Europarecht

Divergenzzulassung bei der Anwendung von Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder

Aktenzeichen  8 B 51/19, 8 B 51/19 (8 C 25/19)

Datum:
11.12.2019
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2019:111219B8B51.19.0
Normen:
§ 132 Abs 2 Nr 2 VwGO
§ 137 Abs 1 Nr 2 VwGO
§ 48 Abs 1 S 1 VwVfG
§ 48 Abs 1 S 1 VwVfG HE 2010
Art 48 Abs 1 S 1 VwVfG BY
Spruchkörper:
8. Senat

Leitsatz

Bei einer Divergenz in Anwendung von im Wortlaut übereinstimmenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze zweier Länder, die zugleich ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes übereinstimmen, ist die Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen.

Verfahrensgang

vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 20. Juni 2018, Az: 9 A 429/15, Urteilvorgehend VG Gießen, 4. Februar 2013, Az: 4 K 1876/12.GI, Urteil

Gründe

1
Die Beschwerde hat Erfolg. Die Revision gegen das angefochtene Urteil ist nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen.
2
Der Zulassungsgrund der Divergenz ist hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen abstrakten Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
3
Das Berufungsurteil beruht auf dem Rechtssatz, dass eine Behörde bei der Rücknahme eines rechtswidrigen Zuwendungsbescheids nach dem Gebot der Haushaltssparsamkeit regelmäßig dazu verpflichtet sei, ihr Ermessen dahingehend auszuüben, den Bescheid aufzuheben, sofern keine atypischen Umstände vorlägen (UA S. 19). Die Beschwerde legt zutreffend dar, dass das Berufungsurteil damit von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Juni 2015 – BVerwG 10 C 15.14 – (BVerwGE 152, 211 Rn. 29) abweicht. Danach liegt bei der Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte grundsätzlich kein Fall intendierten Ermessens vor. Im Bereich des Zuwendungsrechts ist keine gesetzliche Wertung ersichtlich, die das der Behörde eröffnete Ermessen einschränken würde; der Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der öffentlichen Verwaltung genügt hierfür nicht. Die abweichende Auffassung des Berufungsgerichts findet entgegen seiner Annahme keine Stütze in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.
4
Die divergierenden Rechtssätze ergingen in Anwendung derselben Rechtsvorschrift im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, wie sich aus einem am Zweck dieser Norm sowie des § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO orientierten Verständnis des Revisionszulassungsgrundes der Divergenz ergibt.
5
Zwar ist das Berufungsurteil auf § 48 Abs. 1 Satz 1 des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes gestützt, während das abweichende Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Art. 48 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes anwendet. Doch sind die beiden genannten Vorschriften des Landesrechts untereinander ebenso wortgleich wie mit § 48 Abs. 1 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes. Damit kann die Revision nach § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO auf die Verletzung der landesrechtlichen Normen gestützt werden. Sinn des § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO ist es, die Rechtseinheit auf dem Gebiet des Verwaltungsverfahrensrechts zu erhalten (vgl. BT-Drs. 7/4798 S. 3). Das Anliegen der Divergenzrevision besteht darin, die Einheitlichkeit der Verwaltungsrechtsprechung in der Auslegung einer bestimmten Gesetzesvorschrift zu sichern und damit Rechtssicherheit auch im Einzelfall zu gewährleisten (BVerwG, Beschluss vom 9. April 2014 – 2 B 107.13 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 4). Den genannten Zwecksetzungen ist dadurch Rechnung zu tragen, dass bei einer Divergenz in Anwendung von im Wortlaut übereinstimmenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze zweier Länder, die zugleich ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes übereinstimmen, die Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen ist. Auf diesem Wege wird die von der Verwaltungsgerichtsordnung angestrebte Einheitlichkeit der Rechtsprechung auf dem Gebiet des Verwaltungsverfahrensrechts des Bundes und der Länder verwirklicht.
6
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 3 GKG. Eine vorläufige Streitwertfestsetzung für das Revisionsverfahren ist nach § 63 Abs. 1 Satz 1 a.E. GKG entbehrlich.


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