Europarecht

B 9 SB 34/21 B

Aktenzeichen  B 9 SB 34/21 B

Datum:
18.11.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BSG
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BSG:2021:181121BB9SB3421B0

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 14. April 2021 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

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I. In der Hauptsache begehrt die 1969 geborene Klägerin die Feststellung der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens B (ständige Begleitung). Anders als zuvor das SG (Urteil vom 17.3.2020) hat das LSG diesen Anspruch mit Urteil vom 14.4.2021 verneint, weil nach Teil D Nr 2b der Anlage zu § 2 zur Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs B vorliegen, die Feststellung der Merkzeichen G, Gl oder H erforderten. Die Voraussetzungen der Merkzeichen H oder Gl behaupte die Klägerin selbst nicht, die Feststellung der Voraussetzungen des Merkzeichens G sei hingegen nicht Gegenstand der Antragstellung. Ohne Zuerkennung des Merkzeichens G komme aber die Zuerkennung des Merkzeichens B nicht in Betracht. Auch in materieller Hinsicht seien jedoch die Voraussetzungen weder des Merkzeichens G noch diejenigen des Merkzeichens B zu bejahen. Für die Feststellung, dass die Klägerin in Anlehnung an die höchstrichterliche Rechtsprechung aufgrund anderer Erkrankungen als den in Teil D Nr 1 Buchst d bis f der Anlage zu § 2 VersMedV genannten Regelfällen dem beispielhaft aufgeführten Personenkreis mit gleich schweren Auswirkungen auf die Gehfunktion gleichzustellen sei (Hinweis auf BSG Urteil vom 11.8.2015 – B 9 SB 1/14 R – SozR 4-3250 § 69 Nr 21), gebe der Sachverhalt keine hinreichenden Anhaltspunkte. Denn die Klägerin sei weder stark im physischen Gehvermögen eingeschränkt, noch leide sie an erheblichen Orientierungsstörungen. Vielmehr berufe sie sich vorrangig auf das formale Kriterium ihres festgestellten Grades der Behinderung (GdB) von 70, den sie mit einer Sehstörung verbinde. Allerdings sei die Feststellung einer derartigen Sehstörung, welchen Ausmaßes auch immer, weder in Bestandskraft erwachsen noch belastbar zu belegen. Dies gelte auch für die Annahme einer “psychischen Sehstörung”. Diese sei ebenfalls nicht zu belegen, schon gar nicht in einem Ausmaß, dass sie die Feststellung eines GdB von 70 rechtfertige. Ebenso wenig lasse sich die Notwendigkeit ständiger Begleitung der Klägerin entsprechend Teil D Nr 2 der Anlage zu § 2 der VersMedV, auch durch einen Blindenführhund, feststellen. Hierzu verweise Teil D Nr 2c der Anlage zu § 2 der VersMedV im Hinblick auf Sehbehinderungen auf die Voraussetzungen, bei denen die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr gerechtfertigt sei. Dies sei bei der Klägerin aber nicht der Fall. Zudem stelle Teil D Nr 2c der Anlage zu § 2 der VersMedV auf die Erforderlichkeit einer ständigen Begleitung durch eine Person ab und nicht durch einen Hund, wobei eine solche Möglichkeit allerdings in § 228 Abs 6 Nr 2 SGB IX Erwähnung finde.
2
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG und macht als Zulassungsgründe die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Divergenz und Verfahrensmängel geltend.
3
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung vom 5.5., 22.6. und 16.7.2021 genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Die geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht ordnungsgemäß dargetan worden (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
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1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die – über den Einzelfall hinaus – aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl zum Ganzen BSG Beschluss vom 10.9.2018 – B 9 SB 40/18 B – juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 2.5.2017 – B 5 R 401/16 B – juris RdNr 6 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
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Die Klägerin hält die Fragen für grundsätzlich bedeutsam,
        
“ob schon aus Art. 19 Abs. 4 GG der Klägerin ein Anspruch zusteht, dass nach deutlichem Ablauf des gesetzlichen Zeitraum das LSG entweder die Behörde verpflichtet entsprechend zu bescheiden, was nur unter Aufhebung der angegriffenen Entscheidung möglich ist oder selbst eine Entscheidung vornimmt”,
        
“ob der Klägerin ein Rechtsmittel zusteht, wenn das LSG als letzte Tatsacheninstanz unter Verkennung der Rechtslage und entgegen der UN-Behindertenkonvention nicht an den Maßstäben der Rechtslage, Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, entscheidet und die Revision nicht zulässt”,
        
“kann ein Tatsachengericht die Voraussetzungen des Merkzeichens ‘G’ inzident mitfeststellen bei der Entscheidung über das Merkzeichen ‘B’, inhaltlich unmittelbar damit verbunden ist, da bei beiden es auf eine Beeinträchtigung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben hier konkret der Nutzung des öffentlichen Verkehrs ankommt”.
6
Unabhängig davon, ob es sich bei den von der Klägerin gestellten Fragen überhaupt um hinreichend klar formulierte Rechtsfragen iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG handelt (vgl hierzu BSG Beschluss vom 23.12.2015 – B 12 KR 51/15 B – juris RdNr 11 mwN), verfehlt ihr Vortrag die oben genannten Anforderungen an eine Grundsatzrüge. Zwar können prinzipiell auch prozessuale Fragen grundsätzliche Bedeutung haben und eine Rechtsfortbildung im Verfahrensrecht erfordern. Dies darf aber nicht zur Umgehung von § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG führen, soweit dieser die Nachprüfbarkeit von Verfahrensmängeln einschränkt (vgl BSG Beschluss vom 25.6.2013 – B 12 KR 83/11 B – juris RdNr 14). Ob dies hier der Fall ist, kann jedoch offenbleiben. Denn die Klägerin hat bereits die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragestellungen nicht aufgezeigt. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das BSG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon ein oder mehrere Entscheidungen des BSG ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam herausgestellten Rechtsfrage ergeben (vgl BSG Beschluss vom 27.8.2018 – B 9 SB 24/18 B – juris RdNr 6 mwN). Deshalb muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG zu den jeweils geltend gemachten Problemkreisen substantiiert vorgetragen werden, dass das BSG hierzu noch keine Entscheidung getroffen oder die schon vorliegenden Urteile die maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet hat (stRspr; zB BSG Beschluss vom 14.9.2017 – B 5 R 258/17 B – juris RdNr 10). Dies ist vorliegend nicht geschehen. Die Klägerin zielt mit ihren Fragen im Kern ihres Vorbringens auf die Art und Weise von Beweisführung und -würdigung des LSG bei der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens B ab. Dies gehört jedoch zu den Aufgaben des Tatsachengerichts (vgl BSG Urteil vom 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr 8 RdNr 11 mwN) und kann insoweit gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht überprüft werden (vgl BSG Beschluss vom 27.8.2018 – B 9 SB 1/18 B – juris RdNr 6). Darüber hinaus fehlt es an einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit den rechtlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens B und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des BSG (vgl BSG Beschluss vom 27.8.2018 – B 9 SB 24/18 B – juris RdNr 7; BSG Urteil vom 10.12.2003 – B 9 SB 4/02 R – juris RdNr 22; BSG Urteil vom 12.11.1996 – 9 RVs 5/95 – BSGE 79, 223, 231 = SozR 3-1300 § 48 Nr 57 S 135 – juris 28). Insoweit hätte es insbesondere einer Auseinandersetzung mit dem Bedeutungsgehalt der infrage stehenden Regelung in Teil D Nr 2 der Anlage zu § 2 zur VersMedV und der Erörterung der Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung bedurft. Allein die Darstellung der eigenen – vom LSG abweichenden – Rechtansicht reicht hier nicht.
7
Ungeachtet dessen hat die Klägerin ihre in diesem Rahmen geäußerte Kritik an der angeblichen Nichtbeachtung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) durch die Entscheidung des LSG nicht hinreichend dargetan. Die UN-BRK ist als Völkervertragsrecht zur Auslegung des Gesetzesrechts heranzuziehen. Sie geht aber hinsichtlich des unmittelbar zu berücksichtigenden Diskriminierungsverbots in Art 5 Abs 2 UN-BRK nicht über das in Art 3 Abs 3 Satz 2 GG enthaltene Benachteiligungsverbot hinaus (BSG Urteil vom 6.3.2012 – B 1 KR 10/11 R – BSGE 110, 194 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 69, RdNr 15; BSG Beschluss vom 21.12.2017 – B 9 SB 61/17 B – juris RdNr 10). Hiermit und mit den Inhalten der UN-BRK setzt sich die Klägerin aber nicht substantiiert auseinander.
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2. Eine Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht.
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Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet dies, dass die Beschwerdebegründung erkennen lassen muss, welcher abstrakte Rechtssatz in der höchstrichterlichen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht; ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das Revisionsgericht die höchstgerichtliche Rechtsprechung in einem künftigen Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (vgl zum Ganzen BSG Beschluss vom 27.8.2018 – B 9 SB 1/18 B – juris RdNr 7 mwN). Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
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Die Klägerin macht geltend, das Berufungsgericht habe die Rechtsprechung des BSG in dem Urteil vom 11.8.2015 (B 9 SB 1/14 R – SozR 4-3250 § 69 Nr 21) und in dem Beschluss (nicht – wie von der Klägerin benannt – “Urteil”) vom 8.3.2018 (B 9 SB 93/17 B) verkannt, weil es weder eine Feststellung dahingehend getroffen habe, ob die dissoziative Sehstörung die Orientierungsfähigkeit beeinträchtige oder ob eine psychische Störung vorliege, die die Nutzung eines Blindenführhundes erforderlich mache oder eine ständige Begleitung durch einen Menschen. Mit diesem und ihrem weiteren diesbezüglichen Vorbringen hat sie eine Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG nicht dargetan. Denn die Klägerin benennt bereits keinen entscheidungstragenden abstrakten Rechtssatz, mit dem das LSG von einem abstrakten Rechtssatz in den von ihr zitierten Entscheidungen des BSG abgewichen ist. Vielmehr wendet sie sich mit ihrem Vorbringen gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Dies reicht – wie erwähnt – zur Darlegung einer Divergenz nicht aus.
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3. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf denen die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels zunächst die diesen (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert und schlüssig dargetan werden (BSG Beschluss vom 27.8.2018 – B 9 SB 1/18 B – juris RdNr 9 mwN). Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG – ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht – auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (BSG Beschluss vom 18.2.2021 – B 9 SB 31/20 B – juris RdNr 4). Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung der Klägerin ebenfalls nicht gerecht.
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a) Die Klägerin behauptet in ihrer Beschwerdebegründung Aufklärungsmängel sowie weitere durch das LSG angeblich begangene Verfahrensfehler. Sie versäumt es jedoch, zuvor den vom LSG festgestellten Sachverhalt und den gesamten Verfahrensgang darzustellen. “Bezeichnet” iS des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG ist ein Verfahrensmangel nur dann, wenn er in den ihn begründenden Tatsachen substantiiert dargetan wird (BSG Beschluss vom 30.10.2020 – B 9 SB 17/20 B – juris RdNr 7 mwN). Dies wird aber erst dann erkennbar, wenn zuvor diese Tatsachen im Zusammenhang mit dem Verfahrensgang dargestellt und einer rechtlichen Wertung unterzogen werden (BSG Beschluss vom 27.8.2018 – B 9 SB 1/18 B – juris RdNr 10). Es ist nicht Aufgabe des BSG als Beschwerdegericht, aus einer gewissen Gemengelage unter Heranziehung von Verwaltungs- und Prozessakten das herauszusuchen, was möglicherweise – bei wohlwollender Auslegung – zur Begründung der Beschwerde geeignet sein könnte (BSG Beschluss vom 28.2.2017 – B 9 SB 88/16 B – juris RdNr 5 mwN).
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b) Abgesehen davon genügt die Beschwerdebegründung der Klägerin aber auch im Weiteren nicht den Darlegungsanforderungen im Hinblick auf die von ihr geltend gemachten Verfahrensmängel.
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aa) Die Klägerin rügt, das LSG habe aufgrund der von ihr behaupteten Divergenz zu der oben genannten Rechtsprechung des BSG eine Überraschungsentscheidung getroffen, worin eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liege, weil das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht habe. Gegenstand der Ausführungen des angegriffenen Urteils des LSG sei nicht das Vorliegen der Voraussetzungen des Merkzeichens B, sondern der zwischen den Beteiligten weder streitige noch infrage gestellte GdB von 70.
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Soweit die Klägerin mit ihrem diesbezüglichen Vorbringen eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das LSG insbesondere darin sieht, dass dieses sich nicht hinreichend mit den aus ihrer Sicht maßgeblichen Kriterien für die Zuerkennung der Voraussetzungen des von ihr begehrten Merkzeichens B auseinandergesetzt habe, genügt ihr Vorbringen nicht den Darlegungserfordernissen einer Gehörsrüge. Zunächst ergibt sich aus den von der Klägerin in Bezug genommenen Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils sehr wohl, dass das Berufungsgericht das Vorliegen der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens B in ihrem Fall geprüft hat. Dass diese Prüfung nicht ihrer Rechtsansicht gefolgt ist und zu einer aus ihrer Sicht falschen Entscheidung des LSG geführt hat, vermag einen Gehörsverstoß nach § 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG aber nicht zu begründen.
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§ 62 SGG konkretisiert den in Art 103 Abs 1 GG enthaltenen verfassungsrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör. Die Vorschrift soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten (§ 128 Abs 2 SGG) und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen mit einbezogen wird. Das Gericht muss jedoch nicht ausdrücklich jedes Vorbringen der Beteiligten bescheiden. Art 103 Abs 1 GG schützt insbesondere nicht davor, dass ein Gericht die Rechtsansicht eines Beteiligten nicht teilt (stRspr; zB BSG Beschluss vom 26.1.2021 – B 9 V 26/20 B – juris RdNr 11; BSG Beschluss vom 19.2.2019 – B 9 V 2/18 BH – juris RdNr 15; BSG Beschluss vom 28.2.2017 – B 9 SB 88/16 B – juris RdNr 9; BVerfG Beschluss vom 4.9.2008 – 2 BvR 2162/07 ua – juris RdNr 13). Dies verkennt die Klägerin.
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Unabhängig davon, dass die Klägerin – wie oben bereits aufgezeigt – die von ihr behauptete Divergenz nicht hinreichend bezeichnet hat, richtet sich ihr Vorbringen im Kern gegen das Ergebnis der Beweiswürdigung des LSG, womit sie – wie oben ebenfalls schon ausgeführt – eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht begründen kann. Im Übrigen hat das LSG insoweit aber genau das getan, was seine Aufgabe ist, nämlich ausgehend von einem bestimmten Rechtsstandpunkt eine Beweiswürdigung anhand der festgestellten medizinischen Tatsachen vorzunehmen und das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens B anhand der VersMedV selbst zu beurteilen (vgl BSG Beschluss vom 26.3.2019 – B 9 V 51/18 B – juris RdNr 10; BSG Beschluss vom 27.6.2016 – B 9 SB 18/16 B – juris RdNr 6). Unerheblich für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ist, dass die Klägerin das Urteil des LSG für falsch hält (vgl stRspr; zB BSG Beschluss vom 2.8.2018 – B 10 ÜG 7/18 B – juris RdNr 12; BSG Beschluss vom 18.12.2012 – B 13 R 305/11 B – juris RdNr 7)
.
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bb) Schließlich erfüllt das Vorbringen der Klägerin zu angeblichen Aufklärungsmängeln des LSG und damit ihre Rüge einer Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) durch die Vorinstanz nicht die Darlegungsanforderungen an eine Sachaufklärungsrüge (s hierzu allgemein BSG Beschluss vom 21.12.2017 – B 9 SB 70/17 B – juris RdNr 3 mwN). Es fehlt bereits die Bezeichnung eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrags iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG (vgl hierzu BSG Beschluss vom 25.1.2021 – B 9 V 40/20 B – juris RdNr 5).
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4. Das weitere Vorbringen der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 19.8.2021 (beim BSG eingegangen per Telefax am selben Tag) ist aufgrund des Ablaufs der nach § 160a Abs 2 Satz 2 SGG bis zum 20.7.2021 verlängerten Beschwerdebegründungsfrist unbeachtlich.
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5. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
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6. Die Verwerfung der danach nicht formgerechten begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
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7. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.


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