Europarecht

Befristung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis

Aktenzeichen  RN 5 K 17.1134, RN 5 K 17.1140, RN 5 K 17.1141, RN 5 K 17.1142

Datum:
15.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 26350
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GlüStV § 24 Abs. 2 S. 2, § 29 Abs. 4 S. 4, § 35 Abs. 2
BayAGGlüStV Art. 12
AEUV Art. 49, Art. 56
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 1, § 114 S. 1
BayVwVfG Art. 36

 

Leitsatz

1 Die Befristung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis (§ 24 Abs. 2 S. 2 GlüStV) ist im Hinblick auf das bestehende Risiko des Betreibers, nach Ablauf der Genehmigung unter Umständen keine Folgegenehmigung mehr zu erhalten, angemessen, solange die Behörde von der Befristungsbefugnis angemessen Gebrauch macht und die Fristdauer entsprechend wählt. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Gewährleistungsgehalt der unionsrechtlichen Grundfreiheiten ist grundsätzlich nur dann eröffnet, wenn ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegt, nicht jedoch bei reinen Inlandssachverhalten. Dabei genügt es nicht, wenn der Betroffene lediglich hypothetisch von einer Grundfreiheit des AEUV Gebrauch machen könnte. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.Die Verfahren Az. RN 5 K 17.1134, RN 5 K 17.1140, RN 5 K 17.1141 und RN 5 K 17.1142 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und unter dem Az. RN 5 K 17.1134 geführt.
II.Die Klagen werden abgewiesen.
III.Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. 
IV.Der Gerichtsbescheid ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Die im Tenor genannten Verfahren werden gemäß § 93 VwGO zur gemeinsamen Entscheidung verbunden, da über den Streitgegenstand der Verfahren einheitlich zu entscheiden ist.
II.
Das Gericht kann gemäß § 84 Abs. 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Parteien wurden zuvor gehört.
Die Klagen sind zulässig, aber unbegründet.
Die Klagen sind gemäß § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass die Klägerin beantragt, den Bescheid des Landratsamtes Passau vom 20.6.2017 in den Ziffern 2, 3 und 5 isoliert aufzuheben.
1. Die unter Ziff. 2,3 und 5 des Bescheids des Landratsamtes Passau vom 20.6.2017 als auflösende Bedingung ausgestaltete Nebenbestimmung ist isoliert anfechtbar.
Eine isolierte Anfechtung ist hinsichtlich aller objektiv abgrenz- und bezeichenbaren Teile eines Verwaltungsaktes möglich, insbesondere hinsichtlich aller Nebenbestimmungen i.S.d. Art. 36 BayVwVfG. Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht rechtswidrige Verwaltungsakte teilweise aufheben. Damit muss im Umkehrschluss dem Kläger eine teilweise Anfechtung möglich sein, um eine kostenpflichtige Teilabweisung seiner Klage a priori zu vermeiden. Dies gilt insbesondere auch für Bedingungen und Befristungen. Weder Wortlaut noch Systematik des Art. 36 BayVwVfG lassen eine Differenzierung hinsichtlich der verschiedenen Arten von Nebenbestimmungen erkennen. (vgl. W.-R. Schenke/R. P. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage, § 42 Rn. 21 f.).
2. Die Klagen haben jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die angegriffenen Befristungen (Ziff. 2, 3, und 5) des Bescheids des Landratsamtes Passau vom 20.6.2017 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO.
a) Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine großzügiger bemessene Befristung der glückspielrechtlichen Erlaubnis zum Betrieb der Spielhalle.
Die Erlaubnis zum Betrieb einer Spielhalle ist gem. § 24 Abs. 2 Satz 2 GlüStV zu befristen. Sinn und Zweck der gesetzlichen Pflicht zur Befristung ist es, die staatlichen Kontroll- und Überwachungsmöglichkeiten bei der Genehmigung von Glücksspielangeboten sicherzustellen. Die Befristung der Erlaubnis verschafft der Genehmigungsbehörde bei Anträgen auf Verlängerung der Betriebserlaubnis eine umfassende Kontrollmöglichkeit, unter Berücksichtigung der Entwicklung des betroffenen Betriebs und seines Umfelds sowie die Berücksichtigung neuer Erkenntnisse zur Spielsuchtprävention, die seit der Ersterlaubnis erlangt wurden.
Die gesetzlich zwingende Befristung ist geeignet den Gesetzeszweck zu fördern. Die Regelung ist im Hinblick auf das bestehende Risiko des Betreibers, nach Ablauf der Genehmigung unter Umständen keine Folgegenehmigung mehr zu erhalten, auch angemessen, solange die Behörde von der Befristungsbefugnis angemessen Gebrauch macht und die Fristdauer entsprechend wählt (vgl. BayVGH, B. v. 26.3.2014 – 22 ZB 14.221 – juris Rn. 20).
Die Beklagte hat im Bescheid vom 20.6.2017 eine Ermessensentscheidung getroffen, die frei von Rechtsfehlern ist (Art. 40 BayVwVfG, § 114 Satz 1 VwGO).
Bei der Entscheidung über die Fristdauer orientierte sich die Behörde an der durchschnittlichen Geltungsdauer glückspielrechtlicher Erlaubnisse für Annahmestellen und gewerbliche Spielvermittler. Dabei handelt es sich um einen sachgerechten Gesichtspunkt.
Auch unter dem Gesichtspunkt, dass der Glückspielstaatsvertrag unter Umständen gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 GlüStV am 30.6.2021 außer Kraft tritt, ist eine Fristdauer von vier Jahren nicht zu beanstanden. Die gewählte Fristdauer fügt sich in das im GlüStV angelegte Fristensystem kohärent ein (vgl. VG München, U. v. 17.3.2013 – M 16 K 13.1477).
Die von der Klägerin begehrte Ermessensentscheidung einer an der Laufzeit ihres Darlehensvertrages orientierten Fristdauer bis zum 30.6.2029 würde hingegen eine Ermessensüberschreitung darstellen. Damit könnte die Behörde den oben bereits dargelegten angestrebten Gesetzeszweck – das Vorliegen der Erlaubnisvoraussetzungen regelmäßig kontrollieren zu können – nicht mehr in ausreichendem Maße umsetzen. Zudem stellt die obligatorische Befristung sicher, dass auch etwaige Nachfolgeregelungen zum Glückspielstaatsvertrag in gleicher Weise wie momentan präventiv überprüft werden können. Dies würde durch eine solche zu lange Fristdauer verhindert werden. (vgl. VG München, U. v. 13.10.2015 – M 16 K 14.4009 – juris Rn. 16).
b) Die Klägerin hat ebenfalls keinen Anspruch auf eine großzügiger bemessene Befristung der Befreiung vom Verbot des Betriebes mehrerer Spielhallen im baulichen Verbund.
Grundsätzlich kann die Behörde gem. § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV i.V.m. Art. 12 AGGlüStV eine Befreiung von den Anforderungen des § 25 GlüStV erteilen, wenn dies zur Vermeidung unbilliger Härten erforderlich ist. Der Dauer der Befreiung ist laut Art. 12 Satz 3 AGGlüStV explizit eine eindeutige zeitliche Grenze gesetzt. Sie kann nicht über die Geltungsdauer des Glückspielstaatsvertrages hinaus erteilt werden. Aus Wortlaut, Systematik und Ratio des GlüStV und des AGGlüStV ergibt sich, dass mit „Geltungsdauer des Glückspielstaatsvertrages“ i.S.d. Art. 12 Satz 3 AGGlüStV die Mindestlaufzeit des Glückspielstaatsvertrages bis zum 30.6.2021 gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 GlüStV gemeint ist.
Der Wortlaut des Art. 12 Satz 3 AGGlüStV spricht von „Geltungsdauer des Glücksspielstaatsvertrages“. Laut § 35 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 GlüStV tritt dieser am 30.6.2021 außer Kraft. Jedoch besteht gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 GlüStV die Möglichkeit, dass die Ministerpräsidentenkonferenz mit mindestens 13 Stimmen dessen Fortgeltung beschließt. In diesem hypothetischen Fall gilt der Staatsvertrag mit der dann festgelegten Dauer in den zustimmenden Ländern weiter. Der 30.6.2021 ist also der Endtermin der Mindestlaufzeit des GlüStV. Nur diesen Zeitraum bis zum Endtermin der Mindestlaufzeit kann der Gesetzestext des AGGlüStV in § 12 Satz 3 mit dem Begriff „Geltungsdauer“ meinen. Die hypothetische Geltungsdauer des möglicherweise fortgesetzten Staatsvertrages steht noch gar nicht fest. Bezöge sich das Gesetz auf diesen hypothetischen Zeitpunkt, wäre die gesetzliche Zeitangabe ohne konkreten Bezugspunkt. Damit wäre die Länge der Geltungsdauer nicht konkret bestimmbar.
Die gesetzliche Regelung führt auch nicht wie von der Klägerin vorgetragen zu systematischen Brüchen hinsichtlich der zwingenden Befristung der Erlaubnis zum Betrieb von Spielhallen gem. § 24 Abs. 2 Satz 2 GlüStV. Spielhallen im baulichen Verbund sind aufgrund der Regelung des § 25 Abs. 2 GlüStV nicht mehr genehmigungsfähig. Daraus möglicherweise resultierende unbillige Härten für den Betreiber können im Einzelfall über die Ausnahmevorschrift des § 29 Abs. 4 Satz GlüStV i.V.m. Art. 12 AGGlüStV abgemildert werden.
Auch die Ratio des Verbotes der Erteilung einer Erlaubnis für Spielhallen im baulichen Verbund (§ 25 Abs. 2 GlüStV) stützt diese Auslegung. Primärer Gesetzeszweck der Norm ist es, eine deutliche Absenkung der Gesamtzahl der stark suchtgefährdenden Geldspielgeräte zu erreichen (vgl. LT-Drs. 16/12192, 17.04.2012). Vor diesem Hintergrund stellt die Möglichkeit einer behördlichen Befreiung vom Verbot des § 25 Abs. 2 GlüStV aufgrund eines Härtefalls eine restriktiv auszulegende Ausnahmevorschrift dar. Diese muss sich notwendigerweise, um dem Gesetzeszweck Genüge zu tun, auf einen bestimmbaren und möglichst begrenzten Maximalzeitraum, mithin auf die Mindestgeltungsdauer des GlüStV bis zum 30.6.2021, beziehen.
Somit verstieße die von der Klägerin begehrte Erteilung einer über den 30.6.2021 bis zum 30.6.2029 laufenden Befreiung vom Verbot des Betriebs mehrerer Spielhallen im baulichen Verbund gegen die Vorschrift des Art. 12 Satz 3 AGGlüStV und wäre aufgrund einer Ermessenüberschreitung durch die Behörde ermessensfehlerhaft.
c) Die auflösende Bedingung der Befreiung vom Verbot des § 25 Abs. 1, 2 GlüStV unter Ziff. 5 des Bescheides des Landratsamtes Passau vom 20.6.2017 ist rechtmäßig.
Gemäß Art. 36 Abs. 2 BayVwVfG kann ein Verwaltungsakt nach pflichtgemäßem Ermessen mit einer der in Nrn. 1 bis 5 genannten Nebenbestimmungen erlassen bzw. verbunden werden.
Bei der Bestimmung unter Ziff. 5 des Bescheides des Landratsamtes Passau vom 20.6.2017 handelt es sich um eine auflösende Bedingung i.S.d. Art. 36 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG. Der Wegfall einer Begünstigung, nämlich die Befreiung vom Verbot des § 25 Abs. 1, 2 GlüStV, wird dort vom ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses, nämlich der Nichteinhaltung der Bestimmungen des Anpassungskonzeptes in der Fassung vom 14.2.2017 für den Zeitraum der Geltungsdauer der Befreiung, abhängig gemacht.
Das Landratsamt Passau hat das ihm gemäß Art. 36 Abs. 2 BayVwVfG eingeräumte pflichtgemäße Ermessen rechtmäßig ausgeübt, insbesondere ist keine Ermessensüberschreitung ersichtlich. Der Erlass der auflösenden Bedingung war verhältnismäßig. Mit der Sicherstellung der Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen des § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV, Art. 12 AGGlüStV verfolgt das Landratsamt mit dem Erlass der auflösenden Bedingung einen legitimen Zweck. Die auflösende Bedingung ist geeignet, die Erreichung dieses Zwecks zu fördern. Zudem ist sie auch erforderlich. Es ist kein zur Zweckerreichung gleichermaßen geeignetes, aber weniger einschneidendes Mittel ersichtlich. Insbesondere wäre eine Auflage, die der Klägerin die Einhaltung des von ihr vorgelegten Anpassungskonzeptes vorschreibt, nicht gleichermaßen geeignet. Eine solche würde auf eine Nichteinhaltung des Anpassungskonzeptes nicht in gleicher Weise effektiv reagieren können. Der Erlass der auflösenden Bedingung ist auch angemessen, also verhältnismäßig im engeren Sinn. Zur Erreichung des legitimen Zwecks wird nicht übermäßig in die Rechte der Klägerin eingegriffen. Grundsätzlich handelt es sich bei der Befreiung schon um einen Verwaltungsakt, der entgegen der gesetzlich intendierten Grundkonstellation ausnahmsweise ihre Rechtsposition erweitert. Zudem handelt es sich bei der Regelung in Ziff. 5 des Bescheides des Landratsamtes Passau vom 20.6.2017 um eine Potestativbedingung. Der Eintritt der Bedingung liegt also ausschließlich in der Sphäre der Klägerin. Einzig ihr obliegt es, das vorgelegte Anpassungskonzept einzuhalten und den Bedingungseintritt somit zu vermeiden.
Zudem verstößt das Landratsamt Passau mit dem Erlass der auflösenden Bedingung auch nicht gegen das Grundrecht der Klägerin auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG. Hier liegt schon gar kein Eingriff vor. Träte die Bedingung ein, so würde die Klägerin die Spielhallen I bis IV rechtswidrig betreiben und ordnungswidrig handeln. Gegen einen möglicherweise gegen sie ergehenden Bußgeldbescheid könnte sie vor dem örtlich zuständigen Amtsgericht gemäß § 68 OwiG Einspruch einlegen.
d) Die Klägerin kann sich nicht auf einen Unionsrechtsverstoß berufen, weil der Anwendungsbereich der Niederlassungs- und der Dienstleistungsfreiheit nicht eröffnet ist. Ungeachtet dessen verstoßen die in diesem Fall maßgeblichen Vorschriften des GlüStV sowie des AGGlüStV ebenso wie auch die Ziff. 2, 3 und 5 des Bescheides des Landratsamtes Passau vom 20.6.2017 jedenfalls nicht gegen die Niederlassungs- (Art. 49 ff. AEUV) und die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 ff. AEUV).
aa) Die Klägerin kann sich in dem hier vorliegenden Fall schon nicht auf eine Verletzung der Dienstleistungs- bzw. der Niederlassungsfreiheit berufen. Der Anwendungsbereich der Grundfreiheiten ist in der vorliegenden Fallgestaltung für sie als inländische juristische Person mit Sitz im Inland nicht eröffnet.
Der Gewährleistungsgehalt der unionsrechtlichen Grundfreiheiten ist grundsätzlich nur dann eröffnet, wenn ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegt, nicht jedoch bei reinen Inlandssachverhalten (Tiedje, in: von der Groeben/ Schwarze/Hatje, Europäisches unionsrecht, 7. Aufl., Art. 56 AEUV Rn. 18 ff., Art. 49 AEUV Rn. 122; OVG Lüneburg, U. v. 12.7.2018 – 11 LC 400/17 – Rn. 49). Es reicht nicht aus, dass der Spielhallenbetreiber hypothetisch von einer Grundfreiheit des AEUV Gebrauch machen könnte (BVerwG, U. v. 16.12.2016 – 8 C 6/15 – juris Rn. 83; OVG Lüneburg, U. v. 12.7.2018 – 11 LC 400/17 – Rn. 49). In den Fällen, in denen der EuGH bisher nationale Regelungen an den Grundfreiheiten gemessen hat, war nach den Vorabentscheidungsersuchen der jeweiligen nationalen Gerichte ein grenzüberschreitender Sachverhalt gegeben (EuGH, U. v. 14.6.2017 – C-685/15; U. v. 30.4.2014 – C-390/12; U. v. 21.9.1999 – C 124/97; OVG Lüneburg, U. v. 12.7.2018 – 11 LC 400/17 – Rn. 49). Hier ist die Klägerin eine deutsche Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland, ihre Gesellschafter sowie ihr Geschäftsführer sind deutsch. Zudem geht es um eine in Deutschland betriebene Spielhalle. Dabei handelt es sich nicht um einen grenzüberschreitenden Vorgang. Die hypothetische Möglichkeit, dass Kunden der Klägerin von einer Grundfreiheit Gebrauch machen könnten reicht hierfür nicht aus (VG München, B. v. 14.09.2017 – M 16 S 17.3330 – juris Rn. 19 ff.).
bb) Ungeachtet des soeben Ausgeführten, liegt jedenfalls kein Verstoß der §§ 24 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2, 25 Abs. 1, 2, 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV sowie des Art. 12 AGGGlüStV gegen die Dienstleistungsfreiheit sowie gegen die Niederlassungsfreiheit vor. Denn die Beschränkung der Dienstleistungs- und der Niederlassungsfreiheit durch das in den genannten Normen des GlüStV und des AGGlüStV enthaltenen Befristungserfordernis für die glücksspielrechtliche Erlaubnis sowie das Abstandsgebot und das Verbundverbot ist aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt und mit dem Kohärenzgebot vereinbar.
Eine Beschränkung der Niederlassungs- und der Dienstleistungsfreiheit ist nur dann gerechtfertigt, wenn die restriktive Maßnahme einem zwingenden Grund des Allgemeinwohls wie dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung (einschließlich der Bekämpfung der Spielsucht), der Betrugsvorbeugung oder der Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen sowie dem Jugendschutz entspricht und geeignet ist, die Verwirklichung dieser Ziele dadurch zu gewährleisten, dass sie dazu beiträgt, die Gelegenheit zum Spiel zu verringern. Sie darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des Ziels erforderlich ist. Dem Gesetzgeber kommt dabei ein weiter Einschätzungsspielraum zu. Zudem muss die beschränkende Regelung zur Erreichung der mit ihr verfolgten Allgemeinwohlziele in kohärenter und systematischer Weise beitragen. Dieses Kohärenzgebot beinhaltet zwei Komponenten: Zunächst muss der Gesetzgeber die Allgemeinwohlziele tatsächlich mit der Maßnahme verfolgen. Zudem darf er keine gegenläufigen, diesen Zielen widersprechenden Maßnahmen ergreifen. (Müller-Graff, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 56 AEUV Rn. 106 f.; BVerfG, B. v. 7.3.2017 – 1 BvR 1314/12 – Rn. 124; EuGH, U. v. 21.10.1999 – C-67/98 – Rn. 37 f.; U. v. 6.11.2003 – C-243/01 – Rn. 67; U. v. 6.3.2007 – C-338/04 – Rn. 52 f.; U. v. 8.9.2010 – C-46/08 – Rn. 55, 64 f.; U. v. 8.9.2010 – C-316/07 – Rn. 88; OVG Lüneburg, U. v. 12.7.2018 – 11 LC 400/17 – Rn. 50 ff.).
Die angegriffenen Bestimmungen dienen alle der Verwirklichung der in § 1 GlüStV genannten und vom EuGH anerkannten Allgemeinwohlziele und gehen in ihren Mitteln auch nicht über das hinaus, was zur Erreichung dieser Ziele notwendig ist. Auch dem daneben zu erfüllenden Kohärenzgebot ist in allen Belangen genüge getan.
Darüber hinaus ist es auch einhellige Auffassung der bisher mit entsprechenden Fallgestaltungen betrauten deutschen Gerichte, dass die entsprechenden Normen des GlüStV sowie die der jeweiligen landesrechtlichen Ausführungsgesetze unionsrechtsgemäß sind. So haben weder das Bundesverfassungsgericht noch der bayerische Verfassungsgerichtshof einen Verstoß der Vorschriften des GlüStV oder des AGGlüStV gegen die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit bejaht (Vgl. BVerfG, B. v. 7.3.2017 – 1 BvR 1314/12 – juris Rn. 124 und BayVerfGH, E. v. 12.6.2017 – Vf. 4-VII-13 – juris Rn. 78). Ebenso hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof schon im Jahr 2014 entschieden, dass Art. 12 Satz 1 AGGlüStV nicht gegen das unionsrechtliche Kohärenzgebot verstößt (BayVGH, B. v. 9.5.2014 – 22 CS 14.568 – juris Rn. 25 f.). Zudem hat das OVG Lüneburg die Vereinbarkeit des GlüStV mit Art. 49 ff. AEUV und Art. 56 ff. AEUV bejaht (vgl. OVG Lüneburg, U. v. 12.7.2018 – juris Rn. 40 ff.).
cc) Für die angegriffenen Bestimmungen in Ziff. 2,3 und 5 des Bescheides des Landratsamtes Passau vom 20.6.2017 gilt nichts anderes. Auch sie sind aus den genannten zwingenden Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt, verstoßen damit nicht gegen die Niederlassungs- und die Dienstleistungsfreiheit und sind somit mit dem Unionsrecht vereinbar. Insbesondere sind die Befristungen in Ziff. 2 und 3 des Bescheides sowie die jeweilige Fristlänge geeignet und erforderlich die damit verfolgten zwingenden Ziele des Allgemeinwohls zu erreichen. Sie entsprechen auch dem Kohärenzgebot.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.


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