Europarecht

Einordnung von bei der Schlachtung von Geflügel anfallendem Blut als tierisches Nebenprodukt

Aktenzeichen  RN 5 K 16.1732

Datum:
17.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
LSK – 2018, 10592
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
TierNebG § 1, § 12
VO (EG) Nr. 1069/2009 Art. 7, Art. 9, Art. 10, Art. 13, Art. 14
VO (EG) Nr. 854/2004 Art. 5

 

Leitsatz

1. Wird Blut von Tieren, das nach Art. 9 lit. h der VO (EG) Nr. 1069/2009 der Kategorie 2 zuzuordnen ist, mit solchem Blut von Tieren vermischt, das der Kategorie 3 zuzuordnen wäre, so stellt das Blut ein “Gemisch” im Sinne des Art. 9 lit. g der VO (EG) Nr. 1069/2009 dar, das damit insgesamt der Kategorie 2 zuzuordnen ist. (Rn. 55) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Kategorisierung von Blut nach Art. 10 lit. d der VO (EG) Nr. 1069/2009 sind für die Beurteilung, ob das Geflügel “Anzeichen einer durch Blut auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheit” aufwies, auch die Erkennnisse aus der Fleischuntersuchung miteinzubeziehen. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Unionsrecht macht für die Kategorisierung von tierischen Nebenprodukten risikoorientierte zwingende Vorgaben, die das im Wortlaut der Ermächtigungsgrundlage des § 12 Abs. 2 S. 1 TierNebG enthaltene Ermessen “zusammenschrumpfen” lässt. (Rn. 62) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Eine Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) hält die Kammer für nicht erforderlich, weil sie keine Zweifel hinsichtlich der Auslegung der VO (EG) Nr. 1069/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 hat. Im Übrigen kann das Urteil mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden (vgl. Art. 267 Abs. 3 AEUV), so dass keine Vorlagepflicht besteht.
II.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 19.10.2016 (Az.: 31-566) ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1) Die auf § 12 Abs. 2 Satz 1 Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz (TierNebG) gestützte Anordnung des Beklagten stellt sich als rechtmäßig dar. Nach dieser Bestimmung kann die zuständige Behörde im Einzelfall die Anordnungen treffen, die zur Einhaltung der Vorschriften der in § 1 TierNebG genannten unmittelbar geltenden Rechtsakte, des Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetzes sowie der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen erforderlich sind. Damit kann die zuständige Behörde insbesondere auch Anordnungen treffen, die zur Einhaltung der Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 erforderlich sind.
Die Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 kategorisiert tierische Nebenprodukte – also Schlachtreste – ausgehend von ihrer Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Tier nach spezifischen Risikokriterien und knüpft an diese Zuordnung jeweils bestimmte Vorgaben für die Beseitigung und gegebenenfalls die weitere Verwendung (vgl. Art. 7 Abs. 1 und Erwägungsgrund 29 der VO (EG) Nr. 1069/2009). Das von den tierischen Nebenprodukten ausgehende Risiko nimmt von Material der Kategorie 1 bis zu Material der Kategorie 3 ab. Kategorie 2 ist gemäß Art. 9 Buchstabe h) der VO (EG) Nr. 1069/2009 die „Auffangkategorie“, da sie tierische Nebenprodukte umfasst, die nicht den beiden anderen Kategorien zugeordnet werden können. Außerdem umfasst Material der Kategorie 2 gemäß Art. 9 Buchstabe g) VO (EG) Nr. 1069/2009 auch Gemische von Material der Kategorie 2 mit Material der Kategorie 3.
Material der Kategorien 1 und 2 ist im Grundsatz zu beseitigen. Material der Kategorie 2 kann in den Grenzen des Art. 13 der VO (EG) Nr. 1069/2009 einer weiteren Verwendung zugeführt werden und dabei insbesondere für die Herstellung von organischen Düngemitteln oder Bodenverbesserungsmitteln verwendet werden (vgl. Art. 13 Buchstabe d) der VO (EG) Nr. 1069/2009). Für Material der Kategorie 3 ist nach den Vorgaben des Art. 14 der VO (EG) Nr. 1069/2009 insbesondere eine Verwendung für die Produktion von Futtermitteln für Nutz- und Heimtiere möglich.
2) Davon ausgehend stellt das im Schlachtbetrieb der Klägerin bei der Schlachtung anfallende Geflügelblut gemäß Art. 9 Buchstabe g) VO (EG) Nr. 1069/2009 ein Gemisch von Material der Kategorie 2 mit Material der Kategorie 3 dar und ist somit insgesamt als Material der Kategorie 2 zu qualifizieren.
Dies folgt daraus, dass im Schlachtbetrieb der Klägerin keine Trennung des Geflügelblutes erfolgt, so dass sowohl das Blut von Geflügel, das aufgrund betriebseigener Vorkontrollen und Aussortierungen gar nicht erst zur Fleischuntersuchung gelangt, als auch das Blut von Geflügel, das nach einer Fleischuntersuchung für genussuntauglich erklärt wurde, und, auch das Blut von Geflügel, das im Rahmen der Fleischuntersuchung keine Anzeichen von übertragbaren Krankheiten aufwies, insgesamt miteinander vermengt wird. Diese unterschiedslose Vermischung des Bluts aus dem Schlachtprozess führt dazu, dass Blut aus den Kategorien 2 und 3 miteinander vermengt wird und damit das gesamte Blut insgesamt einheitlich gemäß Art. 9 Buchstabe g) der VO (EG) Nr. 1069/2009 als Material der Kategorie 2 bewertet werden muss.
Entgegen der Ansicht der Klägerin sind bei der Kategorisierung von Blut nach Art. 10 Buchstabe d) der VO (EG) Nr. 1069/2009 für die Beurteilung, ob das Geflügel „Anzeichen einer durch Blut auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheit“ aufwies, auch die Erkenntnisse aus der Fleischuntersuchung miteinzubeziehen.
Gemäß Art. 10 Buchstabe d) der VO (EG) Nr. 1069/2009 umfasst Material der Kategorie 3 Blut von Tieren, die keine Anzeichen einer durch Blut auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheit aufwiesen, von Tieren, die in einem Schlachthof geschlachtet wurden nachdem sie nach einer Schlachttieruntersuchung gemäß den Gemeinschaftsvorschriften als zum menschlichen Verzehr schlachttauglich eingestuft wurden.
Eine Auslegung dieser Norm ergibt, dass die Einstufung von Blut in Kategorie 3 von grundsätzlich zwei Voraussetzungen abhängig ist: zum einen müssen die Tiere nach einer Schlachttieruntersuchung als schlachttauglich eingestuft worden sein (1), zum anderen dürfen diese Tiere im weiteren keine Anzeichen einer durch Blut auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheit aufgewiesen haben (2), wobei für diese Feststellung auch die bei der Fleischuntersuchung gewonnenen Erkenntnisse zu berücksichtigen sind. Allein diese Auslegung ist vereinbar mit dem Wortlaut, der Systematik und dem Regelungszweck der einschlägigen Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 (vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Dezember 2013 – 9 S 882/12 –, Rn. 22).
a) Entgegen der Ansicht der Klägerin steht der Wortlaut des Art. 10 Buchstabe d) der VO (EG) Nr. 1069/2009 einer Einbeziehung der Erkenntnisse aus der Fleischuntersuchung nicht entgegen.
Die Fleischuntersuchung dient nämlich nicht lediglich dazu, die Genusstauglichkeit des Geflügels festzustellen. Gemäß Nummer 1 Satz 4 des Anhangs I Abschnitt I Kapitel II Teil D Nummer 1 der VO (EG) Nr. 854/2004 muss bei der Fleischuntersuchung besonderes Augenmerk auf Zoonosen und Krankheiten gelegt werden, die Gegenstand tierseuchenrechtlicher Vorschriften der Europäischen Union sind. Weiterhin sind – sofern dies aufgrund der sich bei der äußerlichen Begutachtung ergebenden Erkenntnisse für erforderlich erachtet wird – gemäß Nr. 2 des Anhangs I Abschnitt I Kapitel II Teil D Nummer 1 der VO (EG) Nr. 854/2004 zusätzliche Untersuchungen durchzuführen, um einen endgültigen Befund zu erhalten (a) oder zum Nachweis einer Tierkrankheit (b Ziffer i). Mit dem Passus „sofern dies für erforderlich erachtet wird“ ist ersichtlich gemeint, dass bei der äußeren Begutachtung Anzeichen entdeckt wurden, die auf Krankheiten hindeuten und damit eine weitere Abklärung der Krankheit bzw. des Befundes für erforderlich machen. Das Erkennen von Krankheitsanzeichen stellt demnach eine der Hauptaufgaben der Fleischuntersuchung dar.
Auch aus der Verwendung des Imperfekts („keine Anzeichen … aufwiesen“) kann nichts Gegenteiliges abgeleitet werden, da auch in Art. 10 Buchstabe b) Ziffer i) der VO (EG) Nr. 1069/2009 der Imperfekt verwendet wird („als genussuntauglich zurückgewiesen wurde“) und der Verordnungsgeber hierbei eindeutig auf die durchgeführte Fleischuntersuchung (zurück-)verweist, da die Genusstauglichkeit nur im Rahmen der Fleischuntersuchung geprüft wird. Auch in den übrigen Vorschriften des Art. 10 der VO (EG) Nr. 1069/2009 wird häufig der Imperfekt verwendet, unabhängig davon ob es sich um eine Prüfung am lebenden Tier, bei dem ersichtlich nur eine Schlachttieruntersuchung in Betracht kommt oder um eine Prüfung am toten Tier, bei dem Schlachttieruntersuchung und Fleischuntersuchung in Betracht kommen, handelte (vgl. Art. 10 Buchstabe h) bei „lebenden Tieren“ und Art. 10 Buchstabe n) bei „toten Tieren“).
Auch dringt die Klägerin nicht mit dem Argument durch, dass Art. 10 Buchstabe d) der VO (EG) Nr. 1069/2009 von dem Blut von „Tieren“ spreche, während Art. 10 Buchstabe b) Ziffer i) der VO (EG) 1069/2009 sich auf „Schlachtkörper oder ganze Körper und Teile von Tieren“ beziehe und sinnvollerweise bei Tieren lediglich eine Schlachttieruntersuchung vorgenommen werden könne, während für Schlachtkörper auch eine Fleischuntersuchung in Betracht komme. Die Wahl des Wortlauts in Art. 10 Buchstabe d) der VO (EG) Nr. 1069/2009 (Blut von „Tieren“) basiert nämlich schlichtweg darauf, dass „Schlachtkörper“ in aller Regel bereits ausgeblutet sind und daher gar kein Blut mehr enthalten bzw. manche „Teile von Tieren“ wie beispielsweise Felle, Hörner und Federn auch vor der Schlachtung überhaupt kein Blut enthalten haben und damit ersichtlich nicht unter Art. 10 Buchstabe d) der VO (EG) Nr. 1069/2009 fallen können.
b) Zudem spricht für die Einbeziehung der Erkenntnisse aus der Fleischuntersuchung auch folgendes:
Wäre Blut von schlachttauglichen Tieren – wie nach Ansicht der Klägerin – immer als Material der Kategorie 3 einzustufen, so würde sich die zusätzliche Einschränkung auf Blut von Geflügel, das „keine Anzeichen einer durch Blut auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheit aufwies“, als entbehrlich und überflüssig darstellen, da Geflügel, bei dem im Rahmen der Schlachttieruntersuchung Anzeichen dafür vorgelegen haben, dass sich das Tier in einem Zustand befindet, der die Gesundheit von Mensch oder Tier beeinträchtigen kann, wobei besonderes Augenmerk auf Zoonosen und Krankheiten zu richten ist (vgl. Anhang I Abschnitt I Kapitel II B Ziffer 2 der VO (EG) Nr. 854/2004) gar nicht erst als schlachttauglich befunden wird und somit auch gar nicht erst in den Schlachtbetrieb der Klägerin gelangt. Insofern muss es sich bei dem „Nicht-Aufweisen“ von Anzeichen einer durch Blut auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheit um eine zusätzliche, neben der Schlachttauglichkeit zu erfüllende Voraussetzung handeln.
Dies geht auch aus einem Vergleich mit der Vorgänger – Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 hervor. Nach Art. 6 Abs. 1 Buchstabe d) der VO (EG) Nr. 1774/2002 umfasste Material der Kategorie 3 „Blut von anderen Tieren als Wiederkäuern, die nach einer Schlachttieruntersuchung, aufgrund deren sie nach dem Gemeinschaftsrecht für die Schlachtung zum menschlichen Verzehr geeignet sind, in einem Schlachthof geschlachtet werden“. Hier fand sich noch keine zusätzliche Einschränkung auf Blut von Tieren, die keine Anzeichen auf von durch Blut übertragbaren Krankheiten aufwiesen. Erst durch die VO (EG) Nr. 1069/2009 wurde das zusätzliche Kriterium der Anzeichen auf von durch Blut auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten eingeführt.
c) Ein alleiniges Abstellen auf die Schlachttieruntersuchung (ante mortem) würde schließlich zu einer mit dem Normzweck unvereinbaren Schutzlücke führen.
Dies liegt zum einen daran, dass im Bereich der Geflügelschlachtung die Schlachttieruntersuchung im Herkunftsbestand stattfindet, wobei – entgegen der Schlachttieruntersuchung bei Klauentieren – nicht jedes einzelne Tier untersucht, sondern immer nur die gesamte Herde begutachtet wird. Eine Beschränkung auf die Schlachttieruntersuchung wäre mit Blick auf den der VO (EG) Nr. 1069/2009 zugrunde liegenden Vorsorgegrundsatz, der nicht nur für Art. 10 Buchstabe b) Ziffer i) der VO (EG) Nr. 1069/2009, sondern auch für Art. 10 Buchstabe d) der VO (EG) Nr. 1069/2009 gilt und auf eine Verringerung sämtlicher mit tierischen Nebenprodukten verbundenen Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt sowie auf den Schutz der Sicherheit der Lebens- und Futtermittelkette gerichtet ist, offensichtlich unzulänglich. Die geht auch aus mehreren Erwägungsgründen der VO (EG) Nr. 1069/2009 hervor. So sollen nach dem Erwägungsgrundgrund (29) tierische Nebenprodukte und Folgeprodukte auf der Grundlage von Risikobewertungen in drei Kategorien eingeteilt werden, die ihre Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Tier widerspiegeln, wobei tierische Nebenprodukte und Folgeprodukte mit hohem Risiko nur für Zwecke außerhalb der Futtermittelkette verwendet werden sollen und deren Nutzung nur bei geringerem Risiko unter sicheren Bedingungen erlaubt werden soll. Nach dem Erwägungsgrund (3) stellen tierische Nebenprodukte ein mögliches Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie für die Umwelt dar. Dieses Risiko muss auf geeignete Weise begrenzt werden, und zwar dadurch, dass solche Produkte unter strengen Bedingungen, die die betreffende Gesundheitsrisiken verringern, entweder sicher beseitigt oder für andere Zwecke verwendet werden (vgl. im Übrigen auch Erwägungsgründe (1), (2), (6), (8) und (11) der VO (EG) Nr. 1069/2009 und zum Vorsorgegrundsatz BayVGH, Urteil vom 27.09.2012 – 20 BV 11.2690).
Auch sollte mit der VO (EG) Nr. 1069/2009 gerade keine Erweiterung der Kategorie 3 erfolgen. Der für diese These von der Klägerin vorgebrachte Erwägungsgrund (35) der VO (EG) Nr. 1069/2009, in dem es heißt, dass die zuvor nach der VO 1774/2002 erfolgte automatische Zuordnung bestimmter tierischer Nebenprodukte zu Kategorie 2 deren Verwendungsmöglichkeiten „erheblich – und in Anbetracht der betreffenden Risiken – möglicherweise unverhältnismäßig beschränkt habe, weshalb diese Produkte fortan als Material der Kategorie 3 gelten sollen, damit sie für bestimmte Verfütterungszwecke verwendet werden dürfen“ ist auf den vorliegenden Fall nämlich gar nicht anwendbar. Der Erwägungsgrund (35) stellt darauf ab, dass bestimmtes Material, das bisher der Kategorie 2 zugeordnet war, nun zukünftig aufgrund einer Risikoabwägung der Kategorie 3 zugeordnet werden soll. Vorliegend stellt sich der Fall jedoch genau andersherum dar. Aufgrund einer Risikoabwägung soll nun Material, das bisher unter Kategorie 3 gefallen ist, unter Kategorie 2 fallen. Außerdem war mit der Änderung, auf die der Erwägungsgrund (35) der VO (EG) Nr. 1069/2009 anspielt, offenbar wohl lediglich gewollt, dass nicht etwa abgemolkene Kühe und verbrühte Schweine, die allein deshalb als genussuntauglich für den menschlichen Verzehr qualifiziert wurden, als Material der Kategorie 2 entsorgt werden müssen, obwohl Krankheitsanzeichen bei der obduktionsartigen Fleischuntersuchung nicht festgestellt werden. Hinsichtlich abgemolkener Kühe und verbrühter Schweine leuchtet dies ein, da etwa die Verbrühung des Schlachtkörpers zu einem wohl ungerechtfertigten Komplettverlust von hohen Fleischmengen führen würde, wenn allein aus diesem Grunde die Zuordnung zu Material der Kategorie 3 ausscheiden würde, während bei Geflügel der Verlust an Fleischmenge bei Aussortierung einzelner Tiere wesentlich geringer ist (vgl. dazu OVG Lüneburg, Beschluss vom 22. November 2011 – 13 ME 154/11 –, Rn. 15, juris).
Im Übrigen zeigt auch die – im Gegensatz zur Vorgängervorschrift des Art. 6 Abs. 1 Buchstabe d) der VO (EG) Nr. 1774/2002 – bereits dargelegte Verschärfung der Voraussetzungen in Art. 10 Buchstabe d) der VO (EG) Nr. 1069/2009, dass durch diese Erweiterung der Voraussetzungen der Vorsorgegrundsatz weiter erhöht werden sollte. Dies geht auch aus dem Erwägungsgrund (11) der VO (EG) Nr. 1069/2009 deutlich hervor. Dort heißt es wie folgt:
„In den Schlussfolgerungen, die der Ratsvorsitz im Dezember 2005 zum Bericht der Kommission vom 21. Oktober 2005 annahm, und in den darauf folgenden Anhörungen durch die Kommission wurde hervorgehoben, dass die Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 verbessert werden sollten. Die Hauptziele der Vorschriften über tierische Nebenprodukte, also die Begrenzung von Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier und der Schutz der Sicherheit der Lebensmittel- und Futtermittelkette, sollten klar formuliert werden. Die Vorschriften der vorliegenden Verordnung sollten es ermöglichen, die genannten Ziele zu erreichen.“
Entgegen dem Vortrag der Klägerin (Blatt 14 d.A) ist es – unter anderem aufgrund der Begutachtung der Herde und nicht des Einzeltiers – auch nicht sicher auszuschließen, dass Tiere in die Schlachtung gelangen, die an durch Blut auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten leiden. Zum einen können auch nur einzelne Tiere einer ansonsten gesunden Herde oder Partie krank sein. Zum anderen können Untersuchungen am lebenden Tier nicht zum Ausschluss aller durch Blut übertragbaren Krankheiten führen, wie beispielsweise auch die in der Akte dokumentierten aufgetretenen Salmonellenbefunde zeigen (Blatt 45-50 d.A.). Es sind nämlich auch Fälle denkbar, in denen das Schlachttier Träger einer über das Blut übertragbaren Krankheit ist, jedoch (noch) keine Krankheitssymptome zeigt und deshalb für schlachttauglich befunden wird. Oft können erst bei der im Rahmen der Fleischuntersuchung durchgeführten Oberflächenbegutachtung des einzelnen Tiers auf eine Krankheit hinweisende eitrige Prozesse, Schwellungen, Rötungen bzw. lokal begrenzte Entzündungen festgestellt werden. Daher ist nicht ersichtlich, warum ein Tier nach seiner Schlachtung keine Anzeichen einer „übertragbaren“ Krankheit – so der Klägervortrag im Schriftsatz vom 17.01.2017 (Blatt 18 d.A.) – mehr aufweisen können soll.
Angesichts dieses Vorsorgegrundsatzes, welcher – wie dargestellt – die Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 prägt, kann es nicht allein auf die Schlachttieruntersuchung ankommen, sondern muss auf jegliche Untersuchung der zu schlachtenden und geschlachteten Tiere abgestellt werden. Immer dann, wenn (bloße) Anzeichen für eine durch Blut auf Mensch oder Tier übertragbare Krankheit auftreten, was wohl regelmäßig der Fall sein wird, wenn das Geflügel für genussuntauglich erklärt wird (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 22. November 2011 – 13 ME 154/11 –, Rn. 20 f.), ist das tierische Nebenprodukt der Kategorie 2 zuzuordnen, weil es eben dann nicht mehr Material der Kategorie 3 sein kann, aber auch nicht solches der Kategorie 1 ist (vgl. Art. 9 Buchstabe h) der VO (EG) Nr. 1069/2009). Nicht erforderlich ist es hingegen, dass die übertragbare Krankheit erst abschließend diagnostiziert oder nachgewiesen sein muss. Auch diese erleichterten Voraussetzungen für die Verwerfung als Material der Kategorie 3 und damit Einordnung unter Material der Kategorie 2 gemäß Art. 9 Buchstabe h) der VO (EG) Nr. 1069/2009 erfahren ihre Rechtfertigung durch die Zielsetzung der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009, Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt soweit als möglich zu minimieren. Dass es auf das Vorliegen von Anhaltspunkten einer durch Blut auf Mensch oder Tier übertragbare Krankheit ankommt, zeigen auch die tendenziell noch geringeren Anforderungen („any signs of disease“) in der englischen Fassung der Verordnung (vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Dezember 2013 – 9 S 882/12 –, Rn. 25, juris). Auch aus der französischen Fassung („aucun signe de maladie“) geht klar hervor, das tierische Nebenprodukte ersichtlich nur dann in Kategorie 3 einzustufen sind, wenn eindeutig keine Anzeichen einer durch Blut übertragbaren Krankheit vorliegen, da das französische Wort „aucun“ auch mit „kein einziges“, „überhaupt keines“ oder „gar keines“ übersetzt wird.
Wird das Blut von Tieren, bei denen im Rahmen der Fleischuntersuchung Anzeichen von durch Blut auf Mensch oder Tier übertragbare Krankheiten vorgelegen haben und das damit nach Art. 9 Buchstabe h) der VO (EG) Nr. 1069/2009 der Kategorie 2 zuzuordnen ist jedoch dann mit solchem Blut von Geflügel vermischt, das als schlachttauglich eingestuft und das im Rahmen der Fleischuntersuchung keine Anzeichen von durch Blut auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten aufwies und damit grundsätzlich der Kategorie 3 zuzuordnen wäre, so stellt das vermengte Blut dann aber ein „Gemisch“ im Sinne des Art. 9 Buchstabe g) der VO (EG) Nr. 1069/2009 dar, das letztendlich damit insgesamt der Kategorie 2 zuzuordnen ist. Da die als Einheit gesammelte Menge an Blut aufgrund der fehlenden Chargierung mindestens eine Tagesproduktion und damit entsprechend der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 16.02.2016 Blut von bis zu …000 Hähnchen umfassen kann, scheint es – wie auch die Beklagte im Bescheid vom 19.010.2016 ausführt und von der Klägerin nicht bestritten wird – aufgrund dieser Schlachtmenge nicht denkbar, dass es in einer Tagesproduktion zu keinen Aussonderungen von Schlachtkörpern kommt und dieses Blut damit allein von Tieren stammt, die allesamt als genusstauglich eingestuft wurden bzw. keine Anzeichen von durch Blut auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten aufwiesen.
d) Zwar mag man der Klägerin insoweit Recht geben, als dass es aufgrund der momentanen Betriebsabläufe im Schlachtbetrieb der Klägerin und der daraus resultierenden unterschiedslosen Vermischung des Geflügelbluts nicht möglich ist, dass das in ihrem Schlachtbetrieb gewonnene Blut überhaupt gemäß Art. 10 Buchstabe d) der VO (EG) Nr. 1069/2009 der Kategorie 3 zuzuordnen ist und somit die Norm speziell für die Klägerin derzeit keinen Anwendungsbereich hat. Denn die Fleischuntersuchung findet erst nach der Ausblutung der toten Tiere statt, sodass dadurch erst nach bereits erfolgter Vermischung des Blutes festgestellt werden kann, ob „Anzeichen von durch Blut auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten“ vorgelegen haben. Eine nachträglich Trennung des Blutes nach der Fleischuntersuchung ist dann natürlich nicht mehr möglich.
Dies führt jedoch nicht dazu, dass für die Vorschrift des Art. 10 Buchstabe d) der VO (EG) Nr. 1069/2009 gänzlich kein Anwendungsbereich mehr verbliebe. Wie der Veterinäroberrat des Beklagten in der mündlichen Verhandlung erklärte, werde beim Schlachtvorgang bei Rindern oder Schweinen aufgrund der geringeren Bandgeschwindigkeit das bei der Schlachtung gewonnene Blut häufig chargiert und jeweils in einem separaten Behälter abgefangen. Nach der durchgeführten Fleischuntersuchung könne dann entschieden werden, ob das Blut dieser Charge von genusstauglichen Tieren oder von genussuntauglichen Tieren bzw. von Tieren, die Anzeichen einer durch Blut auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheit aufwiesen stammt und dann dementsprechend das Blut der jeweiligen Charge in die Kategorien 2 oder 3 einordnen.
e) Unerheblich für die Kategorisierung nach den Art. 8 – 10 der VO (EG) Nr. 1069/2009 ist, ob und auf welche Temperatur das Blut vor der Weiterverarbeitung erhitzt wird und ob dadurch ggf. – wie von der Klägerin behauptet – alle Krankheitserreger abgetötet werden, da dies den Weiterverarbeitungsprozess des Blutes betrifft, der jedoch nicht mehr im Betrieb der Klägerin stattfindet und auf den die Klägerin somit auch keinen Einfluss nehmen kann.
Wie sich aus dem Aufbau und der Systematik der VO (EG) Nr. 1069/2009 ergibt, müssen die tierischen Nebenprodukte zunächst unabhängig von ihrer weiteren Verwendung anhand der Vorschriften der Art. 8 – 10 der VO (EG) Nr. 1069/2009 und den dort genannten Voraussetzungen in die Kategorien 1 – 3 eingeteilt werden. Ausgehend von dieser Einteilung kann dann in einem nächsten Schritt anhand der Art. 12 – 14 der VO (EG) Nr. 1069/2009 festgestellt werden, wie das tierische Nebenprodukt weiter verwendet werden kann oder ob es beseitigt werden muss. Bei der Kategorisierung selbst kommt es damit also nicht auf den Weiterverarbeitungsprozess an, sondern es ist allein auf das (noch) unverarbeitete tierische Nebenprodukt abzustellen.
Außerdem zeigen Kapitel III und IV des Anhangs der VO (EU) Nr. 142/2001, dass es grundsätzlich bis zu sieben verschiedene Standardverarbeitungsmethoden für die Verarbeitung von tierischen Nebenprodukten gibt, die jeweils abhängig von der Partikelgröße des tierischen Nebenprodukts in Zeit und Temperatur der Erhitzung variieren (vgl. Kap. III). Außerdem fällt unter die Verarbeitungsmethode 7 jegliche von der zuständigen Behörde genehmigte Verarbeitungsmethode. Darüber hinaus stehen abweichend davon nach Kapitel IV noch weitere alternative Verarbeitungsmethoden zur Verfügung. Insofern kann es für die Kategorisierung des tierischen Nebenprodukts gar nicht darauf ankommen, wie und unter welchen Herstellungsverfahren das Produkt (momentan) weiterverwendet wird, da nicht auszuschließen ist, dass der Weiterverarbeitungsbetrieb seine Verarbeitungsmethode ändert oder der Schlachtbetrieb seinen Weiterverarbeitungsbetrieb wechselt. Insofern kann es für die vorliegend vorzunehmende Kategorisierung des Blutes nach den Art. 8 – 10 der VO (EG) Nr. 1069/2009 erst Recht nicht entscheidend darauf ankommen, dass und ob durch die Behandlung des Blutes beim momentan von der Klägerin genutzten Weiterverarbeitungsbetrieb „W.“ durch den momentan dort stattfindenden Verfahrensablauf alle im Blut gegebenenfalls vorhandenen Erreger sicher abgetötet werden. Folglich war auch der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisantrag abzulehnen.
3) Der Bescheid des Beklagten ist zudem nicht ermessensfehlerhaft.
Das Unionsrecht macht für die Kategorisierung von tierischen Nebenprodukten risikoorientierte zwingende Vorgaben, die das im Wortlaut der Ermächtigungsgrundlage des § 12 Abs. 2 Satz 1 TierNebG enthaltene Ermessen „zusammenschrumpfen“ lässt (vgl. auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 22. November 2011 – 13 ME 154/11 –, Rn. 24). Der Beklagte führt zutreffend aus, dass nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte Risiken für die Gesundheit von Menschen und Tieren bergen und bei derart hohen Schutzgütern und den hier zugrunde liegenden Risiken das behördliche Ermessen an sich bereits reduziert sei. Zudem könne nur durch die hier getroffene Anordnung sichergestellt werden, dass das risikobehaftete Blut im Rahmen der Weiterverwendung als Material der Kategorie 3 nicht wieder in den Stoffkreislauf und insbesondere in Tierfutter gelange. Diese Erwägungen sind nicht zu beanstanden.
III.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.


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