Europarecht

Ausnahmegenehmigung zum Befahren des Gehwegs

Aktenzeichen  AN 10 K 19.01353

Datum:
9.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 35587
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVO § 46 Abs. 1 Nr. 11

 

Leitsatz

Ein besonders dringender Fall zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum Befahren des Gehwegs liegt nicht vor, wenn es dem Betroffenen möglich ist, die Anlieferung seines Lokals von etwas weiter her zu organisieren, beispielsweise unter Verwendung von Sackkarren, Hubwagen oder Ähnlichem. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Neuverbescheidung des Antrags vom 9. Mai 2019 hinsichtlich einer Ausnahmegenehmigung zum Be- und Entladen sowie hinsichtlich des Befahrens am Gehweg (§ 113 Abs. 5 VwGO). Die Ablehnung des Antrags mit streitgegenständlichem Bescheid vom 12. Juli 2019 ist daher rechtmäßig.
In Auslegung des Klagebegehrens geht das Gericht davon aus, dass sich die Klage nunmehr nur noch gegen den Bescheid vom 12. Juli 2019 richtet, da das ursprünglich angefochtene Schreiben vom 5. Juni 2019 von der Beklagten nur als Hinweis gedacht war, dem keine Regelungswirkung hat zukommen sollen. Nachdem die Beklagte den Antrag des Klägers vom 9. Mai 2019 mit förmlichem Bescheid vom 12. Juli 2019 abgelehnt hatte, ist unter Berücksichtigung des Klagebegehrens allein von einer Verbescheidungsklage gegen diesen Bescheid auszugehen.
Allerdings ist die Ablehnung des Antrags des Klägers ermessensfehlerfrei ergangen und daher rechtmäßig.
Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO kann die zuständige Straßenverkehrsbehörde in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte Antragsteller Ausnahmen unter anderem von Verboten oder Beschränkungen, die durch Vorschriftszeichen, Richtzeichen oder Verkehrseinrichtungen erlassen worden sind, genehmigen. Vorliegend handelt es sich nach unstrittigem Sachvortrag der Beteiligten um einen Gehweg im Sinne von Zeichen 293 der Anlage 2 zur StVO. Solche Ausnahmegenehmigungen stehen nach § 46 StVO im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Ermessensbetätigung selbst seitens des Gerichts nach § 114 Satz 1 VwGO nur eingeschränkt dahin überprüft werden kann, ob die Ablehnung bzw. Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, wenn die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder vom Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde. Für die Frage der Rechtmäßigkeit der Ermessensbetätigung der Behörde ist dabei die tatsächliche Verwaltungspraxis maßgebend, die im Lichte der gesetzlichen Regelung, des Gleichbehandlungsgrundsatzes und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Bestand haben muss. Voraussetzung für eine Ausnahmegenehmigung ist es dabei, dass Gründe dafür vorliegen, die das öffentliche Interesse an dem grundsätzlichen Ge- oder Verbot überwiegen. Dabei sind die öffentlichen Belange unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen die privaten Belange des Antragstellers abzuwägen. Zu beachten ist weiterhin, dass die Ermessensausübung der Straßenverkehrsbehörde auf Grund der Verwaltungsvorschrift zu § 46 StVO eingehend eingeschränkt ist, dass eine Ausnahmegenehmigung nur in besonders dringenden Fällen erteilt werden soll, wobei an den Nachweis der Dringlichkeit strenge Anforderungen zu stellen sind. Die Verwaltungsvorschrift lenkt somit das Ermessen der Straßenverkehrsbehörde dahingehend, dass eine Ausnahmegenehmigung nur auf besondere Ausnahmefälle zu beschränken sei. Dies hat nach obergerichtlicher Rechtsprechung (vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 46 StVO Rn. 23, m.w.N.) zur Folge, dass eine Ausnahmegenehmigung nur unter strengen Anforderungen an den Nachweis der Ausnahmevoraussetzungen und bei besonderer Dringlichkeit erteilt werden kann.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend allerdings nicht gegeben. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das oben dargestellte Erfordernis einer Ausnahmesituation nach obergerichtlicher Rechtsprechung (BVerwG, U.v. 13.3.1997, Az.: 3 C 2/97, juris) nicht ein ermessensbegründendes eigenständiges Tatbestandsmerkmal darstellt, sondern dass es im Rahmen der eigentlichen Ermessensausübung zu berücksichtigen ist.
Unter Beachtung dieser Maßgaben ist die Ablehnung der Ausnahmegenehmigung im streitgegenständlichen Bescheid vom 12. Juli 2019 nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat ihr Ermessen dahingehend ausgeübt, dass sie dem gesetzlichen Verbot des Befahrens von Gehwegen bzw. des Haltens und Parkens auf Gehwegen den Vorrang eingeräumt hat und dies im Wesentlichen damit begründet, dass es sich beim Betrieb des Klägers nicht um einen Einzelfall im Stadtgebiet handele, sondern dass solche Fälle tatsächlich viele auftreten würden und dass die Berufsausübung des Klägers durch Ablehnung der Ausnahme nicht unmöglich gemacht werde. Die Beklagte hat ausgeführt, dass für den Kläger eine andere Alternative zum Anliefern von Getränken und ähnlichem vorhanden sei, wenn diese auch für den Kläger durchaus beschwerlicher sein möge. Dies ist im Rahmen der Überprüfung der Ermessensausübung nach § 114 Satz 1 VwGO nicht zu beanstanden.
Zwar hat der Kläger vorgetragen, er habe insofern ein Alleinstellungsmerkmal in der …, als sein Lokal nicht über einen weiteren Zugang als über die … selbst verfüge, was eine Erschwernis im Vergleich zu seinen Nachbarn darstelle, doch ist der Beklagten insofern zuzustimmen, dass der Kläger eine Möglichkeit der Belieferung seines Lokals auch dann zur Verfügung hat, wenn er den Gehweg eben nicht befährt. So mag es für den Kläger beschwerlicher sein, sich in der … in der Nähe seines Lokals einen freien Parkplatz zu suchen, es ist aber auch nicht unmöglich, selbst wenn der Parkdruck dort hoch ist. Steht ein entsprechender Parkplatz nicht zur Verfügung, so ist es dem Kläger auch möglich, dort, wo eben kein Halteverbot angeordnet ist, wie es beispielsweise in der angrenzenden Feuerwehranfahrtszone der Fall ist, unter Berücksichtigung der Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 StVO zu halten, um zu be- und entladen, möglicherweise auch auf den unmittelbar vor seinem Lokal liegenden Behindertenparkplätzen oder für den Fall, dass eine Behinderung nicht entsteht, kurzzeitig sogar in zweiter Reihe. Auch ist es dem Kläger möglich, die Anlieferung von etwas weiter her zu organisieren, beispielsweise unter Verwendung von Sackkarren, Hubwagen oder Ähnlichem. Solche organisatorischen Maßnahmen bzw. solche Unannehmlichkeiten erschweren zwar die Belieferung des Lokals des Klägers, mache dies allerdings nicht unmöglich. Aus diesen Gründen ist ein besonders dringender Fall (vgl. BayVGH, B.v. 29.10.2014, Az.: 11 ZB 13.2323, juris) vorliegend nicht gegeben. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte darauf beharrt, dass aus Gründen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs eine Ausnahmegenehmigung nicht erteilt werden könne. Hierbei ist auch unerheblich, ob der Kläger die im räumlichen Zusammenhang zu seinem Lokal befindliche Feuerwehranfahrtszone tatsächlich befahren müsste oder eben nicht.
Der Kläger kann sich auf nicht auf den Gleichbehandlungsgrundsatz berufen, da die Beklagte nachvollziehbar ausgeführt hat, solche Ausnahmegenehmigungen, wie sie vom Kläger begehrt wird, nur noch sehr restriktiv auszugeben. So hat die Beklagte im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausgeführt, solche Ausnahmegenehmigungen an gastronomische Betriebe oder ähnliche Einrichtungen zwischenzeitlich sehr selten zu erteilen und dort insbesondere im Rahmen von Veranstaltungen, wie beispielsweise dem Christkindlesmarkt, der nur mit Ausnahmegenehmigungen beliefert werden könne. Dies ist letztendlich nicht zu beanstanden, sondern entspricht gerade dem gesetzlichen Gebot, auf öffentlichen Verkehrsflächen für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu sorgen. Auch wenn der Kläger vorträgt, er benötige die Ausnahmegenehmigung nur jeweils für wenige Minuten, ist doch zu berücksichtigen, dass die Gehwege nach den straßenrechtlichen Vorschriften nicht dem Anlieferverkehr, sondern eben dem Fußgängerverkehr zur Verfügung stehen sollen. Im vorliegenden Fall ist des Weiteren zu berücksichtigen, dass der Gehweg vor dem Lokal des Klägers durch die ihm erteilte Sondernutzungserlaubnis zum Betrieb einer Außengastronomie bereits in Anspruch genommen wird, so dass weitere Erlaubnisse für den Kläger die bestimmungsgemäße Nutzbarkeit des Gehweges noch weiter einschränken würden. Wenn die Beklagte weiter ausführt, dass selbst Ausnahmegenehmigungen für Handwerksbetriebe und Ähnlichem mittlerweile sehr restriktiv gehandhabt würden, so ist nicht zu erkennen, dass der Kläger vorliegend willkürlich ungleich behandelt werden könnte. Die Beklagte hat hier nämlich nicht nur die …, sondern eben ihr gesamtes Stadtgebiet im Auge zu behalten, so dass als Vergleichsmaßstab nicht nur eine einzelne Straße in Betracht kommt, sondern eben Gastronomie- und ähnliche Betriebe im gesamten Stadtgebiet.
Im Übrigen hat sich die Beklagte durch Erteilung zweier Ausnahmegenehmigungen im Vorfeld nicht selbst gebunden. Wie sie zutreffend ausführt, waren beide Ausnahmegenehmigungen nur befristet erteilt worden, so dass diese einen Vertrauensschutz für den Kläger nicht begründen können. Des Weiteren wurde ausgeführt, dass die Ausnahmegenehmigungen deshalb erteilt worden seien, um der Beklagten Zeit für die Prüfung der Frage zu geben, ob beim Kläger tatsächlich eine besonders dringliche Ausnahmesituation deshalb vorliegen könnte, weil vor seinem Lokal Behindertenparkplätze eingerichtet wurden. Es ist somit nicht erkennbar, dass aus der vorherigen zweimaligen Erteilung einer befristeten Ausnahmegenehmigung ein Rechtsanspruch des Klägers auf weitere gleichlautende Ausnahmegenehmigungen entstehen könnte.
Da die Beklagte ihr Ermessen rechtmäßig zugunsten des öffentlichen Interesses an der grundsätzlichen Freihaltung von Gehwegen ausgeübt hat, ist die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.


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