Europarecht

Dublin III-Verfahren (Kroatien)

Aktenzeichen  AN 14 S 21.50254

Datum:
20.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41278
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, § 34a Abs. 1 S. 1
Dublin III-VO Art. 18 Abs. 1 lit. c, Art. 19 Abs. 2 UAbs. 2
GRCh Art. 4

 

Leitsatz

1. Ein Antragsteller trägt die Beweislast für die Behauptung, iSv Art. 19 Abs. 2 UAbs. 1 Dublin III-VO für drei Monate aus dem Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats ausgereist zu sein. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Kroatien systemische Schwachstellen iSv Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung des Antragstellers iSv Art. 4 GRCh mit sich bringen und die der Zuständigkeit Kroatiens für das Asylverfahren des Antragstellers entgegenstehen. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine Abschiebungsanordnung nach Kroatien.
Der Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Nach eigenen Angaben verließ er die Türkei am 25./26. Juli 2021 und reiste am 29. Juli 2021 auf dem Landweg nach Deutschland ein. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) stellte für ihn am 5. August 2021 einen EURODAC-Treffer der Kategorie 1 für Kroatien (Fingerabdruckname am 8.10.2020) fest.
Beim persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und der persönlichen Anhörung zur Klärung der Zulässigkeit des gestellten Asylantrags am 6.September 2021 gab der Antragsteller im Wesentlichen an, in Deutschland über Bruder, Schwester, Onkel und Tante zu verfügen. Seine Familie wohne in B. … In einem anderen Mitgliedstaat habe er noch keinen Asylantrag gestellt.
Am 20. September 2021 stellte das Bundesamt aufgrund des festgestellten EURODAC-Treffers ein Wiederaufnahmegesuch nach der Dublin III-VO an Kroatien. Dieses wurde von den kroatischen Behörden mit Schreiben vom 30. September 2021 auf der Grundlage des Art. 18 Abs. 1 Buchst. c) Dublin III-VO akzeptiert. Der Antragsteller habe einen formalen Asylantrag am 14. Oktober 2021 in Kroatien gestellt. Er habe das Aufnahmezentrum am 20. Oktober 2020 verlassen und seitdem habe keine Kenntnis von seinem Aufenthaltsort bestanden. Sein Verfahren sei mit Entscheidung vom 6. November 2020 unterbrochen worden, was am 4. Dezember 2020 endgültig geworden sei.
Bei der Anhörung zur Zulässigkeit seines Asylantrags am 5. Oktober 2021 gab der Antragsteller zu der Asylantragstellung in Kroatien an, dass er dort niemanden habe. Seine Familie sei in Deutschland und er wolle hierbleiben. Von Kroatien aus werde er bestimmt wieder in die Türkei geschickt. Er habe in Kroatien einen Asylantrag gestellt, da er dies habe tun müssen, weil er dort aufgegriffen worden sei. Eigentlich habe er nach Deutschland gewollt.
Bei seiner Anhörung nach § 25 AsylG am 5. Oktober 2021 gab der Antragsteller an, sein Heimatland am 26. Juli 2021 verlassen zu haben. Auf den Vorhalt, wie es dann möglich sei, dass er im Oktober 2020 in Kroatien gewesen sei, gab der Antragsteller an, dass er damals schon nach Deutschland habe kommen wollen, aber zurück in die Türkei gereist sei. 2021 sei er erneut ausgereist. Er sei 2020 in Kroatien gewesen, sei 22 Tage im Camp geblieben und danach noch ein bis 2 Wochen in Kroatien. Danach sei er wieder in die Türkei gereist. Bei der Anhörung wurde durch einen Einblick in „e-devlet“ vom Anhörenden festgestellt, dass gegen den Antragsteller ein Strafverfahren vorliege. Auf Frage, worum es dabei gehe, erklärte der Antragsteller, dass er ein Dokument für seine Ausreise bei sich getragen habe, das vom Schleuser ausgestellt worden sei. Damit sei er erwischt worden. Das Verfahren sei wegen gefälschten Dokumenten. Auf die Frage, wie er erwischt worden sei, gab der Antragsteller an, dass dies am Flughafen gewesen sei, und zwar Ende 2020, nachdem er von Kroatien zurückgereist sei. Nachdem er zurück in der Türkei gewesen sei, habe er nach Deutschland ausreisen wollen, und zwar Ende 2020. Er habe mit gefälschten Dokumenten mit dem Flugzeug ausreisen wollen. Dabei sei er erwischt worden.
Mit Bescheid vom 7. Oktober 2021 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab (Ziffer 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2) und ordnete die Abschiebung des Antragstellers nach Kroatien an (Ziffer 3). In Ziffer 4 des Bescheides wurde das Einreise – und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und auf 19 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Auf die Begründung des Bescheids, der dem Antragsteller am 19. Oktober 2021 ausgehändigt wurde, wird Bezug genommen.
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 19. Oktober 2021, der am gleichen Tag beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach einging, ließ der Antragsteller gegen diesen Bescheid Klage erheben (AN 14 K 21.50255), über die noch nicht entschieden wurde und den vorliegenden Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes stellen.
Zur Begründung lässt er ausführen, dass er einen Rechtsanspruch auf Durchführung des Asylverfahrens in Deutschland habe. Er habe nach seiner Einreise in die Bundesrepublik und nach Besuch seines Bevollmächtigten am 1. August 2021 die Zuerkennung als Asylberechtigter in B. … beantragt. Bei Antragstellung habe der Antragsteller der Antragsgegnerin den Antrag vom 31. Juli 2021 nebst Vollmacht des Bevollmächtigten vom 1. August 2021 vorgelegt. In diesem Schreiben sei mitgeteilt worden, dass der Antragsteller seinen Bevollmächtigten bei der Anhörung anwesend haben möchte und ein Termin vorab mit der Kanzlei vereinbart werden solle. Da der Bevollmächtigte keinerlei Schreiben oder Informationen seines Mandanten erhalten habe und es in B. … regelmäßig vorkomme, dass die Vollmacht nicht zur Akte genommen würden, habe der Rechtsanwalt mit E-Mail Kontakt zur Ausländerbehörde aufgenommen und seine Bevollmächtigung mit gesandt. Leider sei er weiterhin außen vor gelassen worden. Der Antragsteller sei mit Anlaufbescheinigung an die Erstaufnahmeeinrichtung in Z. … weitergeleitet worden. Sein Bevollmächtigter habe erst durch Ablehnung einer beantragten Beschäftigungserlaubnis Kenntnis vom ablehnenden Bescheid erhalten. Der Antragsteller habe das Recht, von seinen Bevollmächtigten zum Termin begleitet zu werden. Es sei extra darauf hingewiesen worden, einen Termin mit dem Bevollmächtigten abzusprechen. Auch bei der Anhörung im Asylverfahren habe der Antragsteller ein Recht darauf, von einem Beistand begleitet zu werden. Dies folge aus § 14 Abs. 4 Satz 1 VwVfG. Soweit ersichtlich gebe es bislang hierzu noch keine höchstrichterliche Entscheidung. § 25 Abs. 6 AsylG enthalte hierzu keine entgegenstehende Sonderregelung. Durch die Nichtheranziehung des Bevollmächtigten habe die Antragsgegnerin gegen den im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen.
Daneben sei Kroatien nach der Dublin III-VO nicht zuständig. Der Antragsteller habe in Kroatien keinen Asylantrag gestellt. Er sei lediglich „festgestellt“ worden und sei anschließend aus Kroatien ausgereist. Er sei wieder in die Türkei ausgereist, habe nach fast einem Jahr einen erneuten Versuch gestartet und sei hierbei am Flughafen in der Türkei „festgestellt“ worden. Die „Feststellung“ in Kroatien sei außerhalb von der Dublin III-VO. Daneben liege für Kroatien eine menschenverachtende Behandlung für den Antragsteller vor, sodass Deutschland vom Selbsteintrittsrecht hätte Gebrauch machen müssen bzw. lägen in Kroatien systemische Mängel vor und die Gefahr einer erheblichen konkreten Menschenrechtsverletzung bei Überstellung drohe dem Antragsteller. Dass die Flüchtlingszahlen in Kroatien so gering seien liege auch daran, dass Kroatien „Pushbacks“ von Flüchtlingen durchführe. Zahlreiche Asylsuchende, die ohne regulären Aufenthaltsstatus nach Kroatien einreisten erhielten auch 2020 keinen Zugang zum Asylverfahren. Hilfsorganisationen dokumentierten mehr als 15.000 Fälle von Pushbacks und Kollektivabschiebungen, die häufig mit Gewalt und Misshandlungen einhergingen. Auf verschiedene Berichte wurde verwiesen. Aufgrund der wegen der Corona-Pandemie geltenden Einschränkungen sei der Zugang zu Unterbringungseinrichtungen für Asylsuchende eingeschränkt. In der Folge sei es NGOs, die kostenlose Rechtsberatung und psychosoziale Betreuungsleistungen anböten, nicht möglich, ihrer Arbeit nachzugehen. Weder Flüchtlinge, denen ein internationaler Schutzstatus zugesprochen worden sei noch Personen, deren Anträge zurückgewiesen worden seien, hätten während des Lockdowns in den Unterbringungseinrichtungen verbleiben dürfen. Sie hätten keinerlei staatliche Unterstützung bekommen und einige Betroffene seien obdachlos geworden. Im November 2020 habe das Parlament Änderungen des Ausländergesetzes beschlossen, die laut NGOs zu einer Einschränkung der Rechte von Asyl suchenden und Migranten sowie zu einer Kriminalisierung legitimen solidarischen Handelns führen könnten. Der Antragsteller habe kein faires Verfahren in Kroatien zu erwarten.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung der Antragsgegnerin vom 07.10.2021 – Az. … – gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf die angefochtene Entscheidung.
Mit Schreiben des Gerichts vom 8. November 2021 wurde dem Bevollmächtigten des Antragstellers die digitale Bundesamtsakte zur Einsicht übersandt. Mit Schreiben vom 1. Dezember 2021 wurde für eine etwaige weitergehende Antragsbegründung eine Frist bis zum 10. Dezember 2021 gesetzt. Eine weitergehende Antragsbegründung erfolgte bis zur gerichtlichen Entscheidung nicht.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Bundesamtsakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat keinen Erfolg.
Der nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO statthafte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die in Ziffer 3 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 7. Oktober 2021 enthaltene Abschiebungsanordnung nach Kroatien ist zulässig, aber unbegründet.
Die vom Antragsteller erhobene Klage gegen diesen Bescheid entfaltet von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 Abs. 1 AsylG). Das Gericht der Hauptsache kann aber nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Grundlage dieser Entscheidung ist eine eigene Interessenabwägung zwischen dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers und dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin. Wesentliches Element dieser Interessenabwägung ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, die dem Charakter des Eilverfahrens entsprechend nur aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erfolgen kann.
Nach diesen Grundsätzen überwiegt vorliegend das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung der Klage, weil diese aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird. Die in Nummer 3 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 7. Oktober 2021 getroffene Abschiebungsanordnung erweist sich nach summarischer Prüfung im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1, 2. HS AsylG) als rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Abschiebungsanordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Demnach ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
1. Entgegen dem Vortrag des Bevollmächtigten des Antragstellers ist der Bescheid nicht bereits aus formellen Gründen rechtswidrig, weil das Bundesamt die Anhörungen des Antragstellers nicht in Anwesenheit seines Bevollmächtigten durchgeführt hat.
Denn ausweislich der Bundesamtsakte wurde die Bevollmächtigung des Antragstellers beim Bundesamt nicht angezeigt. Entgegen den Ausführungen des Bevollmächtigten des Antragstellers findet sich eine Vollmacht nicht in der Bundesamtsakte. Daneben hat auch der Kläger weder beim persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats am 6. September 2021 noch bei der Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags oder der Anhörung nach § 25 AsylG am 5. Oktober 2021 darauf hingewiesen, dass eine Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts im Asylverfahren vorliegt und er auf der Anwesenheit seines Bevollmächtigten besteht. Wäre die nach dem Vortrag seines Rechtsanwalts dem Antragsteller mit gegebene Vollmacht und das Rechtsanwaltsschreiben aufgrund eines Fehlers der Erstaufnahmeeinrichtung in B. … nicht an das Bundesamt weitergereicht worden, so wäre es dem Antragsteller ein Leichtes gewesen, bei einer der Anhörungen auf diese Bevollmächtigung hinzuweisen oder, jedenfalls nachdem er nach Z. … verlegt worden war, bei seinem Rechtsanwalt nachzufragen, ob dieser über die Verlegung und über die Verfahrensschritte informiert ist. Der Bevollmächtigte des Antragstellers hätte seine Mandatierung dann (erneut) bei der Außenstelle Z. … des Bundesamts nachweisen und auf seine Anwesenheit bei den Anhörungen des Antragstellers dringen können.
Dass das nach Angaben seines Bevollmächtigten dem Antragsteller bei der Vorsprache bei der Erstaufnahmeeinrichtung in B. … mit gegebene Schreiben vom 31. Juli 2021 nicht nach Z. … weitergeleitet worden sei musste dem Bevollmächtigten des Antragstellers auch aufgrund der zusammen mit dem einstweilen Rechtsschutzantrag vorgelegten „Quittung über weitergeleitete Unterlagen“ des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten … vom 5. August 2021 ersichtlich sein: Denn dort ist nur von einer Übersendung einer Identitätskarte und keiner weiteren Unterlagen des Antragstellers an die Erstaufnahmeeinrichtung (des Freistaats Bayern) in Z. … die Rede.
Ob eine Abwesenheit des mandatierten Rechtsanwalts bei einer Anhörung zur Rechtswidrigkeit des Bescheids führt, wie von Seiten des Antragstellers argumentiert wird, kann daher vorliegend dahingestellt bleiben, da nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren anzustellenden summarischen Prüfung nicht erkennbar ist, dass die Mandatierung des Rechtsanwalts des Antragstellers der Antragsgegnerin bekannt gegeben wurde, und zwar weder durch das Land … noch durch den Antragsteller selbst.
2. Die Antragsgegnerin ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass Kroatien gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) AsylG i.V.m. der Dublin III-VO der zuständige Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags des Antragstellers ist.
a) Bei dem vom Kläger am 6. September 2021 förmlich gestellten Asylantrag handelt es sich nicht um einen neuen Antrag im Sinne von Art. 19 Abs. 2 UA 2 Dublin III-VO.
Nach dieser Bestimmung ist ein nach Abwesenheit von 3 Monaten im Bezug auf das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten gestellter Antrag als neuer Antrag zu sehen. Dies bedeutet, dass für einen solchen Antrag eine bereits vorher begründete Zuständigkeit eines Mitgliedstaates für das Asylverfahren des jeweiligen Antragstellers nicht mehr gilt, sondern die Zuständigkeit nach den Kriterien der Dublin III-VO neu bestimmt wird.
Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 7. Juni 2016 (C-155/15 – juris, Leitsatz 1 und Rn. 18) hierzu ausgeführt, dass ein erneuter Antrag als erster Antrag in diesem Sinne zu sehen ist, wenn der Antragsteller den Nachweis erbringt, dass er im Sinne von Art. 19 Abs. 2 UA 1 Dublin III-VO für 3 Monate aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ausgereist ist. Der Antragsteller hat vorliegend derartiges zwar geltend gemacht, allerdings hat er dafür keine Beweise vorgelegt. Da nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die Beweislast hierfür der Asylantragsteller trägt, geht der fehlende Nachweis der 3-monatigen Abwesenheit zulasten des Antragstellers.
Nach dem Wortlaut des Art. 19 Abs. 2 UA 2 Dublin III-VO kann aber auch der um Wiederaufnahme ersuchte Mitgliedstaat seiner Zuständigkeit durch einen entsprechenden Nachweis entgehen. Auch diese Variante greift vorliegend aber nicht, da Kroatien dies gerade nicht getan hat, sondern seine Zuständigkeit auf der Grundlage des Art. 18 Abs. 1 Buchst. c) Dublin III-VO anerkannt hat.
b) Die Zuständigkeit richtet sich vorliegend nach den Regelungen über das Wiederaufnahmeverfahren gemäß Art. 23ff Dublin III-VO, da der Antragsteller ausweislich des festgestellten EURODAC-Treffers und seiner Angaben beim Bundesamt bereits vor der Antragstellung in Deutschland einen Asylantrag in einem anderen Mitgliedstaat, und zwar in Kroatien, gestellt hat. Im Wiederaufnahmeverfahren ist der zuständige Staat – anders als im Aufnahmeverfahren – nicht nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO zu bestimmen, sondern es reicht grundsätzlich aus, dass der betreffende andere Mitgliedstaat den Erfordernissen nach Art. 20 Abs. 5 oder Art. 18 Abs. 1 Buchstabe b) bis d) Dublin III-VO genügt (vgl. ausführlich EuGH, U.v. 2.4.2019 – C-582/17 – juris Rn. 58ff.; VG München, B.v. 15.4.2019 – 9 S 18.52520 – juris Rn. 17f; VG Hamburg, B.v. 16.10.2020 – 9 AG 3625/20 – juris n.w.N.).
Dies ist im vorliegenden Fall hinsichtlich Kroatiens nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. c) Dublin III-VO der Fall. Danach ist der nach der Dublin III-VO zuständige Mitgliedstaat verpflichtet, einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Art. 23,24, 25 und 29 wiederaufzunehmen. Die Norm findet Anwendung, wenn der Mitgliedstaat, in dem zuvor ein Antrag gestellt wurde, das Bestimmungsverfahren damit abgeschlossen hat, dass er seine Zuständigkeit für die Prüfung dieses Antrags bejaht und mit der (materiellen) Prüfung des Antrags begonnen hat (vgl. EuGH a.a.O., Rn. 52). Da in einem solchen Fall die Zuständigkeit für die Prüfung des Antrags bereits feststeht, erübrigt sich eine erneute Anwendung der Regeln über das Verfahren zur Bestimmung dieser Zuständigkeit, insbesondere anhand der in Kapitel III Dublin III-VO niedergelegten Kriterien (EuGH a.a.O., Rn. 67).
Nach Auskunft der kroatischen Behörden vom 30. September 2021 hat der Antragsteller am 14. Oktober 2021 (gemeint offenbar: 2020) in Kroatien einen formalen Asylantrag gestellt. Er verließ das Aufnahmezentrum am 20. Oktober 2020 und seit diesem Zeitpunkt waren die kroatischen Behörden ohne Kenntnis von seinem Aufenthalt. Sein Verfahren wurde mit Entscheidung vom 6. November 2020 unterbrochen („discontinued“) und diese Entscheidung wurde endgültig am 4. Dezember 2020. Damit steht fest, dass der Antragsteller seinen in Kroatien 2020 gestellten Asylantrag zurückgezogen hat und somit ein Fall des Art. 18 Abs. 1 Buchst. c) Dublin III-VO vorliegt. Nachdem die kroatischen Behörden ihre Bereitschaft zur Wiederaufnahme unter Bezugnahme auf diese Bestimmung erklärt haben war das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren in Kroatien bereits abgeschlossen, sodass die vom Europäischen Gerichtshof verlangten Voraussetzungen vorliegen.
c) Die Antragsgegnerin hat das Wiederaufnahmegesuch auch rechtzeitig gestellt. Der EURODAC-Treffer, auf den sie das Wiederaufnahmegesuch gestützt hat, wurde von ihr am 5. August 2021 festgestellt. Das Wiederaufnahmegesuch wurde am 20. September 2021 und damit innerhalb der 2-monatigen Frist des Art. 23 Abs. 2 UA 1 Dublin III-VO bei den kroatischen Behörden eingereicht.
3. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Kroatien systemische Schwachstellen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 UA 2 Dublin III-VO aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung des Antragstellers im Sinne von Art. 4 GRCh mit sich bringen und die der Zuständigkeit Kroatiens für das Asylverfahren des Antragstellers entgegenstehen.
Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris Rn. 181 ff.) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10, C-493/10 – juris Rn. 79 ff.) ist davon auszugehen, dass Kroatien als Mitgliedsstaat der Europäischen Union über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt, welches prinzipiell funktionsfähig ist und insbesondere sicherstellt, dass der rücküberstellte Asylbewerber im Normalfall nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen rechnen muss. Das mit einem Rechtsbehelf gegen eine Überstellungsentscheidung befasste Gericht ist jedoch, wenn der Betroffene Angaben zum Nachweis eines Risikos im Sinne von Art. 3 Abs. 2 UA 2 Dublin III-VO vorgelegt hat, verpflichtet, auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandard der Grundrechte zu würdigen, ob entweder systemische oder allgemeine oder aber bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen vorliegen (EuGH, U.v. 19.3.2019 – c-163/17 – juris Rn. 90).
Dublin-Rückkehrer haben grundsätzlich vollen Zugang zum kroatischen Asylsystem. Wenn sie Kroatien vor Ende des Asylverfahrens verlassen haben müssen Sie bei Rückkehr einen neuen Asylantrag stellen. Wer vor Verlassen des Landes seinen Antrag zurückgezogen hat bzw. abgelehnt wurde gilt aufgrund dessen als Folgeantragsteller (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich (BFA), Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Kroatien, Stand: 18.5.2020, S. 6). Während des Asylverfahrens werden Antragsteller in Aufnahmezentren untergebracht. Diese Unterbringung umfasst grundsätzlich neben der Unterkunft auch Verpflegung, Kleidung und Fahrtkosten, die im Rahmen des Verfahrens notwendig sind sowie Taschengeld. Bei Folgeantragstellern können diese Leistungen eingeschränkt werden (AIDA Country Report Croatia, 2020 update, S. 73). Das Taschengeld beträgt monatlich umgerechnet ca. 13,50 EUR und wird als sehr niedrig eingeschätzt (Aida Country Report Croatia, 2020 update, S. 74f).
Es existieren im Land 2 Aufnahmezentren, in Zagreb („Hotel Porin“) und Kutina mit 600 bzw. 100 Plätzen. Das Aufnahmezentrum in Zagreb wurde 2019 renoviert (BFA Länder Informationsblatt der Staatendokumentation Kroatien, Stand: 18.5.2020, S. 11; Aida Country Report Croatia, 2020 update, S. 77). Das Aufnahmezentrum in Kutina dient vor allem der Unterbringung vulnerabler Antragsteller. Dort werden Familien in einem Raum untergebracht, in dem Aufnahmezentrum in Zagreb werden bis zu 4 Personen in einem Raum untergebracht. Duschen und Toiletten sind ausreichend jeweils vorhanden (Aida Country Report Croatia, 2020 update, S. 77f). Es werden grundsätzlich 3 Mahlzeiten täglich angeboten, für Schwangere, junge Mütter und Kinder bis 16 Jahren gibt es einen Nachmittagssnack. Daneben gibt es Küchen, in denen eigene Mahlzeiten zubereitet werden können (BFA Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Kroatien, Stand: 18.5.2020, S. 12; Aida Country Report Croatia, 2020 update, S. 79f).
Die Gesundheitsversorgung der Antragsteller ist in den Aufnahmezentren gewährleistet. In den Aufnahmezentrum besteht jeweils eine Ambulanz mit einer gesundheitlichen Grundversorgung. Daneben werden Antragsteller, wenn notwendig, in die jeweiligen örtlichen Krankenhäuser überwiesen (Aida Country Report Croatia, 2020 update, S. 86f.). Auch psychologische Beratung und Unterstützung wird gewährt (Aida Country Report Croatia, 2020 update, S.80). Nach Angaben des Kroatischen Roten Kreuzes werden in den Aufnahmeeinrichtungen vor der Corona-Pandemie unterschiedliche Aktivitäten angeboten wie psychologische Unterstützung, soziale und erzieherische Aktivitäten (Sport, Sprachkurse, Computerkurse, Spielräume für Kinder, Musik-Workshops etc.). Herausforderung sei jeweils, die Leute zur Teilnahme zu bewegen und dafür zu sorgen, dass sie bis zum Ende mitmachen. Problematisch sei insoweit auch die kurze Verweildauer in den Aufnahmezentren. Teilweise stellte das Rote Kreuz aber auch fest, dass kein Interesse zum Beispiel an den angebotenen Sprachkursen bestehe (Aida Country Report Croatia, 2019 update, Seite 75).
Aufgrund der Corona-Pandemie wurden die Angebote von Nichtregierungsorganisationen in den Aufnahmezentren eingeschränkt. Das Kroatische Rote Kreuz reduzierte seine Angebote in Absprache mit der Leitung der Aufnahmezentren auf die Aufnahme von Neuankömmlingen incl. Verteilung von Hygieneartikeln und anderen notwendigen Gegenständen, psychosoziale Unterstützung, Unterstützung von Kindern beim TV- und online-Unterricht an örtlichen Schulen sowie Unterstützung bei Hygienemaßnahmen. Insbesondere Sprachkurse des Roten Kreuzes wurden komplett suspendiert, während die Nichtregierungsorganisation Are You Serious (AYS) weiterhin Sprachkurse über die Plattform ZOOM abhielt. Dabei wurde aber die mangelhafte WLAN-Versorgung in den Aufnahmeeinrichtungen bewusst (Aida Country Report Croatia, 2020 update, S. 81). Auch Nichtregierungsorganisationen, die kostenlose Rechtsberatung anboten konnten ihre Leistungen wegen der pandemiebedingten Zugangsbeschränkungen nur eingeschränkt anbieten, derartige Beratung fand jedoch weiterhin über Email oder Telefon durch das Croatian Law Centre statt (Aida Country Report Croatia, 2020 update, S. 81f)
Gegen negative Entscheidungen kann innerhalb von 30 Tagen Klage zum Verwaltungsgericht erhoben werden, bei Dublin-Entscheidungen, Unzulässigkeitsentscheidungen und Entscheidungen im beschleunigten Verfahren innerhalb von 8 Tagen. Abgesehen von Entscheidungen im beschleunigten Verfahren und manchen Unzulässigkeitsentscheidungen hat die Klage aufschiebende Wirkung. Gegen eine negative Gerichtsentscheidung besteht die Möglichkeit, Berufung zum Obersten Verwaltungsgericht oder Beschwerde zum Verfassungsgericht einzulegen (Aida Country Report Croatia, 2020 update, S. 21).
Damit liegen keine systemischen Schwachstellen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 UA 2 Dublin III-VO vor, aufgrund derer die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh für den Antragsteller droht. Trotz gewisser Einschränkungen zur Eindämmung des Corona-Virus verfügte und verfügt Kroatien über ein grundsätzlich funktionierenden und dem Schutzbedürfnis der Antragsteller entsprechendes Asylsystem. Auch die Aufnahmebedingungen sind ausreichend.
Daran ändert auch das Vorbringen des Antragstellers, es käme an der kroatischen Grenze zu rechtswidrigen und gewaltsamen Pushbacks, nichts. Denn es gibt keine Hinweise dafür, dass Personen wie der Antragsteller, die bereits einen Asylantrag in Kroatien gestellt haben und nun nach der Dublin-III-VO wieder nach Kroatien überstellt werden, von den kroatischen Behörden ohne ein Asylverfahren wieder nach Bosnien-Herzegowina (oder ggf. Serbien) abgeschoben werden. Dies geht insbesondere auch nicht aus den Vortrag des Bevollmächtigten des Antragstellers im gerichtlichen Verfahren bzw. den dort in Bezug genommenen Erkenntnismitteln hervor: Sowohl der Bericht von Liberties vom 20. Januar 2020 (https://www.liberties.eu/de/stories/kroatiens-umgang-mit-migration-ist-grausam-und-gewalttaetig/18061) als auch die im Antragsschriftsatz angeführte Webseite www.humanrights.ch (konkret: https://www.humanrights.ch/de/ipf/archiv/international/laenderinfos/laenderinfo-menschenrechte-kroatien), die im Übrigen bereits vom 30. Juli 2018 datiert, sowie der Bericht zur Menschenrechtslage von Amnesty International (Berichtszeitraum 2020) (https://ecoi.net/de/dokument/2048855.html) befassen sich allein mit Pushbacks an der Grenze und treffen keine Aussage zu Asylbewerbern, die in Kroatien einen Asylantrag gestellt haben wie der Antragsteller. Dafür, dass Asylsuchende, die nach der Dublin III-VO nach Kroatien zurück überstellt werden, keinen Zugang zum dortigen Asylverfahren haben, gibt es auch dort keine Hinweise (vgl. Aida Country Report Croatia, 2020 update, S. 43ff; VG Augsburg, U.v. 11.3.2020 – Au 6 K 20.50007 – juris Rn. 20).
Von einem eingeschränkten Zugang zu Unterbringungseinrichtungen für Asylsuchende dergestalt, dass ihnen keine Unterkunft zugänglich gemacht wurde oder eine Antragstellung deswegen nicht möglich war, kann nach der Auskunftslage keine Rede sein: So wurden zur Kontaktreduzierung Übersetzer über Skype hinzugezogen, Anhörungen aber nicht grundsätzlich verschoben (Aida Country Report Croatia, 2020 update, S. 33). Der Zugang zu den Aufnahmezentren wurde allein für Personen, deren Anwesenheit für das Asylverfahren nicht zwingend notwendig war, zeitweise untersagt (Aida Country Report Croatia, 2020 update, S. 78). Wie bereits oben dargestellt wurde, wurden zwar Rechtsberatungsleistungen teilweise in den Aufnahmeeinrichtungen eingeschränkt, fanden aber telefonisch oder online weiter statt. Die Einschränkungen waren aber durch die Pandemie bedingt und daher vorübergehender Natur. Ein systemischer Mangel, durch den der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens entkräftet wird, kann darin nicht erkannt werden.
Soweit der Antragsteller sich auf eine im November 2020 erfolgte Änderung des Ausländergesetzes bezieht ist sein Vortrag unsubstantiiert. Es ist nicht erkennbar, auf welche Änderungen er sich überhaupt bezieht und welchen Inhalt diese haben (sollen). Eine weitergehende Prüfung erübrigt sich daher.
4. Dem Antragsteller droht in Kroatien aber auch im Falle einer Anerkennung als international Schutzberechtigter keine gegen Art. 4 GRCh verstoßende Behandlung.
Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 19. März 2019 (C-163/17 – juris Rn. 76f) entschieden, dass es für die Anwendung des Art. 4 GRCh gleichgültig ist, ob es zum Zeitpunkt der Überstellung, während des Asylverfahrens oder nach dessen Abschluss dazu kommt, dass die betreffende Person aufgrund ihrer Überstellung an den zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Dublin III-VO einem ernsthaften Risiko ausgesetzt wäre, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erfahren (Rn. 88). Daher hat das mit einem Rechtsbehelf gegen eine Überstellungsentscheidung befasste Gericht auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben zu prüfen, ob entweder systemische oder allgemeine oder aber bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen vorliegen, die zu einer derartigen Gefahr nach einer Zuerkennung internationalen Schutzes führen (Rn. 90). Auch insoweit gilt grundsätzlich wiederum der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens (Rn. 82). Damit derartige Schwachstellen unter Art. 4 GRCh, Art. 3 EMRK fallen muss eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreicht sein, dies von sämtlichen Umständen des Falles abhängt (Rn. 91 unter Verweis auf EGMR, Urteil vom 21.01.2011 – M.S.S. / Belgien und Griechenland). Diese besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit wäre nach der genannten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof dann erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von der öffentlichen Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, und es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (Rn. 92).
Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich Kroatiens nicht vor.
Anerkannte Flüchtlinge erhalten in Kroatien eine Aufenthaltserlaubnis für 5 Jahre, subsidiär Schutzberechtigte von 3 Jahren Dauer (Aida Country Report Croatia, 2020 update, S. 114). Ab der Schutzgewährung sind sie zur Arbeit in Kroatien berechtigt. Tatsächlich bestehen jedoch regelmäßig Schwierigkeiten, eine Arbeit zu finden, vor allem wegen der Sprachbarriere und während der Corona-Pandemie reduzierten Erwerbsmöglichkeiten (Aida Country Report Croatia, 2020 update, S.127). Das kroatische Erziehungsministerium hat inzwischen jedoch einige Hilfsprojekte begonnen, um diese Probleme zu reduzieren (vgl. hinsichtlich der Einzelheiten Aida Country Report Croatia, 2020 update, S.127).
Angesichts von bestehender Wohnungsknappheit und hohen Mieten ist es für anerkannte Schutzberichte grundsätzlich schwierig, eine Wohnung zu finden (Aida Country Report Croatia, 2020 update, S.125). Allerdings können anerkannte Schutzberechtigte, die nicht über die notwendigen Mittel verfügen, um sich selbst um eine Unterkunft zu kümmern, 2 Jahre lang in den Aufnahmezentren bleiben, in der Praxis wird diese Frist im Einzelfall auch noch verlängert (Aida Country Report Croatia, 2020 update, S. 123f).
Anerkannte Schutzberechtigte sind in Kroatien nicht krankenversichert, haben aber einen Anspruch auf eine Gesundheitsversorgung auf staatliche Kosten. In der Praxis besteht hier häufig das Problem, dass die behandelnden Ärzte darüber aber nicht informiert sind (Aida Country Report Croatia, 2020 update, S.133). Daneben haben anerkannte Schutzberechtigte im gleichen Umfang wie kroatische Staatsangehörige Anspruch auf Sozialhilfe (Aida Country Report Croatia, 2020 update, S.132).
In Kroatien existierte ein Aktionsplan zur Integration anerkannter international Schutzberechtigter, der von 2017 bis 2019 gültig war, der aber nie in die Praxis umgesetzt wurde. Ein neuer Plan, der die Jahre 2020 bis 2022 abdecken sollte, war bis Ende 2020 noch nicht verabschiedet, die Verabschiedung soll 2021 erfolgen (Aida Country Report Croatia, 2020 update, S.109). Grundlegende Informationen für anerkannt Schutzberechtigte finden sich in einem Führer des kroatischen Regierungsbüros für Menschenrechte und die Rechte nationaler Minderheiten aus dem Jahr 2019, der in 7 Sprachen (Kroatisch, Englisch, Französisch, Ukrainisch, Arabisch, Urdu und Farsi) erhältlich ist. Daneben hat auch das Kroatische Rote Kreuz Informationsbroschüren in Englisch, Arabisch, Farsi und Französisch bereitgestellt. Schließlich stellen auch die IOM, der UNHCR und verschiedene NGOs Informationen bereit (Aida Country Report Croatia, 2020 update, S.110f). Als das größte Hindernis für eine erfolgreiche Integration wird der Mangel an Sprachkenntnissen angesehen. Daneben sind viele Beschäftigte nicht informiert über die anerkannten Schutzberechtigten zustehenden Rechte (Aida Country Report Croatia, 2020 update, S.110). Verschiedene NGOs versuchen anerkannte Schutzberechtigte jedoch hier zu unterstützen (vgl. im Einzelnen Aida Country Report Croatia, 2020 update, S.111ff)
Vor diesem Hintergrund kann trotz durchaus bestehender Probleme bei der Durchsetzung bestehender Rechte für anerkannte international Schutzberechtigte keine Rede davon sein, dass der Antragsteller im Falle seiner Anerkennung als international Schutzberechtigter durch Kroatien infolge Gleichgültigkeit der kroatischen Behörden im oben dargestellten Sinn von einer gegen Art. 4 GRCh verstoßenden Behandlung bedroht wäre. Der Antragsteller ist jung und arbeitsfähig. Es ist daher zu erwarten, dass er in der Lage ist, durch seine Arbeitskraft, flankiert durch Unterstützungsleistungen des kroatischen Staates und von NGOs sich ein Auskommen in Kroatien zu verschaffen.
An dieser Einschätzung ändert auch der Einwand im Antragsschriftsatz, während der Corona-Pandemie bzw. des dadurch bedingten Lockdowns hätten weder anerkannt Schutzberechtigte noch Personen, deren Anträge abgelehnt worden waren, in den Unterbringungseinrichtungen bleiben dürfen und seien obdachlos geworden (vgl. Aida country report croatia, 2020 update, S. 125), nichts. Denn da der Kläger jung, gesund und arbeitsfähig ist, steht nicht zu erwarten, dass er (bei einer unterstellten erneuten Lockdown-Situation) von dieser Problematik betroffen wäre.
5. Auch Abschiebungshindernisse sind nicht gegeben. Das gilt sowohl für zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG, als auch für inlandsbezogene Abschiebungshindernisse, die die Antragsgegnerin bei Abschiebungsanordnungen nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ebenfalls zu prüfen hat (vgl. dazu BayVGH, B.v. 12.3.2014 – 10 CE 14.427 -, juris sowie B. v. 21.4.2015 – 10 CE 15.810, 10 C 15.813 -, juris Rn. 4). Insoweit wurde weder etwas vorgetragen noch sind Hinweise darauf von Amts wegen erkennbar.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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