Europarecht

Eilantrag nach Ablauf der einwöchigen Antragsfrist

Aktenzeichen  AN 18 S 20.50069

Datum:
11.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 4515
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 58 Abs. 1, § 80 Abs. 5
AsylG § 31 Abs. 1 S. 4, § 34a Abs. 2, § 75 Abs. 1
VwVfG § 31 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Es ist nicht erforderlich, in der Rechtsbehelfsbelehrung über die möglichen Formen der Antragserhebung einschließlich der Möglichkeit der Antragstellung zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu belehren. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die für den Fristablauf maßgebliche Rechtsbehelfsbelehrung ist in deutscher und nicht in einer anderen Sprache zu erteilen, es ist aber der in Deutsch erteilten Belehrung eine Übersetzung beizufügen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Mit seinem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wendet sich der Antragsteller gegen eine asylrechtliche Abschiebungsanordnung nach Polen im Rahmen des sog. Dublin-Verfahrens.
Der Antragsteller ist weißrussischer Staatsangehöriger vom Volk der Armenier sowie christlichen Glaubens. Nach eigenen Angaben reiste er am 29. November 2019 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er äußerte am 2. Dezember 2019 ein Asylgesuch, von dem die Antragsgegnerin infolge schriftlicher behördlicher Mitteilung am selben Tag Kenntnis erlangte. Am 12. Dezember 2019 stellte der Antragsteller einen förmlichen Asylantrag.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 22. Januar 2020 – Geschäftszeichen: … -, welcher dem Antragsteller am 27. Januar 2020 zugestellt wurde, lehnte die Antragsgegnerin den Asylantrag als unzulässig ab (Ziffer 1), stellte das Nichtvorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG fest (Ziffer 2) und ordnete die Abschiebung nach Polen an (Ziffer 3). In Ziffer 4 des Bescheids wurde das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und auf zwölf Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Dem Bescheid war folgende Rechtsbehelfsbelehrung:beigefügt:
„Gegen diesen Bescheid kann innerhalb einer Woche nach Zustellung Klage bei dem Verwaltungsgericht Ansbach Promenade 24-28
91522 Ansbach erhoben werden. Für die Rechtzeitigkeit ist der Tag des Eingangs beim Verwaltungsgericht maßgeblich.
Die Klage muss den Kläger, die Beklagte und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. […] Die Klage gegen die Abschiebungsanordnung hat keine aufschiebende Wirkung. Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO kann innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieses Bescheids bei dem oben genannten Verwaltungsgericht gestellt werden.“
Gegen den Bescheid vom 22. Januar 2020 erhob der Antragsteller am 4. Februar 2020 Klage vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach (AN 18 K 20.50070) und beantragt – bislang ohne Begründung – außerdem,
die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen.
Der Antrag sei verfristet und mithin bereits unzulässig. Wiedereinsetzungsgründe seien weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. Im Übrigen werde auf die Begründung des angefochtenen Bescheids Bezug genommen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Hauptsacheverfahren sowie auf die in elektronischer Form vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag, zu dessen Entscheidung nach § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG der Einzelrichter berufen ist, führt nicht zum Erfolg. Er ist nach Maßgabe von § 122 Abs. 1, § 88 VwGO in sachgerechter Weise dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der im Verfahren AN 18 K 20.50070 erhobenen Klage gegen die in Ziffer 3 des Bescheids getroffene Abschiebungsanordnung begehrt.
1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist bereits unzulässig.
Zwar ist der Antrag grundsätzlich statthaft, weil der Anfechtungsklage gegen die Abschiebungsanordnung kraft bundesgesetzlicher Regelung keine aufschiebende Wirkung zukommt, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG. Er wurde jedoch erst nach Ablauf der einwöchigen Antragsfrist gestellt und erweist sich damit als verfristet.
Gemäß § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG sind Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsanordnung innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Im Hinblick auf die am 27. Januar 2020 erfolgte Zustellung des Bescheids an den Antragsteller begann diese Frist gemäß § 31 Abs. 1 VwVfG, § 187 Abs. 1 BGB am 28. Januar 2020 zu laufen und endete gemäß § 31 Abs. 1 VwVfG, § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB mit Ablauf des 3. Februar 2020. Die Antragstellung bei Gericht am 4. Februar 2020 ist mithin erst nach Ablauf dieser Frist erfolgt.
Die einwöchige Frist § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG ist mit der Zustellung des Bescheids an den Antragsteller auch wirksam angelaufen; insbesondere war der Bescheid mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung:versehen worden. Nach § 58 Abs. 1 VwGO beginnt die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, das Gericht, bei dem der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Auch ohne ausdrücklichen gesetzlichen Verweis auf § 58 VwGO muss danach über die einwöchige Antragsfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG belehrt werden (Eyermann/Hoppe, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 58 Rn. 5).
Die dem Bescheid vom 22. Januar 2020 beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung:wird diesen Anforderungen gerecht. Es wird dort über die Statthaftigkeit des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO, die Zuständigkeit des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach und die einwöchige Antragsfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG unterrichtet. Eine Belehrung über die Form des einzulegenden Rechtsbehelfs ist nicht erforderlich; unschädlich ist daher, dass über die möglichen Formen der Antragserhebung einschließlich der Möglichkeit der Antragstellung zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nicht belehrt worden ist (BVerwG, U.v. 29.8.2018 – 1 C 6.18 – juris Rn. 13, betreffend die Form der Klageerhebung). Für den Fristlauf ist es ferner unerheblich, ob dem Antragsteller – wie von § 31 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 AsylG vorgesehen – neben dem Bescheid samt Rechtsbehelfsbelehrung:in deutscher Sprache auch eine Übersetzung der Entscheidungsformel sowie der Rechtsbehelfsbelehrung:in einer Sprache, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann, zur Verfügung gestellt wurde. § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylG enthält gerade keine von § 58 VwGO abweichende Regelung zur Sprache, in der die für den Fristlauf maßgebliche Rechtsbehelfsbelehrung:zu erteilen ist; denn hiernach ist die Rechtsbehelfsbelehrung:nicht in einer anderen Sprache zu erteilen, sondern der in Deutsch erteilten Rechtsbehelfsbelehrung:eine Übersetzung beizufügen (BVerwG, U.v. 29.8.2018 – 1 C 6.18 – juris Rn. 22). Darauf kommt es in der hier zu entscheidenden Fallkonstellation aber ohnehin nicht an, da dem am 27. Januar 2020 zugestellten Bescheid eine Übersetzung der Entscheidungsformel und der Rechtsbehelfsbelehrung:in der vom Antragsteller gesprochenen russischen Sprache beigefügt war.
Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind weder vorgetragen noch anderweitig zu ersehen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylG.
Dieser Beschluss gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.


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