Europarecht

Befristung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis

Aktenzeichen  23 ZB 20.522

Datum:
17.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 16248
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 108 Abs. 2, § 124, § 124a, § 138 Nr. 6
GlüStV § 24
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 103 Abs. 1
BV Art. 91 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Das behördliche Ermessen dürfte dahingehend intendiert sein, dass die glücksspielrechtlichen Erlaubnisse für Spielhallen bis zum Ablauf der Geltungsdauer des Glückspielstaatsvertrags befristet werden sollen, wenn nicht besondere Umstände vorliegen. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Gericht muss die Parteien auch nicht vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung ihres Vortrags hinweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung ergibt. Eine unzulässige Überraschungsentscheidung liegt nur dann vor, wenn es einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage der Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte. Aus dem Prozessgrundrecht des Art. 103 Abs. 1 GG folgt dagegen keine allgemeine Frage-, Hinweis und Aufklärungspflicht des Gerichts. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 5 K 19.1163 2020-01-23 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird unter Änderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung für beide Instanzen auf jeweils 15.000,– Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Das Zulassungsvorbringen legt weder den innerhalb der Rechtsmittelbegründungsfrist geltend gemachten Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der (Ergebnis-)Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) noch eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) dar.
1.1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerfG, B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – BVerfGE 151, 173, 186 = juris Rn. 32 m.w.N.).
Die Klägerin wendet sich mit ihrem Zulassungsantrag nurmehr gegen die Befristung der ihr mit Bescheid vom 4. Juni 2019 erteilten glücksspielrechtlichen Erlaubnis bis zum 30. Juni 2021. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem Antrag, die in Nr. 2 der glücksspielrechtlichen Erlaubnis vom 4. Juni 2019 enthaltene Befristung bis zum 30. Juni 2021 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Erlaubnis bis zum 30. Juni 2034 zu befristen, als unbegründet abgewiesen. Die Befristung der der Klägerin erteilten Erlaubnis bis zum 30. Juni 2021 sei rechtmäßig, insbesondere frei von Ermessensfehlern. Bei der Entscheidung über die Fristdauer habe sich die Behörde sachgerecht an der Laufzeit des Glückspielstaatsvertrags (GlüStV) orientiert. Der Einwand der Klägerin, erfahrungsgemäß amortisierten sich die Investitionen in eine Spielhalle nicht innerhalb der Befristungsdauer, greife nicht durch, da der Klägerin die Laufzeit des Glücksspielstaatsvertrags bekannt gewesen sei und jedenfalls ihr wirtschaftliches Interesse gegenüber dem Interesse an der Verwirklichung der Ziele des Glücksspielstaatsvertrags zurücktreten müsse.
Die gegen diese Wertung erhobenen Einwände der Klägerin greifen nicht durch. Es liegt kein Ermessensfehler des Beklagten zu Lasten der Klägerin vor.
a) Der Beklagte hat ausweislich der Begründung des streitgegenständlichen Erlaubnisbescheids das ihm hinsichtlich der Länge der gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Befristung (vgl. § 24 Abs. 2 Satz 2 GlüStV) zustehende Ermessen nicht verkannt. In dem Bescheid ist ausgeführt, dass die Befristung des Bescheids dem öffentlichen Interesse diene, die Erlaubnisvoraussetzungen regelmäßig zu überprüfen. Ferner heißt es dort unter anderem, dass sich (auch) die Geltungsdauer glücksspielrechtlicher Erlaubnisse zur Vermittlung von Sportwetten an der Restlaufzeit des Glückspielstaatsvertrags orientiere, der mit Ablauf des 30. Juni 2021 außer Kraft tritt. Mit diesen Formulierungen wird hinreichend deutlich, dass sich der Beklagte nicht einer Befristung bis zum 30. Juni 2021 ausnahmslos verpflichtet sah.
Abgesehen hiervon kann von einem Ermessensnichtgebrauch bzw. einer Ermessensunterschreitung auch deshalb nicht ausgegangen werden, weil vieles dafür spricht, dass das Ermessen unter Zugrundelegung der gesetzlichen Konzeption und Intention dahingehend intendiert ist, dass die glücksspielrechtlichen Erlaubnisse für Spielhallen bis zum Ablauf der Geltungsdauer des Glückspielstaatsvertrags befristet werden sollen, wenn nicht besondere Umstände vorliegen. In der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung ist bereits mehrfach und wiederholt geklärt, dass der Betrieb einer Spielhalle im Einklang mit Verfassungs- und Unionsrecht (unter anderem) einem Erlaubnisvorbehalt unterstellt werden kann (vgl. BVerfG, B.v. 7.3.2017 – 1 BvR 1314/12 u.a. – BVerfGE 145,20; BVerwG, U.v. 16.12.2016 – 8 C 6.15 – BVerwGE 157, 126 = juris Rn. 39 m.w.N.; U.v. 5.4.2017 – 8 C 16.16 – juris Rn. 30 ff.; OVG NW, B.v. 10.3.2021 – 4 A 4700/19 – juris Rn. 33 m.w.N.; B.v. 30.4.2021 – 4 A 2781/20 – juris Rn. 16 f.; NdsOVG, B.v. 4.9.2017 – 11 ME 206/17 – juris Rn. 10ff m.w.N.). Des Weiteren ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung mehrfach bestätigt, dass die gesetzliche Pflicht zur Befristung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis nicht gegen höherrangiges Recht verstößt (vgl. BayVGH, B.v. 26.3.2014 – 22 ZB 14.221, juris Rn. 16 ff.; BayVGH, B.v. 22.12.2020 – 23 ZB 18.1732 – juris Rn. 54 f.; OVG NW, B.v. 10.3.2021 – 4 A 4700/19 – juris Rn. 59 ff., 69 f. und 71 ff. m.w.N.; B.v. 30.4.2021 – 4 A 2781/20 – juris Rn. 16 f.). Die gewählte Befristungsdauer bis zum Ende der Laufzeit des geltenden Glückspielstaatsvertrags ist das effektivste Mittel der Behörde zur Durchsetzung des Erlaubnisvorbehalts und der geltenden Anforderungen an Spielhallen zum Schutz der Spieler. Die Funktion der Befristung liegt insbesondere in änderungsaffinen Rechtsgebieten darin, dass die Verwaltung erneut prüfen kann, ob und inwieweit die tatsächlichen Voraussetzungen weiterhin vorliegen beziehungsweise ob und inwieweit die erteilte Erlaubnis zu einer gegebenenfalls geänderten Rechtslage im Widerspruch steht (vgl. BVerwG, U.v. 30.11.1954 – I C 148.53 – BVerwGE 1, 244 = juris Rn. 19; Tiedemann in Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, 49. Aufl. Stand: 1.10.2020, § 36 Rn. 38). So liegt der Fall erkennbar hier, da im Zeitpunkt der Erteilung der Erlaubnis nicht absehbar war, inwieweit der neue Glückspielstaatsvertrag neue Maßgaben für Spielhallen beinhalten würde (vgl. NdsOVG, B.v. 13.5.2019 – 11 LA 389/18 – juris Rn. 8: „derzeit nicht ersichtlich …, inwieweit im Bereich der Spielhallen ab dem 1. Juli 2021 Neuregelungen in Kraft treten werden“). Die Befristung ermöglicht der Verwaltung zu überprüfen, ob und inwieweit der Betrieb der Spielhalle im Einklang oder im Widerspruch zu einem neuen Glückspielstaatsvertrag steht (vgl. BayVGH, B.v. 22.12.2020 – 23 ZB 18.1732 – juris Rn. 54). Eine regelhafte Befristung von glücksspielrechtlichen Erlaubnissen bis zum Ende der Restlaufzeit des geltenden Glückspielstaatsvertrags fördert diesen Zweck sowie die Durchsetzung der Ziele eines neuen Glückspielstaatsvertrags, weil hierdurch auf Grundlage des gegenwärtigen Staatsvertrags erteilte, bestandskräftige Erlaubnisse vermieden werden, die den Handlungsspielraum für Anpassungen der Regelungen des Staatsvertrags erschweren könnten (vgl. OVG NW, B.v. 25.2.2021 – 4 A 4451/19 – juris Rn. 22 ff.; B.v. 28.9.2020 ‒ 4 A 973/20 ‒ juris Rn. 15). Die Befristung der Erlaubnis bis zum Ende der Laufzeit des geltenden Glücksspielstaatsvertrags dient daher in legitimer Weise der Gewährleistung, dass etwaige Neuregelungen effektiv umgesetzt werden können und über eine längere Geltung erst dann entschieden wird, wenn feststeht, welche Anforderungen für die Zeit nach dem 30. Juni 2021 gelten (BayVGH, B.v. 25.2.2021 – 23 ZB 19.1820 – juris Rn. 20; B.v. 22.12.2020 – 23 ZB 18.1735 – juris Rn. 54; NdsOVG, B.v. 13.5.2019 – 11 LA 389/18 – juris Rn. 8). Der Hinweis der Klägerseite, dass eine unbefristete glücksspielrechtliche Erlaubnis ebenfalls von der Behörde jederzeit überprüft werden könne, verfängt nicht. Die Befristung ist auch erforderlich, weil ein weniger beeinträchtigendes, ebenso wirksames Mittel nicht zur Verfügung steht; insbesondere stellen die allgemeinen Überwachungsinstrumente nach § 9 Abs. 1 GlüStV i.V.m. Art. 9 Abs. 4, 10 Satz 2 AGGlüStV keine gleichwertige Kontrollmöglichkeit zur Verfügung. Bei zwischenzeitlich neu gewonnenen Erkenntnissen über die Gefahren der Spielsucht oder die konkrete Situation vor Ort müsste die Behörde sonst bei unbefristet erteilten Erlaubnissen erst ein Widerrufsverfahren durchführen, statt im Rahmen einer Neuerteilung eine Neubewertung vornehmen zu können. Auch angesichts der schnellen Änderungen des Glücksspielangebots, der zunehmenden Digitalisierung auch im Glücksspielsektor und der damit verbundenen Dynamik auf dem Glücksspielmarkt ist die Befristung nicht nur geeignet, die legitimen Allgemeinwohlinteressen des § 1 GlüStV zu sichern, sondern auch erforderlich. Durch die rasanten technischen Entwicklungen der angebotenen Glücksspiele wäre ein Widerruf – sofern die gesetzlichen Voraussetzungen überhaupt vorlägen – jedenfalls nicht genauso effektiv wie eine Befristung. Die Befristung ist auch grundsätzlich verhältnismäßig i.e.S. unter Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich des betrieblichen und wirtschaftlichen Interesses des Spielhallenbetreibers einerseits und der öffentlichen Interessen an der Eindämmung der Gefahren der Spielsucht durch Reglementierung der Zahl, Dichte und Betriebsform von Spielhallen andererseits. Dies gilt auch mit Blick auf das Betreiberrisiko, nach Ablauf der Befristung seiner Erlaubnis möglicherweise keine Nachfolgeerlaubnis zu erhalten und sich dennoch gegebenenfalls langfristig mietvertraglich gebunden und in Räume und Geräte investiert zu haben. Eingriffszweck und Eingriffsintensität stehen hier in aller Regel in einem angemessenen Verhältnis (BayVGH, B.v. 26.3.2014 – 22 ZB 14.221 – juris Rn. 20). Nicht zuletzt richtet sich die regelhafte Orientierung an der Restlaufzeit des geltenden Glückspielstaatsvertrags auch mit Blick auf die Vorschrift des Art. 12 AGGlüStV, wonach auch eine Befreiung im Sinne des § 24 Abs. 4 Satz 4 GlüStV nicht über die Geltungsdauer des Glücksspielstaatsvertrags hinaus erteilt werden kann, sachgerecht an dem geltenden Regelungsregime aus (vgl. BayVGH, B.v. 25.2.2021 – 23 ZB 19.1820 – juris Rn. 20; B.v. 22.12.2020 – 23 ZB 18.1735 – juris Rn. 54).
Jedenfalls aber hat sich der Beklagte durch seine – auch von Klägerseite dargestellte – ständige Verwaltungspraxis, glücksspielrechtliche Erlaubnisse für Spielhallen bis zum Ende der Laufzeit des geltenden Glückspielstaatsvertrags zu befristen, mit Blick auf den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) für den Regelfall in seinem Ermessen rechtlich gebunden. Dies gilt insbesondere auch mit Blick auf eine mögliche Ausschlusswirkung bestandskräftiger, über die Laufzeit des Glücksspielstaatsvertrags hinaus erteilter Erlaubnisse für Mitbewerber, die Spielhallen im Umkreis von 500 Metern betreiben (vgl. Art. 9 Abs. 3 Satz 1 AGGlüStV).
b) Unbehelflich ist der Hinweis der Klägerseite auf gesetzliche Regelungen anderer Länder, die teilweise eine längere Befristung vorsähen. Insoweit ist festzustellen, dass es eine solche Regelung in Bayern gerade nicht gibt und – wie ausgeführt – eine weitgehend gleichmäßige Handhabung oder die Verwendung von „Bausteinen“ entgegen der Auffassung des Zulassungsvorbringens schon mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht zu beanstanden ist. Eine abweichende Ermessenspraxis anderer Länder würde den Beklagten in seiner Ermessensausübung hingegen nicht binden, wobei schon weder dargelegt noch ersichtlich ist, dass andere Länder in ihrer ständigen Erlaubnispraxis für Spielhallen Befristungen vorsehen, die über die Restlaufzeit des geltenden Glücksspielstaatsvertrags hinausgehen (vgl. nur OVG Hamburg, B.v. 20.10.2020 – 4 Bs 226/18 – juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 26.6.2020 – 9 CS 16.2218 – juris Rn. 23; OVG Rh-Pf, B.v. 6.8.2019 – 6 A 11643/18 – juris Rn.10; NdsOVG, B.v. 13.5.2019 – 11 LA 389/18 – juris Rn. 8 f.; SächsOVG, B.v. 7.2.2019 – 3 B 398/18 – juris Rn. 2).
c) Die Klägerin hat auch keine besonderen Umstände dargelegt, die in Bezug auf ein berechtigtes Vertrauen auf die Amortisierung der getätigten Investitionen eine längere Befristung abweichend von der gesetzlichen Konzeption und der Verwaltungspraxis des Beklagten erforderlich machen bzw. rechtfertigen würden. Weiterer besonderer Ermessenserwägungen seitens des Beklagten bedurfte es daher vorliegend nicht.
Auch unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte und das Verwaltungsgericht von einem Überwiegen des oben dargelegten öffentlichen Interesses an einer möglichst effektiven Durchsetzung der Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags sowie etwaiger Nachfolgeregelungen zum Schutz der Spieler gegenüber den wirtschaftlichen Interessen der Klägerin ausgegangen sind. Zurecht weist das Verwaltungsgericht insoweit darauf hin, dass es sich bei dem getätigten Mietvertragsabschluss und den Investitionen um Dispositionsentscheidungen der Klägerin handelt, die sie eingegangen ist, ohne sicher zu wissen, wie lange die zwingend zu erfolgende Befristung ausfallen wird, so dass ein vom Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG erfasstes Vertrauen auf eine Amortisierung dieser Investitionen nicht besteht. Eine durch die Befristungsentscheidung bewirkte unverhältnismäßige Beeinträchtigung der dem Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG unterfallenden Erwerbschancen der Klägerin ist indes nicht dargetan, zumal die eingegangenen vertraglichen Bindungen und getätigten Investitionen bei einer Entscheidung über die Erteilung einer neuen glücksspielrechtlichen Erlaubnis zu berücksichtigen sind, sofern die Klägerin die Erlaubnisvoraussetzungen nach neuem Recht weiterhin erfüllt.
1.2. Die Rechtssache weist auch keine grundsätzliche Bedeutung auf.
Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO setzt voraus, dass der Rechtsmittelführer erstens eine konkrete und gleichzeitig verallgemeinerungsfähige Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert, zweitens ausführt, aus welchen Gründen diese klärungsfähig ist, also für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts entscheidungserheblich war, und drittens erläutert, aus welchen Gründen sie klärungsbedürftig ist, mithin aus welchen Gründen die ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Rechtsfragen, die höchstrichterlich hinreichend geklärt sind, sind nicht als klärungsbedürftig anzusehen (vgl. BVerfG, B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 − BVerfGE 151, 173 = juris Rn. 33 f.; vgl. auch Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 36 ff. m.w.N.). Entscheidend sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung über den Zulassungsantrag (vgl. Happ in Eyermann, a.a.O., § 124a Rn. 81 f.).
Die von Klägerseite formulierten Fragen,
1. ob die landesweite Verwendung der im „Musterbescheid Spielhallen“ des Staatsministeriums des Innern Bayern vom 16. Dezember 2016 enthaltene Begründung der darin enthaltenen Befristungsentscheidung zur Begründung der Befristung von Spielhallenerlaubnissen zum 30. Juni 2021 grundsätzlich ohne weiteres Eingehen auf die Besonderheiten des Einzelfalls (wie z.B. den Zeitpunkt der Erlaubnisantragstellung oder Kosten der Betriebsgründung) genügt,
2. ob Spielhallenerlaubnisse gemäß dem aktuellen Regelungsgehalt des AGGlüStV Bayern in Bayern unabhängig vom Zeitpunkt der Bescheidung grundsätzlich maximal bis zum 30. Juni 2021 zu befristen sind,“
weisen weder einen grundsätzlichen Klärungsbedarf auf, der die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordert, noch sind sie allgemein klärungsfähig.
Wie bereits ausgeführt ist jedenfalls im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung aufgrund der ständigen Verwaltungspraxis des Beklagten nunmehr von einer Selbstbindung der Verwaltung auszugehen (Art. 3 Abs. 1 GG), die er auch mit Blick auf eine mögliche Ausschlusswirkung bestandskräftiger Spielhallenerlaubnisse mit längerer Laufzeit zu Lasten von Mitbewerbern zu beachten hat, sofern nicht im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, die ein Abweichen hiervon rechtfertigen bzw. erfordern. Ob letzteres der Fall ist, ist aber gerade eine Frage des Einzelfalls und einer allgemeinen Klärung nicht zugänglich. Hiervon abgesehen wird ein grundsätzlicher Klärungsbedarf der aufgeworfenen, sich ausschließlich auf bayerisches Landesrecht beziehenden Fragen nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO entsprechend aufgezeigt, weil das Zulassungsvorbringen nicht darlegt, dass hinsichtlich dieser Fragen eine Rechtsunsicherheit aufgrund divergierender Entscheidungen bayerischer Verwaltungsgerichte besteht, welche im Interesse der Rechtseinheit klärungsbedürftig ist. Die Darlegung eines gewichtigen Individualinteresses begründet keine grundsätzliche Bedeutung, sondern wird von den Zulassungsgründen des § 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 VwGO hinreichend erfasst. Im Übrigen besteht im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auch keine grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragen, da sie auslaufendes Recht betreffen und vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich ist, dass noch eine Vielzahl von Fällen hiervon betroffen ist (Happ in Eyermann, a.a.O., § 124 VwGO Rn. 38). Schließlich zeigt auch der schlichte Verweis auf bereits in erster Instanz entschiedene und beim Senat anhängige Gerichtsverfahren, die ebenfalls die Befristung glücksspielrechtlicher Erlaubnisse für Spielhallen zum Gegenstand haben, keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf einer allgemein klärungsfähigen Rechts- oder Tatsachenfrage auf.
1.3. Soweit die Klägerin mit ihrem Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe in dem ergangenen Urteil dem Sach- und Rechtsvortrag der Klägerin in deren Klagebegründungsschriftsatz keine Beachtung beigemessen und die sich nach dem Vortrag der Klägerin aufdrängende Prüfung des Ermessensnichtgebrauchs sei unzureichend bzw. nicht erkennbar erfolgt, auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 138 Nr. 3 VwGO) sowie einen Begründungsmangel (§ 138 Nr. 6 VwGO) geltend macht, sind diese Verfahrensmängel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) nicht dargelegt bzw. liegen nicht vor.
a) Das prozessuale Grundrecht auf rechtliches Gehör, das verfassungsrechtlich in Art. 103 Abs. 1 GG und Art. 91 Abs. 1 BV sowie einfachgesetzlich in § 108 Abs. 2 VwGO garantiert ist, sichert den Beteiligten ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung, so dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können. Es soll insbesondere gewährleisten, dass die Beteiligten mit ihren Ausführungen und Anträgen vor Gericht gehört werden. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs hat eine zweifache Ausprägung: Zum einen gibt es den Beteiligten Anspruch darauf, dass rechtzeitiges und möglicherweise erhebliches Vorbringen vom Gericht zur Kenntnis genommen und bei der Entscheidung in Erwägung gezogen wird, soweit es aus verfahrens- oder materiell-rechtlichen Gründen nicht ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben muss oder kann. Zum anderen untersagt es dem Gericht, der Entscheidung Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde zu legen, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten (vgl. BayVGH, B.v. 9.8.2018 – 8 ZB 18.31801 – juris Rn. 12 m.w.N.).
Das rechtliche Gehör ist allerdings erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist, weil es Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder es bei seiner Entscheidung nicht erwogen hat. Grundsätzlich ist deshalb davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Das Gericht ist auch nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen.
Das Gericht muss die Parteien auch nicht vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung ihres Vortrags hinweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung ergibt. Eine unzulässige Überraschungsentscheidung liegt nur dann vor, wenn es einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage der Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte. Aus dem Prozessgrundrecht des Art. 103 Abs. 1 GG folgt dagegen keine allgemeine Frage-, Hinweis und Aufklärungspflicht des Gerichts.
b) Eine Entscheidung ist dann im Sinne von § 138 Nr. 6 VwGO nicht mit Gründen versehen, wenn die Begründung überhaupt nicht vorliegt oder zu wesentlichen Streitpunkten unterblieben ist. Letzteres ist der Fall, wenn die Gründe in sich gänzlich lückenhaft sind, namentlich weil einzelne Streitgegenstände oder Streitgegenstandsteile vollständig übergangen sind, aber wiederum nicht bereits dann, wenn lediglich einzelne Tatumstände oder Anspruchselemente unerwähnt geblieben sind oder wenn sich eine hinreichende Begründung aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe erschließen lässt (vgl. BVerwG, B.v. 5.6.1998 – 9 B 412.98 – juris Rn. 5 a.E.).
c) Gemessen hieran sind die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht dargelegt und liegen auch nicht vor. Aus den Urteilsgründen ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht das Vorbringen im Klagebegründungsschriftsatz zum Vorliegen eines Ermessensausfalls sowie besonderer wirtschaftlicher Umstände tatsächlich zur Kenntnis genommen und gewürdigt hat (Tatbestand S. 5; Entscheidungsgründe S. 9 f), so dass davon auszugehen ist, dass eine Auseinandersetzung mit diesem Vortrag auch gerade im Kontext des Vorliegens von Ermessensfehlern stattgefunden hat. Wie bereits ausgeführt ist es weder im Hinblick auf den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs noch auf die Begründungspflicht erforderlich, dass das Gericht in den Entscheidungsgründen auf alle Einzelheiten des Parteivortrags explizit eingeht, wenn – wie hier – erkennbar ist, dass das Vorbringen zur Kenntnis genommen wurde und sich aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe eine hinreichende Begründung zu den für die Entscheidung wesentlichen Punkten entnehmen lässt.
Soweit von Klägerseite geltend gemacht wird, die Frist zu einer etwaigen Stellungnahme der Klägerin auf einen möglichen Schriftsatz des Beklagten in einem Hauptsacheverfahren sei extrem kurz bemessen gewesen, geht dieser Einwand bereits deshalb fehl, weil sich eine Erwiderung des Beklagten auf den Klagebegründungsschriftsatz vom 13. Dezember 2019 in den Akten nicht findet und die Klägerin auch keinen Anspruch auf eine Klageerwiderung seitens des Beklagten hat.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
3. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 54.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ-Beilage 2013, 58, 68).
Soweit nichts anderes bestimmt ist, ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Das Begehren, eine unbefristete Erlaubnis zu erhalten, entspricht für die Zeit nach Ablauf der angegriffenen Befristung der Sache nach dem Verlangen nach einer Neuerteilung einer Erlaubnis. Deshalb zieht der Senat in Orientierung an der Empfehlung in Nr. 54.1 des Streitwertkatalogs pro Spielhalle den dort genannten Mindestbetrag für den Jahresgewinn von 15.000,00 EUR als Grundlage der Wertfestsetzung heran (vgl. OVG NW, B.v. 25.2.2021 – 4 A 4451/19 – juris Rn. 26 f.; B.v. 28.9.2020 ‒ 4 A 973/20 ‒ juris Rn. 24 f., m. w. N.; B.v. 30.4.2021 – 4 A 2781/20 – juris Rn. 22).
Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Streitwertfestsetzung wird von Amts wegen geändert (§ 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG). Diese Befugnis besteht ungeachtet der im Zulassungsantrag vorgenommenen Beschränkung des Streitgegenstands. Für die Zuständigkeit des Rechtsmittelgerichts reicht es aus, dass das Verfahren wegen eines Teils der Hauptsache in der Rechtsmittelinstanz anhängig geworden ist (vgl. VGH BW, B.v. 26.5.2020 – 11 S 2543/19 – juris Rn. 7; HessVGH, B.v. 13.8.1986 – 3 TH 2033/86 -, AnwBl 1988, 179 ; Dörndorfer in Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 4. Aufl. 2019, § 63 Rn. 10; Jäckel in BeckOK KostR, Stand: 1.3.2020, § 63 GKG Rn. 25). Die Anfechtung von Nebenbestimmungen auch der gewerblichen Erlaubnis in erster Instanz ist nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen (§ 45 Abs. 1 Satz 2 und 3 GKG). Denn die gewerberechtliche Erlaubnis und die glücksspielrechtliche Erlaubnis für den Betrieb derselben Spielhalle betreffen wirtschaftlich denselben Gegenstand, nämlich die Zulässigkeit des Betriebs der jeweiligen Spielhalle durch den jeweiligen Betreiber unter ordnungsrechtlichen Gesichtspunkten und das darauf bezogene Gewinnerzielungsinteresse des Betreibers (vgl. OVG NW, B.v. 3.4.2018 – 4 B 66/18 – juris Rn. 6 bis 8).
4. Mit dieser Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts nach § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO rechtskräftig.


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