Europarecht

Drittanfechtungsklage gegen eisenbahnrechtliche Stilllegungsgenehmigung

Aktenzeichen  M 24 K 16.1172

Datum:
1.12.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 133481
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AEG § 11
VwGO § 42 Abs. 2, § 45

 

Leitsatz

1. Das Stilllegungsverfahren des § 11 AEG mit seinen Verfahrensregelungen für die Übernahme von Infrastruktureinrichtungen durch Dritte ist dazu bestimmt, auch deren Interessen zu schützen, wobei ein ernsthaftes Übernahmeinteresse genügt (wie BVerwG BeckRS 2016, 52185). (Rn. 42 – 43) (redaktioneller Leitsatz)
2. § 11 AEG ist eine Vorschrift, die zwischen den Interessen des Abgebenden und übernahmewilliger Dritter einen vermittelnden Ausgleich sucht und zwar trotz der zwischenzeitlich stärkeren Betonung des Ziels der Erhaltung bestehender Eisenbahninfrastruktur. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein subjektives Recht kann nur denjenigen Personen zustehen, die bereits innerhalb der 3-monatigen Frist des § 11 Abs. 1a S. 3 AEG ihr Interesse gegenüber dem Abgebenden bekundet haben. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
4. Auch bei übernahmewilligen Dritten in Form einer Personengesellschaft kann die Wertung des § 11 Abs. 1a S. 3 AEG einem subjektiven Abwehrrecht einer solchen Personengesellschaft entgegenstehen, wenn sich bei dieser Personengesellschaft nach Ablauf der 3-monatigen Frist gesellschaftsvertragliche Änderungen ergeben, und zwar derart, dass aus Sicht des Abgebenden im Außenverhältnis nicht mehr von einem identischen Verhandlungspartner ausgegangen werden kann, wie es beispielsweise bei einer erst nach Ablauf der Frist des § 11 Abs. 1a S. 3 AEG erfolgenden Umwandlung einer GbR in eine „GbR mit beschränkter Haftung“ der Fall wäre. (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)
5. Im Hinblick auf die Frage der Klagebefugnis bei verwaltungsgerichtlichen Drittanfechtungsklagen geht es weniger um den (unzweifelhaften) gesellschaftsrechtlichen Umstand, dass eine GbR sich wirksam gesellschaftsvertraglich verändern kann, sondern vielmehr um die eisenbahnrechtliche Frage, welche Konsequenzen eine solche gesellschaftsvertragliche Änderung auf ein subjektives Abwehrrecht aus § 11 AEG als öffentlich-rechtlicher Vorschrift hat. (Rn. 51) (redaktioneller Leitsatz)
6. In Fällen, in denen die von § 11 AEG formal geforderten „Verfahrens“vorgaben eingehalten worden sind, ist in § 11 AEG hinsichtlich der „inhaltlichen“ Frage der Angemessenheit des Angebots eine höchstens eingeschränkt drittschützende Vorschrift zu sehen, also eine Norm, bei der ein subjektives Abwehrrecht eines Übernahmewilligen nicht schon aus jeglicher objektiver Rechtswidrigkeit einer Stilllegungsgenehmigung resultiert (wie es bei Annahme einer „generell“ drittschützenden Norm der Fall wäre), sondern nur dann anzunehmen ist, wenn die (rechtswidrige) Stilllegungsgenehmigung den Übernahmewilligen individualisiert und qualifiziert betrifft. (Rn. 74) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist unzulässig.
1. Das Verwaltungsgericht (VG) München ist sachlich gemäß § 45 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zuständig. Es besteht keine erstinstanzliche Zuständigkeit des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 und Satz 2 VwGO. Denn die hier streitgegenständliche Stilllegungsgenehmigung ist nicht i.S.v. § 48 Abs. 1 Satz 2 VwGO „erforderlich für das Vorhaben“ (im Sinne eines „Baus“ oder einer „Änderung“ i.S.v. § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 VwGO), sondern (ganz im Gegenteil) für die Aufgabe des Vorhabens (vgl. etwa OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 26.08.2005 – OVG 12 A 1.05 – DVBl 2005, 1392, juris Rn. 3).
Weiter ist das VG München für die vorliegende Drittanfechtungsklage örtlich zuständig gemäß § 52 Nr. 1 VwGO wegen der Belegenheit der vom sgB erfassten Eisenbahninfrastruktur im Gerichtsbezirk (Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung – AGVwGO) und der Ortsgebundenheit der streitgegenständlichen Stilllegungsgenehmigung, die mit der Frage der Betriebspflicht untrennbar verbunden ist (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 AEG).
2. Die Kl. ist nicht klagebefugt.
2.1. Da die klagende GbR selbst nicht Adressatin der von ihr angefochtenen Genehmigung ist, kann sich eine Rechtsverletzung i.S.v. § 42 Abs. 2 VwGO nicht unmittelbar aus Grundrechten (vgl. Art. 1 Abs. 3 Grundgesetz – GG) ergeben, sondern nur aus einer Verletzung einer einfach-gesetzlichen Vorschrift, die nach dem Willen des Gesetzgebers zumindest auch die Klägerin schützen soll, wofür vorliegend allein § 11 AEG in Betracht kommt.
Zwar kann § 11 AEG abstrakt gesehen übernahmewilligen Dritten durchaus subjektive Rechte vermitteln (2.2.). Jedoch führen die am 25. Februar 2016 vorgenommenen gesellschaftsvertraglichen Änderungen im Ergebnis dazu, dass sich die Kl. in ihrer zwischenzeitlichen Form nicht mehr auf ein solches Recht berufen kann (2.3.). Unabhängig davon ist bei einer Fallgestaltung wie hier, wenn der Abgabewillige dem formalen Gebot, Verhandlungen zu führen, nachgekommen ist und es um die Frage geht, ob innerhalb dieser Verhandlungen betriebswirtschaftlich angemessene Angebote gemacht worden sind oder nicht, § 11 AEG insoweit nicht als „generell“, sondern nur als „eingeschränkt“ drittschützend zu interpretieren, nämlich nur dann greifend, wenn der Verhandlungspartner in „qualifizierter und individualisierter“ Form in seinen wirtschaftlichen Interessen beeinträchtigt ist, was vorliegend schon wegen der nicht unerheblichen Ablösezahlungsbereitschaft der Bgl. im Ergebnis nicht ersichtlich ist (2.4.), jedenfalls aber unter Berücksichtigung auch der zwischenzeitlichen gesellschaftsvertraglichen Änderungen der klagenden GbR nicht angenommen werden kann (2.5.).
2.2. Das Gericht geht mit dem Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass das Stilllegungsverfahren des § 11 AEG mit seinen Verfahrensregelungen für die Übernahme von Infrastruktureinrichtungen durch Dritte dazu bestimmt ist, auch deren Interessen zu schützen, wobei ein ernsthaftes Übernahmeinteresse genügt (BVerwG, U.v. 25.5.2016 – 3 C 2/15 – N& R 2016, 310, juris Rn. 24 ff. und Leitsatz 2).
Deshalb kann im Falle einer Drittanfechtungsklage die Klagebefugnis nicht pauschal mit der Begründung verneint werden, § 11 AEG sei seinem Wesen nach von vornherein nicht drittschützend. Soweit dies von Judikaten aus der Zeit vor Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften vom 21. Juni 2002 (BGBl. I S. 2191), mit dem der Gesetzgeber das Ziel der Erhaltung von Eisenbahninfrastruktur stärker als zuvor betont hat, ganz allgemein verneint wurde (insbesondere von dem seitens des Bekl. in der mündlichen Verhandlung zitierten Hessischen Verwaltungsgerichtshof, VGH Kassel, B.v. 18.9.2000 – 2 TG 2572/00 – Leitsatz, NVwZ 2001, 105, juris Rn. 6 ff.), kann daran schon im Hinblick auf die besagte Änderung des § 11 AEG nicht festgehalten werden (vgl. hierzu auch BVerwG, U.v. 25.5.2016 – 3 C 2/15 – N& R 2016, 310, juris Rn. 24).
2.3. Gleichwohl scheidet vorliegend ein subjektives Abwehrrecht der klagenden GbR aus § 11 AEG gegen den sgB schon deswegen aus, weil die gesellschaftsrechtliche Verfasstheit der klagenden GbR während des gerichtlichen Verfahrens nicht mehr derjenigen im Zeitpunkt der Angebotsaufforderung gegenüber der Bgl. gemäß § 11 Abs. 1a Satz 3 AEG entspricht und diese Änderung auch das Außenverhältnis zur abgebenden Bgl. betrifft, und zwar in für die Bgl. rechtlich relevanter Art und Weise.
2.3.1. § 11 AEG ist eine Vorschrift, die zwischen den Interessen des Abgebenden und übernahmewilliger Dritter einen vermittelnden Ausgleich sucht und zwar trotz der zwischenzeitlich stärkeren Betonung des Ziels der Erhaltung bestehender Eisenbahninfrastruktur. Besonders deutlich wird dieser Ausgleich an § 11 Abs. 1a AEG: Einerseits dient die in § 11 Abs. 1a Satz 1 AEG vorgesehene Veröffentlichungspflicht klar dem Informationsinteresse potentieller Übernahmewilliger. Andererseits dient die in § 11 Abs. 1a Satz 3 AEG vorgesehene 3-monatige Präklusionsfrist offenkundig dazu, im Interesse des Abgebenden den Kreis derjenigen Übernahmewilligen, mit denen der Abgebende in Verhandlungen treten muss, wenn er zur Abgabe eines Angebots aufgefordert wird, einzugrenzen. Fordert ein Übernahmewilliger den Abgebenden erst nach Verstreichen der 3-Monats-Frist auf, ein Angebot zu machen, so ist der Abgebende hierzu nicht verpflichtet und ein subjektives Abwehrrecht kann im Gefolge für den zu spät Bietenden nicht mehr entstehen. Dabei ist zu sehen, dass die in § 11 AEG vorgesehene Pflicht, Verhandlungen zu führen, eine Einschränkung der grundsätzlich bestehenden Vertragsfreiheit als wesentlicher Bestandteil der Privatautonomie ist, die das Gesetz verfahrensbezogen dadurch ausgleicht, dass der Kreis derjenigen mit denen Verhandlungen auf Aufforderung geführt werden müssen, durch die 3-monatige Frist des § 11 Abs. 1a Satz 3 AEG eingegrenzt wird.
2.3.2. Dieser Hintergrund des § 11 Abs. 1a AEG macht es erforderlich, auch bei der weiteren Auslegung des § 11 AEG stets den Ausgleich der wechselseitigen Interessen des Abgebenden einerseits und des Übernahmewilligen andererseits im Blick zu behalten, und zwar insbesondere auch im Hinblick auf die rechtliche Verfasstheit des jeweiligen Übernahmewilligen. Ein subjektives Recht kann nur denjenigen Personen zustehen, die bereits innerhalb der 3-monatigen Frist des § 11 Abs. 1a Satz 3 AEG ihr Interesse gegenüber dem Abgebenden bekundet haben.
2.3.3. Daraus folgt, dass jedenfalls dann, wenn der Abgebende (wie hier) Verhandlungen nicht verweigert, sondern in solche eintritt, und der Verhandlungspartner keine natürliche Person, sondern eine Gesellschaft ist, nachträgliche Änderungen der gesellschaftsrechtlichen Verfasstheit für die Frage eines subjektiven Rechts schädlich sein können.
2.3.3.1. Ohne Weiteres klar wäre die Situation aus Sicht der Kammer etwa bei einem schon formal festzustellenden Formwechsel, etwa wenn innerhalb der 3-monatigen Frist die Aufforderung, ein Angebot abzugeben von einer natürlichen Person ausgesprochen wurde, später aber (nach Ablauf der Frist des § 11 Abs. 1a Satz 3 AEG) diese natürliche Person eine GmbH gründet und nur noch als deren Geschäftsführer auftritt. In einem solchen Fall hätte die (erst sukzessiv entstandene) GmbH eben nicht innerhalb der Frist des § 11 Ab. 1a Satz 3 AEG ihr Interesse bekundet. Dabei ist stets zu sehen, dass es bei § 11 AEG nicht um schon bereits geschlossene Verträge geht, für die der Abgebende selbstverständlich auch gegenüber Rechtsnachfolgern verantwortlich bleibt, sondern nur um „Verhandlungen“ im Vorfeld von Vertragsschlüssen.
2.3.3.2. Aber auch bei übernahmewilligen Dritten in Form einer Personengesellschaft (wie vorliegend) kann die Wertung des § 11 Abs. 1a Satz 3 AEG einem subjektiven Abwehrrecht einer solchen Personengesellschaft entgegenstehen, wenn sich bei dieser Personengesellschaft nach Ablauf der 3-monatigen Frist gesellschaftsvertragliche Änderungen ergeben, und zwar derart, dass aus Sicht des Abgebenden im Außenverhältnis nicht mehr von einem identischen Verhandlungspartner ausgegangen werden kann, wie es beispielsweise bei einer erst nach Ablauf der Frist des § 11 Abs. 1a Satz 3 AEG erfolgenden Umwandlung einer GbR in eine „GbR mit beschränkter Haftung“ der Fall wäre.
Dabei verkennt die Kammer nicht, dass gesellschaftsrechtlich nach zwischenzeitlich gefestigter Zivilrechtsprechung einer Außen GbR Teilrechtsfähigkeit zukommt, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet (BGH, U.v. 29.1.2001 – II ZR 331/00 – BGHZ 146, 341, juris Rn. 5-13 und Leitsatz 1) und dass bei dieser Bewertung ein maßgebliches Argument gerade auch praktische Vorteile beim Wechsel im Mitgliederbestand (BGH a.a.O. Rn. 9) und bei Umwandlungen (BGH a.a.O. Rn. 10) waren: Ein Wechsel im Mitgliederbestand soll gerade keinen Einfluss auf den Fortbestand der mit der Gesellschaft bestehenden Rechtsverhältnisse haben (BGH a.a.O. Rn. 9).
Allerdings führt der Umstand, dass eine Außen GbR trotz eines Wechsels im Mitgliederbestand gesellschaftsrechtlich fortbestehen kann, nicht dazu, dass im Kontext des § 11 AEG die Frage eines subjektiven Abwehrrechts der übernahmewilligen GbR von einer Änderung des Gesellschaftsvertrags völlig unabhängig wäre. Im Hinblick auf die Frage der Klagebefugnis bei verwaltungsgerichtlichen Drittanfechtungsklagen geht es nämlich weniger um den (unzweifelhaften) gesellschaftsrechtlichen Umstand, dass eine GbR sich wirksam gesellschaftsvertraglich verändern kann, sondern vielmehr um die eisenbahnrechtliche Frage, welche Konsequenzen eine solche gesellschaftsvertragliche Änderung auf ein subjektives Abwehrrecht aus § 11 AEG als öffentlich-rechtlicher Vorschrift hat.
Dabei ist auch zu sehen, dass die Besonderheit des § 11 AEG darin besteht, dass er den Abgebenden zu Vertrags“verhandlungen“ zwingt, während das Haftungsregime des Gesellschaftsrechts – wie gezeigt – mehr den „Fortbestand“ der mit der Gesellschaft „bestehenden“ Rechtsverhältnisse, also eher die Situation „nach“ Vertragsschluss, im Blick hat. Letzteres kann insbesondere dann für § 11 AEG relevant werden, wenn sich bei einer Personengesellschaft sukzessive Änderungen ergeben, die sich auf die „Haftung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter“ gegenüber dem Abgebenden auswirken können.
Zu berücksichtigen ist weiter, dass nach gefestigter gesellschaftsrechtlicher Rechtsprechung die Gesellschafter einer GbR „akzessorisch“ haften: Soweit der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft auch persönlich haftet, ist (entsprechend § 128 HGB) der jeweiliger Bestand der Gesellschaftsschuld also auch für die persönliche Haftung maßgebend (BGH, U.v. 29.1.2001 – II ZR 331/00 – BGHZ 146, 341, juris Rn. 39 und Leitsatz 3). Ist eine GbR-Gesellschaftsschuld entstanden, hat der Vertragspartner einer GbR somit regelmäßig die Möglichkeit, nicht nur die GbR, sondern auch die bei Vertragsschluss vorhandenen Gesellschafter in Anspruch zu nehmen, wobei es dem Gesellschaftsgläubiger aber auch unbenommen bleibt, sich ausschließlich an die Gesellschafter zu halten (BGH a.a.O. Rn. 37). Daraus ergibt sich für die Auslegung des § 11 AEG, dass eine Veränderung im Bestand der nach außen haftenden Gesellschafter nach Ablauf der Frist des § 11 Abs. 1a Satz 3 AEG für den Abgebenden eine gravierende wirtschaftliche Veränderung darstellt, weil ihm letztlich ein Haftungsschuldner abhanden kommt.
Eine derartige Haftungsproblematik kann sich beispielsweise dann ergeben, wenn eine GbR zunächst mit einer bestimmten Anzahl von Gesellschaftern auftritt und einer dieser Gesellschafter im Zuge der Verhandlungen (vor Vertragsschluss) ausscheidet. Zwar würde dadurch – wie gezeigt – der Fortbestand der GbR gesellschaftsrechtlich nicht in Frage gestellt. Haftungsrechtlich ergäbe sich dadurch aber eine gravierende Änderung aus Sicht des Abgebenden im Hinblick auf die entfallene Zugriffsmöglichkeiten hinsichtlich des ausgeschiedenen Gesellschafters.
Im Ergebnis nicht anders zu behandeln ist der Fall, dass einer der Ausgangsgesellschafter nach Ablauf der Frist des § 11 Abs. 1a Satz 3 AEG (und vor einem Vertragsschluss der übernahmewilligen GbR mit dem Abgebenden) seine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit ändert, indem er seinen Anteil in eine „stille Beteiligung“ umwidmet. Dabei ist die Figur der sog. stillen Beteiligung an einer (Außen-)GbR entsprechend §§ 230-236 HGB gesellschaftsrechtlich anerkannt (vgl. Bergmann in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth, juris-Praxiskommentar BGB (jurisPK-BGB), Band 2, 7. Auflage 2014, Stand: 31.08.2016, § 705 Rn. 49 m.w.N.). Gemeinsames Merkmal aller „stillen Gesellschafter“ ist dabei die fehlende Außenhaftung, und zwar sogar im Fall eines sog. atypisch stillen Gesellschafters, der im Gesellschaftsvertrag hinsichtlich seiner Rechte und Pflichten einem Kommanditisten gleichgestellt wird (vgl. Bergmann a.a.O. Rn. 49 mit Hinweis auf BGH, B.v. 1.3.2010 – II ZR 249/08 – DB 2010, 1522, juris Rn. 2-7 und Leitsatz).
Jedenfalls in den genannten Fällen der (nach Ablauf der Frist des § 11 Abs. 1a Satz 3 AEG) veränderten Außenhaftung würde der Abgebende einem Verhandlungspartner gegenüberstehen, der ihm nicht mehr dasselbe Maß an Haftungsschuldnern vermitteln kann wie die innerhalb der Frist des § 11 Abs. 1a Satz 3 AEG Interesse bekundende Personengesellschaft. Dies spricht dagegen, dass eine solchermaßen veränderte Personengesellschaft aus § 11 AEG ein subjektives Abwehrrecht herleiten kann.
2.3.3.3. Für den vorliegenden Fall ergibt sich vor diesem Hintergrund, dass die gesellschaftsvertraglichen Änderungen, die die W. … GbR am 25. Februar 2016 vorgenommen hat, aus Sicht der abgebenden Bgl. zu einer so maßgeblichen Änderung geführt haben, dass die klagende GbR von der Bgl. nicht mehr als diejenige Verhandlungspartnerin angesehen werden muss, die innerhalb der 3-monatigen Frist des § 11 Abs. 1a Satz 3 AEG ihr Interesse bekundet hat.
2.3.3.3.1. Dabei ist zu beachten, dass die §§ 705 ff. BGB für GbR-Gesellschaftsverträge keinen Formzwang vorsehen, so dass auch mündliche Absprachen insoweit relevant sind. Außerdem gibt es keinen Registerzwang wie bei Handelsgesellschaften, so dass auch insoweit die rechtliche Relevanz mündlicher Absprachen und Erklärungen nicht eingeschränkt ist. Die Kehrseite dieser Formfreiheit ist im Verwaltungsprozess freilich, dass es dort gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO weitestgehend der jeweiligen GbR obliegt, im Falle des Fehlens eines schriftlichen Gesellschaftsvertrags den Inhalt der mündlichen Abreden und Erklärungen substantiiert darzulegen.
2.3.3.3.2. Im Fall der klagenden GbR ergibt sich eine für das Außenverhältnis maßgebliche Änderung vor diesem Hintergrund zunächst daraus, dass die …-GmbH nach dem Vortrag des KlBev. im Schriftsatz vom 17. März 2016 fortan gleichsam nur noch als „stiller Gesellschafter“ geführt wird.
Vorliegend hat der KlBev. in der mündlichen Verhandlung auf Frage der Bgl. explizit erklärt, dass es keinen schriftlichen Gesellschaftsvertrag gibt (Sitzungsprotokoll. S. 6, erster Absatz), weswegen den Ausführungen der Klagepartei zu den gesellschaftsvertraglichen Änderungen maßgebliches Gewicht zukommt. Dabei hat der KlBev. in der mündlichen Verhandlung unter anderem mitgeteilt, die …-GmbH habe sich aus der aktiven Rolle zurückgezogen; die gesellschaftsrechtlichen Änderungen vom 25. Februar 2016 stellten nur eine Änderung der Vertretungsregelung dar. Es habe sich nichts an der Gesellschafterzusammensetzung und am Gesellschaftszweck geändert (Sitzungsprotokoll S. 4, Mitte). Alle Gesellschafter seien weiterhin „im Boot“; diese Situation ergebe sich auch aus dem Schreiben der …-GmbH vom 19. Mai 2016 (Sitzungsprotokoll S. 4, Ende des vierten Absatzes). Im Schreiben der RSE-GmbH vom 19. Mai 2016 ist dabei unter anderem ausgeführt, die Rolle der … solle sich in absehbarer Zeit eher auf eine „beratende Tätigkeit im Hintergrund“ beziehen. Weiter hat der KlBev. im Schriftsatz vom 17. März 2016 unter anderem mitgeteilt, es sei richtig, dass die Klägerin aus vier Gesellschaftern bestehe (a.a.O. S. 1, Mitte). Im Übrigen sei vereinbart worden, die …-GmbH mit deren ausdrücklicher Billigung wegen ihrer räumlichen Entfernung und wegen interner Gründe „fortan gleichsam nur noch als ´stille Gesellschafterin´ der Klägerin, die nicht nach außen auftritt, zu führen“ (a.a.O. S. 2, zweiter Absatz).
Bei einer Zusammenschau all dieser Mitteilungen ergibt sich ein auslegungsbedürftiges Bild. Eindeutig ist zwar, dass die klagende GbR unverändert eine Außen GbR ist, also eine Gesellschaft, die unter eigenem Namen nach im Rechtsverkehr auftritt, was die vorliegende Klage zeigt. Fraglich ist aber, welche für das Außenverhältnis zur Bgl. maßgeblichen gesellschaftsvertraglichen Änderungen sich dabei im Detail ergeben haben. Zum einen ist insoweit die Vertretungsregelung geändert worden hin zu einem Vier-Augen-Prinzip (vgl. Protokoll der Sitzung des GbR-Konsortiums vom 25.2.2016, S. 1, letzter Absatz). Zum anderen hat sich die Rolle der RSE-GmbH gewandelt. Das Gericht hält es nicht für zweifelhaft, dass die …-GmbH noch Gesellschafterin ist. Daraus folgt aber noch nicht, dass hinsichtlich der …-GmbH im Außenverhältnis zur Bgl. eine unveränderte rechtliche Stellung der …-GmbH bestehen würde. Denn „Gesellschafterin“ wäre die …-GmbH auch dann noch, wenn sie nunmehr die Rolle einer „stillen GbR-Gesellschafterin“ einnehmen sollte, die – wie gezeigt – im Außenverhältnis nicht haften würde, während innerhalb der Frist des § 11 Abs. 1a Satz 3 AEG die GbR mit der RSE-GmbH als im Außenverhältnis akzessorisch voll haftender Gesellschafterin aufgetreten ist. Vor diesem Hintergrund misst die Kammer den Ausführungen des KlBev. im Schriftsatz vom 17. März 2016 (dort S. 2, zweiter Absatz) maßgebliches Gewicht bei, wonach die …-GmbH „fortan gleichsam nur noch als ´stille Gesellschafterin´ der Klägerin, die nicht nach außen auftritt“ zu führen ist. Mangels schriftlichen Gesellschaftsvertrags sieht sich das Gericht gehalten, den von der Klagepartei selbst explizit verwandten Terminus der „stillen Gesellschafterin“ im technischen Sinn zu verstehen, nämlich im Sinne nunmehr fehlender Außenhaftung der …-GmbH. Die Ausführungen des Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung stehen einer solchen Bewertung nicht entgegen; denn – wie gezeigt – ist auch ein stiller GbR-Gesellschafter begrifflich durchaus ein „Gesellschafter“. Auch die Mitteilung der …-GmbH selbst in deren Schreiben vom 19. Mai 2016, dass sich die Rolle der … in absehbarer Zeit eher auf eine „beratende Tätigkeit im Hintergrund“ beschränken soll, deuten in Richtung einer bloß stillen Beteiligung, zumal auch im Protokoll der (ohne Vertreter der … abgehaltenen) GbR-Sitzung vom 25. Februar 2016 davon die Rede ist, das Konsortium habe die … bei keiner Entscheidung ohne Zustimmung „belastet“.
2.3.3.3.3. Unabhängig davon, ob die …-GmbH nur ein „stiller Beteiligter“ ist oder nicht, ergibt sich eine für das Außenverhältnis der Stadt zur GbR relevante Änderung aber jedenfalls auch daraus, dass die …-GmbH sich nach eigenem Vortrag im Schreiben vom 19. Mai 2016 in absehbarer Zeit nur noch auf eine „beratende Tätigkeit im Hintergrund“ beschränken will.
Dabei ist zu sehen, dass die beigeladene Stadt bereits im Rahmen des ersten Sondierungsgesprächs vom 26. Mai 2014 (Bl. 766 d.A.) explizit die Frage nach der „Eisenbahnerfahrung i.S. des § 6 AEG“ aufgeworfen hat und die damalige W. A. GbR mittteilte: „Die … sowie die … verfügen über die notwendige Erfahrung“.
Aus diesem Umstand wird deutlich, dass die Frage der Eisenbahnerfahrung eine nicht unerhebliche Geschäftsgrundlage der Verhandlungen war, und zwar von Anfang an. Wenn nun aber die W. A. GbR in ihrer ursprünglichen Verfasstheit auf explizite Nachfrage ihres Verhandlungspartners gerade die …-GmbH als einen der beiden „eisenbahnerfahrenen“ Ansprechpartner innerhalb des Konsortiums bezeichnet hat, kann sich eine Veränderung der Rolle gerade dieses Gesellschafters im Kontext des § 11 Abs. 1a Satz 3 AEG hinsichtlich der Frage eines subjektiven Abwehrrechts für die GbR nachteilig auswirken. Der KlBev. hat insoweit in der mündlichen Verhandlung ergänzend ausgeführt, die …-GmbH habe sich nach einem Wechsel in der Geschäftsführung entschlossen, im Rahmen der W. A. GbR nach dem Motto zu verfahren „Macht ihr mal“; wenn die Situation der Übernahme der Bahnstrecke eintrete, müssten sich die Gesellschafter überlegen, wie sie ihre Rollen dann verteilen würden (Sitzungsprotokoll S. 4, Mitte). Daraus wird deutlich, dass die Frage, ob die …-GmbH als eine der beiden Gesellschafter mit Eisenbahnerfahrung diese Erfahrung auch aktiv in den Sanierungsprozess einbringt oder nicht, nach dem zwischenzeitlichen Stand in der Schwebe ist. Die klagende W. A. GbR hat sich insoweit letztlich alle Optionen offengehalten und keine verbindliche Aussage getroffen. Das ist zwar gesellschaftsrechtlich selbstverständlich zulässig, führt aber im Kontext des § 11 AEG zu einer maßgeblichen Unsicherheit aus der (gleichsam relevanten) Perspektive des Verhandlungspartners, nämlich der beigeladenen Stadt. Diese Unsicherheit führt dazu, dass es sich trotz der namentlichen Identität der klagenden GbR im Hinblick auf die Frage der „Eisenbahnerfahrung“ nicht mehr um denselben Verhandlungspartner handelt, der innerhalb der von § 11 Abs. 1a Satz 3 AEG vorgesehenen Frist die abgebende Stadt zum Angebot aufgefordert hat und mit der Stadt im Gefolge in Verhandlungen getreten ist.
2.3.3.4. Die für das Außenverhältnis zur abgebenden Bgl. wesentlichen gesellschaftsvertraglichen Änderungen führen dazu, dass die klagende GbR in ihrer zwischenzeitlichen Form kein subjektives Recht aus § 11 AEG für sich in Anspruch nehmen kann. Denn – wie gezeigt – wäre selbst bei Fortführung der Verhandlungen mit der klagenden GbR der Kreis der dann der Bgl. zur Verfügung stehenden (außenhaftenden) Gesellschafter nicht mehr derjenige, jedenfalls aber das seitens der klagenden GbR aktive eingebrachte Maß an Eisenbahnerfahrung nicht mehr dasjenige, von dem die Bgl. bei der ursprünglichen Angebotsaufforderung innerhalb der Frist des § 11 Abs. 1a Satz 3 AEG ausgehen musste und ausgehen durfte.
2.4. Unabhängig von den Auswirkungen der am 25. Februar 2016 vorgenommenen gesellschaftsvertraglichen Änderungen scheitert ein subjektives Abwehrrecht der klagenden GbR auch daran, dass die formalen Verfahrensvorgaben des § 11 AEG vorliegend von der Bgl. eingehalten worden sind und hinsichtlich des Inhalts des von der abgebenden Bgl. im Zuge der Verhandlungen unterbreiteten Angebots ein qualifiziertes und individualisiertes Betroffensein der klagenden GbR nicht ersichtlich ist.
2.4.1. Auch unter Berücksichtigung der neuesten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 25.5.2016 – 3 C 2/15 – N& R 2016, 310, juris) ist in Fällen, in denen die formalen Verfahrensvorgaben des § 11 AEG vom Abgebenden eingehalten werden, davon auszugehen, dass nicht jeglicher objektiv-rechtliche Verstoß hinsichtlich der in § 11 AEG genannten inhaltlichen Kriterien, namentlich der Frage, ob das Angebot des Abgebenden den „üblichen Bedingungen“ entspricht, zu einem korrespondierenden subjektiven Abwehrrecht der sich innerhalb der Frist des § 11 Abs. 1a Satz 3 AEG meldenden Bieter führt.
Vielmehr bringt schon der zweite Leitsatz des zitierten BVerwG-Urteils vom 25. Mai 2016 zum Ausdruck, dass der Drittschutz aus den „Verfahrens“regelungen des § 11 AEG herrührt. Hierfür spricht auch der dieser Entscheidung zugrunde liegende Fall, in dem es nicht um die Anfechtung einer Stilllegungsgenehmigung, sondern um einen eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschluss unter kompletter Verneinung der Notwendigkeit einer Stilllegungsgenehmigung seitens der Behörde ging (BVerwG a.a.O. juris Rn. 4-5), wobei der übernahmewillige Dritte zuvor signalisiert hatte, die Infrastruktur übernehmen zu wollen, ohne dass es im Gefolge zu einem Angebot seitens des abgabewilligen Infrastrukturbetreibers gekommen wäre (BVerwG a.a.O. juris Rn. 3).
Vor diesem Hintergrund ist zwar mit dem zitierten Judikat des BVerwG (a.a.O. Rn. 26) festzuhalten, dass von der übernahmewilligen Kl. nicht verlangt werden kann, zu erklären, die stillzulegende Infrastruktur „auf ihre Kosten“ zu übernehmen, sondern es Sache des Abgebenden ist, Übernahmewilligen Dritten ein „Angebot vorzulegen“. In dem vom BVerwG entschiedenen Fall hatte der dortige abgabewillige Infrastrukturbetreiber aber schon ein solches Angebot unterlassen, so dass es im Gefolge freilich nicht zu Verhandlungen über die Übernahme der Eisenbahninfrastruktur kam. Die Problematik lag also bei einer elementaren formalen Frage des Verfahrensablaufs.
Demgegenüber hat im vorliegenden Fall die Bgl. getreu den Verfahrensvorgaben des § 11 Abs. 1a Satz 1 AEG ihre Stilllegungsabsicht öffentlich bekannt gemacht und – wie in § 11 Abs. 1a AEG vorgesehen – auf Aufforderung (auch) der W. A. GbR ein Angebot gemacht und mehrere Verhandlungsrunden mit dieser GbR und einem anderen Bieter geführt. Der von § 11 AEG vorgesehene Verfahrensablauf wurde also von der Bgl. – anders als in dem vom BVerwG entschiedenen Fall – eingehalten.
Die Kritik der klagenden GbR liegt denn auch auf einer gänzlich anderen Ebene als in dem vom BVerwG entschiedenen Fall. Es geht darum, dass das von der Bgl. im Zuge der Verhandlungen unterbreitete Angebot von der Kl. als unangemessen angesehen wird im Hinblick auf die aus Sicht der klagenden GbR unzureichende Erfüllung der mehrjährigen Betriebspflicht der Bgl. und die aus Sicht der klagenden GbR unzureichende Durchsetzung dieser Pflichten durch den Bekl. (vgl. Sitzungsprotokoll S. 6/7).
2.4.2. Angesichts der Einhaltung der von § 11 Abs. 1a AEG vorgesehenen Verfahrensvorgaben ist schon fraglich, ob derartige, letztlich betriebswirtschaftlich zu bewertende Aspekte überhaupt subjektive Rechte übernahmewilliger Bieter begründen können, weil es insoweit nicht um die „Verfahrensregelungen“ des Stilllegungsverfahren geht, sondern vielmehr um die inhaltliche Frage der Angemessenheit des Angebots „zu den üblichen Bedingungen“ i.S.v. § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG. Dabei ist zu sehen, dass eben diese Frage von § 11 AEG nicht in § 11 Abs. 1a AEG (als einer Vorschrift zum Verhältnis zwischen Abgebenden und übernahmewilligem Dritten) geregelt ist, sondern in § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG (als einer Vorschrift, die das Verhältnis des Abgebenden zur staatlichen Genehmigungsbehörde betrifft). Es spricht einiges dafür, dass die materiell-rechtliche Frage der Angemessenheit des Angebots allein der (staatlichen) Prüfung der Genehmigungsbehörde obliegt und insoweit Drittschutz nicht vermittelt wird.
2.4.3. Die Kammer kann dies aber letztlich offen lassen, weil selbst dann, wenn auch hinsichtlich der Frage der Angemessenheit eines Angebots zu den „üblichen Bedingungen“ i.S.v. § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG einen Drittschutz möglich sein sollte, jedenfalls der vorliegend klagenden GbR insoweit kein subjektives Abwehrrecht zustünde, und zwar mangels eines „qualifizierten und individualisierten“ Betroffenseins.
2.4.3.1. In Fällen, in denen – wie vorliegend – die von § 11 AEG formal geforderten „Verfahrens“vorgaben eingehalten worden sind (s.o.), sieht die Kammer in § 11 AEG hinsichtlich der „inhaltlichen“ Frage der Angemessenheit des Angebots eine höchstens eingeschränkt drittschützende Vorschrift, also eine Norm, bei der ein subjektives Abwehrrecht eines Übernahmewilligen nicht schon aus jeglicher objektiver Rechtswidrigkeit einer Stilllegungsgenehmigung resultiert (wie es bei Annahme einer „generell“ drittschützenden Norm der Fall wäre), sondern nur dann anzunehmen ist, wenn die (rechtswidrige) Stilllegungsgenehmigung den Übernahmewilligen individualisiert und qualifiziert betrifft.
Die Unterscheidung zwischen „generell“ drittschützenden Normen (ohne Erfordernis einer qualifizierten und individualisierten Betroffenheit des Dritten) und bloß „eingeschränkt“ („partiell“) drittschützenden Normen (mit Erfordernis einer qualifizierten und individualisierten Betroffenheit) findet sich in vielen Normen des besonderen Verwaltungsrechts; besondere Bedeutung gewinnt sie im Bereich des Baurechts (vgl. etwa Reidt in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 13. Auflage 2016, Vorb. zu §§ 39-38 Rn. 17 und Rn. 20 m.w.N.).
Im Kontext des § 11 AEG spricht dabei für das Erfordernis eines qualifizierten und individualisierten Betroffenseins des jeweiligen Übernahmewilligen durch das (aus seiner Sicht unzureichende) Angebot des Abgebenden wiederum der Umstand, dass dieser Aspekt am deutlichsten in § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG angesprochen wird, wobei § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG aber gerade von einer Prüfungskompetenz der staatlichen Genehmigungsbehörde ausgeht.
Unabhängig davon ist zu sehen, dass § 11 AEG dem Abgebenden keinen bestimmten Preis vorschreibt, sondern nur an die Kriterien des „Ertragswertes“ (§ 11 Abs. 1a Satz 3 AEG) und der „üblichen Bedingungen“ (§ 11 Abs. 1 Satz 2 AEG) anknüpft, so dass „Verhandlungen“ i.S.v. § 11 AEG als ergebnisoffene Vorgänge zu sehen sind, die maßgeblich von der gegenseitigen Leistungsbereitschaft und -fähigkeit beider Verhandlungspartner abhängen. Aufgrund dieses Umstandes kann das Gebaren der jeweiligen Verhandlungspartner während der Verhandlungen für die Frage des Drittschutzes nicht unberücksichtigt bleiben. Je konkreter und weitgehender der Abgebende Positionen in die Verhandlungen einbringt, desto höhere Anforderungen sind an ein subjektives Abwehrrecht des Übernahmewilligen im Falle der Erteilung einer Stilllegungsgenehmigung zu stellen.
Unabhängig davon spricht auch der vom Gesetzgeber in § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG verwandte Terminus der „üblichen“ Bedingungen dafür, ein subjektives Abwehrrecht von einem qualifizierten und individualisierten Betroffensein des Übernahmewilligen abhängig zu machen. Denn es ist zu sehen, dass die „üblichen“ Bedingungen letztlich an rein tatsächlich-kaufmännische Gepflogenheiten der Preisbildung im Markt anknüpfen, nicht aber an normative oder wissenschaftliche Maßstäbe, wie es beispielsweise im Bereich des Kommunalabgabenrechts mit dem Terminus der „nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten“ (vgl. etwa Art. 8 Abs. 2 Satz 1 des bayerischen Kommunalabgabengesetzes, KAG) vorgeschrieben ist. Geht es aber letztlich um einen Vergleich mit dem im Markt „tatsächlich“ Üblichen, so ist zu berücksichtigen, dass auch die jeweils streitbefangene „Verhandlung“ als tatsächlicher Vorgang ihrerseits Rückwirkung auf das im Markt „Übliche“ hat, so dass das Verhandlungsgeschick des jeweiligen Verhandlungsteilnehmers mittelbar Auswirkungen auf den Prüfungsmaßstab gewinnen kann. Gerade in einem solchen Bereich „normativer Kraft des Faktischen“ erscheint es aber geboten, eine subjektiv-rechtliche Handhabe zur Anfechtung von Stilllegungsgenehmigungen nicht bei jedweder Möglichkeit einer (rechtswidrigen) Abweichung vom „Üblichen“ vorzusehen, sondern nur bei einem (auch rechtlich) qualifizierten und individualisierten Betroffensein des Übernahmewilligen.
2.4.3.2. Vorliegend ist die Möglichkeit eines qualifizierten und individualisierten Betroffenseins der klagenden GbR unter Berücksichtigung des Verlaufs der Verhandlungen nicht ersichtlich.
Die abgebende Bgl. hat mit der übernahmewilligen W. A. GbR mehrere Verhandlungsrunden geführt und zuletzt angeboten, sich im Falle einer Verpachtung an die Kl. mit 440.000,- € zu beteiligen. Die Kl. hält dieses Angebot für nicht zureichend im Hinblick auf die aus ihrer Sicht jahrelang von der Bgl. vernachlässigte Betriebspflicht.
Dabei ist aber zu sehen, dass die klagende GbR auf das letzte Angebot der abgebenden Bgl. hin nicht dargelegt hat, inwieweit sich die Kl. – im Falle der von ihr erwarteten Beteiligung der Bgl. – selbst an dem Projekt mit eigenen Investitionen beteiligen würde; vielmehr wurde im Zuge der Verhandlungen explizit ausgeführt, dass seitens der übernahmewilligen GbR keine wesentlichen Eigenmittel vorhanden seien. Zwar kann von einem Übernahmewilligen zu Beginn der Verhandlungen (bei der Angebotsaufforderung i.S.v. § 11 Abs. 1a Satz 3 AEG) nicht verlangt werden, die Bereitschaft zur eigenen Kostentragung zu erklären (vgl. BVerwG, U.v. 25.5.2016 – 3 C 2/15 – N& R 2016, 3010, juris Rn. 26).
Hat der Abgebende aber ein Angebot gemacht und ist mit dem Übernahmewilligen in konkrete Verhandlungen eingetreten, ist ein subjektives Abwehrrecht auch vom eigenen Verhandlungsverhalten des Übernahmewilligen abhängig.
Jedenfalls dann, wenn der Übernahmewillige vom Abgebenden eine Zahlung erwartet, kann vom Übernahmewilligen in einem solchen Verfahrensstand erwartet werden, dass der Übernahmewillige substantiiert darlegt, welche eigenen rechtlichen oder wirtschaftlichen Positionen von seiner Seite (aufbauend auf dem von ihm erwarteten Zahlungsanteil des Abgebenden) im Raume stehen und durch die Stilllegungsgenehmigung betroffen sein können. Allein mit der Kritik, das Angebot des Abgebenden bleibe hinter den Vorstellungen des Übernahmewilligen zurück, kann (jedenfalls in einer solchen Konstellation) ein subjektives Abwehrrecht nicht begründet werden. Vielmehr muss der Übernahmewillige im Minimum die finanzielle Bewerkstelligung der Durchführung des Betriebs der abzugebenden Infrastruktur in groben Zügen darlegen, sonst gerät die Ziel- und Zweckausrichtung auf die Fortführung des Infrastrukturbetriebs, im Interesse der Allgemeinheit ein attraktives Verkehrsangebot auf der Schiene zu haben, aus dem Blick und reduziert das subjektive Abwehrrecht in seinem Gehalt auf eine bloße Stärkung der Verhandlungsposition bei den privatautonomen Verhandlungen zwischen Übernahmewilligem und Abgebendem. Das gilt jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden, in dem bereits bei Übernahme der Eisenbahninfrastruktur durch die abgabewillige Stadt kein Bahnbetrieb mehr stattfand und dieser auch im Gefolge bis zur mündlichen Verhandlung nicht wieder realisiert worden ist. Denn in solchen Konstellationen verlangt das eisenbahnrechtliche Ziel, wieder eine betriebsbereite Strecke zu haben und verkehrlich attraktiv bedienen zu können, hinzutretend zur bloßen Übernahme oder Fortentwicklung der vorhandenen Eisenbahninfrastruktur auch die Wiederherstellung und Reaktivierung der tatsächlichen Betriebsstrecken. Letzteres spricht aber dafür, ein subjektives Abwehrrecht eines übernahmewilligen Dritten gegen eine Stilllegungsgenehmigung jedenfalls in solchen Konstellationen davon abhängig zu machen, dass dieser die finanzielle Bewerkstelligung der von ihm (im Interesse des eisenbahnrechtlich relevanten Ziels, wieder eine betriebsbereite Strecke zu haben und verkehrlich attraktiv bedienen zu können) beabsichtigten „Durchführung des Betriebs der Eisenbahninfrastruktur“ wie beschrieben darlegt.
In solchen Fällen führt auch der Grund, weshalb der Übernahmewillige eine Zahlung des Abgebenden erwartet, nämlich ein (vom Übernahmewilligen) angenommener Verstoß des Abgebenden gegen dessen Betriebspflicht, nicht dazu, dass auf das Erfordernis eines qualifizierten und individualisierten Betroffenseins sowie eines substantiierten Vortrags der betroffenen eigenen rechtlichen oder wirtschaftlichen Positionen verzichtet werden könnte. Es ist nämlich zu sehen, dass die Einforderung der Betriebspflicht nicht Sache des drittanfechtenden Übernahmewilligen ist, sondern vielmehr der staatlichen Eisenbahnaufsicht obliegt, die ihrerseits nicht dazu dient, etwaige Übernahmewillige zu schützen.
Ganz im Gegenteil spricht schon dieser Aspekt des fehlenden Drittschutzes der Betriebspflicht und der diesbezüglichen Eisenbahnaufsicht (unabhängig vom allgemeinen Erfordernis eines qualifizierten und individualisierten Betroffenseins) dagegen, davon auszugehen, dass die klagende GbR durch die streitgegenständliche Stilllegungsgenehmigung in einem subjektiven Recht verletzt sein könnte.
Vor diesem Hintergrund bestehen vorliegend keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein qualifiziertes und individualisiertes Betroffensein der klagenden GbR durch das Angebot und die Verhandlungsführung der Bgl. und ist die Kl. schon aus diesem Grund nicht klagebefugt.
2.5. Selbst wenn weder die gesellschaftsvertraglichen Änderungen allein (s.o. 2.3.) noch die Ablösezahlungsbereitschaft der Bgl. (im Hinblick eine fehlende qualifizierte Betroffenheit der Kl. – s.o. 2.4.) für sich gesehen die Klagebefugnis ausschließen sollten, so wäre jedenfalls angesichts der Kombination beider Aspekte im vorliegenden Fall eine Klagebefugnis zu verneinen.
Selbst wenn man – abweichend von dem von der Kammer vertretenen Ansatz (s.o. 2.3.) – § 11 AEG im Ausgangspunkt als „generell“ drittschützende Norm interpretieren wollte, wäre jedenfalls in Fällen nachträglicher gesellschaftsvertraglicher Änderungen einer Personengesellschaft (wie vorliegend) vom Erfordernis eines qualifizierten und individualisierten Betroffenseins dieser Personengesellschaft in ihrer veränderten Form auszugehen.
Dabei wäre die vorliegend klagende GbR gerade angesichts der beschriebenen gesellschaftsvertraglichen Änderungen (s.o. 2.3.3.3.2. und unabhängig davon 2.3.3.3.3.) erst recht gehalten, darzulegen, aus welchem Grund sie auch angesichts des Rückzugs der …-GmbH auf eine eher beratende Funktion durch das zuvor der GbR in ihrer ursprünglichen Verfasstheit von der Bgl. gemachten Angebots qualifiziert und individualisiert betroffen sein soll (s.o. 2.4.). Da Letzteres aber – wie gezeigt – nicht der Fall ist, ist die Kl. jedenfalls aus diesem Grund nicht klagebefugt.
3. Da die Klage bereits mangels Klagebefugnis unzulässig ist, kommt es auf die Frage der ordnungsgemäßen Klageerhebung und Bevollmächtigung nicht mehr an.
4. Gemäß § 154 Abs. 1 VwGO hat die vollständig unterlegene Kl. die Kosten des Verfahrens zu tragen, und zwar gemäß § 162 Abs. 3 (i.V.m. § 154 Abs. 3) VwGO einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Bgl., weil die Bgl. Anträge gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, so dass es billig ist, ihre außergerichtlichen Kosten angesichts des Erfolgs des Antrags der Bgl. der Kl. aufzuerlegen.
5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 und Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 709 Zivilprozessordnung (ZPO).


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