Europarecht

Cannabidiol-Extrakt, neuartiges Lebensmittel, Veröffentlichung

Aktenzeichen  20 CE 21.2982

Datum:
3.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 8225
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VO (EG) Nr. 178/2002 Art. 2 S. 1
VO (EU) 2015/2283 Art. 3 Abs. 2 Buchst. a)
LFGB § 40 Abs. 1a S. 1 Nr. 2
VwGO § 123

 

Leitsatz

Verfahrensgang

W 8 E 21.1399 2021-11-16 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Unter Änderung von Ziff. III des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 16. November 2021 wird der Streitwert für beide Instanzen auf jeweils 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

1. Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer Sicherungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO ohne Rechtsfehler abgelehnt. Die von der Antragstellerin zur Begründung ihrer Beschwerde dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO im Grundsatz beschränkt ist, rechtfertigen nicht den Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Die Antragstellerin hat auch mit ihrer Beschwerde keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, da die vom Antragsgegner beabsichtigte Veröffentlichung voraussichtlich von § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 LFGB gedeckt ist. Insoweit wird zunächst Bezug genommen auf die zutreffenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts (B.v. 16.11.2021 – W 8 E 21.1399 – juris Rn. 22 ff.), die sich der Senat zu eigen macht (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
a) Soweit die Antragstellerin mit der Beschwerde erneut einwendet, bei dem streitgegenständlichen Produkt handele es sich nicht um ein Lebensmittel i.S.d. Art. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 178/2002, verfängt ihre Argumentation nicht. Lebensmittel sind „alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden“. Das ist nach der Vertriebsform, optischen Aufmachung und Beschreibung des Produkts hier der Fall, ohne dass es noch auf dessen Bewerbung auf einer Online-Plattform ankommt; auf die Begründung des angegriffenen Beschlusses (a.a.O. Rn. 26 ff.) und auf den Senatsbeschluss vom 12. August 2021 (20 CS 21.688 – juris Rn. 6) wird ergänzend verwiesen. Der Beschwerdevortrag, es handele sich um ein gerade nicht zum Verzehr durch Menschen bestimmtes „Fun-Produkt“, führt zu keiner abweichenden Beurteilung: Selbst wenn für das streitgegenständliche Produkt (auch) eine „scherzhafte“ Zweckbestimmung erkennbar wäre, änderte diese nichts an der Lebensmitteleigenschaft, da nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass das Produkt von Menschen aufgenommen wird (vgl. bereits BayVGH, B.v. 25.10.2021 – 20 CS 20.3147 – BeckRS 2021, 43863 Rn. 5; vgl. auch Rathke in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand 11/2019, Art. 2 VO (EG) 178/2002 Rn. 31 f.). Vorbehaltlich einer evtl. denkbaren, aber von den Beteiligten bislang nicht erörterten und im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nicht hinreichend absehbaren Einordnung als Arzneimittel (vgl. Art. 2 Satz 2 Buchst. d VO (EG) Nr. 178/2002) ist bei dem streitgegenständlichen Produkt somit von der Lebensmitteleigenschaft auszugehen.
b) Soweit die Beschwerde in Abrede stellt, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Produkt um ein neuartiges Lebensmittel i.S.d. Art. 3 Abs. 2 Buchst. a) VO (EU) 2015/2283 handele, folgt der Senat dieser Auffassung nicht. Nach dem Analyseergebnis des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) vom 6. September 2021, gegen dessen inhaltliche Richtigkeit keine durchgreifenden Einwendungen erkennbar sind, weist das streitgegenständliche Produkt einen Cannabidiol- (CBD) Gehalt von 70,3 g/kg bzw. von etwa 7% auf. Schon angesichts des hohen CBD-Gehalts und der Beschreibung des Produkts („Produktionsweise mit überkritischem CO₂“) ist mit einer im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens ausreichenden Sicherheit davon auszugehen, dass das Produkt ein Extrakt der Hanfpflanze (Cannabis sativa) enthält. Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung handelt es sich bei Lebensmitteln, denen CBD, das durch Extraktion aus der Hanfpflanze oder auch synthetisch gewonnen worden ist, zugegeben wurde, um neuartige Lebensmittel i.S.v. Art. 3 Abs. 2 Buchst. a) VO (EU) 2015/2283 (vgl. BayVGH, B.v. 12.8.2021 – 20 CS 21.688 – juris; OVG NW, B.v. 2.3.2021 – 9 B 1574/20 – juris; B.v. 23.1.2020 – 13 B 1423/19 – juris; HessVGH, B.v. 11.5.2020 – 8 B 2915/19 – juris; NdsOVG, B.v. 12.12.2019 – juris; OVG Hamburg, B.v. 4.5.2021 – 5 Bs 29/21 – juris; jeweils m.w.N.). Die Antragstellerin hat im vorliegenden Verfahren keine Gesichtspunkte vorgetragen, die zu einer abweichenden Beurteilung führen könnten.
c) Nachdem es sich bei dem streitgegenständlichen Produkt nach dem Vorstehenden bei summarischer Prüfung um einen nicht zugelassenen Stoff i.S.d. § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 LFGB handelt, kommt es auf die Frage eines – von der Antragstellerin bestrittenen – gesundheitlichen Risikos schon nicht an.
d) Auch die mit der Beschwerde geltend gemachten Einwände gegen die Art und Weise der geplanten Veröffentlichung greifen nicht durch. Aus der geplanten Veröffentlichung ergibt sich zweifelsfrei, dass es bei dem „nicht zugelassenen Stoff“ um Cannabidiol (CBD) handelt; inwiefern die Formulierung in unzulässiger Weise unbestimmt sein sollte, erschließt sich nicht. Auch soweit die Antragstellerin schließlich im Rahmen der Veröffentlichung den ergänzenden Hinweis für erforderlich hält, dass das Produkt „über den Onlineshop der Antragstellerin“ nicht mehr vertrieben werde, ergibt sich daraus kein Unterlassungsanspruch, denn allein die Entfernung aus einem einzelnen Onlineshop schließt den Weitervertrieb über andere Vertriebskanäle nicht aus, beseitigt den Verstoß also nicht.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung unter Änderung der Festsetzung des Verwaltungsgerichts beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2, § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG. In Anlehnung an Ziff. 25.2 und Ziff. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs 2013 war der Auffangwert in voller Höhe anzusetzen und von einer Reduzierung des Betrags im Eilverfahren abzusehen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben