Europarecht

Dublin-III-VO, Asylverfahren, Zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot, Verwaltungsgerichte, Aufschiebende Wirkung, Asylantragszuständigkeit, Antragsgegner, Mitgliedstaaten, Inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, Abschiebungsanordnung, Vorläufiger Rechtsschutz, Anordnung der aufschiebenden Wirkung, Erniedrigende Behandlung, Überstellungsfrist, Aussetzung der Vollziehung, Zuständiger Mitgliedstaat, Asylbewerber, Antragstellers, Maßgeblicher Zeitpunkt, Betreibensaufforderung

Aktenzeichen  M 2 S 18.52928

Datum:
21.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 38361
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Dublin III-VO
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a
AsylG § 34a
VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Abschiebung nach Italien im Rahmen des sog. Dublin-Verfahrens.
Die 1995 geborene Antragstellerin, eine Staatsangehörige der Bundesrepublik Nigeria, reiste im Juli 2018 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Diese Angaben beruhen auf ihren Aussagen, Dokumente wurden nicht vorgelegt. Die Antragstellerin stellte am 7. August 2018 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen förmlichen Asylantrag.
Bei ihren Anhörungen und Befragungen gab sie an, ihre Heimat im Jahr 2015 verlassen zu haben. Sie sei zuerst in Italien angekommen, habe sich dort rund zwei Jahre aufgehalten. Danach sei nach Deutschland gereist. In Italien sei sie zur Prostitution gezwungen worden.
Eine Eurodac-Recherche vom 29. Juli 2018 ergab einen Treffer der Kategorie 2 für Italien für den 3. August 2017.
Das Bundesamt stellte ausweislich der Zugangsbestätigung vom 13. August 2018 ein Aufnahmeersuchen an Italien, das aber nicht beantwortet wurde. In einem Vermerk vom 15. Oktober 2018 hielt das Bundesamt fest, dass trotz des Vortrags, in Italien zur Prostitution gezwungen worden zu sein, eine Abschiebung nach Italien angeordnet werden könne, weil mit einer Reviktimisierung nicht zu rechnen sei. Es sei der Antragstellerin gelungen, sich in Italien von ihren Verfolgern zu befreien; ihre Spur habe sich daher dort verloren. Außerdem habe sie mit ihrem Ehemann noch eine Weile in Italien gelebt, bevor sie nach Deutschland aufgebrochen sei.
Mit Bescheid vom 16. Oktober 2018, zugegangen am 19. Oktober 2018, lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 2), ordnete die Abschiebung nach Italien an (Nr. 3) und setzte ein Einreise- und Aufenthaltsverbot von sechs Monaten ab dem Tag der Abschiebung nach § 11 Abs. 1 AufenthG fest (Nr. 4).
Am 26. Oktober 2018 erhob die Antragstellerin zur Niederschrift Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München (M 2 K 18.52927). Gleichzeitig beantragte sie,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid anzuordnen.
Zur Begründung bezog sie sich auf seine Angaben gegenüber dem Bundesamt und erklärte zudem, dass sie in Italien zur Prostitution gezwungen werden würde. Außerdem verwies sie auf das anhängige Verfahren ihres Ehemannes.
Das Bundesamt legte die Asylakte auf elektronischem Weg vor, stellte aber keinen Antrag
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in beiden Verfahren und die vorgelegte Asylakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung – bei interessengerechter Auslegung nur hinsichtlich der Nummer 3 des Bescheids vom 29. Oktober 2018 – ist zwar zulässig, da wegen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG der Klage keine aufschiebende Wirkung zukommt und er innerhalb der Wochenfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG gestellt wurde.
Der Antrag ist allerdings nicht begründet.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen. Bei dieser Entscheidung sind einerseits das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts und andererseits das Interesse des Betroffenen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts von dessen Vollziehung verschont zu bleiben, gegeneinander abzuwägen. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist hierbei der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG).
Die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung in Nummer 3 des Bescheids vom 16. Oktober 2018, auf den im Sinne von § 77 Abs. 2 AsylG Bezug genommen wird, begegnet bei summarischer Prüfung keinen durchgreifenden Bedenken.
Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung unter anderem in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) an, sobald feststeht, dass diese durchgeführt werden kann. Die Antragsgegnerin ist voraussichtlich zutreffend davon ausgegangen, dass diese Voraussetzungen vorliegen und Italien der zuständige Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens der Antragstellerin ist. Der Asylantrag war daher als unzulässig abzulehnen. Da auch die Abschiebung weder tatsächlich unmöglich noch rechtlich unzulässig ist, war auch die Abschiebung nach Italien anzuordnen.
1. Die Antragsgegnerin ist voraussichtlich zutreffend davon ausgegangen, dass Italien der zuständige Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens der Antragstellerin ist.
Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 v. 29.6.2013, S. 31) – im Folgenden: Dublin III-VO – für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
a) Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO sieht vor, dass der Asylantrag von dem Mitgliedstaat geprüft wird, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Bei Anwendung dieser Kriterien ist Italien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.
Es besteht keine Zuständigkeit der Bundesrepublik nach Art. 11 Dublin III-VO. Der „Dublin-Bescheid“ des (vermeintlichen) Ehemanns der Antragstellerin wurde bestandskräftig, nachdem das Verfahren nach einer erfolglosen Betreibensaufforderung eingestellt wurde.
Gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. a) Dublin III-VO ist ein Mitgliedstaat verpflichtet einen Antragsteller, der in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen. Insoweit ist Italien nach Art. 13 Abs. 2 Dublin III-VO zuständig.
Gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO ist derjenige Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig, über dessen Grenze der Asylbewerber aus einem Drittstaat illegal eingereist ist. Das war bereits nach dem eigenen, mit verbreiteten Fluchtrouten übereinstimmenden Vortrag der Antragstellerin Italien. Außerdem belegt der Eurodac-Treffer für den 3. August 2017 mit der Kennzeichnung „IT2“, dass der Antragsteller in Italien die Außengrenze illegal überschritten hat (vgl. zur normativen Relevanz der Angaben BGH, B.v. 11.1.2018 – V ZB 28/17 – juris Rn. 15). Die Ziffer „2“ in der Kennzeichnung „IT2“ steht für illegalen Grenzübertritt (Art. 24 Abs. 4 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 vom 26.6.2013 – EURODAC-VO). Zwar greift insoweit die Erlöschungsregel des Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO ein, da die Antragstellerin erst ein (knappes) Jahr nach dem Grenzübertritt ihren Asylantrag in Deutschland gestellt hat. Jedoch ergibt sich aus Art. 13 Abs. 2 Dublin III-VO die Zuständigkeit Italiens, der u.a. diejenigen Antragsteller erfasst, bei denen die Anwendung des Zuständigkeitskriteriums nach Art. 13 Abs. 1 S. 1 aufgrund der Ausschlussfrist in Abs. 1 S. 2 ausscheidet (vgl. Thomann, in Decker/Bader/Kothe, BeckOK Migrationsrecht, 6. Ed., 1.10.2020, VO (EU) 604/2013 Art. 13 Rn. 11). Denn nach dem überzeugenden Vortrag, der ein zulässiges Indiz nach Art. 13 Abs. 2 i.V.m. Art. 22 Abs. 3 Dublin III-VO i.V.m. Verzeichnis B des Anhangs II der VO Nr. 1560/2003 ist, hat sich die Antragstellerin hat mehr als fünf Monate ununterbrochen in Italien aufgehalten.
b) Die Zuständigkeit ist nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 UAbs. 3 der Dublin III-VO auf die Antragsgegnerin übergegangen, weil eine Überstellung an Italien als den zuständigen Mitgliedsstaat an Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 der Dublin III-VO scheitern würde.
Dies würde voraussetzen, dass es wesentliche Gründe für die Annahme gäbe, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Italien systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-Grundrechtecharta) mit sich bringen. Dies ist nicht der Fall.
Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris Rn. 181 ff.) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10, C-493/10 – juris Rn. 79 ff.) ist davon auszugehen, dass Italien über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt, welches prinzipiell funktionsfähig ist und insbesondere sicherstellt, dass der rücküberstellte Asylbewerber im Normalfall nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen rechnen muss. Diese nicht unwiderlegliche Vermutung ist auch nicht erschüttert. Von systemischen Mängeln ist nur auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10, C-493/10 – juris Rn. 86 ff.; BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris Ls. und Rn. 6). Systemische Schwachstellen sind dabei nur dann als Verstoß gegen Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK zu werten, wenn eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreicht wird, die von sämtlichen Umständen des Falles abhängt. Diese Schwelle ist nach der Rechtsprechung des EuGH aber selbst in durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen nicht erreicht, sofern sie nicht mit extremer materieller Not verbunden sind, aufgrund deren sich diese Person in einer solch schwerwiegenden Lage befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann. Die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats muss nach Ansicht des EuGH zur Folge haben, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befinden wird, die es ihr nicht erlauben wird, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris Rn. 92 f.).
Von solchen Mängeln kann jedoch nach Auffassung des Gerichts für Italien – jedenfalls für nicht vulnerable Personen wie die Antragstellerin als alleinstehende gesunde Frau – in Übereinstimmung mit der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung nicht ausgegangen werden (vgl. VG Augsburg, U.v. 10.11.2020 – Au 3 K 20.31390 – juris Rn. 23 ff.; VG Würzburg, B.v. 2.3.2020 – W 8 S 20.50089 – juris Rn. 16 ff.; VG München, B.v. 4.6.2019 – M 19 S 19.50513).
c) Die demnach bestehende Zuständigkeit Italiens ändert sich schließlich auch nicht deshalb, weil individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO notwendig machen würden. Hierfür ist vorliegend nichts ersichtlich.
d) Auch trat kein Zuständigkeitsübergang auf die Antragsgegnerin nach Maßgabe des Art. 21 Abs. 1 UAbs. 2 Dublin III-VO i.Vm. Art. 14 der VO Nr. 603/2013 ein, weil das Aufnahmegesuch vom 13. August 2018 fristgerecht innerhalb von zwei Monaten nach der Eurodac-Treffermeldung vom 29. Juli 2018 erfolgte.
e) Die Zuständigkeit der Antragsgegnerin wurde bislang auch nicht durch Fristablauf begründet, da die sechsmonatige Überstellungsfrist (fristauslösendes Ereignis ist das Wiederaufnahmegesuch) im Zeitpunkt des vorliegenden Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes noch nicht abgelaufen war. Der Antrag unterbricht daher nun den Lauf der Frist (Art. 29 Abs. 1 i.V.m. Art. 27 Abs. 3 Buchst. c) Dublin III-VO i.V.m. § 34 a Abs. 2 Satz 2 AsylG).
2. Eine Überstellung der Antragstellerin nach Italien ist auch nicht mit einer tatsächlichen Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 Grundrechtecharta verbunden (vgl. zu diesem Prüfungspunkt EuGH, U.v. 16.2.2017 – C-578/16 PPU – NVwZ 2017, 691 Rn. 90 ff.), so dass eine Aussetzung der Durchführung der Überstellung nicht geboten ist.
3. Die Überstellung an Italien ist auch tatsächlich möglich und rechtlich zulässig, die Abschiebung kann daher im Sinne des § 34a AsylG durchgeführt werden.
a) Die italienischen Behörden haben auf das Aufnahmegesuch zwar nicht geantwortet. Aber Italien ist auch in diesem Fall nach Art. Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO innerhalb der offenen sechsmonatigen Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO verpflichtet, die Antragstellerin aufzunehmen. Von einer Übernahmebereitschaft ist daher auszugehen. Insoweit ist die Abschiebung tatsächlich möglich.
b) Inlandsbezogene Abschiebungshindernisse, die im Rahmen einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG angesichts des Wortlauts der Norm („feststeht“) von der sonst allein auf die Prüfung zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote beschränkten Antragsgegnerin zu prüfen sind (vgl. BVerfG, B.v. 17.9.2014 – 2 BvR 732/14 – juris Rn. 11; NdsOVG, B.v. 30.1.2019 – 10 LA 21/19 – juris Rn. 10; OVG NW, U.v. 18.7.2016 – 13 A 1859/14.A – juris Rn. 125), sind nicht ersichtlich.
c) Zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote bestehen ebenfalls nicht. Es ist nicht anzunehmen, dass die Gefahr der (möglicherweise erneuten) Zwangsprostitution der Antragstellerin besteht. Es gibt zwar kriminelle Strukturen, die nigerianische Frauen zur Prostitution zwingen. Entsprechende Kulte sind ausweislich von Medienberichten und etwa eines Länderreports des Bundesamts in Europa, darunter auch in Italien und in Deutschland, aktiv (vgl. Bundesamt, Länderreport Nigeria. Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung, Stand: 6/2020). In den betroffenen Ländern gibt es entsprechende Ermittlungen. Das Problem der Ausbeutung stellt sich grundsätzlich für alle Betroffenen in allen Ländern, auch in Deutschland gleichermaßen (vgl. VG Würzburg, B.v. 24.5.2018 – Az. W 4 S 18.50226 – UA S. 11; nur in der Datenbank Milo veröffentlicht). Dass in Italien die Sicherheitsbehörden gegen diese hochkriminellen Strukturen weniger intensiv oder mit offensichtlich weniger Erfolg vorgehen, lässt sich den Erkenntnismitteln nicht entnehmen. Hinzukommt, dass die Antragstellerin nicht nur – wie das Bundesamt in seinem Vermerk vom 15. Oktober 2018 festgestellt hat – die Kontakte zu den bisherigen Verfolgern in Italien abgebrochen hat, sondern dass der seit der Einreise in die Bundesrepublik verstrichene Zeitraum von rund zweieinhalb Jahren so groß ist, dass auch bei Rückkehr in die gleiche Region in Italien nicht damit zu rechnen ist, dass für die Klägerin ein „Wiederaufleben“ der Kontakte unvermeidbar ist. Zudem ist Italien Willens und in der Lage, auch der Antragstellerin Schutz vor sexueller Ausbeutung zu gewähren.
Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot besteht auch nicht mit Blick auf die SARS-CoV-2-Pandemie (vgl. zutreffend VG Augsburg, U.v. 10.11.2020 – Au 3 K 20.31390 – juris Rn. 30).
4. Da die Klage in der Hauptsache hinsichtlich der streitgegenständlichen Nummer 3 des Bescheids vom 16. Oktober 2018 voraussichtlich erfolglos bleiben wird, überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse das private Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung der Vollziehung des streitgegenständlichen Bescheides des Bundesamtes, so dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen war.
Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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