Europarecht

Beihilfefähigkeit eines Solarparks

Aktenzeichen  RO 5 K 17.1331

Datum:
15.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 35338
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
DirektZahlDurchV § 12 Abs. 3 Nr. 6
VO (EU) Nr. 1307/2012 Art. 24 Abs. 1, Art. 24 Abs. 2, Art. 32 Abs. 3 lit. a, Art. 32 Abs. 3 lit. b
VO (EU) Nr. 1305/2013 Art. 31 Abs.
VO (EU) Nr. 1307/2033 Art. 4 lit. c

 

Leitsatz

1 Die Beihilfefähigkeit einer Fläche hängt allein von ihrer tatsächlichen Nutzung (auch) als landwirtschaftliche Fläche ab. Dass landwirtschaftlich genutzte Flächen auch anderen Zwecken, nämlich dem gewerblichen Betrieb eines Solarparks dienen, führt nicht dazu, dass die Flächen ihre Eigenschaft als „beihilfefähige Flächen“ verlieren. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
2 Für den Fall sich überlagernder Nutzungen ist zu prüfen, ob die zur Energiegewinnung durch Solarmodule gehörenden Maßnahmen die landwirtschaftliche Tätigkeit durch ihre Intensität, Art, Dauer oder ihren Zeitpunkt stark einschränken. Im Rahmen dieser Beurteilung sind sämtliche tatsächliche Gegebenheiten der verschiedenen Nutzungen der in Rede stehenden Flächen zu berücksichtigen. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger bezüglich des Feldstücks 180 für eine Fläche von 3,82 ha und bezüglich des Feldstücks 181 für eine Fläche von 11 ha die mit Mehrfachantrag vom 13.04.2015 beantragten Zahlungsansprüche zuzuweisen und Direktzahlungen für das Jahr 2015 zu gewähren. Der Bescheid vom 14.11.2016 des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten N … in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 04.10.2017 der Staatlichen Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wird aufgehoben, soweit sie dieser Verpflichtung entgegenstehen.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Berufung gegen das Urteil wird zugelassen.

Gründe

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, da die Parteien damit einverstanden waren (§ 101 Abs. 2 VwGO).
1. Die Klage ist als Versagungsgegenklage zulässig und begründet (§ 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung). Der Kläger hat einen Anspruch auf Direktzahlungsansprüche und Aktivierung der beantragten Zahlungsansprüche (auch) mit der westlichen Teilfläche des Feldstücks 180 und dem Feldstück 181, beim Feldstück 180 in einer Größe von 3,82 ha, beim Feldstück 181 in einer Größe von 11 ha. Der Klageantrag umfasst bei sinngemäßer Auslegung auch die Aktivierung des Zahlungsanspruchs, da ohne Aktivierung der Zahlungsansprüche der Kläger keinen Anspruch auf Direktzahlungen hat.
Die angefochtenen Bescheide der Ausgangsbehörde in Gestalt des Widerspruchsbescheids, der auch den Bescheid vom 16.09.2016 auf Aktvierung von Zahlungsansprüchen einschließt, ist rechtswidrig, soweit er dies verneint. Sie waren deshalb insoweit aufzuheben.
2. Die Klage ist begründet.
Bei den streitgegenständlichen Flächen handelt es sich um beihilfefähige landwirtschaftliche Flächen, die zum landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers zum Stichtag 15.5.2015 gehören (Art. 32 Abs. 2, Art. 24 Abs. 1 u. 2 VO (EU) Nr. 1307/213, Art. 31 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1305/2013 und § 10 DirektZahlDurchV).
2.1 Die streitgegenständlichen Flächen in den beiden Solarparks stellen beihilfefähige, landwirtschaftlich genutzte Flächen dar. Eine beihilfefähige Fläche nach Art. 32 Abs. 2 VO (EU) Nr.1307/2013 ist jede landwirtschaftliche Fläche, die zumindest hauptsächlich für eine landwirtschaftliche Tätigkeit genutzt wird und zum Betrieb des Klägers gehört, wozu eine hinreichende Selbstständigkeit bei der Bewirtschaftung erforderlich ist. Voraussetzungen einer beihilfefähigen Fläche sind somit das Vorliegen einer landwirtschaftlichen Fläche, deren Nutzung für landwirtschaftliche Tätigkeiten oder bei Nutzung der Fläche auch für nicht landwirtschaftliche Tätigkeiten, deren hauptsächliche Nutzung für landwirtschaftliche Tätigkeiten, sowie die Zugehörigkeit der Fläche zum Betrieb des Betriebsinhabers.
Nach der Definition des Art. 4 Buchst. e der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 ist eine landwirtschaftliche Fläche jede Fläche, die als Ackerland, Dauergrünland und Dauer Weideland oder mit Dauerkulturen genutzt wird.
Bei den streitigen Flächen handelt es sich um landwirtschaftliche Flächen.
Die Flächen werden als Dauergrünland genutzt. Nach der Begriffsbestimmung in Art. 4 Buchst. h der VO (EU) Nr. 1307/2013 sind „Dauergrünland“ Flächen, die durch Einsaat oder auf natürliche Weise (Selbstaussaat) zum Anbau von Gras oder anderen Grünfutterpflanzen genutzt werden und mindestens fünf Jahre lang nicht Bestandteil der Fruchtfolge des landwirtschaftlichen Betriebs waren; „Gras“ oder andere „Grünfutterpflanzen“ sind alle Grünpflanzen, die herkömmlicherweise in natürlichem Grünland anzutreffen oder normalerweise Teil von Saatgutmischungen für Grünland oder Wiesen in einem Mitgliedsstaat sind, unabhängig davon, ob die Flächen als Viehweiden genutzt werden. Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die auf den betroffenen Flächen neben und unter den Solarmodulen vorhandene Vegetation einer herkömmlichen Grünlandnutzung entspricht.
Auf den Flächen übt der Kläger auch eine landwirtschaftliche Tätigkeit aus. Nach Art. 4 Buchst. c lit. i) VO (EU) Nr. 1307/2033 bezeichnet der Ausdruck „landwirtschaftliche Tätigkeit“ die Erzeugung, die Zucht oder den Anbau landwirtschaftlicher Erzeugnisse, einschließlich Ernten, Melken, Zucht von Tieren und Haltung von Tieren für landwirtschaftliche Zwecke. Die Beweidung dient der Schafhaltung des Klägers, auf der Fläche werden landwirtschaftliche Erzeugnisse in Form von Grünfutter gewonnen.
Die Beihilfefähigkeit der Fläche hängt allein von ihrer tatsächlichen Nutzung (auch) als landwirtschaftliche Fläche ab (vgl. EuGH, U. v. 14.10.2010 – Rs. C-61/09 und EuGH,Urt. vom 2.7.2015 „Demmer“ C -684/13 – juris Rn. 56). Dass die vom Kläger landwirtschaftlich genutzten Flächen auch anderen Zwecken, nämlich dem gewerblichen Betrieb eines Solarparks dienen, führt nicht dazu, dass die Flächen ihre Eigenschaft als „beihilfefähige Flächen“ verlieren.
2.2 Für den Fall sich überlagernder Nutzungen ist in Art. 32 Abs. 3 lit. a) VO (EU) Nr. 1307/2013 geregelt: „Wird die landwirtschaftliche Fläche eines Betriebes auch für nichtlandwirtschaftliche Tätigkeiten genutzt, so gilt diese Fläche als hauptsächlich für eine landwirtschaftliche Tätigkeit genutzte Fläche, wenn die landwirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt werden kann, ohne durch die Intensität, Art, Dauer oder den Zeitpunkt der nicht landwirtschaftlichen Tätigkeiten stark eingeschränkt zu sein.“ Dies ist zwischenzeitlich auch durch § 12 Abs. 1 DirektZahlDurchV in nationales Recht umgesetzt. Es ist somit zu prüfen, ob die zur Energiegewinnung durch Solarmodule gehörenden Maßnahmen die landwirtschaftliche Tätigkeit des Klägers in Form der Schafbeweidung durch ihre Intensität, Art, Dauer oder ihren Zeitpunkt stark einschränken. Im Rahmen dieser Beurteilung sind sämtliche tatsächliche Gegebenheiten der verschiedenen Nutzungen der in Rede stehenden Flächen zu berücksichtigen. Eine starke Einschränkung für die auf diesen Flächen ausgeübte landwirtschaftliche Tätigkeit wäre festzustellen, wenn für den betreffenden Betriebsinhaber tatsächliche- und nicht unerheblicheSchwierigkeiten oder Hindernisse bei der Ausübung der landwirtschaftlichen Tätigkeit bestehen, weil parallel eine anderweitige Tätigkeit ausgeübt wird (so Bayer. Verwaltungsgerichtshof München vom 19.04.2016, Az. 21B 15.2391 Rn. 42, juris, mit Hinweis auf EuGH, Urt. vom 2.7.2015 „Demmer“ C -684/13 Rn. 70). Dabei sind die objektiven Merkmale der Fläche und der Tätigkeit entscheidend für die Beurteilung der Frage, ob eine Fläche als für eine landwirtschaftliche Tätigkeit genutzte Fläche gelten kann oder ob die nichtlandwirtschaftlichen Tätigkeiten die landwirtschaftlichen stärker einschränken. Entgegen der Auffassung der Beklagtenseiten kommt es nicht auf den Haupt- bzw. Nebenzweck an, dem die Tätigkeiten auf den streitigen Flächen zugeordnet sind, sondern auf die tatsächliche Beeinträchtigung an (so Bayer. Verwaltungsgerichtshof München vom 19.04.2016, Az. 21 B 15.2391 Rn. 42, juris). Vorliegend hat der Kläger dargelegt und dies ergibt sich auch aus dem von der Beklagten vorgelegten Fotos, dass die Beweidung der Grünflächen unter und neben den Solarmodulen durch die Schafe tatsächlich möglich ist und seit Jahren ohne Probleme durchgeführt wird. Die Flächen werden, wie sich auch aus den Fotos ergibt, von den Schafen sehr sauber abgegrast, sodass nur in geringen Umfang Pflegemaßnahmen notwendig sind, zum Beispiel werden vereinzelt unter den Solarmodulen vorhandene Verkrustungen mit dem Balkenmäher abgemäht. Das Mähen sei wegen der waagrechten Stellung der Module während der Mittagszeit ohne weiteres möglich.
Das Gericht hat nach Aktenlage die Überzeugung gewonnen, dass die streitgegenständlichen Flächen in den Solarparks vom Kläger tatsächlich landwirtschaftlich genutzt werden und der Kläger dazu auch die zivilrechtliche Berechtigung hat. Der Kläger hat im gerichtlichen Verfahren nachvollziehbar und glaubhaft dargelegt, dass er im Rahmen seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit weder durch die Intensität noch durch Art, Dauer und Zeitpunkt einer gewerblichen Nutzung der streitgegenständlichen Flächen durch die Solaranlage nennenswert oder stark eingeschränkt ist (so auch VG Regensburg vom 11.12.2013, Az. RO 7 K 12.1842).
Die Frage, wie eine Nutzungskonkurrenz aufzulösen ist, ist – wie oben ausgeführt – durch Art. 34 Abs. 3 lit. a) VO (EU) Nr. 1307/ 2013 geregelt. Aus dieser Neuregelung ergibt sich, dass der europäische Gesetzgeber – wie bereits bei der Vorgängerregelung des Art. 9 UA 1 VO (EG) Nr. 1120/2009 – grundsätzlich davon ausgeht, dass weitere Nutzungen die Beihilfefähigkeit nicht beseitigen. Der Begriff der „hauptsächlichen Nutzung“ wurde in der früheren Regelung durch Art. 9 UA 1 VO (EG) Nr. 1120/2009 näher bestimmt. Danach lagen die Voraussetzungen der Förderfähigkeit vor, wenn die landwirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt werden kann, ohne durch die Intensität, Art, Dauer oder den Zeitpunkt der nichtlandwirtschaftlichen Tätigkeit stark eingeschränkt zu sein. Die zulässigen weiteren Nutzungen sind auch nicht auf eine Nutzung entsprechend den Zielen der europäischen Agrarpolitik eingeschränkt.
Vorliegend schränkt nach der Beschreibung der Nutzung in der Klagebegründung weder der Nutzungsvertrag noch die gleichzeitige gewerbliche Nutzung des Grundstücks die landwirtschaftliche Tätigkeit ein. Es ist nachvollziehbar, dass die sich auf dem Grundstück befindlichen Solarmodule die tierschutzgerechte Beweidung nicht hindern, sondern als Wetterschutz für die Schafe dieser sogar förderlich sind. Insbesondere zeigen die vorgelegten Fotos der Fläche, dass unter den Solarmodulen Vegetation vorhanden ist und Schafe sich dort unproblematisch aufhalten können. Wie sich aus den Feststellungen im Urteil des VG Regensburg vom 11.12.2013, Az. RO 7 K 12.1842, ergibt, kann der Kläger die Flächen jederzeit für Weidezwecke nutzen. Er hat dargelegt, dass auf den Flächen dauerhaft für mehrere Monate Schafe gehalten werden. Für den Zugang zu den Schafen oder für einen von ihm in eigener Verantwortung zu entscheidenden Umtrieb hat er einen Schlüssel zur Umzäunung des Geländes und auch Zugang zu der vorhandenen Alarmanlage. Ebenso hat der Kläger nachvollziehbar ausgeführt, dass nur selten vorkommende Wartungsarbeiten an den Modulen durch die Schafe nicht behindert werden und umgekehrt wegen der Ausweichmöglichkeit auf der Fläche solche Arbeiten auch die Tiere nicht beeinträchtigen. Die nach den Angaben des Klägers mündlich vereinbarte maximale Wuchshöhe der Vegetation von 60 cm stellt keine Einschränkung dar, die einen wesentlichen Unterschied zu einer sonst üblichen Wiesen- und Weidenutzung begründen würde. Im Ergebnis ist festzustellen, dass keine Einschränkungen bestehen, die die Entscheidungsfreiheit des Klägers hinsichtlich der landwirtschaftlichen Betätigung derart einschränken würden, dass nicht mehr von einer eigenverantwortlichen Tätigkeit ausgegangen werden kann.
Soweit die Beklagtenseite darauf hingewiesen hat, dass bereits die gewerbliche Tätigkeit auf den Flächen in erheblichem Umfang staatlich gefördert wird, ist festzustellen, dass es in den maßgebenden Beihilfevorschriften keine Vorschrift gibt, die die Gewährung der Betriebsprämie davon abhängig macht, dass die betroffenen Flächen nicht bereits anderweitig gefördert werden.
2.3 Die Förderfähigkeit der streitgegenständlichen Flächen ist nicht durch § 12 Abs. 3 Nr. 6 DirektZahlDurchV ausgeschlossen. Danach werden
„Unbeschadet dessen, ob eine Flächen eine landwirtschaftliche Fläche ist, insbesondere folgende Flächen hauptsächlich für eine nichtlandwirtschaftliche Tätigkeit genutzt:
6. Flächen, auf denen sich Anlagen zur Nutzung von solarer Strahlungsenergie befinden“.
Diese nationale Regelung überschreitet die Ermächtigung des Art. 32 Abs. 3 lit. b) VO (EU) Nr. 1307/2013. Danach „können die Mitgliedstaaten ein Verzeichnis der Flächen erstellen, die hauptsächlich für nichtlandwirtschaftliche Tätigkeiten genutzt werden.“ Aus dem Zusammenhang mit Art. 32 Abs. 3 lit. a) ergibt sich aber, dass in diesem Verzeichnis nicht Flächen aufgenommen werden dürfen, die nach den Kriterien des Art. 32 Abs. 3 lit. a) VO (EU) Nr. 1307/2013 als hauptsächlich für eine landwirtschaftliche Tätigkeit genutzte Flächen angesehen werden müssen. Die Kriterien hat der EuGH in seiner Rechtsprechung (s.o.) mehrmals konkretisiert und betont, dass es auf die tatsächliche Nutzung ankommt. Von diesen Kriterien, nämlich, ob auf einer landwirtschaftlichen Fläche die landwirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt werden kann, ohne durch die Intensität, Art, Dauer oder den Zeitpunkt der nichtlandwirtschaftlichen Tätigkeit stark eingeschränkt zu sein, dürfen die Mitgliedstaaten bei der Aufstellung von Kriterien nach Art. 32 Abs. 3 Untersatz 2 VO (EU) Nr. 1307/2013 und eines Verzeichnisses von Flächen nach Art. 32 Abs. 3 lit. b) VO (EU) Nr. 1307/2013, die hauptsächlich für nichtlandwirtschaftliche Tätigkeiten genutzt werden, nicht abweichen. Die davon abweichende Regelungen in § 12 Abs. 3 Nr. 6 DirektzahlDurchV ist mit EU-Recht nicht vereinbar (vgl. so wohl auch OVG Lüneburg vom 21.3.2017 – 10LB 81/16 Rn. 25, juris). Soweit den Mitgliedstaaten in Art. 32 lit. b) der genannten Verordnung anheimgestellt wird, ein Verzeichnis der Flächen zu erstellen, die hauptsächlich für nichtlandwirtschaftliche Tätigkeiten genutzt werden, liegt darin keine Ermächtigung für eine nationale Abweichung von den Vorgaben des Abs. 3 lit. a) der Verordnung. Vielmehr geht es hier nur um eine Zusammenstellung von Flächen bzw. möglicherweise auch Typisierungen von Flächen, die nach den Kriterien der EU-Verordnung und der EuGH-Rechtsprechung hauptsächlich für nichtlandwirtschaftliche Tätigkeiten genutzt werden. Durch Art. 32 Abs. 3 lit. a) VO (EU) Nr. 1307/2013 werden Flächen, die hauptsächlich für nichtlandwirtschaftliche Tätigkeiten genutzt werden, dadurch definiert, dass auf diesen landwirtschaftlichen Fläche die landwirtschaftliche Tätigkeit durch die Intensität, Art, Dauer oder den Zeitpunkt der nichtlandwirtschaftlichen Tätigkeit stark eingeschränkt ist. Dementsprechend stellen die in § 12 Abs. 2 der DirektZahlDurchV genannten Maßstäbe eine zulässige Konkretisierung für eine starke Einschränkung der landwirtschaftlichen Tätigkeit dar. Soweit allerdings § 12 Abs. 3 Nr. 6 DirektZahlDurchV einen pauschalen Flächenausschluss vorsieht, – und zwar nach dem Wortlaut ausdrücklich „ungeachtet dessen, ob eine Fläche eine landwirtschaftliche Fläche ist“ – steht dies mit den Vorgaben des Art. 32 Abs. 3 lit. a) VO (EU) Nr. 1307/2013 nicht im Einklang. Nach wie vor gültig sind insoweit die Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 21.4.2016 (Az.21 B 15.2391 Rn. 51 juris) entsprechend. Der nationale Verordnungsgeber hätte an den vom Unionsgesetzgeber für den Fall überlagernder Nutzungen getroffenen Regelungen und Begriffsdefinitionen ausgerichtet ein Verzeichnis von Flächen erstellen können, auf denen eine starke Einschränkung der landwirtschaftlichen Tätigkeit hier einer Beweidung durch Schafe unter den aufgeständerten Solarmodulen gegeben ist und dies auch fachlich darlegen müssen.
In Solarparks gibt es Flächen, in denen tatsächlich die landwirtschaftliche Tätigkeit stark eingeschränkt ist, zum Beispiel auf mit Beton versiegelten Flächen, oder auf Flächen unter den Solarmodulen, die nur in so geringer Geländehöhe aufgeständert sind, dass eine Beweidung oder auch landwirtschaftliche Pflegemaßnahmen nicht oder nur stark eingeschränkt möglich ist bzw. sind. Ein pauschaler Ausschluss von Solarflächen ist aber nicht möglich. Dies lässt sich rechtlich und fachlich nicht vertreten und nicht mit Art. 32 Abs. 3 lit. a) VO (EU) Nr.1307/2013 vereinbaren. Von diesen Kriterien darf der nationale Verordnungsgeber nicht abweichen. Aus dem Erwägungsgrund 26 der oben genannten Verordnung ergibt sich, dass „grundsätzlich jede landwirtschaftliche Fläche des Betriebes, die für eine landwirtschaftliche Tätigkeit genutzt wird, für die Inanspruchnahme der Basisprämie infrage kommen sollte. Angesichts des Potenzials nichtlandwirtschaftliche Tätigkeiten zur Diversifizierung der Einkünfte landwirtschaftliche Betriebe und zur Vitalität ländlicher Gebiete beizutragen, gilt eine landwirtschaftliche Fläche eines Betriebes, die auch für nichtlandwirtschaftliche Tätigkeiten genutzt wird, als beihilfefähig, vorausgesetzt, sie wird hauptsächlich für landwirtschaftliche Tätigkeiten genutzt. Zur Bewertung dieser hauptsächlichen Nutzung sollten gemeinsame Kriterien für alle Mitgliedstaaten festgelegt werden. Vor diesem Hintergrund und um eine gezieltere Vergabe von Direktzahlungen zu erreichen, sollten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, im Interesse der Rechtssicherheit und der Klarheit ein Verzeichnis der Flächen zu erstellen, die hauptsächlich für nichtlandwirtschaftliche Tätigkeiten genutzt werden und daher nicht beihilfefähig sind.“
Wie oben ausgeführt, werden Flächen, die hauptsächlich für nichtlandwirtschaftliche Tätigkeiten genutzt werden, durch Art. 32 Abs. 3 lit. a) VO (EU) Nr. 1307/2013 dadurch definiert, dass auf diesen landwirtschaftlichen Flächen die landwirtschaftliche Tätigkeit durch die Intensität, Art, Dauer oder den Zeitpunkt der nichtlandwirtschaftlichen Tätigkeit stark eingeschränkt ist. Deshalb muss ein Verzeichnis der Flächen, die hauptsächlich für nichtlandwirtschaftliche Tätigkeiten genutzt werden, diese Voraussetzungen erfüllen. Aus dem Erwägungsgrund 26 lässt sich keine Abweichungskompetenz der Mitgliedstaaten ableiten, sondern die Erwägungsgründe verwenden die Begriffe „landwirtschaftliche Fläche“, „die auch für nichtlandwirtschaftliche Tätigkeiten genutzt werden“ und die Begriffe „hauptsächlich für landwirtschaftliche Tätigkeiten genutzt werden“. Damit nimmt dieser Erwägungsgrund klar Bezug auf Art. 32 Abs. 3 lit. a) VO (EU) Nr.1307/2013 und verleiht keine Abweichungskompetenz, sondern spricht von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Regelungen zur Rechtssicherheit und Rechtsklarheit können aber nur die vorgegebenen Definitionen in Art. 32 Abs. 3 lit. a) VO (EU) Nr. 1307/2013 ausfüllen und konkretisieren, berechtigten aber nicht, von diesen Definitionen abweichende Flächenverzeichnisse zu erstellen. Den Mitgliedstaaten ist angesichts des Erwägungsgrund Nummer 26 aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit nur die Möglichkeit eingeräumt, für ihre jeweiligen Gebiete mit den jeweiligen Besonderheiten ein Verzeichnis zu erstellen, das auf der Anwendung der unionsrechtlichen Vorgaben beruht, sodass die Erfassung oder der Ausschluss der betreffenden Flächen auf einer Subsumtion unter Art. 32 Abs. 3 lit. a) VO (EU) Nr. 1307/2013 beruhen muss, nicht aber auf einer nationalen Sonderregelung in Abweichung von eben diesen unionsrechtlichen Kriterien. Ein allgemeiner Verweis auf die bisherigen Erfahrungen einer Nutzungskonkurrenz von Solarpark und Schafbeweidung, die zu dem nicht näher fachlich belegt werden können, zur konkreten Frage der starken Einschränkungen der vom Kläger ausgeübten landwirtschaftlichen Tätigkeit durch die Solarparknutzung genügt ebenso nicht, wie der Hinweis des Beklagten, dass für solche Flächen früher keine Förderanträge gestellt worden seien. Dies ist kein rechtlicher oder sachlicher Grund, da der Beklagte in seiner früheren Verwaltungspraxis die Förderfähigkeit solcher Flächen nicht anerkannte und deshalb die die meisten Landwirte wohl dafür keine Förderanträge stellten. Nur wenige Landwirte erstritten sich – wie der Kläger – in langen verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Förderung.
Die in § 12 Abs. 3 Nr. 6 DirektZahlDurchV von Art. 32 Abs. 3 lit. a) VO (EU) Nr.1307/2013 abweichende Regelung ist somit mit EU-Recht nicht vereinbar. Aufgrund des Anwendungsvorrang des EU-Rechts kommt diese nationale Regelung deshalb nicht zur Anwendung. Alle Behörden und sämtliche nationalen Gerichte müssen den Anwendungsvorrang einer EU-Verordnung, die unmittelbar gilt, beachten. Das Verwaltungsgericht muss deshalb diese Frage nicht dem EuGH vorlegen. Der EuGH leitet den Vorrang des Unionsrechts aus der notwendigen Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Unionsrechts ab. Nach der sogenannten Simmenthal-II-Entscheidung ist jedes angerufenes Gericht verpflichtet, das Gemeinschaftsrecht uneingeschränkt anzuwenden und die Rechte, die es dem Einzelnen verleiht, zu schützen, indem es jede möglicherweise entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts, gleichgültig, ob sie früher oder später als die Gemeinschaftsnorm ergangen ist, unangewendet lässt (so EuGH vom 9.3.1978, Rs. 106/77 Simmenthal, Slg 1978, 629, NJW 1978, 1741). Das Bundesverfassungsgericht leitet den Anwendungsvorrang des Unionsrechts aus dem innerstaatlichen Zustimmungsgesetzen ab. Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG enthalte einen entsprechenden Rechtsanwendungsbefehl, aus dem sich Kraft nationalen Verfassungsrechts ein Anwendungsvorrang des unmittelbar anwendbaren Unionsrechts ergibt (vgl. BVerfG vom 21.6.2016 Az. 2 BvE 13/13 Rn.118 m.w.N.,juris).
Somit war der Klage stattzugeben.
Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Gründe für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht liegen vor (§ 124a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), da die Frage, ob § 12 Abs. 3 Nr.6 DirektZahlDurchV wegen des Anwendungsvorrangs des EU-Rechts unangewendet bleiben muss, von grundsätzlicher Bedeutung ist.

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