Europarecht

Corona-Pflegebonus, Physiotherapeut in ambulanter Rehabilitationseinrichtung, Subventionen, Förderrichtlinien, Abgrenzung des begünstigten Personenkreises, Verwaltungspraxis

Aktenzeichen  RN 6 K 20.1855

Datum:
8.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 16846
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Corona-Pflegebonusrichtlinie – CoBoR, 23
BayHO 44

 

Leitsatz

Beschäftigte in ambulanten Rehabilitationseinrichtungen haben keinen Anspruch auf Gewährung des Corona-Pflegebonus.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Landesamtes für Pflege vom 31.07.2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Bewilligung des Corona-Pflegebonus, weil er die Voraussetzungen der einschlägigen Richtlinie in der vom Beklagten ausgeübten Verwaltungspraxis nicht erfüllt.
Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Bewilligung des Corona-Pflegebonus und maßgeblich für die Prüfung der Zuwendungsvoraussetzungen ist die Corona-Pflegebonusrichtlinie (CoBoR) vom 30. April 2020, geändert durch Bekanntmachung vom 15. Mai 2020.
Bei der vorliegend begehrten Zuwendung handelt es sich um eine freiwillige Leistung, die der Freistaat Bayern auf der Grundlage von und im Einklang mit Art. 44 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 23 der Bayerischen Haushaltsordnung (BayHO) und den einschlägigen Förderrichtlinien gewährt. Nach der Vorbemerkung der CoBoR wird ausdrücklich klargestellt, dass der Corona-Pflegebonus eine freiwillige Leistung ist und nach Maßgabe der Richtlinie und der allgemeinen haushaltsrechtlichen Bestimmungen des Freistaates Bayern als Billigkeitsleistung ohne Rechtsanspruch im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel gewährt wird.
Sind die Fördervoraussetzungen – wie hier – zulässigerweise in Förderrichtlinien geregelt, so müssen diese von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV), im Einklang mit Art. 23 und 44 BayHO, ohne Verstoß gegen andere Rechtsvorschriften und gemäß dem Förderzweck angewendet werden, wie dieser in den selbst gegebenen Richtlinien zum Ausdruck kommt. Aus einer ermessenslenkenden Verwaltungsvorschrift kann kein Rechtsanspruch auf eine begehrte Soforthilfe erwachsen. Diese kann lediglich durch ständige gleichmäßige Anwendung eine Verwaltungspraxis begründen, durch die sich die Verwaltung selbst bindet und in deren Folge Anspruchsteller aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) einen Anspruch auf Gleichbehandlung mit gleichgelagerten Fällen im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel herleiten können, weil die Verwaltung gleichgelagerte Fälle nicht ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandeln darf (vgl. auch HessVGH, B.v. 4.2.2021 – 10 B 2762/20 – juris, Rn. 9 zu einer Corona-Soforthilfe). Die Verwaltungsgerichte haben sich daher auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt wurde oder ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt. Entscheidend ist daher allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz gebunden ist. Dabei darf eine solche Richtlinie nicht – wie Gesetze oder Rechtsverordnungen – gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dient nur dazu, einem dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (vgl. BVerwG, B.v. 11.11.2008 – 7 B 38.08 – juris, Rn. 9; BayVGH, B.v. 7.4.2020 – 6 ZB 19.1647 – BeckRS 2020, 9635; U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.1840 – juris, Rn. 26).
Ein Anspruch auf die Zuwendung kann im Einzelfall aus dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung und dem Gleichheitssatz hergeleitet werden, wenn die in den Richtlinien dargelegten Fördervoraussetzungen vorliegen und vergleichbare Anträge in ständiger Förderpraxis des Beklagten auch positiv verbeschieden werden. Die rechtliche Prüfung im vorliegenden Fall hat demnach nicht daran anzusetzen, wie die für die Zuwendungen maßgeblichen Förderrichtlinien auszulegen wären, sondern daran, welche Förderpraxis des Beklagten dem Zuwendungsbescheid zugrunde lag (vgl. BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris, Rn. 27). Sollen sie vor dem Gleichheitssatz Bestand haben, müssen sich Zuwendungen aber gemeinwohlbezogen rechtfertigen lassen. Dem Norm- und Richtliniengeber stehen jedoch sachbezogene Gesichtspunkte zur Differenzierung in sehr weitem Umfang zu; solange die Regelung sich auf eine der Lebenserfahrung nicht geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebensverhältnisse stützt, insbesondere der Kreis der von der Maßnahme Begünstigten sachgerecht abgegrenzt ist, kann sie verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden (VG München, U.v. 17.2.2021 – 31 K 20.4309 – BeckRS 2021, 3585 mit Verweis auf stRspr; vgl. z.B. BVerfG, U.v. 20.4.2004 – 1 BvR 905/00, 1 BvR 1748/99 – juris, Rn. 61; Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 3, Rn. 255).
Nach den dargelegten Grundsätzen steht dem Kläger kein Anspruch auf Gewährung des Corona-Pflegebonus zu.
Weder die Richtlinie selbst noch ihr hier zur Ablehnung führender Vollzug sind vorliegend zu beanstanden. Die Abgrenzung des zuwendungsberechtigten Personenkreises in der durch die CoBoR vorgenommenen Art und Weise, namentlich durch eine Beschränkung auf bestimmte Einrichtungen einerseits und eine tätigkeitsbezogene Komponente andererseits, begegnet grundsätzlich keinen Bedenken, sondern erscheint vielmehr sachgerecht. Der Kreis der durch die Corona-Pflegebonusrichtlinie begünstigten Personen ist in Nr. 2 der Richtlinie näher beschrieben. Begünstigte im Sinne der Richtlinie sind danach Pflegende in Krankenhäusern, Rehabilitationskliniken, stationären Alten-, Pflege- und Behinderteneinrichtungen sowie ambulanten Pflegediensten. Ebenso begünstigt sind tatsächlich in der Pflege Tätige, deren ausgeübte berufliche Tätigkeit der Pflege entspricht und mit dieser vergleichbar ist. In stationären Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen sind alle Beschäftigten begünstigt, die körperlich eng an und mit Menschen mit Behinderung arbeiten. Auch Rettungssanitäter, Rettungsassistenten, Notfallsanitäter und nichtärztliche Einsatzkräfte im Rettungsdienst sind Begünstigte. Beschäftigte, deren Tätigkeitsschwerpunkt in den Bereichen der Eingliederungshilfe und der Therapie liegt, die aber nicht in Einrichtungen der stationären Behindertenhilfe, der stationären Langzeitpflege und ambulanten Pflegediensten tätig sind, sind nicht Begünstigte. Eine beispielhafte Auflistung der Begünstigten, unterschieden nach Einrichtungen der Langzeitpflege, der Krankenpflege und des Rettungsdienstes, findet sich in den Anlagen 1, 2 und 3 zur Richtlinie. Hierbei wird die ausgeübte Qualifikation Physiotherapeut/in; Krankengymnast/in ausschließlich im Qualifikationsregister Langzeitpflege aufgeführt.
Bei der Festlegung des begünstigten Personenkreises verfolgte der Richtliniengeber den legitimen Zweck, welcher in der Richtlinie in Nr. 1 Sätze 2 bis 7 der CoBoR niedergelegt ist und zum Ziel hat, dass mit der Gewährung des Corona-Pflegebonus das überdurchschnittliche Engagement der in Bayern in der professionellen Pflege und im Rettungsdienst und in den stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe Tätigen auch im Hinblick auf die aktuelle Corona-Pandemie auch für die Zukunft besonders gewürdigt und anerkannt werde. Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege als Richtliniengeber hat dies weitergehend wie folgt präzisiert und ergänzt: „Der Corona-Pflegebonus erkennt das Engagement der Pflegekräfte an, die in besonderer Weise dauerhaft und intensiv mit den Herausforderungen der Corona-Pandemie konfrontiert waren. Die Pflegekräfte mussten hierbei insbesondere versuchen, die Präsenz von Angehörigen zu ersetzen, die wegen Besuchsverboten in den begünstigten Einrichtungen nicht emotional und sozial für die Betroffenen sorgen konnten. Vor allem auch dieses besondere menschliche Engagement sollte mit dem Bonus des Freistaates gewürdigt werden“ (Antwort des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege auf eine Schriftliche Anfrage des Abg. Krahl, LT-Drs. 18/11079 vom 15.1.2021, S. 2).
Es steht im Einklang mit dieser Zielsetzung, dass der Richtliniengeber den Kreis der Begünstigten anhand bestimmter Einrichtungen und näher umrissener Qualifikationen bzw. Berufsbilder entsprechend den Ausführungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung abgrenzt, die er mit Blick auf die beschriebene Zielsetzung für besonders relevant erachten durfte. Bei den nach der Richtlinie begünstigten Einrichtungen, namentlich Krankenhäusern, stationären Alten-‍, Pflege- und Behinderteneinrichtungen handelt es sich um stationäre Einrichtungen, in denen der vorgenannte Grundgedanke einer Substitution der Präsenz naher Angehöriger in der Zeit pandemiebedingter, umfassender Besuchseinschränkungen ohne weiteres greift. Nach Angaben des Beklagten wurden unter dem Begriff der Rehabilitationsklinik ausschließlich stationäre Rehabilitationseinrichtungen verstanden. Es ist ferner eine von sachlichen Gründen getragene Wertung des Richtliniengebers, dass er in den Kreis der Einrichtungen, in denen eine Begünstigung der Pflegenden in Betracht kommt, auch die ambulanten Pflegedienste einbezieht. Die durch den Pflegebonus verfolgte Zielsetzung, besonders den „Ersatz“ persönlicher Kontakte zu würdigen, ist indessen auch im Fall ambulanter Pflegedienste gegeben. Auch insoweit handelt es sich um eine Situation, in der die Pflegekräfte häufig die wesentlichen oder sogar einzigen Ansprechpartner gerade solcher Pflegebedürftiger waren, die altersbedingt einer Risikogruppe angehören und daher von Kontaktbeschränkungen besonders betroffen waren.
Dass der Richtliniengeber damit die ansonsten in der Richtlinie verfolgte weitgehende Beschränkung auf stationäre Einrichtungen durchbricht, zeigt, dass bei der Abgrenzung des begünstigten Personenkreises nicht schematisch, sondern nach sachbezogenen Kriterien vorgegangen wird. Das hier insbesondere relevante, ergänzende Kriterium, wonach tatsächlich in der Pflege Tätige, deren ausgeübte berufliche Tätigkeit der Pflege entspricht und mit dieser vergleichbar ist, ebenso begünstigt sind (Nr. 2 Satz 2 CoBoR), zeugt ebenso von einer sachgerechten und in Grenzen auch der Einzelfallgerechtigkeit verpflichteten Festlegung des begünstigten Personenkreises. Insgesamt ist daher der sehr weite Spielraum des Richtliniengebers, den Kreis der Begünstigten der finanziellen Zuwendung nach sachlichen Gesichtspunkten abzugrenzen, nicht überschritten. Der Richtliniengeber und mit ihm die Vollzugsbehörde sind daher insbesondere auch befugt, die mit der Zuwendung in besonderer Weise zu würdigende soziale Substitutionsfunktion der Pflegenden gerade auch typisierend-einrichtungsbezogen und weiterhin an bestimmten Qualifikationen orientiert zu erfassen und darauf in ihrer Abgrenzung der Zuwendungsberechtigten abzustellen (zu Vorstehendem: VG München, U.v. 17.2.2021 – 31 K 20.4309 – BeckRS 2021, 3585). Für die Begünstigung kommt es damit nicht auf ein erhöhtes Infektionsrisiko oder die Erschwernisse bzw. Herausforderungen, welchen sich Pflegende oder sonstige in den entsprechenden Einrichtungen Tätige aufgrund der pandemiebedingten Situation gegenübersahen, wie etwa erhöhte Vorsichts- oder Hygienemaßnahmen, sondern vielmehr auf die zusätzlich zu leistende Substitution sozialer Kontakte im stationären Bereich der Pflege an.
Aus vorgenannten Gründen begegnet es auch keinen Bedenken, dass der Richtliniengeber die jeweils begünstigte Qualifikation in beispielhaften Qualifikationsregistern nach Tätigkeiten im Bereich der Langzeitpflege, der Krankenpflege und des Rettungsdienstes unterscheidet. Im Zusammenhang mit der Beschreibung des Kreises der Begünstigten wird in der Richtlinie ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Beschäftigte, deren Tätigkeitsschwerpunkt in den Bereichen der Eingliederungshilfe und der Therapie liegt, die aber nicht in Einrichtungen der stationären Behindertenhilfe, der stationären Langzeitpflege und ambulanten Pflegediensten tätig sind, nicht Begünstigte seien. Bereits hieraus ergibt sich, dass Zielsetzung des Richtliniengebers war, Angehörige vom Berufen, die im Schwerpunkt therapeutisch, also im Bereich der Verbesserung der gesundheitlichen Situation und nicht zur Versorgung und Betreuung tätig sind, nur unter engen Grenzen zu begünstigen.
Auch die Förderpraxis des Beklagten auf Grundlage der Richtlinie begegnet keinen Bedenken. Dies gilt insbesondere auch für die Abgrenzung des begünstigten Personenkreises aufgrund dessen Beschäftigung in vom Richtliniengeber konkret benannten Einrichtungen (Nr. 2 Satz 1 CoBoR). Nach der schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung dargelegten Förderpraxis des Beklagten ergibt sich eine Begünstigung nach der CoBoR bei Vorliegen von zwei kumulativ zu erfüllenden Kriterien: In einem ersten Schritt müssen pflegende Personen für eine Begünstigung in bestimmten abschließend aufgezählten Einrichtungen tätig sein (Nr. 2 Satz 1 CoBoR). Ist dies der Fall, müssen bestimmte tätigkeitsbezogene Merkmale erfüllt werden, d.h. die Personen müssen – differenziert nach Einrichtungstyp – eine bestimmte Qualifikation aufweisen oder jedenfalls in einem bestimmten Berufsbild konkret tätig sein (Nr. 2 Satz 3 bis 5, Anlagen 1 bis 3 CoBoR). Ergänzend sind in dieser Stufe gemäß Nr. 2 Satz 2 CoBoR tatsächlich in der Pflege Tätige ebenso begünstigt, deren ausgeübte berufliche Tätigkeit der Pflege entspricht und mit dieser vergleichbar ist.
Gemessen an diesen Grundsätzen kann der Kläger weder unter dem Gesichtspunkt einer Beschäftigung in einer begünstigten Einrichtung noch nach der Art seiner tatsächlich ausgeübten Tätigkeit einen Anspruch auf die Zuerkennung und Auszahlung des Pflegebonus geltend machen.
Unter Berücksichtigung des Vorbringens des Beklagten wurden nach Überzeugung des Gerichts in der Förderpraxis ambulante Rehabilitationseinrichtungen (ebenso wie die vom Kläger als vergleichbar in Bezug genommenen physiotherapeutischen Praxen) als solche bewusst und der CoBoR folgend gerade im Hinblick auf die oben dargestellte, typisierend-einrichtungsbezogene besondere Substitutionsfunktion Pflegender insbesondere in stationären Einrichtungen und im Bereich ambulanter Pflegedienste sowie im Bereich des Rettungsdienstes nicht mit dem Corona-Pflegebonus bedacht. Dies ergibt sich auch daraus, dass bei Krankenhäusern klarstellend in der Anlage 2 zu Nummer 2 Satz 4 der Richtlinie vom 30.04.2020 durch einen Klammerzusatz darauf hingewiesen wird, dass diese einschließlich in diese integrierte Tageskliniken, Polikliniken und Ambulanzen zu verstehen sind, während ein solcher Hinweis auf ambulante Einrichtungen bei Rehabilitationskliniken fehlt. Unabhängig davon gibt es keine Anhaltspunkte, dass der Beklagte bei der Auslegung der Richtlinie Beschäftigte in ambulanten Rehabilitationseinrichtungen begünstigen wollte oder diese im Verwaltungsvollzug tatsächlich begünstigte.
Dem Gericht ist über die festgestellte Verwaltungspraxis hinaus eine erweiternde Auslegung der Richtlinie versagt. Für die Entscheidung kommt es nicht darauf an, ob es zu der festgestellten Verwaltungspraxis Alternativen gäbe und auch therapeutische Tätigkeiten in ambulanten Rehabilitationszentren hätten gefördert werden können. Bildet – wie hier – die Willkürgrenze den gerichtlichen Prüfungsmaßstab, kommt es nicht darauf an, ob es zu der festgestellten Verwaltungspraxis Alternativen gibt. Willkür ist aber bereits dann zu verneinen, wenn sich der Beklagte bei der Festlegung der Förderfälle von sachlichen Erwägungen hat leiten lassen. Dies ist wie ausgeführt hier der Fall, weil die Unterscheidung zwischen grundsätzlich zu fördernden stationären und grundsätzlich nicht zu fördernden ambulanten Einrichtungen vertretbar und angesichts des Förderzwecks nachvollziehbar ist (vgl. etwa VG München, U.v. 17.2.2021 – M 31 K 20.4944 – juris, Rn. 39; M 31 K 20.4504 – juris, Rn. 34; M 31 K 20.5587 – juris, Rn. 33, vgl. auch schon VG Würzburg, U.v. 8.2.2021 – W 8 K 20.1567 – BeckRS 2021, 2886). Für den Schluss auf eine willkürliche Fassung oder Handhabung der Förderrichtlinien bestehen unter Berücksichtigung des Vorbringens des Beklagten keine triftigen Anhaltspunkte. Die Nichtförderung des Klägers mangels Einsatzes in einer stationären Rehabilitationsklinik ist gemessen an den Vorgaben der CoBoR nicht sachwidrig.
Gerade unter Heranziehung des Gleichbehandlungsgrundsatzes verbietet sich vorliegend sogar die Gewährung des Corona-Pflegebonus zu Gunsten des Klägers. Der Beklagte hat nämlich durch die regelmäßige Wiederholung dieser Förderentscheidung eine bestimmte Förderpraxis entwickelt und vergleichbare Anträge, die aufgrund der Arbeitgeberbescheinigung lediglich eine Tätigkeit in einer ambulanten Rehabilitationseinrichtung nachweisen konnten, ebenfalls negativ verbeschieden. Diese Praxis bindet ihn bei vergleichbaren Entscheidungen auch in Parallelverfahren und ist Maßstab für deren gerichtliche Kontrolle. Dabei kann das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG eben auch zu Lasten von Zuwendungsempfängern Anwendung finden. Versagt eine Behörde – wie hier regelmäßig – die Bewilligung bei einer nicht von der Richtlinie umfassten Tätigkeit, so verletzt sie das Gleichbehandlungsgebot in seiner objektiv-rechtlichen Funktion, wenn sie sich im Einzelfall über diese Praxis hinwegsetzt und trotz Fehlens der ansonsten geforderten Voraussetzungen die Leistung gewährt, so dass in einem solchen Fall die Entscheidung wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG rechtswidrig wäre (BVerwG, U.v. 23.4.2003 – 3 C 25/02 – NVwZ 2003, 1384).
Unabhängig davon, und ohne dass aus oben genannten Gründen darauf ankommt, unterfällt die Tätigkeit des Klägers als Physiotherapeut keiner der im beispielhaften Qualifikationsregister Krankenpflege (Anlage 2 zur Corona-Pflegebonusrichtlinie), das auf begünstigte Rehabilitationskliniken anwendbar ist, genannten Qualifikationen. Auch wenn in der konkreten Anwendungssituation der Physiotherapie davon auszugehen ist, dass bei gesundheitlich eingeschränkten Patienten durchaus auch pflegerische Tätigkeiten erforderlich sein können, liegt die Zielrichtung der physiotherapeutischen Anwendung insbesondere auch im hier gegenständlichen Bereich der Rehabilitation nicht im Bereich der Pflege, sondern der medizinisch-therapeutischen Behandlung. Dieser grundsätzliche Zweck einer Rehabilitationsmaßnahme wurde vom Kläger auch nicht infrage gestellt.
In der Fassung der CoBoR vom 15.05.2020 wird im Gegensatz zur Fassung vom 30.04.2020 unter dem Punkt Begünstigte (Nummer 2 Satz 9) unter Präzisierung der Einrichtungsart ausdrücklich klargestellt, dass Beschäftigte, deren Tätigkeitsschwerpunkt in den Bereichen der Eingliederungshilfe und der Therapie liegt, die aber nicht in Einrichtungen der stationären Behindertenhilfe, der stationären Langzeitpflege und ambulante Pflegedienste tätig sind, nicht Begünstigte seien. Diese Differenzierung ist aus oben genannten Gründen nicht zu beanstanden. Im Übrigen deckt sie sich auch mit der bereits in der Namensgebung (Richtlinie über die Gewährung eines Bonus für Pflege- und Rettungskräfte in Bayern) ersichtlichen Intention des Richtliniengebers, schwerpunktmäßig Pflegende und nicht beispielsweise therapeutisches oder ärztliches Personal zu begünstigen.
Die Tätigkeit des Klägers stellt auch keine mit der Pflege vergleichbare Tätigkeit im Sinne der Nummer 2 Satz 2 CoBoR dar. Zum einen wurde eine vergleichbare pflegerische Tätigkeit nicht durch eine für eine Begünstigung erforderliche Arbeitgeberbescheinigung bestätigt, zum anderen legen die vom Kläger dargelegten Beschreibungen seiner Tätigkeit eine solche auch nicht nahe.
Die beispielhaft gelisteten Berufsqualifikationen in Anlage 2 zur CoBoR (Qualifikationsregister Krankenpflege) betreffen anders als die in Anlage 1 benannten, ausschließlich Tätigkeiten der Betreuung und Versorgung, die bei der therapeutischen Tätigkeit des Physiotherapeuten gerade nicht im Vordergrund stehen. Eine Vergleichbarkeit mit einer im einschlägigen Register genannten Qualifikation wurde vom Beklagten daher zu Recht nicht als gegeben angesehen (siehe VG München, U.v. 23.3.2021 – M 31 20.4082 – juris zu einer in einer Klinik beschäftigten Physiotherapeutin). Soweit der Kläger zutreffend darauf hinweist, dass auch von ihm behandelte Patienten während der Zeit der Kontaktbeschränkungen im Wesentlichen auf Kontakte zu Therapeuten beschränkt waren, kann dies an dieser Beurteilung nichts ändern. Es ist jedenfalls nicht willkürlich, wenn der Beklagte bei der erforderlichen Abgrenzung des begünstigten Personenkreises im Einzelfall maßgeblich nicht auf die konkreten Kontaktverhältnisse bzw. die spezielle Gefährdungssituation abstellt, sondern auf abstrakte Abgrenzungskriterien. Gleichermaßen kann es nach den oben dargestellten Maßstäben für die gerichtliche Entscheidung nicht darauf ankommen, ob eine grundsätzliche Begünstigung von Physiotherapeuten, die nicht in Einrichtungen der Langzeitpflege tätig sind, aufgrund einer etwaigen Vergleichbarkeit, auf die der Kläger mit der vorgelegten Tätigkeitsbeschreibung eines Physiotherapeuten in einer Pflegeeinrichtung hinweisen will, grundsätzlich als sachgerecht empfunden werden könnte.
Dem Gericht ist eine erweiternde Auslegung versagt. Insbesondere kann nicht darauf abgestellt werden, ob es zu der festgestellten Verwaltungspraxis Alternativen gäbe und auch die Tätigkeit des Physiotherapeuten, der nicht im Bereich der Langzeitpflege tätig ist, hätte begünstigt werden können. Für den Schluss auf eine willkürliche Fassung oder Handhabung der Förderrichtlinien bestehen bei Berücksichtigung des Vorbringens des Beklagten keine triftigen Anhaltspunkte. Das Gericht verkennt dabei nicht und stellt auch nicht in Abrede, dass die Tätigkeit des Klägers in der Pandemiesituation Erschwernissen unterliegt und einem wichtigen Beitrag zur Gesundung von durch die Situation besonders betroffenen Personen leistet.
Der konkrete Sachverhalt weist keine besonderen Umstände auf, die vom Richtliniengeber bei der Erstellung der Richtlinie und im Rahmen der Förderpraxis nicht erfasst wurden und von solchem Gewicht sind, dass sie eine Abweichung von der im Regelfall vorgesehenen Rechtsfolge erfordern. Die Nichtförderung der Tätigkeit eines in einer ambulanten Einrichtung beschäftigten Physiotherapeuten ist keine atypische Besonderheit, die eine abweichende Behandlung gebietet, sondern betrifft eine gängige Fallkonstellation, die nach Ausgestaltung der Richtlinie und der praktizierten Förderpraxis gerade nicht gefördert werden sollte. Daher liegt auch kein atypischer Ausnahmefall vor, der eine abweichende Entscheidung des Beklagten hätte gebieten können.
Damit liegen beim Kläger die in der CoBoR dargelegten Zuwendungsvoraussetzungen, wie sie vom Beklagten in ständiger Verwaltungspraxis vollzogen werden, nicht vor. Gemessen am dargestellten Prüfungsmaßstab ist der ablehnende Bescheid im Ergebnis daher nicht zu beanstanden.
Die Klage war mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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