Europarecht

“Dieselskandal” – Schadensersatz aufgrund deliktischer Produktmanipulation

Aktenzeichen  72 O 1861/19

Datum:
2.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 5090
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 204 Abs. 1 Nr. 1a, § 246, § 286, § 288, § 826, § 849
VO (EG) Nr. 715/2007 Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Die Verjährung wird gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB durch die Erhebung einer Musterfeststellungsklage auch nur dann gehemmt, wenn sich der Kläger bis zum Ablauf des Tages vor Beginn des ersten Termins im Musterfeststellungsverfahren in Textform gegenüber dem Bundesamt für Justiz anmeldet. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Software, die so programmiert ist, dass die Abgasrückführung in zwei Modi gesteuert wird, wobei der Modus 1 mit höherer Abgasrückführungsrate ausschließlich im NEFZ aktiv ist, während im normalen Straßenverkehr durchgehend der Modus 0 aktiv ist, ist sittenwidrig i.S.d. § 826 BGB. (Rn. 28 – 30) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es liegt auf der Hand, dass eine Schadstoffmessung auf dem Prüfstand nur sinnvoll ist und einen Vergleich von Fahrzeugen verschiedener Hersteller ermöglicht, wenn das zu testende Fahrzeug gerade hinsichtlich der Abgasbehandlung dem Zustand entspricht, der auch auf der Straße gegeben ist. (Rn. 31 – 34) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 19.973,98 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz soit 21.06.2019 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs Audi A3 mit der FIN ….
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs Audi A3 mit der FIN … seit dem 21.06.2019 im Artnahmeverzug befindet.
3. Dio Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von den durch die Beauftragung des Prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 482,30 € freizustellen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
6. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird bis 12.12.2019 auf 20.356,96 €, ab 13.12.2019 auf 19.973,98 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.
I.
Die Klage ist zulässig.
1. Das Landgericht Regensburg ist für die Entscheidung des Rechtsstreits sachlich gemäß §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG und örtlich gemäß § 32 ZPO zuständig. Die Klagepartei hat einen Anspruch aus § 826 BGB schlüssig vorgetragen. Nach § 32 ZPO ist für Klagen aus unerlaubten Handlungen das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Der Begehungsort liegt dabei überall dort, wo ein Teilakt dor unerlaubten Handlung verwirklicht worden ist, mithin auch am Belegenheitsort des klägerischen Vermögens. Ausweislich der Anlage K 01 hatte der Kläger zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses seinen Wohnsitz im hiesigen Gerichtsbezirk.
2. Auf die Klageänderung betreffend Ziffer 1 der Klage hat sich die Beklagte rügelos eingelassen, §§ 263 Alt. 1, 267 ZPO.
3. Der Kläger hat betreffend Ziffor 2 der Klage ein Interesse an der Feststellung gem. § 256 Abs. 1 ZPO, weil diese der erleichterten Vollstreckung des geltend gemachten Leistungsanspruchs dient und hierzu erforderlich ist, § 756 ZPO (BGH NJW 2002, 1262 f.).
II.
Die Klage ist begründet.
1. Verjährung ist zur Überzeugung des Gerichts nicht eingetreten. Gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 a BGB wird die Verjährung gehemmt durch die Erhebung einer Musterfeststellungsklage für einen Anspruch, den ein Gläubiger zu dem zu der Klage geführten Klageregister wirksam angemeldet hat, wenn dem angemeldeten Anspruch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage. Ausweislich der Anlagen zum Schriftsatz vom 02.12.2019 hat sich der Kläger zur 2018 erhobenen Musterfeststellungsklage gegen die Beklagte beim OLG Braunschweig, Az: … an- und zum 09.09.2019 wieder abgemeldet. Dar Musterfeststellungsklage liegt wie der vorliegenden Klage der „Dieselskandal“ zugrunde. Ausreichend für die verjährungshemmende Wirkung ist, dass sich der Kläger bis zum Ablauf des Tages vor Beginn des ersten Termins im Musterfeststellungsverfahren in Textform gegenüber dem Bundesamt für Justiz anmeldet (Palandt, 78. Auflage 2019, § 204 Rn. 16 a). Nach § 204 Abs. 2 S. 2 BGB endet die Hemmung sechs Monate nach Rücknahme der Anmeldung zum Klageregister beim Musterfeststellungsverfahren. Im Hinblick auf die konkret erhobene Klago noch vor Bestätigung der Abmeldung hat das Gericht in Anbetracht der vorstehenden Vorschriften keine Bedenken daran, dass die Ansprüche verjährt sein könnten. Die Geltendmachung der sich aus den besagten Vorschriften im Zusammenhang ergebenden Rechtsschutzmöglichkeiten stellt für das Gericht auch keinen Rechtsmissbrauch dar.
2. Die Klagepartei hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 19.973,98 € gemäß §§ 826, 249 ff. BGB i.V.m. § 31 BGB. Die Verwendung der Software zur Optimierung des Stickoxidausstoßes im Prüfstand stellt eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung des Klägorc dar.
Die schädigende Handlung der Beklagten war das Inverkehrbringen von Dieselmotoren unter Verschweigen der gesetzeswidrigen Programmierung der Software.
a) Die Verwendung der streitgegenständlichen Software war sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB. Objektiv sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch eine umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggründen und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (vgl. BGH, NJW 2014, 383 ff.) Hinzutreten muss eine besondere Verwerflichkeit des Verhaltens, die sich aus de, verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (Palandt/Sprau, 77. Auflage 2018, § 826 Rn. 4 m.w.N.).
aa) Unstreitig ist die Software so programmiert, dass die Abgasrückführung in zwei Modi gesteuert wird, wobei der Modus 1 mit höherer Abgasrückführungsrate ausschließlich im NEFZ aktiv ist, während im normalen Straßenverkehr durchgehend der Modus 0 aktiv ist. Die Steuerungssoftware führt mithin dazu, dass der gesetzlich definierte Grenzwert ausschließlich im Prüfverfahren zur Typengenehmigung eingehalten wird. Da der Modus 1 unstreitig so programmiert wurde, dass er die Aktivierung der Abgasrückführung exakt an die Fahrverhaltens-Parameter der NEFZ-Prüfung knüpfte, kommt es für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit auch nicht darauf an, ob die Überschreitung der Grenzwerte im realen Straßenbetrieb Einfluss auf dio Zulassungsfähigkeit des Fahrzeugtyps gehabt hätte. Ausschlaggebend ist in diesem Zusammenhang allein die Tatsache, dass ein Bauteil konstruiert wurde, das ausschließlich die Funktion hat, die Abgasrückführung nur in der Prüfsituation so zu erhöhen, dass der gesetzliche NOx-Grenzwert eingehalten wird. Dieser Zweck widerspricht dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, da ein bestimmtes Verhalten des Fahrzeugs nur zum Zwecke des Erwerbs der Zulassung hervorgerufen wird und im normalen Straßenverkehr nicht vorliegt.
bb) Dieses Verhalten ist auch als verwerflich anzusehen, da hierdurch der Eindruck erzeugt wird, die NOx-Emissionen des Fahrzeugs würden ohne Beeinflussung durch eine künstlich erhöhte Abgasrückführung im Normbereich liegen, obwohl dies tatsächlich nicht der Fall ist. Es ist offensichtlich, dass das Verhalten der Beklagten nur dazu diente, sich auf rechtswidrigem Wege Wettbewerbsvorteile zu verschaffen und dadurch die Unternehmensgewinne zu steigern. Dieses per se legale Ziel wurde jedoch mit verwerflichen Mitteln erreicht. Insbesondere ist bei einer Gesamtabwägung hervorzuheben, dass die Beklagte über einen erheblichen Wissensvorsprung verfügte. Sie alleine wusste von der unzulässigen Abschalteinrichtung. Die Autokunden vertrauten darauf, dass Fahrzeuge mit einer EG-Typengenehmigung gesetzeskonform betrieben werden können. Dieses Vertrauen missbrauchte die Beklagte, indem sie die Kunden täuschte. Dem Kunden demgegenüber war es nicht möglich, diese Täuschung zu erkennen. Die Beklagte nutzte das Vertrauen der Kunden bewusst zu ihrem eigenen Vorteil aus.
b) Hierdurch hat die Beklagte der Klagepartei einen Schaden i.S.v. § 826 BOB zugefügt. Ein Schaden liegt nicht nur dann vor, wenn sich bei einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, welche ohne jenes Ereignis eingetreten wäre, ein rechnerisches Minus ergibt, sondern auch dann, wenn der Geschädigte durch eine auf sittenwidrigem Verhalten beruhende, ungewollte Verpflichtung belastet ist, selbst wenn dieser eine objektiv gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht (vgl. BGH, NJW-RR 2015, 275). Ausreichend ist hierfür, dass der Geschädigte durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages veranlasst wurde, den er sonst nicht geschlossen hätte, und dass die Leistung für seine Zwecke nicht vollumfänglich brauchbar ist.
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Maßgeblich ist nach Auffassung des Gerichts allein die zur Überzeugung des Gerichts feststehende Tatsache, dass die Klagopartei durch das Verhalten der Beklagten ausweislich der Anlage K 01 einen Kaufvertrag abgeschlossen hat, den sie ansonsten nicht geschlossen hätte, und sie aus diesem Vertrag zur Kaufpreiszahlung und Abnahme des Fahrzeugs verpflichtet wurde. Nach Auffassung des Gerichts würde kein verständiger Autokäufer einen Pkw kaufen, welcher zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses den entscheidenden gesetzlichen Anforderungen nicht genügt und dessen Motoren-Hersteller die von Seiten der Behörden erteilte EG-Typengenehmigung durch Täuschung erschlichen hat. Es besteht nämlich die Gefahr, dass das Kraftfahrtbundesamt diese EG-Typengenehmigung widerruft, was die Betriebsuntersagung zur Folge hat. Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses war die Leistung zu den Zwecken des Käufers nicht voll brauchbar. Aus seiner Sicht drohte theoretisch die Betriebsuntersagung und Außerbetriebsetzung sowie auch eine Einschränkung der Funglbilität. Bei Weiterverkauf und Offenlegung der Software hätte der Kläger als Verkäufer im Vergleich zum Anschaffungswert Preisabschläge hinnehmen müssen, wenn das Fahrzeug überhaupt veräußerbar gewesen wäre.
Die streitgegenständliche Programmierung ist gesetzeswidrig. Es liegt ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 20.06.2007 über die Typ-Genehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emission von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge durch Verwendung von Abschaltvorrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, vor. Bei verständiger Würdigung ist die Programmierung als Abschalteinrichtung anzusehen. Sie setzt hier eine zu einem geringeren Stickoxidausstoß führende, ausschließlich für den Prüfstand bestimmte Programmierung der Matorsteuerung im Modus 1 für den Fahrbetrieb auf der Straße außer Kraft mit der Folge, dass der Stickoxidausstoß im Fahrbetrieb auf der Straße höher ist als auf dem Prüfstand. Umgekehrt wird die im normalen Fahrbetrieb wirksame Programmierung für die Abgasrückführung auf dem Prüfstand außer Kraft gesetzt, indem die Motorsteuerung den sogenannten Modus 0, nämlich den Betriebszustand für den normalen Fahrbetrieb auf der Straße, zugunsten eines ausschließlich für den Prüfstandbetrieb bestimmten Modus abschaltet. Schon die Testzykluserkennung in Verbindung mit einer ausschließlich im Testzyklus erfolgenden Einwirkung auf die Abgasrückführung ist ein Verstoß gegen das Verbot von Abschalteinrichtungen. Es liegt auf der Hand, dass eine Schadstoffmessung auf dem Prüfstand nur sinnvoll ist und einen Vergleich von Fahrzeugen verschiedener Hersteller ermöglicht, wenn das zu testende Fahrzeug gerade hinsichtlich der Abgasbehandlung dem Zustand entspricht, der auch auf der Straße gegeben ist. Ansonsten würden Manipulationen jedweder Art Tür und Tor geöffnet werden. Eine ausschließlich auf den Testzyklus zugeschnittene Programu mierung der Abgasbehandlung kann deshalb nur als unzulässige Umgehung der einschlägigen Vorschriften angesehen werden.
Die Durchführung des Software-Updates lässt den Schaden nicht entfallen, da dieser im Abschluss des Kaufvertrags als solchem liegt und der Klagepartei infolge der vorsätzlichen Täuschung durch die Beklagte ein Festhalten an diesem Vertrag aus Sicht des Gerichts nicht zugemutet werden kann.
c) Das Verhalten der Beklagten ist ursächlich für die Schädigung. Die Beklagte hat das Antriebsaggregat, welches die Abschalteinrichtung beinhaltet, entwickelt und in den Verkehr gebracht und hierdurch den Schaden der Klagepartei kausal verursacht.
d) In diesem Zusammenhang handelte die Beklagte auch vorsätzlich. Es bestehen keine Zweifel, dass die mit der Entwicklung betrauten Mitarbeiter der Beklagten betreffend die unzulässige Abschalteinrichtung vorsätzlich handelten, da hierdurch für die Beklagte nicht unerhebliche Gewinne resultierten. Die Entwicklung der unzulässigen Abschalteinrichtung wurde nur aus dem Grund eingesetzt, um sich einen Wettbewerbs- und Kostenvorteil zu verschaffen. Der Beklagten war auch bewusst, dass das Verschweigen der Existenz dieser Abschalteinrichtung für die Klagepartei entscheidungserheblich für den Kauf dieses Fahrzeugs war. Die Ausführungen hierzu in dar Klageschrift, dass sie in Kenntnis dieser Einrichtung den Pkw nicht erworben hätte, sind aus Sicht des Gerichts ohne Weiteres plausibel.
Aufgrund der konkreten Funktionsweise der Software ist darüber hinaus aber auch von zumindest bedingtem Vorsatz in Bezug auf die weiteren Voraussetzungen des bei der Klagepartei eingetretenen Vermögensschadens auszugehen. Da die Software die Abgasrückführung im Modus 1 exakt an die Parameter des NEFZ anknüpft und nur so die Einhaltung der gesetzlichen NOx-Grenzwerte bewirkt, muss sich demjenigen, welcher diese Softwareentwicklung veranlasst, aufdrängen, dass bei öffentlichem Bekanntwerden dieser Funktionsweise zum einen behördlich eine Umrüstung verlangt wird, welche die gezielte Anknüpfung an die NEFZ-Parameter abstellt und im Zuge der Umrüstungsmaßnahmen eine erhebliche Unsicherheit über die technische Unbedenklichkeit der Maßnahmen bestehen würde.
e) Die schädigende Handlung ist der Beklagten auch gem. § 31 BGB zuzurechnen. Voraussetzung hierfür ist, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter den objektiven und subjektiven Tatbestand verwirklicht hat (vgl. BGH, NJW 2017, 250 ff.). Die Klagepariei brachte hierzu vor, dass maßgebliche Mitarbeiter der Beklagten bis in die Vorstandsebene Kenntnis von den haftungsbegründenden, tatsächlichen Umständen Kenntnis hatten. Dieser Vortrag ist gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen, da er von Beklagtenseite nicht hinreichend substantiiert bestritten wurde. Die Beklagtenseite trifft bezüglich der vorstehenden Behauptung eine sekundäre Darlegungslast. Diese trifft die nicht primär darlegungs- und beweisbelastete Partei ausnahmsweise dann, wenn die eigentlich darlegungs- und beweisbelastete Partei für einen hinreichend substantiierten Vortrag Umstände darzutun hätte, die ihr unbekannt sind, die aber in den Wahrnehmungsbereich der Gegenpartei fallen und die Darlegung der entsprechenden Verhältnisse der Gegenpartei zumutbar ist. Diese Voraussetzungen liegen im vorliegenden Fall vor. Die Klagepartei ist zu einer weitergehenden Darlegung und einem sachgerechten Beweisantritt nicht in der Lago, da es ihr an entscheidender Kenntnis über die internen Betriebsabläufe der Beklagten mangelt. Diese Betriebsabläufe gehören jedoch zum unmittelbaren Wahrnehmungsbereich der Beklagten, deren Offenbarung ist der Beklagten ohne Weiteres zumutbar. Dieser sekundären Darlegungslast ist die Beklagte nach Auffassung des Gerichts nicht hinreichend nachgekommen.
3. Die Klagepartei hat gemäß § 249 BGB einen Anspruch auf Ersatz aller kausal aus der vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung resultierenden Schäden. Hätte die Klagepartei den verfahrensgegenständlichen Kaufvertrag nicht geschlossen, so wäre sie zur Kaufpreiszahlung nicht verpflichtet gewesen, weswegen ihr von der Beklagten grundsätzlich der Kaufpreis in voller Höhe zu erstatten ist.
a) Auf seinen Ersatzanspruch lässt sich der Kläger in zutreffender Weise die von ihm während der Besitzzeit gezogenen Nutzungen anrechnen. Bei Neufahrzeugen wird die Nutzungsentschädigung ermittelt, indem der Kaufpreis mit der Zahl der gefahrenen Kilometer multipliziert und das Ergebnis durch die Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs dividiert wird. Im vorliegenden Fall hat der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Umfang von 75.859 km genutzt.
Ausweislich der Anlage K 01 betrug die Laufleistung zum 15.06.2010 0 km, eine über den Kilometerstand vom 13.12.2019 hinausgehende Laufleistung wurde weder vorgetragen noch bestritten. Vielmehr wurde der im Termin vom 13.12.2019 angegebene Kilometerstand beklagtenseits unstreitig gestellt.
Unter Berücksichtigung einer vom Gericht gem. § 287 ZPO geschätzten Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs von 250.000 km und des Kaufpreises in Höhe von 28.675,01 € ergibt sich damit eine von dem Kläger geschuldete Nutzungsentschädigung in Höhe von 8.701,03 € (28.675,01 € × 75.859 km: 250.000 km).
Nach Abzug der Nutzungsentschädigung der Beklagten verbleibt damit ein klägerischer Anspruch in Höhe von 19.973,98 €.
b) Nach dem Grundsatz der Vorteilsausgleichung hat der Kläger auch entsprechend seines Klageantrags Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises das streitgegenständliche Fahrzeug an die Beklagte zurückzugeben und zu übereignen, da andernfalls durch den Schadensersatz eine ungerechtfertigte Besserstellung des Klägers eintreten würde.
III.
Die Beklagte bofindet sich seit dem 21.06.2019 hinsichtlich der Rückgabe und Rückübereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs gem. §§ 298, 293 BGB im Annahmeverzug. Die Beklagte wurde außergerichtlich mit Schreiben des Klägervertreters vom 06.06.2019 (Anlage K 04) aufgefordert, Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des streitbefangenen Fahrzeugs den geltend gemachten Schadensersatz zu zahlen. Dem kam die Beklagte innerhalb der bis 20.06.2010 gesetzten Frist nicht nach. Sie befindet sich daher seit dem 21.06.2019 in Annahmeverzug.
IV.
1. Der Zinsanspruch folgt hinsichtlich der Kaufpreisrückzahlung aus den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Ausweislich des Schreibens aus Anlage K 04 wurde die Beklagte aufgefordert, den Klageantrag aus Ziffer 1 bis spätestens 20.06.2019 zu erfüllen. Diese Frist ließ die Beklagte vorstreichen, wodurch sie in entsprechender Anwendung des § 187 Abs. 1 BGB die Forderung des Klägers in Höhe von 19.973,98 € ab dem 21.06.2019 zu verzinsen hat. Die Höhe des Zinsanspruchs ergibt sich aus § 288 Abs. 1 S. 2 BGB.
2. Ein Anspruch auf Zinsen in Höhe von 4 % aus der am 16.06.2010 geleisteten Kaufpreiszahlung in Höhe von 28.675,01 Euro bis einschließlich 20.06.2019 besteht hingegen nicht. Voraussetzung des Zinsanspruchs gem. § 849 BGB ist, dass eine Sache des Klägers entzogen oder beschädigt wird. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
V.
Der Kläger hat ferner gegen die Beklagte einen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 482,30 Euro.
Dio außergerichtlich geltend gemachten Ansprüche ergeben sich aus dem Deliktsrecht, die Kosten der Rechtsverfolgung sind als Teil des aus § 826 BGB folgenden deliktischen Schadensersatzanspruchs dem Grunde nach ersatzfähig. Der Ansatz einer 0,65-Geschäftsgebühr aus einem Streitwert von 20.356,96 Euro ist nicht zu beanstanden.
Auch unter Berücksichtigung eines Gegenstandswerts von zuletzt 19.973,98 € ergibt sich ein erstattungsfähiger Anspruch auf außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in folgender Höhe:
0,65 Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV, §§ 13, 14 RVG: 482,30 €
Zum Zinsanspruch betreffend den Freistellungsanspruch hat die Klageseite hingegen nicht schlüssig vorgetragen. Ein Hinweis hierauf war insowoit nicht orfordorlich (Thomas/Putzo, 40. Auflage 2019, § 139 Rn. 24).
VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.
Verkündet am 02.01.2020


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