Europarecht

Einschreiten der Wasserbehörde bei formeller Illegalität einer Anlage

Aktenzeichen  7 C 9/20

Datum:
17.12.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2021:171221U7C9.20.0
Spruchkörper:
7. Senat

Leitsatz

§§ 34 und 35 WHG sind durch Landesrecht ergänzbare bundesrechtliche Vorschriften.

Verfahrensgang

vorgehend Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 11. Dezember 2019, Az: 4 A 1219/17, Urteilvorgehend VG Chemnitz, 19. Juli 2017, Az: 2 K 340/15, Urteil

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 11. Dezember 2019 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Klägerin.

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen einen wasserrechtlichen Bescheid, mit dem ihr die weitere Bauausführung an einer Wasserkraftanlage untersagt wurde.
2
Die Klägerin betreibt im Erzgebirge an dem Fluss S. eine Wasserkraftanlage, die sie von ihrem Geschäftsführer seit 2012 gepachtet hat. Die Wehranlage befindet sich in A. auf einem Flurstück, das im Eigentum des Freistaates Sachsen steht. Sie bestand seit 1931 aus einem Betonfundament, einer beweglichen Stauklappe und einem Gegengewicht in Form eines Bedienerstegs. Infolge eines Hochwassers im Jahr 1998 wurde ein Teil des Betonfundaments herausgerissen und die Stauklappe beschädigt. Daraufhin errichteten die damaligen Betreiber oberhalb des Wehres ein Provisorium aus geschichteten Betonplatten. Im Sommer 1999 brachten sie ein neues Stahlbetonfundament in das S. ein und montierten eine neue Wehrklappe. Wasserrechtliche Genehmigungen wurden nicht eingeholt.
3
Im November 2005 stellte das Landratsamt A.-S. dem Geschäftsführer der Klägerin gegenüber fest, dass der Betrieb der Wasserkraftanlage als Stauanlage aufgrund eines wasserrechtlichen Altrechts unter dort näher genannten Voraussetzungen zur Energieerzeugung aus Wasserkraft zulässig ist. Die Feststellung des Fortbestands des alten Rechts beschränke sich auf den Bestand der Anlage gemäß den Eintragungen ins Wasserbuch in den Jahren 1923, 1925 und 1934. Die seit 1990 an der Anlage durchgeführten Änderungen seien nicht Gegenstand des Bescheids und bedürften gesonderter wasserrechtlicher Prüfungen und gegebenenfalls nachträglicher Entscheidungen.
4
Im April 2014 brach der Bedienersteg der Wasserkraftanlage durch. Die Klägerin beabsichtigte, die beschädigten Teile zu beseitigen und einen identischen Neubau errichten zu lassen, und ließ die Arbeiten beginnen. Daraufhin untersagte der Beklagte mit Bescheid vom 11. April 2014 unter Androhung von Zwangsgeld, die weitere Bauausführung an der Wasserkraftanlage und eine provisorische Arretierung der Wehrklappe. Der Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab.
5
Die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Die Klage sei zulässig. Ein Rechtsschutzbedürfnis sei nicht zu verneinen, weil die Frage, ob der Klägerin ein Recht zur Gewässerbenutzung zustehe, der Begründetheit zuzuordnen sei. Der Untersagungsbescheid sei materiell rechtmäßig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 100 Abs. 1 WHG lägen vor. Die Klägerin verfüge für die Benutzung des S. nicht über eine wasserrechtliche Erlaubnis. Insbesondere könne sie ein Recht zur Benutzung der Wasserkraftanlage nicht aus einem ihrem Geschäftsführer zustehenden Altrecht ableiten. Der Geschäftsführer habe bei Abschluss des Pachtvertrags im Jahr 2012 über kein Altrecht mehr verfügt. Die Ermessensausübung sei nicht zu beanstanden. Der Beklagte habe berücksichtigen dürfen, dass die Anlage materiell derzeit nicht genehmigungsfähig sei. Sie sei nicht mit funktionsfähigen Anlagen oder Wegen zum Fischwechsel gemäß § 21 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 SächsWG ausgestattet.
6
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend: Das Oberverwaltungsgericht habe im Hinblick auf das anlagenbezogene Landeswasserrecht zu Unrecht von einer formellen Illegalität auf das Erlöschen eines nach § 15 Abs. 1 WHG a.F. fortgeltenden alten Wasserrechts geschlossen. Alte Wasserrechte seien vom Gesetzgeber als geschützte Eigentumspositionen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ausgestaltet. Zu Unrecht sei auch die Ermessensbetätigung unbeanstandet geblieben, obwohl der Beklagte die Stilllegung der Wasserkraftanlage allein aufgrund der festgestellten formellen Illegalität verfügt habe. In Bezug auf Anlagen an, in, über oder unter Gewässern sei sowohl die formelle als auch die materielle Illegalität des Vorhabens erforderlich. Im Zusammenhang mit einer nachträglichen Legalisierbarkeit habe das Oberverwaltungsgericht § 21 Abs. 6 SächsWG unter Verstoß gegen § 34 Abs. 1 WHG ausgelegt. § 34 WHG sei zwar offen für ergänzende landesrechtliche Bestimmungen. Es sei aber abschließend geregelt, unter welchen Voraussetzungen die Durchgängigkeit zu gewährleisten sei. Mit dieser bundesrechtlichen Regelung kollidiere § 21 Abs. 6 SächsWG, der die Ausstattung mit funktionsfähigen Anlagen oder Wegen zum Fischwechsel verlange.
7
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 11. Dezember 2019 und des Urteils des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 19. Juli 2017 den Bescheid des Beklagten vom 11. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. April 2015 und den Zwangsgeldbescheid des Beklagten vom 24. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. April 2015 aufzuheben.
8
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
9
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
10
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren: Für die Anwendbarkeit der wasserrechtlichen Generalklausel des § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG genüge die formelle Illegalität einer Anlage. § 21 Abs. 6 SächsWG bewege sich im verfassungsrechtlich zulässigen Rahmen.

Entscheidungsgründe

11
Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das angefochtene Urteil beruht auf keinem Verstoß gegen revisibles Recht.
12
1. Ohne Bundesrechtsverstoß hat das Berufungsgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG für das Einschreiten des Beklagten bejaht. Danach ordnet die zuständige Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen an, die im Einzelfall notwendig sind, um Beeinträchtigungen des Wasserhaushalts zu vermeiden oder zu beseitigen oder die Erfüllung von Verpflichtungen nach § 100 Abs. 1 Satz 1 WHG sicherzustellen. Nach der letztgenannten Vorschrift ist es Aufgabe der Gewässeraufsicht, die Gewässer sowie die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zu überwachen, die nach oder auf Grund von Vorschriften des Wasserhaushaltsgesetzes, nach auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen oder nach landesrechtlichen Vorschriften bestehen. Der Erfüllung der Überwachungspflicht dient das behördliche Einschreiten bei Gefahr aufgrund eines Verstoßes gegen eine Norm des geltenden Wasserrechts (vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 100 Rn. 37).
13
Die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe zu Unrecht von einer formellen Illegalität der Anlage auf das Erlöschen eines alten Wasserrechts geschlossen, führt nicht zum Erfolg der Revision. Das Oberverwaltungsgericht hat zwar ausgeführt, dass der Geschäftsführer der Klägerin zum Zeitpunkt des Abschlusses des Pachtvertrags im Jahr 2012 über kein Altrecht im Sinne von § 15 WHG a.F. (= § 20 WHG) in Gestalt einer nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 und 2, § 8 Abs. 1 WHG erforderlichen wasserrechtlichen Erlaubnis verfüge. Auf die Frage des Erlöschens des alten Wasserrechts kam es aber nicht an. Nach den tragenden Erwägungen des Berufungsurteils bestand das Altrecht nach Maßgabe des Bescheids vom 8. November 2005 entsprechend dem Zustand der Anlage am 1. Juli 1990 und erfasste spätere ungenehmigte Veränderungen nicht. Der Geschäftsführer der Klägerin habe danach für die Wasserkraftanlage in dem Zustand, in dem sie sich im Jahr 2012 befunden habe, nicht über eine erforderliche wasserrechtliche Genehmigung verfügt. Ein bundesrechtlich beachtlicher Rechtsfehler des Oberverwaltungsgerichts ist insoweit nicht gegeben. Die Auslegung des Feststellungsbescheids aus November 2005 unterliegt auch nur eingeschränkter revisionsgerichtlicher Kontrolle. Der tatrichterlich ermittelte Erklärungsinhalt ist als Tatsachenfeststellung nach § 137 Abs. 2 VwGO bindend. Die Bindung tritt lediglich dann nicht ein, wenn die vom Tatsachengericht vorgenommene Auslegung einen Rechtsirrtum oder einen Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze, Denkgesetze oder Auslegungsregeln erkennen lässt (vgl. BVerwG, Urteile vom 7. Dezember 1966 – 5 C 47.64 – BVerwGE 25, 318 , vom 27. Mai 1981 – 8 C 6.81 – Buchholz 406.11 § 135 BBauG Nr. 17 S. 6 m.w.N. und vom 7. November 2018 – 7 C 18.18 – Buchholz 451.224 § 36 KrWG Nr. 2 Rn. 27 ff.). Hierfür ist nichts ersichtlich und nichts geltend gemacht. Das alte Recht ist durch diesen Bescheid mithin in nicht zu beanstandender Weise konkretisiert worden und legalisierte den Betrieb der Wasserkraftanlage als Stauanlage nur unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen. Insoweit konnte das Berufungsgericht im Hinblick auf den Zustand der Anlage im Jahr 2012 einen Verstoß gegen § 91 Abs. 1 Satz 1 und 2 SächsWG a.F. bejahen, ohne hiermit eine Aussage zum Fortbestand des alten Wasserrechts zu treffen. Die Klägerin bedurfte für die Errichtung, Beseitigung und wesentliche Änderung der Anlage einer Genehmigung, die sie aber nicht eingeholt hatte.
14
2. Das Vorbringen der Revision, das Oberverwaltungsgericht habe zu Unrecht die formelle Illegalität der Anlage als ausreichend für das Ergehen der Maßnahme angesehen, bleibt ohne Erfolg. Die auf § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG gestützte Untersagung ist nicht unverhältnismäßig.
15
Die Maßnahme, deren Erlass im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde steht, muss im Einzelfall verhältnismäßig sein, um Beeinträchtigungen des Wasserhaushalts zu vermeiden oder zu beseitigen oder die Erfüllung von wasserrechtlichen Verpflichtungen nach § 100 Abs. 1 Satz 1 WHG sicherzustellen. Grundsätzlich genügt für ein Einschreiten der Wasserbehörde gemäß § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG die bloß formelle Illegalität (BVerwG, Urteil vom 10. Februar 1978 – 4 C 71.75 – NJW 1978, 2311 und Beschlüsse vom 28. Februar 1991 – 7 B 22.91 – Buchholz 445.4 § 2 WHG Nr. 7, vom 21. Dezember 1993 – 7 B 119.93 – NVwZ-RR 1994, 202 und vom 8. Oktober 1998 – 11 B 42.98 – juris Rn. 3; Schwind, in: Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, Kommentar, 2. Aufl., § 100 Rn. 20, 22; Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 100 Rn. 42 f.; Tünnesen-Harmes, in: BeckOK UmweltR, Stand Oktober 2020, § 100 WHG Rn. 2).
16
Eine Differenzierung zwischen formeller und materieller Illegalität, wie sie für den Bereich des öffentlichen Baurechts üblich ist, ist wegen der Unterschiede der beiden Rechtsmaterien für das Wasserrecht in der Regel nicht geboten. Stehen einem Bauvorhaben keine materiell-rechtlichen Hindernisse entgegen, besteht aufgrund der Eigentumsgarantie gemäß Art. 14 Abs. 1 GG ein Rechtsanspruch auf eine uneingeschränkte Baugenehmigung. Demgegenüber ist die Nutzung von Gewässern wegen Ihrer Bedeutung für die Allgemeinheit und wegen ihrer erhöhten Sensibilität für Verunreinigungen immer gemeinwohlorientiert (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 10. Februar 1978 – 4 C 25.75 – BVerwGE 55, 220 ). Jede nicht gestattete, aber gestattungsbedürftige Einwirkung auf ein Gewässer ist deswegen rechtswidrig, weil auch materiell erst die Gestattung die Befugnis zur Benutzung oder zum Ausbau des Gewässers begründet (vgl. Gößl, in: Sieder/Zeitler/Dahme, Wasserhaushaltsgesetz und Abwasserabgabengesetz, Stand September 2020, § 100 WHG Rn. 72 f.).
17
Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kann sich in besonders gelagerten Einzelfällen die Notwendigkeit einer Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit im Einzelfall ergeben. Solch ein Fall liegt aber nicht vor, wenn – wie hier – ein bloßer “Schwarzbau” Gegenstand der wasserrechtlichen Maßnahme ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21. Dezember 1993 – 7 B 119.93 – NVwZ-RR 1994, 202 und vom 8. Oktober 1998 – 11 B 42.98 – juris Rn. 3). Im Übrigen hat die Revision nichts Hinreichendes für einen Ausnahmefall vorgetragen.
18
3. Das Berufungsgericht hat die Ermessensausübung des Beklagten zu Recht auch im Übrigen nicht beanstandet. Der Beklagte durfte berücksichtigen, dass die Anlage materiell derzeit nicht genehmigungsfähig ist, weil sie nach § 21 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 SächsWG nicht mit funktionsfähigen Anlagen oder Wegen zum Fischwechsel ausgestattet ist. Das Vorbringen der Revision, § 34 Abs. 1 und 2 WHG sei im Hinblick auf Landesrecht abweichungsfest, so dass § 21 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 SächsWG kompetenzrechtswidrig erlassen worden sei, verfängt nicht.
19
a) Die Reichweite von Bundesrecht, das nach Maßgabe der konkurrierenden Gesetzgebung ergangen ist, bestimmt sich nach den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen. Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 32 GG ist das Wasserrecht Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung. Hat der Bund von dieser Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht, können die Länder gemäß Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 GG abweichende Regelungen über den Wasserhaushalt erlassen, allerdings keine stoff- und anlagenbezogene Regelungen. Solange und soweit der Bund von der Kompetenz nach Art. 74 GG keinen Gebrauch gemacht hat, besitzen die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung. Ein Gebrauchmachen von einer Gesetzgebungskompetenz in einer den Landesgesetzgeber im Sinne des Art. 72 Abs. 1 GG ausschließenden Weise liegt vor, wenn ein Bundesgesetz eine bestimmte Frage erschöpfend regelt (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 22. April 1958 – 2 BvL 32/56 u.a. – BVerfGE 7, 342 und vom 9. Oktober 1984 – 2 BvL 10/82 – BVerfGE 67, 299 ). Eine erschöpfende Regelung kann sowohl positiv als auch negativ durch absichtsvollen Regelungsverzicht erfolgen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2015 – 1 BvR 931/12 – BVerfGE 138, 261 Rn. 42 ff.). Hat der Bundesgesetzgeber hiervon abgesehen, können die Länder nach Art. 72 Abs. 1 GG ergänzende Regelungen erlassen (vgl. Uhle, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Kommentar, Stand Juli 2021, Art. 72 Rn. 229).
20
b) Erschöpfende Regelungen sind mit §§ 34 und 35 WHG nicht ergangen. Der Sächsische Landesgesetzgeber durfte mit § 21 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 SächsWG die Anforderungen der §§ 34 und 35 WHG verschärfen.
21
Dies belegt bereits der Wortlaut beider Vorschriften. § 34 WHG fordert “geeignete Einrichtungen und Betriebsweisen”, um die Durchgängigkeit des Gewässers zu erhalten, die am Maßstab der Bewirtschaftungsziele der §§ 27 bis 31 WHG zu messen ist. Was unter “geeignete[n] Einrichtungen und Betriebsweisen” zu verstehen ist, bestimmt das Gesetz nicht. Die Vorschrift lässt daher Raum für Ergänzungen und Konkretisierungen durch die Landesgesetzgeber. Auch § 35 WHG ist allgemein gehalten (vgl. Niesen, in: Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, Kommentar, 2. Aufl. 2017, § 35 Rn. 4). Die Formulierungen “geeignete Maßnahmen zum Fischschutz” und “erforderliche Maßnahmen” sind unbestimmte Rechtsbegriffe, die der Gesetzgeber nicht näher konturiert hat. Auch mit der Formulierung in §§ 34 und 35 WHG “darf nur zugelassen werden, wenn” hat der Gesetzgeber einen Mindeststandard festgelegt, der zeigt, dass die Normen für Ergänzungen offen sind. Die landesrechtliche Vorschrift fügt sich mit spezifischen Anforderungen an die Ausgestaltung von Fischschutzanlagen ein.
22
Sinn und Zweck bestätigen diese Auslegung. § 34 WHG will in weitgehender Anlehnung an bestehende landesrechtliche Vorschriften die bundeseinheitliche Rechtsgrundlage für die in Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie zu erfüllenden Anforderungen schaffen. Die Durchgängigkeit von Stauanlagen ist entscheidende Voraussetzung für die Besiedelung mit wandernden Fischarten wie Lachsen oder Aalen (Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zur Neuregelung des Wasserrechts, BT-Drs. 16/12275 S. 61). § 34 Abs. 1 WHG enthält hierfür materiell-rechtliche Mindestvoraussetzungen für die Zulassung der Errichtung, die wesentliche Änderung und den Betrieb von Stauanlagen. § 34 Abs. 2 WHG bestimmt die Anforderungen für die bei Inkrafttreten der Regelung am 1. März 2010 bereits vorhandenen Stauanlagen (Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 34 Rn. 4). § 34 WHG schafft damit einen an der Wasserrahmenrichtlinie orientierten Standard, aber keine Begrenzung für den Landesgesetzgeber, die ihn hindert, darüber hinauszugehen.
23
Dass die Bundesregierung den Vorschlag des Bundesrats abgelehnt hatte, § 35 WHG in der Fassung des Gesetzentwurfs um eine klarstellende Regelung zu ergänzen, dass weitergehende Anforderungen durch Rechtsvorschriften der Länder unberührt bleiben (Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Wasserrechts, BT-Drs. 16/13306 S. 8 Nr. 29), spricht nicht gegen die Ergänzungsbefugnis der Länder. Denn die Ablehnung geschah mit der Begründung, § 35 WHG betreffe nur ergänzende Zulassungsvoraussetzungen für eine bestimmte Gewässernutzung (BT-Drs. 16/13306 S. 27 zu Nr. 29). Es bestehe kein Bedürfnis für eine gesetzliche Klarstellung, da hinreichend klar sei, dass es sich nicht um eine abschließende Regelung handele. Die Bundesregierung befürchtete, dass durch eine ausdrückliche Regelung die Gefahr von Missdeutung bei anderen Rechtsvorschriften des Wasserhaushaltsgesetzes entstünde, die keine Klarstellung enthalten. Für § 34 WHG kann nichts anderes gelten.
24
Der daraus abzuleitenden Annahme, dass es sich bei den §§ 34 und 35 WHG um durch Landesrecht ergänzbare bundesrechtliche Vorschriften handelt (vgl. Niesen, in: Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, Kommentar, 2. Aufl. 2017, § 34 Rn. 43 und § 35 Rn. 35; zu § 34 WHG vgl. Durner, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Mai 2021, § 34 Rn. 48), entspricht auch die Annahme des Landesgesetzgebers, er erlasse mit § 21 SächsWG eine lediglich ergänzende und konkretisierende Vorschrift (vgl. Oswald, in: Dallhammer/Dammert/Faßbender, Sächsisches Wassergesetz, Kommentar, 1. Aufl. 2019, § 21 Rn. 1).
25
Dass schließlich auch bei Bestandsanlagen der Fischschutz umgesetzt werden muss, hat der Bundesgesetzgeber in § 34 Abs. 2 und § 35 Abs. 2 WHG festgelegt. Der Beklagte wäre deswegen, da Anlagen oder Wege zum Fischwechsel fehlen, selbst bei Genehmigungsfähigkeit der Änderung befugt, die Ausstattung mit solchen Anlagen oder Wegen anzuordnen.
26
4. Einwände gegen das angedrohte Zwangsgeld und seine Festsetzung erhebt die Revision nicht. Im Übrigen stehen Landesrecht und dessen Anwendung in Rede. Beides unterliegt nicht der revisionsrechtlichen Kontrolle.
27
Der Senat hat den Tenor hinsichtlich des Datums der angegriffenen Entscheidung wegen eines offensichtlichen Schreibfehlers im Protokoll berichtigt (§ 118 Abs. 1 VwGO).
28
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.


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