Europarecht

Deliktischer Schadensersatzanspruch des Käufers eines vom sog. Dieselskandal betroffenen Fahrzeugs: Sekundäre Darlegungslast des Fahrzeugmotorenherstellers hinsichtlich der Entscheidung über den Einsatz einer unzulässigen Abschalteinrichtung und der Kenntnis des Vorstands; Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung als Schaden

Aktenzeichen  VI ZR 151/20

Datum:
27.7.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:270721UVIZR151.20.0
Normen:
§ 31 BGB
§ 826 BGB
§ 138 Abs 3 ZPO
Spruchkörper:
6. Zivilsenat

Leitsatz

1. Zur sekundären Darlegungslast hinsichtlich der Frage, wer die Entscheidung über den Einsatz einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei dem beklagten Fahrzeugmotorenhersteller getroffen und ob der Vorstand hiervon Kenntnis hatte.
2. Ein Schaden im Sinne des § 826 BGB kann auch in einer auf dem sittenwidrigen Verhalten beruhenden Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung liegen. Nach deren Erfüllung setzt sich der Schaden in dem Verlust der aufgewendeten Geldmittel fort.

Verfahrensgang

vorgehend OLG München, 4. Dezember 2019, Az: 3 U 3466/19, Urteilvorgehend LG Deggendorf, 28. Mai 2019, Az: 32 O 771/18

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 4. Dezember 2019 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Klägers gegen die Abweisung seiner Anträge,
– die Beklagte zu verurteilen, Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges Skoda Superb mit der Fahrgestellnummer TMBJE73T5D9024509 an den Kläger 21.500 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen und
– die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten seines Rechtsanwalts M.   H.      in Höhe von 1.613,16 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen,
zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Der Kläger nimmt die Beklagte als Motorenherstellerin auf Schadensersatz wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung in Anspruch.
2
Der Kläger erwarb im August 2013 von einem Autohaus einen gebrauchten Skoda Superb 2.0 TDI zu einem Kaufpreis von 21.500 €. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattet. Die Beklagte ist Herstellerin des Motors. Die Motorsteuerung war mit einer das Abgasrückführungsventil steuernden Software ausgestattet, die erkannte, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus unterzogen wurde, und in diesem Falle in einen Abgasrückführungsmodus mit niedrigem Stickoxidausstoß schaltete. Im normalen Fahrbetrieb außerhalb des Prüfstands schaltete der Motor dagegen in einen Abgasrückführungsmodus mit höherem Stickoxidausstoß. Das Fahrzeug wurde in die Schadstoffklasse Euro 5 eingeordnet, weil die nach dieser Abgasnorm geltenden Stickoxid-Grenzwerte auf dem Prüfstand eingehalten wurden.
3
Das Kraftfahrt-Bundesamt erkannte in der genannten Software eine unzulässige Abschalteinrichtung und verpflichtete die Beklagte mit Bescheid vom 15. Oktober 2015 im Wege nachträglicher Nebenbestimmung zu den jeweils erteilten Typgenehmigungen, die Abschalteinrichtung zu entfernen und “geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftmäßigkeit” zu ergreifen. Nachdem die für Fahrzeuge der Marke Skoda zuständige Typgenehmigungsbehörde – die britische Vehicle Certification Agency – das Software-Update für das streitgegenständliche Fahrzeug am 10. Juni 2016 freigegeben hatte, ließ der Kläger das Update durchführen.
4
Der Kläger hat zuletzt die Erstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs, die Zahlung von Deliktszinsen, die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten sowie die Feststellung des Annahmeverzugs beantragt.
5
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter mit Ausnahme des Antrags auf Feststellung des Annahmeverzugs und mit der Maßgabe, dass er Zinsen nunmehr erst ab Rechtshängigkeit verlangt.


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