Aktenzeichen 2 O 49/16
Leitsatz
Die Befreiung von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung wegen der Prozesskosten gemäß § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO setzt eine ausdrücklich hierauf gerichtete staatsvertragliche Regelung voraus. Klauseln in völkerrechtlichen Verträgen, die nur den freien und ungehinderten Zutritt zu den Gerichten gewähren oder Aus- und Inländer bei der gerichtlichen Geltendmachung ihrer Rechte gleichstellen, dienen lediglich dem Zweck, den Rechtsweg zu garantieren und stellen deshalb keine solche ausdrückliche Regelung zur Befreiung von der Sicherheitsleistung nach § 110 Abs. 1 ZPO dar. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klägerin hat bis zum 26.07.2016 eine Prozesskostensicherheit durch Hinterlegung in Höhe von 32.000,00 € oder in Form einer schriftlichen, unbedingten und unbefristeten selbstschuldnerischen Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürgen zugelassenen inländischen Kreditinstituts oder inländischen Kautionsversicherers, gemäß §§ 232, 239 BGB, in gleicher Höhe (32.000,00 €) erbringen.
2. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Gründe
I.
Der Kläger ist zur Hinterlegung oder Beibringung einer Bankbürgschaft verpflichtet, da die staatsvertragliche Regelung zwischen Deutschland und Saudi-Arabien keine ausdrückliche Befreiung zur Prozesskostensicherheit enthält und lediglich den Rechtsweg garantiert. Der Streit der Parteien über die Verpflichtung gemäß § 110 ZPO Prozesskostensicherheit zu leisten, ist durch Zwischenurteil zu entscheiden (BGH, NJW-RR 1990, 378; BGH, NJW 1974, 238).
1. Zulässigkeit
Der zulässige, insbesondere rechtzeitig im Sinne von § 282 Abs. 3 Satz 1 ZPO gestellte Antrag der Beklagten auf Leistung einer Prozesskostensicherheit durch die Klägerin ist begründet, weil die Voraussetzungen des § 110 ZPO Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.
2. Aufenthalt des Klägers
Gemäß § 110 Abs. 1 ZPO muss ein Kläger, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum hat, auf Verlangen des Beklagten wegen der Prozesskosten Sicherheit zu leisten. Bei Gesellschaften gilt als gewöhnlicher Aufenthalt deren Sitz im Sinne von § 17 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin hat Ihren Sitz in Jeddah, Saudi-Arabien, also nicht in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum.
3. staatsvertragliche Regelung
Nach § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO tritt die Verpflichtung zur Sicherheitsleistung wegen der Prozesskosten jedoch dann nicht ein, wenn aufgrund völkerrechtlicher Verträge keine Sicherheit verlangt werden kann. Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Saudi-Arabien besteht der deutsch-saudi-arabische Freundschaftsvertrages vom 26.04.1929. Die Klägerin verweist insofern auf Art. 3 dieses Vertrages und ist der Ansicht, dass Sie aufgrund dessen keine Sicherheit zu leisten braucht (so auch Nerz, Probleme der Streitbeilegung im Verhältnis zu China und Saudi-Arabien, April 2011, S. 47).
Art. 3 lautet: „Die Angehörigen des einen vertragschließenden Staates werden in dem Gebiet des anderen Staates nach den Grundsätzen und der Übung des allgemeinen Völkerrechts aufgenommen und genießen hinsichtlich ihrer Person und ihrer Güter die gleiche Behandlung wie die Angehörigen der meistbegünstigten Nation. (…)“. Gemäß des Bundesgesetzblattes vom 31.07.1952 ist dieser Freundschaftsvertrag auch wiederanzuwenden (Bundesgesetzblatt 1952, Teil II, vom 31.07.1952, S. 724; der Vertrag wurde durch die BRD mit dem Rechtsvorgänger (Königreich des Hedjas, Nedjd und der zugehörigen Gebiete) geschossen und für wiederanwendbar erklärt).
Der angegebene Artikel des von der Klägerin zitierten Vertrages ist indes nicht ausreichend, um die Klägerin von der Pflicht zur Sicherheitsleitung zu befreien. Voraussetzung einer Befreiung aufgrund eines Staatsvertrages ist vielmehr, dass es sich um eine ausdrückliche staatsvertragliche Regelung diesbezüglich handelt.
Nicht ausreichend sind dagegen Klauseln (wie in Art. 3 des Freundschaftsvertrages enthalten) welche lediglich den freien und ungehinderten Zutritt zu den Gerichten gewähren oder Aus- und Inländern bei gerichtlicher Geltendmachung ihrer Rechte gleichstellen (vgl. Münchner Kommentar zur Zivilprozessordnung, 3. Auflage, 2008, § 110, Rn. 17 m.w.N.).
Zweck solcher Klauseln ist lediglich, den Rechtsweg zu garantieren (Giebel, MüKo, § 110, Rn. 17).
Diese Voraussetzung liegt im Rechtsverhältnis zu Saudi-Arabien also nicht vor, da eine ausdrückliche Befreiung der Pflicht zur Sicherheitsleistung im Vertrag nicht geregelt ist.
So wird Saudi-Arabien auch an anderer Stelle nicht unter den Staaten aufgeführt, deren Staatsangehörige von der Erbringung einer Sicherheitsleistung befreit sind (Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 7. Aufl. 2015, Anhang II; Zöller/Geimer, ZPO, Anhang IV).
Es fehlt insoweit an der Verbürgung der Gegenseitigkeit im deutsch-saudi-arabischen Verhältnis und der ausdrücklichen Befreiung von der Prozesskostensicherheit (vgl. so auch Krüger, IPRax 2005, 386; sowie weiter: Schütze, Probleme des Internationalen Zivilprozessrechts in der ZPO, § 328, S. 157f und S. 163, ebenso: Zöller-Geimer Anhang IV zur Zivilprozessordnung, ab S. 3394 (S. 3401: Saudi-Arabien, § 110 II Nr. 1 und 2 „Nein“), ebenso: Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 7. Auflage 2015, Anhang II S. 9, a.A. lediglich (ohne Begründung) Baumbach/Lauterbach 74. Auflage 2016, Anhang zu § 110, Rn. 22 und Nerz, Probleme der Streitbeilegung im Verhältnis zu China und Saudi-Arabien, April 2011, S. 47).
4. Höhe der Sicherheit
Die Höhe der Sicherheit war nach § 112 ZPO nach freiem Ermessen des Gerichts festzusetzen. Die fremden Anwaltskosten für zwei Instanzen belaufen sich auf ca. 32.500,00 € (außergerichtliche Kosten des Gegners ca. 6.400,00 €, Kosten 1. Instanz für den gegnerischen Anwalt ca. 12.300,00 € und der 2. Instanz ca. 13.800,00 €). Somit war die Sicherheit auf ca. 32.000,00 € für die fremden Anwaltskosten über zwei Instanzen festzusetzen. An den Antrag der beklagten Partei war das Gericht nicht gebunden.
5. Art der Sicherheit und Frist
Die Art der Sicherheit war nach § 108 Abs. I ZPO zu bestimmen. Die Fristsetzung folgt aus § 113 Abs. I ZPO.
II.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten (Bacher, Beck’scher Online-Kommentar ZPO, 20. Edition, Rn. 19).