Aktenzeichen M 12 S 16.50127
AsylG AsylG § 27a, § 34a Abs. 1 S. 1
EMRK EMRK Art. 3
GRCh GRCh Art. 4
Leitsatz
Im Einklang mit der aktuellen obergerichtlichen Rechtsprechung ist im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht davon auszugehen, dass Asylantragsteller in Italien aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber tatsächlich Gefahr laufen, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (vgl. ua VGH München BeckRS 2014, 52068; VGH Mannheim BeckRS 2014, 51025). Dublin-Rückkehrer haben daher nach dem Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit keine Rechtsverletzungen im Schutzbereich von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK mit dem dafür notwendigen Schweregrad zu befürchten (vgl. OVG NRW BeckRS 2014, 48497; OVG RhPf BeckRS 2014, 48239). (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die ihm drohende Überstellung nach Italien im Rahmen des sog. Dublin-Verfahrens.
Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben senegalesischer Staatsangehöriger und reiste am 23. Mai 2015 in das Bundesgebiet ein. Er stellte am 24. September 2015 einen Asylantrag.
Bei seiner Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 24. September 2015 gab der Antragsteller an, sein Heimatland im Januar 2012 verlassen zu haben und über Mali (3 Monate), Burkina Faso (Durchreise), Niger (4 Monate), Libyen (1 Jahr) nach Italien gereist zu sein, wo er Ende 2013 angekommen sei und sich ca. ein Jahr aufgehalten habe. Er habe in Italien Ende 2013 internationalen Schutz beantragt. Bei einer weiteren Anhörung am 18. November 2015 gab der Antragsteller weiter an, an Hepatitis zu leiden. Sein Asylantrag in Italien sei abgelehnt worden, er sei aus dem Camp geworfen worden und habe auf der Straße schlafen und um Essen betteln müssen. Er wolle nicht nach Italien.
Es ergab sich ein EURODAC-Treffer für Italien (IT1.).
Auf ein Übernahmeersuchen der Antragsgegnerin vom 24. November 2015 an Italien erfolgte keine Reaktion.
Mit Bescheid vom 8. Februar 2016 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab (Nr. 1), ordnete die Abschiebung nach Italien an (Nr. 2) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate (Nr. 3).
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Asylantrag sei gemäß § 27a AsylG unzulässig, da Italien aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrags für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. In Italien lägen keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen im Sinne der Rechtsprechung des EGMR und des EuGH vor. Auch aus den Empfehlungen des UNHCR ergäbe sich kein Hinweis auf systemische Mängel in Italien. Soweit der Antragsteller vorgetragen habe, sein Asylantrag sei in Italien abgelehnt worden, er sei aus dem Camp geworfen worden und habe auf der Straße schlafen und um Essen betteln müssen, sei dieses Vorbringen nicht geeignet, um zu einem anderen Ergebnis zu gelangen. Die vorgebrachte Erkrankung habe er trotz Aufforderung nicht durch Attest belegt. Von Reisefähigkeit könne daher ausgegangen werden. Die Anordnung der Abschiebung nach Italien beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Gründe für eine weitere Reduzierung der Dauer des Einreiseverbots lägen nicht vor, da besonders schutzwürdige Belange nicht gegeben seien. Es seien auch sonst keine Umstände ersichtlich, die im Rahmen des Ermessens zugunsten des Antragstellers zu berücksichtigen seien.
Mit Schreiben vom … Februar 2016, bei Gericht am 17. Februar 2016 eingegangen, hat der Antragsteller Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und beantragt, unter Aufhebung des Bescheides vom 8. Februar 2016 die Antragsgegnerin zu verpflichten, ein nationales Asylverfahren durchzuführen.
Gleichzeitig hat er beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das italienische System leide an systemischen Mängeln. Die Situation habe sich im Jahr 2015 aufgrund der großen Flüchtlingswelle bedeutend zugespitzt. Die im Bescheid genannten Berichte und Stellungnahmen seien vor dieser Zeit entstanden. In Italien drohten Obdachlosigkeit und damit einhergehend eine Verletzung der Menschenwürde durch staatliches Unterlassen. In Anlehnung an den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 2015 dürfe das Unionsrecht nicht dazu führen, dass integritätsfeste Wertungen des Grundgesetzes untergraben werden. Dies drohe bei einer Verletzung der Menschenwürde. Zudem sei die Zuständigkeit nur deshalb auf Italien übergegangen, weil die dortigen Behörden innerhalb der zweiwöchigen Frist nicht geantwortet hätten. Auch dies weise auf eine deutliche Überlastung des italienischen Asylsystems hin und lasse den Schluss auf systemische Mängel zu. Der Kläger habe daher die begründete Furcht, dass sich die italienischen Behörden nicht um ihn kümmern werden. Eine Zusicherung der italienischen Behörden liege nicht vor. Gegen Italien sei bereits ein Verfahren der EU eingeleitet worden. Im Übrigen sei die Behauptung falsch, die Erkrankung sei nicht durch Attest nachgewiesen worden. Frau … habe das Attest vor Verbescheidung an das Bundesamt versandt.
Mit Schreiben vom 19. Februar 2016 hat die Antragsgegnerin die Behördenakte vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und Behördenakte verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist unbegründet.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat abzuwägen zwischen dem sich aus § 75 AsylG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, so besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung; nicht erforderlich sind insoweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids, denn die Regelung des § 36 Abs. 4 AsylG ist hier nicht (entsprechend) anwendbar (vgl. VG Trier, B. v. 18.9.2013 – 5 L 1234/13.TR – juris; VG Göttingen, B. v. 9.12.2013 – 2 B 869/13 – juris). Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.
Nach der hier gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die Klage des Antragstellers aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird. Denn der Bescheid der Antragsgegnerin vom 8. Februar 2016 ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). Damit überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das persönliche Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung der Klage.
Soll der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylG) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Das Bundesamt hat den Asylantrag des Antragstellers zu Recht nach § 27a AsylG als unzulässig abgelehnt.
Nach § 27a AsylG ist ein Asylantrag als unzulässig abzulehnen, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens richtet sich vorliegend nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedsstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO). Die Zuständigkeitskriterien der Dublin III-VO finden nach Art. 49 Abs. 2 dieser Verordnung auf Asylanträge, die – wie hier – nach dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind, Anwendung.
Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO sieht vor, dass der Asylantrag von dem Mitgliedstaat geprüft wird, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Bei Anwendung dieser Kriterien ist Italien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO ist derjenige Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist, über dessen Grenze der Asylbewerber aus einem Drittstaat illegal eingereist ist. Ausgehend vom Vortrag des Antragstellers ist er Ende 2013 nach Italien eingereist und hat dort ebenfalls Ende 2013 einen Asylantrag gestellt. Dies wird bestätigt durch den für den Antragsteller erzielten Eurodac-Treffer mit der Kennzeichnung „IT1“. Die Ziffer „1“ steht für einen Antrag auf internationalen Schutz (Art. 24 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 vom 26. Juni 2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über die Einrichtung von Eurodac für den Abgleich von Fingerabdruckdaten zum Zwecke der effektiven Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist und über der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung dienende Anträge der Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten und Europols auf den Abgleich mit Eurodac-Daten sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (Neufassung) (EURODAC-VO)). Die Zuständigkeit Italiens ist auch nicht gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO erloschen, da zum Zeitpunkt der erstmaligen Asylantragstellung in Italien Ende 2013 der illegale Grenzübertritt noch nicht länger als zwölf Monate zurücklag (vgl. Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO). Damit ist vorliegend Italien der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Mitgliedstaat.
Das Übernahmeersuchen der Bundesrepublik Deutschland wurde am 24. November 2015 gestellt. Da die italienischen Behörden auf das Wiederaufnahmeersuchen der Antragsgegnerin nicht reagiert haben, ist gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO davon auszugehen, dass dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffende Person wieder aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen (Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO). Entgegen der Auffassung des Antragstellers wurde durch die fehlende Reaktion Italiens nicht die Zuständigkeit Italiens begründet; diese ergibt sich vielmehr aus den o.g. Vorschriften der Dublin III-VO. Lediglich die Wiederaufnahmebereitschaft wird fingiert. Ein Schluss auf eine Überlastung des italienischen Asylsystems lässt sich daraus nicht ableiten.
Die Zuständigkeit ist auch nicht gem. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO auf die Antragsgegnerin übergegangen, weil eine Überstellung an Italien als den zuständigen Mitgliedstaat an Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO scheitern würde. Es sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Antragsteller im Falle einer Abschiebung nach Italien infolge systemischer Schwachstellen des dortigen Asylverfahrens oder der dortigen Aufnahmebedingungen einer hinreichend wahrscheinlichen Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt wäre.
Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 – juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtscharta) entspricht. Allerdings ist diese Vermutung nicht unwiderleglich. Vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für den Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 Grundrechtscharta ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 a. a. O.). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist daher nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B. v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris).
Ausgehend von diesen Maßstäben und im Einklang mit der aktuellen obergerichtlichen Rechtsprechung ist im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht davon auszugehen, dass der Antragsteller in Italien aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (vgl. BayVGH, U. v. 28.2.2014 – 13a B 13.30295 – juris; VGH BW, U. v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – juris; OVG Rh-Pf, U. v. 21.2.2014 – 10 A 10656/13.OVG – juris; OVG LSA, U. v. 2.10.2013 – 3 L 645/12 – juris; OVG Berlin-Bbg, B. v. 17.6.2013 – OVG 7 S 33.13 – juris; OVG NRW, U. v. 7.3.2014 – 1 A 21/12.A – juris; U. v. 24.4.2015 – 14 A 2356/12.A – juris; NdsOVG, B. v. 30.1.2014 – 4 LA 167/13 – juris; U. v. 25.6.2015 – 11 LB 248/14 – juris). Danach verfügt Italien unter Berücksichtigung der Verwaltungspraxis über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren, welches trotz einzelner Mängel nicht nur abstrakt, sondern gerade auch unter Würdigung der vor Ort tatsächlich anzutreffenden Rahmenbedingungen prinzipiell funktionsfähig ist und dabei insbesondere sicherstellt, dass der rücküberstellte Asylbewerber im Normalfall nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen rechnen muss. Obwohl sich in Teilbereichen der tatsächlichen Aufnahmebedingungen durchaus erhebliche Mängel und Defizite feststellen lassen, werden diese, weder für sich genommen noch insgesamt, als so gravierend bewertet, dass ein grundlegendes, systemisches Versagen des Mitgliedstaates vorläge, welches für einen Dublin-Rückkehrer nach dem Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit Rechtsverletzungen im Schutzbereich von Art. 4 EUGRCh bzw. Art. 3 EMRK mit dem dafür notwendigen Schweregrad impliziert (vgl. OVG NRW, U. v. 7.3.2014, a.a.O, Rn. 132; OVG Rh-Pf, U. v. 21.2.2014, a.a.O, Rn. 45 f.).
Das Gericht schließt sich damit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte an (vgl. EGMR, B. v. 2.4.2013 – Hussein u. a../.Niederlande und Italien, Nr. 27725/10 – ZAR 2013, 336; B. v. 18.6.2013 – Halimi./.Österreich und Italien, Nr. 53852/11 – ZAR 2013, 338). Unter Berücksichtigung der Berichte von Regierungs- und Nichtregierungsinstitutionen und -organisationen über die Aufnahmeprogramme für Asylbewerber in Italien kam der Gerichtshof zu dem Schluss, dass die allgemeine Situation und die Lebensbedingungen in Italien für Asylbewerber, anerkannte Flüchtlinge und Ausländer, die aus Gründen des internationalen Schutzes oder zu humanitären Zwecken eine Aufenthaltserlaubnis erhalten hätten, zwar einige Mängel aufweisen mögen, dass die vorliegenden Materialien jedoch kein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen für Asylbewerber als Mitglieder einer besonders schutzbedürftigen Personengruppe aufzeigen würden. Berichte des UNHCR und des Menschenrechtskommissars wiesen auf jüngste Verbesserungen der Situation hin mit dem Ziel der Mängelbeseitigung; alle Berichte zeigten übereinstimmend und ausführlich die Existenz ausgearbeiteter Strukturen von Einrichtungen und Hilfsmaßnahmen, die auf die Bedürfnisse der Asylbewerber zugeschnitten seien. Diese Rechtsauffassung hat der EGMR, dessen Rechtsprechung für die Auslegung der EMRK auch über den jeweilig entschiedenen Fall hinaus eine Orientierungs- und Leitfunktion hat (BVerfG, U. v. 4.5.2011 – 2 BvR 2333/08 – juris), durch seine Entscheidung vom 10. September 2013 (Nr. 2314/10 – HUDOC) ausdrücklich bestätigt.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des EGMR vom 4. November 2014 im Verfahren Tarakhel ./. Schweiz (Az. 29217/12, NVwZ 2015, 127 ff.). Der EGMR hat hier lediglich entschieden, dass die Schweizer Behörden die Abschiebung einer Familie nach Italien nicht vornehmen dürfen, ohne vorher individuelle Garantien von den italienischen Behörden erhalten zu haben, dass die Antragsteller in Italien in einer dem Alter der Kinder adäquaten Art und Weise behandelt werden und die Familie zusammen bleiben darf. Das Urteil beinhaltet damit keine Aussage zu eventuellen systemischen Mängeln in Italien, sondern lediglich eine Einschränkung für die Abschiebung von Familien nach Italien. Zudem hat der EGMR in seiner Entscheidung vom 5. Februar 2015 im Verfahren A.M.E. ./. Niederlande (Az. 51428/10) entschieden, dass die Struktur und die Gesamtsituation des italienischen Flüchtlings- und Asylbewerberaufnahmesystems kein genereller Grund sind, eine Überstellung im Zuge des sog. Dublin-Verfahrens zu verbieten.
Auch aus neueren Erkenntnismitteln können keine Hinweise auf systemische Mängel entnommen werden. In dem vom Europäischen Rat für Flüchtlinge und im Exil lebende Personen (ECRE) für das Projekt AIDA – Asylum Information Database erstellten Länderbericht zu Italien vom Dezember 2015 (abrufbar unter http://www.asylumineurope.org/reports/country/italy) wird zwar ausgeführt (vgl. S. 62 ff. des Berichts), dass dort zumindest in der Vergangenheit nicht für alle Asylbewerber adäquate Aufnahmeeinrichtungen zur Verfügung gestanden haben und die Zahl von Unterbringungsplätzen nur unzureichend war. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass der italienische Staat hiergegen erfolgsversprechende Gegenmaßnahmen ergreift. Zum einen werden die Kapazitäten der Aufnahmeeinrichtungen dem vorgenannten Bericht zufolge seit 2013 deutlich erhöht. UNHCR und Nichtregierungsorganisationen beraten die staatlichen Stellen bei der Verbesserung der Aufnahmebedingungen. Speziell für Dublin-Rückkehrer wurden zum anderen Zentren zur übergangsweisen Unterbringung eingerichtet (vgl. S. 63 f. des Berichts). Ein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen lässt sich dem AIDA-Bericht nicht entnehmen. Ein systemischer Mangel der Aufnahmebedingungen kann daher auch für die Personengruppe, der der Antragsteller angehört, nicht angenommen werden.
Der vom Antragsteller in Bezug genommene Artikel der BBC befasst sich lediglich mit einem Verfahren der Kommission gegen u. a. Italien wegen mangelnder Registrierung von Flüchtlingen. Systemische Mängel, aufgrund derer dem (registrierten) Antragsteller im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohen könnte, lassen sich daraus nicht herleiten.
Die gegenwärtig hohe Zahl von Einwanderern nach Italien stellt keinen Umstand dar, der eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte. Die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch Italien würde erst dann überschritten, wenn auf die erhöhte Zahl von Einwanderern hin keinerlei Maßnahmen zur Bewältigung der damit verbundenen Probleme ergriffen würden. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden (vgl. OVG NRW, U. v. 24.4.2015 a. a. O.).
Auch der Umstand, dass sich die Situation des Antragstellers in Italien u.U. deutlich schlechter als im Bundesgebiet darstellt, begründet keinen systemischen Mangel des Asylverfahrens (vgl. EGMR, B. v. 2.4.2013 – a. a. O.).
Auch soweit nach den nicht hinreichend belegten Angaben des Antragstellers eine medizinische Betreuung wegen Hepatitis erforderlich sein sollte, ergäbe sich hieraus nicht die Verpflichtung der Antragsgegnerin, das Asylverfahren durchzuführen (vgl. EGMR, U. v. 30.6.2015 – 39350/13 – A.S. gegen Schweiz), zumal Italien über eine umfassende Gesundheitsfürsorge verfügt, die italienischen Staatsbürgern sowie Flüchtlingen, Asylbewerbern und unter humanitären Schutz stehenden Personen gleichermaßen zugänglich ist. Nach der bestehenden Auskunftslage funktioniert die notfallmedizinische Versorgung und der Zugang zu Hausärzten grundsätzlich ebenso wie das Angebot von psychologischer und psychiatrischer Behandlung (vgl. VG Ansbach, U. v. 11.12.2015 – AN 14 K 15.50316 – juris Rn. 26 m. w. N.). Auch der bereits erwähnte Bericht von AIDA bestätigt die Gleichstellung von Asylsuchenden und international Schutzberechtigten mit italienischen Staatsangehörigen hinsichtlich der gesundheitlichen Versorgung (vgl. dort S. 84). Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21. Januar 2013 an das OVG Sachsen-Anhalt steht eine kostenfreie medizinische Versorgung auch Personen zu, die nicht in einer staatlichen Unterkunft untergebracht sind. Eine aktuelle Vereinbarung zwischen der italienischen Zentralregierung und den Regionen garantiert dabei die Not- und Grundversorgung auch von Personen, die sich illegal im Land aufhalten (VG Augsburg, B. v. 19.9.2015 – Au 7 S 15.50412 – juris). Die Notambulanz ist für alle Personen in Italien kostenfrei (VG München, B. v. 5.11. 2014 – M 18 S 14.50356 – juris). Auch bei Überstellung von kranken Personen, deren Asylverfahren in Italien negativ abgeschlossen ist, besteht damit die Möglichkeit der Behandlung. Es ist daher davon auszugehen, dass der Antragsteller – sollte er an Hepatitis leiden – in Italien Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung hat.
Schließlich begründet auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, keine systemischen Mängel. Dies gilt auch in Ansehung des Umstands, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares, landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (VGH BW, U. v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – juris).
Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO notwendig machen, sind ebenso wenig ersichtlich wie inlands- oder zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).