher Hilfe von Nichtregierungsorganisationen vorfinden wird. Dass es ihr als anerkannt Schutzberechtigte nicht gelingen kann, selbstständig ihren notwendigen Lebensunterhalt sicherzustellen, lässt sich nicht mit der für eine Klagestattgabe notwendigen Überzeugung des Gerichts prognostizieren. Hierbei berücksichtigt das Gericht, dass es der Klägerin seit Verlassen ihres Heimatlandes, der Elfenbeinküste, offensichtlich gelungen ist, sich auch ohne direkte Vor-Ort-Begleitung durch Familienangehörige oder sonstiger naher Bezugspersonen im Lebensalltag zu behaupten, langwierige Reisen mit ungewissen Verhältnissen und Erfolgschancen auf sich zu nehmen, ohne hierbei bereits die Schwelle zu einer drohenden Verelendung erreicht zu haben. Dazu hat die Klägerin jedenfalls nichts Spezifisches vorgetragen, was insoweit aber ihrer Darlegungslast obliegt, da es sich um persönliche Erfahrungen und Erlebnisse handelt und nicht um objektivierbare Tatsachen, die das Gericht von Amts wegen aufzuklären hat. Die Klägerin ist jung aber mit ihren 24 Lebensjahren auch nicht mehr der Minderjährigkeit gerade erst entwachsen. Sie ist gesund und arbeitsfähig und – nach eigenem Bekunden – auch arbeitswillig. Die Klägerin muss in ihrer gegenwärtigen Situation auch nicht auf die Bedürfnisse minderjähriger Kinder oder weiterer naher Bezugspersonen Rücksicht nehmen, so dass sie nach einer Schutzzuerkennung frei ist, sich im gesamten spanischen Gebiet niederzulassen, soweit dies für die Aufnahme einer Arbeit und der Sicherung bestmöglicher Unterstützung durch Kommunen, kirchliche oder sonstige karitative Organisationen notwendig erscheint. Auch dürfte es sich prognostisch betrachtet wesentlich einfacher gestalten, als Einzelperson reell eine Mietunterkunft zu erhalten, was sich auf dem spanischen Wohnungsmarkt ansonsten insbesondere für vielköpfige Familien durchaus als schwierige Hürde für eine Integration in Spanien erweist (vgl. dazu etwa: VG Ansbach, Urteil vom 30.8.2019 – 17 K 19.50228 u.a. – BeckRS 2019, 22300). Jedenfalls muss sich die Klägerin diesbezüglich auf ein erhebliches Maß an Eigenbemühungen verweisen lassen, so dass allein der Verweis auf einen angestrengten Wohnungs- und Arbeitsmarkt nicht genügt, eine drohende Verelendung als wahrscheinlich anzunehmen.
Eine andere Betrachtungsweise gebietet dabei auch nicht der Vortrag der Klägerin, sie könne weder lesen, noch schreiben und habe auch keine Bildungseinrichtung besucht. Zwar stimmt das Gericht mit der Klägerseite darin überein, dass dieser Umstand – als wahr unterstellt – ein erhebliches persönliches Defizit für eine reelle Chance auf Integration darstellt. Gleichwohl hat das Gericht schon Zweifel, dass allein dieser Umstand eine besondere Schutzbedürftigkeit der Klägerin im Hinblick auf die Frage einer Verelendung begründet. Zum einen ist das spanische Asylverfahren bereits auf Integration angelegt und werden bspw. auch durch Nichtregierungsorganisationen wie dem Roten Kreuz Sprachkurse angeboten. Ob diese Kurse speziell auch Alphabetisierungsmaßnahmen beinhalten, lässt sich den Erkenntnismitteln freilich nicht mit hinreichender Klarheit entnehmen. Einer weitergehenden Aufklärung dazu bedurfte es aber nicht. Das Gericht ist nämlich davon überzeugt, dass die Klägerin insoweit in Bezug auf ihre persönlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten einen übersteigerten Sachvortrag gehalten hat und die Klägerin jedenfalls kognitiv in der Lage ist, auch die besonderen Anfangsschwierigkeiten im Spracherwerb, die sich aus einer möglichen Analphabetenstellung ergeben, zu meistern. Die Klägerin scheint zumindest eine Unterschrift leisten zu können, wie die zahlreichen Unterschriften auf Formblättern in der Behördenakte und auch auf der zur Gerichtsakte gereichten Anwaltsvollmacht belegen. Die Klägerin hat zudem vorgetragen, dass sie in Deutschland einen Sprachkurs besucht, dies schon mit einigen Stunden und sie sich bemühe, diesen mit Erfolg abzuschließen, weil sie Deutsch lernen wolle. Mithin steht die Klägerin in Deutschland vor der gleichen Hürde im Spracherwerb wie sie in Spanien dastehen wird. Dass sie aufgrund der bisher gewonnen Erfahrungen aber im Besonderen auf Schwierigkeiten beim Spracherwerb aufgrund ihres vorgetragenen Analphabetismus gestoßen ist, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Sie wird sich daher auf entsprechende Angebote in Spanien, die nichtstaatliche Akteure jedenfalls dem Grunde nach anbieten, verweisen lassen müssen. Dass diese Angebote für Analphabeten gänzlich ungeeignet wären, zum Spracherwerb in Spanien substantiell beizutragen, hat die Klägerin nicht behauptet und ist Derartiges dem Gericht auch aus seiner bisherigen mehrjährigen Spruchpraxis in Dublin-Fällen zu Spanien nicht bekannt geworden. Darüber hinaus ist aber festzustellen, dass auch in Spanien insbesondere lokale Bildungseinrichtungen ähnlich den deutschen Volkshochschulen Alphabetisierungskurse für Erwachsene anbieten (vgl. Bundesinstitut für Berufsbildung BiBB, Internationales Handbuch der Berufsbildung, Spanien, 43. Bd/ErgL. August 2013, S. 114 f. – abrufbar unter: https://www.bibb.de). Die Klägerin muss sich daher auch auf solche bestehenden Angebote, die nicht im direkten Angebotskanon von Flüchtlingshilfsorganisationen stehen, verweisen lassen.
Sonstige Hinweise darauf, dass eine entsprechend große Zahl von anerkannt Schutzberechtigten in Spanien in eine ausweglose Lage gerät, sieht der Einzelrichter ebenfalls nicht. Damit steht einer Rückführung der Klägerin nach Spanien auch nicht die hinreichend wahrscheinliche Prognose entgegen, die Klägerin werde im Falle einer Schutzzuerkennung in Spanien der Verelendung preisgegeben, weil sie es nicht schaffen wird, aus eigenen Bemühungen unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Fähigkeiten, Fertigkeiten und lebenspraktischen Kenntnisse ihre elementaren Grundbedürfnisse zu befriedigen.
Entsprechend war die Beklagte nicht verpflichtet, gegenüber den spanischen Behörden vom Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO Gebrauch zu machen. Insbesondere ergibt sich im Fall der Klägerin, wie noch zu erörtern sein wird, kein dauerhaftes Abschiebungshindernis bzw. Abschiebungsverbot (vgl. dazu näher: VG Berlin, Urteil vom 11.1.2022 – 34 K 519.18 A – BeckRS 2022, 37).
d. Soweit die Klägerin die Aufhebung der Feststellung zum Vorliegen von Abschiebungsverboten hinsichtlich Spaniens (Ziffer 2 des Bescheids) begehrt, bleibt ihre Klage ebenfalls ohne Erfolg. Das Bundesamt war gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG verpflichtet, eine Entscheidung zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG zu treffen, da es den Asylantrag nach den vorstehenden Ausführungen zu Recht als unzulässig abgelehnt hat. Abschiebungsverbote waren und sind zudem nicht festzustellen.
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Europäischen Menschenrechtskonvention ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Zu prüfen sind jeweils nur Abschiebungshindernisse, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen. Für die Annahme einer Gefahr gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (BVerwG, Urteil vom 7.9.2010 – 10 C 11.09 – juris, Rn. 14).
Ein Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention oder eine Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit der Klägerin in Spanien ist nicht beachtlich wahrscheinlich. Dazu wird auf die vorstehenden Ausführungen des Gerichts unter 2. b. und c. verwiesen.
Eine andere Beurteilung ist auch nicht vor dem Hintergrund der zwischenzeitlichen Entwicklung im Zuge der Covid-19-Pandemie angezeigt. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Klägerin in Spanien aufgrund der voraussichtlichen Lebensverhältnisse in eine Lage extremer Not geraten würde. Das Gericht hat – auf der Basis des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens und auch angesichts der in Spanien getroffenen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie sowie auf der Grundlage aktueller Erkenntnisse (vgl. auch die Lageeinschätzung des Auswärtigen Amtes: https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/spanien-node/spaniensicherheit/210534 mit Verweis auf Datenmaterial des European Centre for Disease Prevention and Control – ECDC) – keine substantiierten Anhaltspunkte dafür, die die Annahme eines solchen Extremfalles in der Person der Klägerin auf Grund der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie begründen könnten. Gegenteiliges hat die Klägerin dazu auch nicht vorgetragen, soweit es die gesundheitspolitische und wirtschaftliche Situation Spaniens unter Pandemiebedingungen betrifft. Das Gericht geht hierbei von folgender Situation aus: Das spanische Bruttoinlandsprodukt ist nach Verlusten im Vorjahr in 2021 wieder um real 4,6% gestiegen und in 2022 wird ein Anstieg um 5,5% erwartet. Die spanische Regierung stützt die Wirtschaft mit umfangreichen Direkthilfen, die Möglichkeit zur Kurzarbeit wurde bis zum 28. Februar 2022 verlängert. Im September 2021 wurde der Mindestlohn angehoben. Spanien erhält überdies den größten Anteil an den Corona-Finanzhilfen der EU. Der für den Arbeitsmarkt wichtige Tourismussektor hat sich ebenfalls 2021 erholt mit einer Wachstumsrate von 131% gegenüber dem Vorjahr (vgl. https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/spanien/wirtschaftliche-trendwende-mit-risiken-234604 sowie die Informationen im EURES-Netzwerk, abrufbar unter: https://ec.europa.eu/eures/public/living-and-working/labour-market-information/labour-market-information-spain_en). Während des Asylverfahrens wird die Klägerin ohnehin von den im spanischen Asylsystem vorgesehenen sächlichen und finanziellen Hilfen partizipieren, so dass es insoweit noch nicht tragend auf die wirtschaftliche Situation Spaniens für sie im Einzelfall ankommen wird. Die vorstehenden Daten belegen aber, dass trotz Einschränkungen und wirtschaftliche Einbußen die Chancen der Klägerin, nach einer Schutzzuerkennung auch Arbeit zu finden, aus der sie ihre grundlegenden Bedürfnisse decken kann, wieder beachtlich wahrscheinlich gestiegen sind.
Auch der Gesundheitszustand der Klägerin gebietet nicht die Feststellung eines Abschiebungsverbots. Dazu ist schon nichts Substantiiertes vorgetragen worden. Dass die Daten zur Covid-19-Pandemie in Spanien und zum dortigen Gesundheitssektor, sowie den in Spanien getroffenen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie und zur Auslastung des Gesundheitswesens für die Klägerin unter Berücksichtigung spezifischer Risiken die ernsthafte Gefahr einer Lebensbedrohung im Falle einer Rücküberstellung nahelegen, ist nicht im Ansatz erkennbar. Anhaltspunkte für eine krankheitsbedingte Reiseunfähigkeit, die zur Unmöglichkeit der Rücküberstellung der Klägerin bzw. der hohen Wahrscheinlichkeit des Verstreichens der Rücküberstellungsfrist führen können, sind ebenfalls nicht vorgetragen oder ersichtlich.
Aus diesem Grund ist auch die hilfsweise erhobene Verpflichtungsklage unbegründet. Die Klägerin hat – wie soeben ausgeführt – keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG bezüglich Spanien.
e. Die Klage hat im Weiteren auch keinen Erfolg, soweit mit ihr die Aufhebung der Abschiebungsanordnung (Ziffer 3 des Bescheids) begehrt wird. Diese findet ihre Rechtsgrundlage in § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt die Abschiebung in den Staat, der für das Asylverfahren zuständig ist (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG), an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Das ist vorliegend der Fall, insbesondere auch deshalb, weil das Königreich Spanien seine Verpflichtung aus Art. 18 Dublin-III-VO anerkannt hat und einer Abschiebung der Klägerin nach Spanien keine rechtlichen und tatsächlichen Hindernisse, v.a. keine pandemiebedingten Einschränkungen, entgegenstehen.
f. Schließlich ist auch die in Ziffer 4 des Bescheids ausgesprochene, auf § 11 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 AufenthG gestützte behördliche Anordnung eines befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots rechtmäßig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 11 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 AufenthG sind gegeben und die Ermessensentscheidung über die Länge der Frist lässt keine Rechts- oder Ermessensfehler erkennen (§ 114 Satz 1 VwGO). Inlandsbezogene Umstände – etwa familiäre Beziehungen im Bundesgebiet – sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Beklagte hat sich bei der Festsetzung der Frist auf 21 Monate auch im Bereich des durch § 11 Abs. 3 AufenthG aufgezeigten zeitlichen Rahmens von bis zu fünf Jahren gehalten.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylG.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.


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