Europarecht

Auswirkung von falschen Angaben im Visumverfahren bei einer Auslandsvertretung eines anderen EU-Mitgliedstaats

Aktenzeichen  10 ZB 18.1154

Datum:
28.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
LSK – 2018, 35631
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1, § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 54 Abs. 2 Nr. 8 lit. a, Nr. 9, § 95 Abs. 2 Nr. 2, § 98 Abs. 2 Nr. 3
VO (EG) Nr. 810/2009 Art. 11 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 Ein generalpräventives Ausweisungsinteresse muss zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt noch aktuell sein (BVerwG BeckRS 2018, 18382). (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2 Auch wenn hinsichtlich der falschen Angaben, die ein Ausländer im Ausland im Rahmen des Visumverfahrens gemacht hat, deutsches Strafrecht nicht anwendbar ist (vgl. OLG Köln BeckRS 9998, 36136 ), stellt die Vorschrift auch den Gebrauch der so beschafften Urkunde unter Strafe. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
3 Nachdem für die Beantragung eines Schengen-Visums ein unionsrechtlich vereinheitlichtes Antragsformular einzureichen ist, ist davon auszugehen, dass ein Ausländer bei der Antragstellung auf die Folgen falscher Angaben formularmäßig belehrt wurde. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 12 K 17.638 2017-11-23 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
IV. Der Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren wird abgelehnt.

Gründe

Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihre in erster Instanz erfolglose Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug weiter.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG).
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestünden nur dann, wenn die Klägerin im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (vgl. BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16). Dies ist hier in Bezug auf die versagte Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG nicht der Fall.
a) Die am 28. November 1982 geborene Klägerin nigerianischer Staatsangehörigkeit reiste am 13. September 2014 mit einem für 90 Tage vom 12. September bis 11. Dezember 2014 gültigen und zu einem Aufenthalt von 30 Tagen berechtigenden Schengen-Visum Typ C nach Frankreich und anschließend am 30. September 2014 in das Bundesgebiet ein, wo sie am 13. November 2014 einen Asylantrag stellte. In der Folgezeit erhielt die Klägerin fortlaufend Aufenthaltsgestattungen. Gegen die Ablehnung ihres Asylantrags mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 22. Mai 2017 erhob die Klägerin am 12. August 2017 Klage, über die noch nicht entschieden wurde.
Nach der Geburt ihres Sohnes am 18. April 2016 legte die Klägerin am 23. August 2016 dem Beklagten ihren Pass vor und beantragte am 26. September 2016 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Die nach Ablehnung des Antrags mit Bescheid vom 9. Januar 2017 erhobene Verpflichtungsklage wies das Verwaltungsgericht mit dem angegriffenen Urteil vom 23. November 2017 ab. Es führte zu Begründung im Wesentlichen aus, dass der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG die Sperrwirkung des § 10 Abs. 1 AufenthG entgegenstehe. Die Klägerin habe keinen Rechtsanspruch auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels, da ein Ausweisungsinteresse gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 54 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a AufenthG bestehe und somit nicht alle regelhaften allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen vorlägen. Die Klägerin sei mit einem für eine Geschäftsreise beantragten Visum nach Frankreich und anschließend von dort in das Bundesgebiet eingereist, obwohl sie nach ihren Angaben bei der Anhörung beim Bundesamt am 17. Oktober 2016 offensichtlich einen längerfristigen Aufenthalt beabsichtigt habe. Folglich sei davon auszugehen, dass sie im Visumverfahren gegenüber der französischen Botschaft in Lagos falsche Angaben zur Erlangung ihres Visums gemacht habe. Dies zeige, dass die Klägerin nicht mit den Ausländerbehörden kooperieren wolle und die Gefahr bestehe, dass sie auch künftig falsche Angaben mache. Dieser schwerwiegende Verstoß begründe ein Ausweisungsinteresse.
Die Klägerin bringt demgegenüber im Zulassungsverfahren vor, dass ihre unrichtigen Angaben gegenüber der französischen Botschaft schon so lange Zeit zurücklägen, dass sie nicht mehr die Annahme künftigen normwidrigen Verhaltens rechtfertigen könnten und folglich nicht geeignet wären, ein gegenwärtiges Ausweisungsinteresse zu begründen. Zudem sei § 54 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a AufenthG nur verwirklicht, wenn der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen falscher oder unrichtiger Angaben hingewiesen worden sei. Die Darlegungs- und Beweislast für einen ordnungsgemäßen Hinweis liege bei der Ausländerbehörde. Das Verwaltungsgericht habe weder die Erforderlichkeit eines solchen Hinweises geprüft, noch ob dieser tatsächlich erfolgt sei.
b) Mit diesem Vorbringen zieht die Klägerin jedoch die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils nicht ernsthaft in Zweifel. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 12.7.2018 – 1 C 16.17 – juris) können auch generalpräventive Gründe ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG begründen. § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt nämlich nicht, dass von dem ordnungsrechtlich auffälligen Ausländer selbst eine Gefahr ausgehen muss. Vielmehr muss dessen weiterer „Aufenthalt“ eine Gefährdung bewirken. Vom Aufenthalt eines Ausländers, der Straftaten begangen hat, kann aber auch dann eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen, wenn von ihm selbst keine (Wiederholungs-) Gefahr mehr ausgeht, im Fall des Unterbleibens einer ausländerrechtlichen Reaktion auf sein Fehlverhalten andere Ausländer aber nicht wirksam davon abgehalten werden, vergleichbare Delikte zu begehen (BVerwG, U.v. 12.7.2018 – 1 C 16.17 – juris -Ls- und Rn. 16 m.w.N.).
Ein generalpräventives Ausweisungsinteresse muss zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt noch aktuell sein (BVerwG, U.v. 12.7.2018 – 1 C 16.17 – juris -Ls- und Rn. 22). Das ist nicht der Fall, wenn es durch Zeitablauf so sehr an Bedeutung verloren hat, dass es bei der Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht mehr herangezogen werden kann. Für Ausweisungsinteressen, die an strafbares Verhalten anknüpfen, bieten die strafrechtlichen Verjährungsfristen der §§ 78 ff. StGB einen geeigneten Rahmen zur Konkretisierung. Bei abgeurteilten Straftaten stellen die Fristen für ein Verwertungsverbot nach § 51 BZRG in jedem Fall die Obergrenze dar (BVerwG, U.v. 12.7.2018 – 1 C 16.17 – juris Rn. 23).
Gemessen hieran war das (auch) generalpräventiv auf die Falschangaben der Klägerin gestützte Ausweisungsinteresse noch aktuell. Vorliegend wird nach der insoweit in Betracht zu ziehenden Vorschrift des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht. Auch wenn hinsichtlich der falschen Angaben, die die Klägerin unstreitig im Ausland im Rahmen des Visumverfahrens gemacht hat, deutsches Strafrecht nicht anwendbar ist (vgl. OLG Köln, B.v. 27.4.1999 – Ss 118/99 – juris Rn. 12 ff.; Fahlbusch in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Auflage 2016, § 95 AufenthG Rn. 224; Hohoff, BeckOK Ausländerrecht, Kluth/Heusch, Stand 1.11.2018, § 95 AufenthG Rn. 97 m.w.N.), stellt die Vorschrift auch den Gebrauch der so beschafften Urkunde unter Strafe. Die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre, weil die Tat mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bedroht ist (vgl. § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Die Verjährungsfrist beginnt mit Beendigung der Tat, so dass selbst wenn insofern auf den (frühest möglichen) Zeitpunkt der Falschangaben im Rahmen des Visumverfahrens abgestellt werden würde, die einfache Verjährungsfrist bis heute noch nicht abgelaufen wäre. Ein weiterer Anhaltspunkt für ein gegenwärtiges Ausweisungsinteresses aus generalpräventiven Gründen ist in dem bußbeldbewehrten Verstoß der Klägerin gegen die Vorlage- und Aushändigungspflicht nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 98 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG zu erblicken. Die Klägerin wurde bereits bei der Asylantragstellung vom Bundesamt in den „Wichtigen Hinweisen für Asylbewerber“ aufgefordert, ihren Pass oder sonstige Ausweispapiere vorzulegen (Behördenakte Bl. 91). Dieser Aufforderung kam sie ausweislich der Passeinbehaltungsbestätigung des Beklagten (Behördenakte Bl. 29) erst am 23. August 2016 und somit erst knapp zwei Jahre nach Asylantragstellung nach. Obwohl insofern die zweijährige Verfolgungsverjährung nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 OWiG mittlerweile abgelaufen sein dürfte, bestehen in der Gesamtschau insbesondere im Hinblick auf das hohe öffentliche Interesse an der Verhinderung von Falschangaben im Visumverfahren sowie von Verstößen gegen die Vorlage- und Aushändigungspflichten in asyl- oder aufenthaltsrechtlichen Verfahren (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2018 – 1 C 16.17 – juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 10.12.2018 – 10 ZB 16.1511 – BA Rn. 15, 19) keine durchgreifenden Zweifel an der Aktualität des Ausweisungsinteresses. Unabhängig davon ist auch mit Blick auf die vom Erstgericht angestellten spezialpräventiven Erwägungen von einem gegenwärtigen Ausweisungsinteresse auszugehen.
Soweit die Klägerin die unterbliebene Prüfung bzw. Verletzung der Hinweispflicht nach § 54 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a AufenthG moniert, bestehen auch unter diesem Aspekt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils. Dabei bedarf es keiner Erörterung, ob das Erfordernis eines vorherigen Hinweises auf die Rechtsfolgen falscher oder unvollständiger Angaben (vgl. § 55 Abs. 2 Nr. 1 letzter Halbsatz AufenthG a.F.) sich – wie bisher – auf beide Buchstaben in § 54 Abs. 2 Nr. 8 AufenthG n.F. bezieht (bejahend: SächsOVG, B.v. 15.1.2018 – 3 B 356/17 – juris Rn. 9 m.w.N.) oder nur auf Buchstabe b, denn es ist vorliegend nicht davon auszugehen, dass der erforderliche Hinweis auf die Rechtsfolgen unterblieben ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.3.2016 – 10 ZB 14.2634 – juris Rn. 6).
Nach Art. 11 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft (ABl. L 243 vom 15.9.2009, S. 1 – Visakodex) hat jeder Antragsteller ein ausgefülltes und unterzeichnetes Antragsformular nach Anhang I einzureichen. Unter Nr. 21. des einheitlichen Antragsformulars ist der Hauptzweck der Reise wie bspw. „Geschäftsreise“ anzugeben. Ferner ist in dem Formular der Hinweis enthalten, wonach der Antragsteller versichert, dass er die vorstehenden Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht habe und dass sie richtig und vollständig seien. „Mir ist bewusst, dass falsche Erklärungen zur Ablehnung meines Antrags oder zur Annullierung eines bereits erteilten Visums führen und die Strafverfolgung nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, der den Antrag bearbeitet, auslösen können“. Auch in der französischen Fassung des Visakodex (code des visas) wird auf mögliche strafrechtliche Folgen falscher Angaben hingewiesen:„Je suis informé(e) que toute fausse déclaration […] peut eintraîner des poursuites pénales à mon égard en application du droit de l’État membre qui traite la demande“. Nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. a Visakodex ist der Mitgliedstaat für die Prüfung und Bescheidung eines Antrags auf ein einheitliches Visum zuständig, in dessen Hoheitsgebiet das einzige bzw. die einzigen Reiseziele liegen (hier: Frankreich).
Da einerseits das einheitliche Antragsformular unionsrechtlich vorgegebenen ist und andererseits falsche, unvollständige oder unrichtige Angaben in bestimmten Verfahren unterschiedliche Rechtsfolgen auslösen können (siehe bspw. § 14 Abs. 1 Nr. 2a.; § 25 Abs. 5 Satz 4; § 25a Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz Nr. 1; § 25b Abs. 2 Nr. 1; § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2; § 54 Abs. 2 Nr. 7; § 58 Abs. 3 Nr. 6; § 60a Abs. 5 Satz 5, Abs. 6 Satz 2; § 61 Abs. 1, Abs. 1c Satz 2 i.V.m. § 98 Abs. 3 Nr. 5a.; § 82 Abs. 1 Satz 3; § 95 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 6 AufenthG), wird dem Gesetzeszweck, den Ausländer davor zu schützen, unbedacht falsche oder unvollständige Angaben zu machen oder Mitwirkungshandlungen zu unterlassen, mit der oben wiedergegebenen Belehrung genüge geleistet. Auch dient das Hinweiserfordernis dazu, die Vermutung der Rechtsuntreue zu erhärten, indem es die psychische Schwelle dadurch erhöht, dass die Konsequenzen solcher Angaben oder Unterlassungen deutlich gemacht werden (vgl. Discher in GK-AufenthG, Stand September 2018, Rn. 285 zu § 55 AufenthG a.F.). Soweit eine über die vorgesehenen Hinweise hinausgehende Belehrung verlangt wird (vgl. Cziersky-Reis in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Auflage 2016, § 54 AufenthG Rn. 61; Bauer/Dollinger in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Auflage 2018, § 54 AufenthG Rn. 74; Beichel-Benedetti in Huber, Aufenthaltsgesetz, 2. Auflage 2016, § 54 Rn. 33; Discher in GK-AufenthG, Stand September 2018, Rn. 286 zu § 55 AufenthG a.F.), ergibt sich dies weder aus dem Gesetzeswortlaut noch dürfte dies praktisch umsetzbar sein, da im Zusammenhang mit der Täuschung einer Auslandvertretung eines anderen Mitgliedstaates kaum auf sämtliche in Betracht kommenden Sanktionen in den jeweiligen Mitgliedstaaten eingegangen werden kann (so auch OVG Hamburg, B.v. 19.9.2013 – 3 Bs 223/19 – juris Rn. 11; B.v. 25.3.2013 – 3 Bs 90/13 – juris Rn. 1 und 3; siehe auch BVerwG, U.v. 16.11.2010 – 1 C 17.09 – juris Rn. 24). Nach diesem Normverständnis genügt jedenfalls ein nicht formalisierter Hinweis auf mögliche strafrechtliche Konsequenzen; dass strafrechtlich relevantes Handeln oder Unterlassen u.U. auch aufenthaltsrechtliche Folgen haben können, versteht sich indes von selbst (so i.E. Discher in GK-AufenthG, Stand September 2018, Rn. 288 zu § 55 AufenthG a.F.).
Nachdem für die Beantragung eines Schengen-Visums ein einheitliches Antragsformular einzureichen ist, ist mangels gegenteiliger Erkenntnisse auch vorliegend davon auszugehen, dass die Klägerin auf die Folgen falscher Erklärungen hingewiesen wurde. Jedenfalls hat die Klägerin als die einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis geltend machende Ausländerin in einer solchen Konstellation die für sie günstigen Umstände nachzuweisen oder glaubhaft zu machen (vgl. BayVGH, B.v. 16.3.2016 – 10 ZB 14.2634 – juris Rn. 8). Sie hat aber weder (substantiiert) vorgetragen noch belegt, dass in ihrem Fall ausnahmsweise nicht den unionsrechtlichen Vorgaben entsprechend verfahren worden wäre.
c) Unabhängig davon besteht in der Person der Klägerin jedenfalls auch ein Ausweisungsinteresse im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG. Durch die beharrliche Nichtvorlage des Passes handelte sie ordnungswidrig gemäß § 98 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG (s.o.; vgl. auch BayVGH, B.v. 30.8.2018 – 10 C 18.1497 – juris Rn. 18). Der Verstoß ist vor dem Hintergrund der ihr gegenüber im Asylverfahren erfolgten Belehrung als nicht mehr geringfügig anzusehen. Die Klägerin ist zudem ohne (das erforderliche) Visum in das Bundesgebiet eingereist; das ihr erteilte Schengen-Visum Typ C war nur für den Zweck einer Geschäftsreise (in Frankreich)
nicht aber für einen längerfristigen Aufenthalt bestimmt (vgl. Samel in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Auflage 2018, § 5 AufenthG Rn. 89); sie erfüllt daher auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht.
2. Nach alledem war der Antrag auf Zulassung der Berufung mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.
4. Der Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren ist abzulehnen, weil die Voraussetzungen des § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht vorliegen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet aus den oben dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Einer Kostenentscheidung für das Prozesskostenhilfeverfahren bedarf es nicht. Das Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist gerichtsgebührenfrei. Die im Prozesskostenhilfeverfahren entstandenen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben