Europarecht

Entziehung der Fahrerlaubnis

Aktenzeichen  B 1 S 19.1090

Datum:
3.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 43679
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVG § 3 Abs. 1 S. 1, § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 1
ZPO § 180
FeV § 41, § 46 Abs. 6, § 47 Abs. 1 S. 1, S. 2
VwZVG Art. 21a

 

Leitsatz

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 11. November 2019 gegen Ziffer 1 Satz 1 des Bescheids vom 8. Oktober 2019 wird angeordnet. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
2. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der am … 1976 geborene Antragsteller wendet sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A79, A179, AM, B, BE und L wegen des Erreichens von acht Punkten im Fahreignungsregister.
Mit Schreiben vom 8. November 2016 ermahnte das Landratsamt … (im Folgenden Landratsamt) den Antragsteller nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG wegen der Eintragung von fünf Punkten im Fahreignungsregister nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem. Ausweislich der Postzustellungsurkunde wurde die Ermahnung am 10. November 2016 in den zur Wohnung (…, … P…) gehörenden Briefkasten eingeworfen.
Unter dem 13. Oktober 2017 wurde der Antragsteller vom Landratsamt gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG i. V. m. § 41 FeV verwarnt, da sich ein Punktestand von sechs Punkten nach dem Fahreignungsregister ergebe. Der Antragsteller wurde zudem darauf hingewiesen, dass seine Fahrerlaubnis bei der Erreichung von acht Punkten oder mehr entzogen und eine Sperrfrist von sechs Monaten festgesetzt werde.
Diese Verwarnung wurde dem Antragsteller laut Postzustellungsurkunde am 17. Oktober 2017 zugestellt. Im Adressfeld wurde als Adresse …, … P… angegeben. Vom Postbediensteten wurde angekreuzt, dass das Schriftstück in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten eingeworfen worden sei, da eine Übergabe in der Wohnung nicht möglich gewesen wäre.
Nachdem dem Landratsamt vom Kraftfahrt-Bundesamt mitgeteilt worden ist, dass der Antragsteller acht Punkte im Fahreignungsregister erreicht hat, hörte es den Antragsteller zu einer Entziehung seiner Fahrerlaubnis an (Schreiben vom 19. September 2019). Unter dem 27. September 2019 äußerte der Bevollmächtigte des Antragstellers Zweifel daran, dass die Verwarnung dem Antragsteller ordnungsgemäß zugestellt worden ist.
Eine daraufhin vom Landratsamt durchgeführte Abfrage ergab, dass der Antragsteller bis zum 1. November 2016 in der … in … P… gemeldet gewesen war. Vom 1. November 2016 bis zum 8. Mai 2018 war der Antragsteller unbekannten Aufenthalts. Zum 9. Mai 2018 hat sich der Antragsteller wieder in der …, …P… (bei …) angemeldet.
Ausweislich des Abmeldeformulars, ausgestellt von der Stadt P… am 2. November 2017, habe die Vermieterin (Frau J.) des Antragstellers diesen rückwirkend zum 1. November 2016 bei der Stadt abgemeldet. Auf der Rückseite des Dokuments befindet sich eine Aktennotiz vom 2. November 2017, aus der hervorgeht, dass die Vermieterin den Antragsteller seit längerem nicht mehr gesehen habe. Eine neue Adresse des Antragstellers sei ihr nicht bekannt.
Mit Bescheid vom 8. Oktober 2019 entzog das Landratsamt dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der Klassen A79, A179, AM, B, BE und L (Ziffer 1 Satz 1). Der Führerschein mit der Nummer … sei umgehend beim Landratsamt abzugeben (Ziffer 1 Satz 2). Für den Fall, dass der Antragsteller der Pflicht zur Abgabe des Führerscheins nicht binnen fünf Tagen nach Zustellung des Bescheids nachkomme, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR angedroht (Ziffer 2 Satz 1). Ziffer 2 Satz 2 enthält eine Ersatzfrist für den Fall, dass die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen den Bescheid angeordnet werde. Der Antragsteller habe die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gebühr für diesen Bescheid werde auf 150,00 EUR festgesetzt (Ziffer 3).
Der Antragsteller sei bereits mit Schreiben vom 8. November 2016 ermahnt (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG) und unter dem 13. Oktober 2017 verwarnt (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG) worden. Am 16. September 2019 sei eine Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes bei der Fahrerlaubnisbehörde eingegangen, nach der der Antragsteller aufgrund folgender, im Fahreignungsregister rechtskräftig eingetragener Verkehrsverstöße einen Punktestand von acht Punkten erreicht habe:
Datum der
1. Tat
2. Entscheidung
3. Rechtskraft
Behörde/Gericht
Tatbestand:stext
Punkte
05.04.2016
30.05.2016
16.06.2016
BG-Beh. ZBS Viechtach
Sie hielten bei einer Geschwindigkeit von 106 km/h den erforderlichen Abstand von 53,0 m zum vorausfahrenden Fahrzeug nicht ein.
2
26.08.2016
23.09.2016
13.10.2016
BG-Beh. RP Karlsruhe
Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 46 km/h.
2
14.01.2017
31.03.2017
20.04.2017
BG-Beh. Stadt Mannheim
Sie benutzten als Führer des Kraftfahrzeugs verbotswidrig ein Mobil- oder Autotelefon, indem Sie hierfür das Mobiltelefon oder den Hörer des Autotelefons aufnahmen oder hielten.
1
01.07.2017
25.07.2017
25.08.2017
BG-Beh. Stadt Bretten
Sie benutzten als Führer des Kraftfahrzeugs verbotswidrig ein Mobil- oder Autotelefon, indem Sie hierfür das Mobiltelefon oder den Hörer des Autotelefons aufnahmen oder hielten.
1
30.07.2018

24.11.2018
BG-Beh. ZBS Viechtach
Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 25 km/h.
1
16.04.2019
19.06.2019
09.07.2019
BG-Beh. ZBS Viechtach
Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 23 km/h.
1
Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis bilde § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i. V. m. § 46 Abs. 1 FeV. Der Antragsteller erweise sich nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, da sich mehr als acht Punkte im Fahreignungsregister ergeben hätten und sämtliche vorher erforderlichen Maßnahmen in Form eines Ermahnungs- bzw. Verwarnungsschreibens ergriffen worden seien. Dass die berufliche Existenz des Antragstellers durch einen Führerscheinentzug gefährdet sein könnte, sei unerheblich, da der Behörde bei einer Entziehung wegen des Erreichens von acht Punkten kein Ermessensspielraum zustehe. Die ordnungsgemäße Zustellung der Ermahnung und Verwarnung könne nachgewiesen werden. Gemäß § 46 Abs. 6 FeV erlösche die Fahrerlaubnis mit der Entziehung und sei unverzüglich bei der Verwaltungsbehörde abzuliefern. Zur Durchsetzung dieser Ablieferungspflicht sei ein Zwangsgeld angedroht worden.
Am 17. Oktober 2019 versicherte der Antragsteller an Eides statt zur Niederschrift des Landratsamts, dass er seinen Führerschein nicht mehr in Besitz habe und diesen verloren habe.
Mit Schriftsatz vom 11. November 2019 erhob der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten Klage und beantragte zugleich,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 8. Oktober 2019 wiederherzustellen.
Zur Begründung führte der Bevollmächtigte aus, dass der Antragsteller von dem Verwarnungsschreiben keine Kenntnis erlangt habe, da dieses ihm nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Wie der Meldebestätigung der Stadt P… entnommen werden könne, habe der Antragsteller am 17. Oktober 2017 nicht in der … in P… gewohnt. Er sei am 1. November 2016 zu seinen Eltern nach S… gezogen. Eine wirksame Zustellung sei daher nicht erfolgt. Nachdem keine Verwarnung ausgesprochen worden sei, erweise sich die Entziehung der Fahrerlaubnis als unrechtmäßig. Andernfalls sei die vom Gesetzgeber gewollte Warnfunktion der Ermahnung und Verwarnung nicht erfüllt. Nachdem die Klage offensichtlich begründet sei, müsse die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage vorgenommen werden. Es bestehe Eilbedürftigkeit, da dem Antragsteller andernfalls die Geschäftsaufgabe drohe. Im Übrigen werde auf die Ausführungen zur Rechtswidrigkeit des Bescheids in der Klage vom 11. November 2019 verwiesen.
Unter dem 18. November 2019 übersandte das Landratsamt die Behördenakten und beantragte,
den Antrag zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist das Landratsamt auf den streitgegenständlichen Bescheid vom 8. Oktober 2019. Darüber hinaus wird ausgeführt, dass die Zustellung der Ermahnung und Verwarnung nach Art. 3 Abs. 2 VwZVG i. V. m. § 180 Satz 1 ZPO durch Einlegung in den Briefkasten des Antragstellers erfolgt sei. Wenn der Zusteller diese Art der Zustellung bestätige, sei davon auszugehen, dass zu den genannten Zeitpunkten auch ein Briefkasten mit dem Namen des Antragstellers vorhanden gewesen sei. Die Bescheide seien auch nicht in Rücklauf gekommen. Gemäß § 180 Satz 2 ZPO gelte das Schriftstück mit der Einlegung in den Briefkasten als zugestellt. Zwar sei die Ersatzzustellung nur möglich, wenn der Adressat die betreffende Wohnung tatsächlich innehabe, jedoch bedürfe es zur Wohnungsaufgabe einen Aufgabewillen und Aufgabeakt. Aufgabewille und Aufgabeakt müssten für einen mit den Verhältnissen vertrauten Beobachter erkennbar sein. Dies sei vorliegend fraglich. Der Vermieter habe den Antragsteller erst nach einem Jahr rückwirkend abgemeldet. Selbst dieser habe anscheinend keine genaue Kenntnis vom Auszug des Antragstellers gehabt. Die schlichte Behauptung, die Wohnung aufgegeben zu haben, genüge nicht. Vielmehr bedürfe es insoweit einer schlüssigen und plausiblen Darlegung, aus der sich die Wohnungsaufgabe zum maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung ergebe. Diesbezüglich seien lediglich schlichte Behauptungen vom Antragsteller aufgestellt worden. Auch müsse sich der Antragsteller die von ihm angegebene Anschrift als Ort, an dem Zustellungen an ihn bewirkt werden könnten, entgegenhalten lassen. Es würde Sinn und Zweck der Zustellungsvorschriften widersprechen, wenn der Adressat durch arglistiges Vortäuschen einer falschen Anschrift wirksame Zustellungen verhindern könne. Der Zustellende könne sich dann nicht mehr auf die Eintragung im Melderegister verlassen, sondern wäre zur Verhinderung unwirksamer Zustellungen gehalten, vor jeder Zustellung detektivische Nachforschungen darüber anzustellen, ob der Betreffende an dem von ihm angegebenen Wohnsitz tatsächlich eine Wohnung innehabe. Im Nachhinein sei der Nachweis des Bestehens einer Wohnung an der Zustellungsadresse im Zustellungszeitpunkt noch schwieriger zu führen. Der Betreffende hätte es somit in der Hand eine wirksame Ersatzzustellung erfolgreich zu sabotieren. Das Gesamtbild der vorliegenden Tatsachen lasse nur den Schluss zu, dass der Antragsteller die Zustellung arglistig verhindert habe. Die Bescheide seien nicht als unzustellbar zurückgekommen. Eine Ummeldung durch den Antragsteller sei nicht erfolgt. Nicht einmal der Vermieter habe von der Tatsache des Auszugs des Antragsstellers, geschweige denn vom genauen Datum Kenntnis gehabt. Unter der angeblichen Adresse der Eltern des Antragstellers, bei denen er eingezogen sein soll, sei keine Familie mit dem Namen … gemeldet. Auch die Gewerbeanmeldung vom 25. Mai 2016 unter der ursprünglichen Adresse des Antragstellers sei nicht geändert worden. Daher müsse sich der Antragsteller nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als seien ihm die Bescheide vom 8. November 2016 und 13. Oktober 2017 ordnungsgemäß zugestellt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte – auch im Verfahren B 1 K 19.1091 – und der Behördenakten ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO entsprechend).
II.
1. Die Auslegung des gestellten Antrags (§§ 122 Abs. 1, 88 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) ergibt entgegen seines Wortlauts, dass der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Ziffer 1 Satz 1 des streitgegenständlichen Bescheids begehrt, nachdem eine Fahrerlaubnisentziehung auf der Grundlage von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 Straßenverkehrsgesetz – StVG – kraft Gesetzes gem. § 4 Abs. 9 StVG sofort vollziehbar ist. In Ziffer 2 Satz 1 des streitgegenständlichen Bescheids droht das Landratsamt ein Zwangsgeld für den Fall der nicht fristgerechten Abgabe des Führerscheins gegenüber dem Antragsteller an. Da Rechtsbehelfe gegen Zwangsgeldandrohungen nach Art. 21 a VwZVG bereits kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung haben, wird auch diesbezüglich der Antrag des Antragstellers in einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 2 Satz 1 des streitgegenständlichen Bescheids ausgelegt.
Das Gericht weist im Übrigen darauf hin, dass die Klage gegen Ziffer 1 Satz 2 des Bescheids des Landratsamts (Ablieferung des Führerscheins) aufschiebende Wirkung hat. Diese entfällt in den Fällen des § 47 Abs. 1 Satz 1 und 2 FeV nicht nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, sondern kann von der Behörde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO besonders angeordnet werden (BayVGH, B.v. 22.9.2015 – 11 CS 15.1447 – juris Rn. 23). Nachdem hier das Landratsamt offensichtlich davon ausgegangen ist, dass eine Klage gegen die Ablieferungspflicht gleichlaufend zur Entziehung nach § 4 Abs. 9 StVG keine aufschiebende Wirkung entfaltet und dementsprechend eine Anordnung des Sofortvollzugs mit hinreichender Begründung auf der Grundlage von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO nicht erfolgt ist, verbleibt es bei der allgemeinen Regel des § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
2. Die gestellten Anträge auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes haben bezüglich des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer 1 Satz 1 Erfolg. Hinsichtlich der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer 2 Satz 1 des streitgegenständlichen Bescheids, ist der Antrag hingegen abzulehnen.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers (Az.: B 1 K 19.1091) anordnen, da die Klage nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 4 Abs. 9 StVG keine aufschiebende Wirkung entfaltet. Dabei trifft das Gericht eine eigene Abwägungsentscheidung, bei der das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage abzuwägen ist. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
a. Die Klage des Antragstellers gegen die Fahrerlaubnisentziehung (Ziffer 1 Satz 1) hat bei summarischer Prüfung in der Sache Erfolg. Die Fahrerlaubnisentziehung war voraussichtlich rechtswidrig und hat den Antragsteller in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 und 2 StVG darf die zuständige Behörde eine Maßnahme nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 oder 3 StVG erst ergreifen, wenn die Maßnahme der jeweils davor liegenden Stufe nach Absatz 5 Satz 1 Nr. 1 oder 2 bereits ergriffen worden ist. Sofern die Maßnahme der davor liegenden Stufe noch nicht ergriffen worden ist, ist diese zu ergreifen.
Die Ermahnung vom 8. November 2016 und die Verwarnung vom 13. Oktober 2017 sind dem Antragsteller ausweislich der jeweiligen Postzustellungsurkunde am 10. November 2016 bzw. am 17. Oktober 2017 an die Adresse … in … P… durch Ersatzzustellung (Einlage in den Briefkasten zur Wohnung) zugestellt worden. Bezüglich der Verwarnung ist jedoch nicht von einer ordnungsgemäßen bzw. tatsächlich erfolgten Zustellung auszugehen.
aa. Gemäß Art. 1 Abs. 5 Var. 2, Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz – VwZVG – sind für die Ausführung der Zustellung die §§ 177 bis 182 der Zivilprozessordnung – ZPO – anwendbar. Nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO kann die Zustellung, im Falle, dass die Person, an die zugestellt werden soll, in ihrer Wohnung nicht angetroffen wird, in der Gestalt erfolgen, dass das Schriftstück in der Wohnung einem erwachsenen Familienangehörigen, einer in der Familie beschäftigten Person oder einem erwachsenen ständigen Mitbewohner zugestellt wird. Ist die Zustellung auf diesem Weg nicht ausführbar, kann das Schriftstück in einen zu der Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist (§ 180 Satz 1 ZPO). Nach § 180 Satz 2 ZPO gilt das Schriftstück mit der Einlegung als zugestellt.
Die Ersatzzustellung nach § 180 ZPO ist allerdings nur möglich in der Wohnung, die der Zustellungsadressat zur Zeit der Zustellung schon und noch bewohnt und die in diesem Zeitpunkt sein räumlicher Lebensmittelpunkt ist. Hat der Adressat die Nutzung der Räume aufgegeben, ist eine Zustellung an ihn dort nicht mehr möglich. Allerdings setzt die Aufgabe der Wohnung einen entsprechenden Willensentschluss voraus, der nach außen erkennbaren Ausdruck gefunden haben muss. Der Aufgabewille muss zwar nicht zwingend für den Absender des zuzustellenden Schriftstücks oder die mit der Zustellung betraute Person, wohl aber für einen mit den Verhältnissen vertrauten Beobachter erkennbar sein (vgl. BGH, U.v. 14.9.2004 – XI ZR 248/03 – juris Rn. 14 m.w.N.; BayVGH, B.v. 13.12.2017 – 11 CS 17.2098 – juris Rn. 12 m.w.N.). Dies setzt jedoch nicht voraus, dass der Zustellungsadressat alle Merkmale beseitigt, die den Anschein erwecken könnten, er nutze die Wohnräume auch weiterhin. Der bloße, ihm zurechenbare Rechtsschein, unter der jeweiligen Anschrift eine Wohnung zu unterhalten, genügt für eine ordnungsgemäße Zustellung nicht. Insbesondere ermöglicht allein die Existenz eines Namensschilds bei Aufgabe der Wohnung keine wirksame Zustellung, weil ansonsten die Erkennbarkeit für den konkreten Zusteller maßgeblich wäre. Ein Irrtum des Zustellers über das Vorliegen eines Wohnraums kann dem Zustellungsempfänger nicht zugerechnet werden. Auch auf die Möglichkeit des Zustellungsempfängers, sich Kenntnis vom Inhalt von Sendungen zu verschaffen, die ohne das Vorliegen der Voraussetzungen einer Ersatzzustellung eingeworfen wurden, kommt es bei objektiv erkennbarer Wohnungsaufgabe nicht an (vgl. BayVGH, B.v. 13.12.2017 – 11 CS 17.2098 – juris Rn. 12 m.w.N.).
Zwar begründet die Zustellungsurkunde gemäß § 182 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 418 Abs. 1 ZPO den vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsachen, der nur durch den qualifizierten Gegenbeweis gemäß § 418 Abs. 2 ZPO widerlegt werden kann. Allerdings erstreckt sich die Beweiskraft der Zustellungsurkunde nicht darauf, dass der Zustellungsempfänger auch tatsächlich im Zeitpunkt der Zustellung unter der angegebenen Anschrift gewohnt hat. Eine dahingehende Prüfung ist nicht Aufgabe des Zustellers. Auch wenn die entsprechende Bestätigung des Zustellers als Beweisanzeichen für das Innehaben der Wohnung gewertet werden kann, beschränkt sich die Beweiskraft der Zustellungsurkunde auf den Einwurf in den Briefkasten. Der Zustellungsempfänger muss daher im Falle der Wohnungsaufgabe insoweit keinen qualifizierten Gegenbeweis gemäß § 418 Abs. 2 ZPO erbringen. Gleichwohl genügt jedoch seine schlichte Behauptung, die Wohnung aufgegeben zu haben, nicht. Vielmehr bedarf es insoweit einer schlüssigen und plausiblen Darlegung, aus der sich die Wohnungsaufgabe zum maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung ergibt (vgl. BayVGH, B.v. 13.12.2017 – 11 CS 17.2098 – juris Rn. 13 m.w.N.).
(1) Da die Postzustellungsurkunden einen Einwurf in den Briefkasten der ehemaligen (und jetzigen) Wohnung belegen und die Ermahnung und Verwarnung nicht als unzustellbar an das Landratsamt zurückgesendet wurden, ist davon auszugehen, dass der Name des Antragstellers, trotz vorgetragener Wohnungsaufgabe, weiterhin am Briefkasten und/oder dem Klingelschild der Wohnung in der … in P… angebracht war und kein Postnachsendeauftrag erteilt wurde. Sowohl die – beim angeblichen Auszug – nicht abgenommenen Namensschilder als auch der Umstand, dass der Antragsteller weiterhin im Melderegister unter der Adresse in P… angemeldet war und sich nie selbst abgemeldet hat, begründen den Rechtsschein des Innehabens einer Wohnung in der … … in P… in den Jahren 2016 und 2017. Die rückwirkende Abmeldung durch die Vermieterin berührt diesen Rechtschein nicht. Jedoch rechtfertigt die Setzung eines Rechtsscheins, wie aus den obigen Ausführungen ersichtlich wird, gerade nicht die Annahme, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der jeweiligen Zustellung der Bescheide seinen tatsächlichen Wohnsitz in P… hatte. Andernfalls würde es für das Vorliegen einer Wohnung auf die Erkennbarkeit für den konkreten Zusteller oder den Zustellenden ankommen. Auch durch die jeweiligen Postzustellungsurkunden kann nur der Nachweis erbracht werden, dass die Ermahnung und die Verwarnung jeweils in einen Briefkasten, der zur früheren Wohnung des Antragstellers gehörte, eingeworfen wurden. Dass der Antragsteller tatsächlich zum Zeitpunkt des Einwurfs in den Briefkasten in der … in P… gewohnt hat, wird durch die Postzustellungsurkunden gerade nicht belegt. Vielmehr trägt der Antragsteller vor, dass er seine Wohnung zum 1. November 2016 aufgegeben hat. Es habe zwar keine Kündigung oder einen Aufhebungsvertrag des Mietverhältnisses gegeben, jedoch sei er zum 1. November 2016 tatsächlich ausgezogen und habe auch keine Mietzahlungen mehr geleistet. Er sei dann zu seinen Eltern nach S… gezogen. Dieser Vortrag legt eine Wohnungsaufgabe zum 1. November 2016 hinreichend schlüssig dar und erweist sich nicht als bloße Behauptung. Dass der Vortrag des Antragstellers bezüglich seiner Wohnungsaufgabe schlüssig ist, wird durch die Tatsachen untermauert, dass er laut Information des Landratsamts weder die Gebühren, die für die Ermahnung und Verwarnung erhoben wurden, noch das Bußgeld, das die Stadt B… dem Antragsteller am 25. Juli 2017 auferlegt hat, aus eigenen Antrieb bezahlt hat. Die Gebühren wurden bis heute nicht entrichtet, das Bußgeld wurde von der Stadt B… – nach telefonischer Auskunft – im Februar 2019, also nachdem der Antragsteller wieder in die Wohnung in der …, P… eingezogen ist, per Kontopfändung vollstreckt. Eine Kontopfändung wird laut Angaben der Stadt B… nur durchgeführt, wenn der Betroffene eine Zahlung verweigert oder gar nicht auf Schreiben reagiert. Die vorgetragene Wohnungsaufgabe des Antragstellers steht nicht im Widerspruch zum Nichtreagieren auf die erhobenen Gebühren und das Bußgeld. Auch der Umstand, dass nach Ermittlungen des Landratsamts die Eltern des Antragstellers derzeit nicht in der „…“ in M…/S…, sondern allenfalls in der „…“ in M…/S… leben, macht den Vortrag des Antragstellers nicht unschlüssig. Der Bevollmächtigte des Antragstellers gab als derzeitige ladungsfähige Adresse der Mutter des Antragstellers die „…“ in M…/S… an. Da es eine … in M… nicht gibt, ist von einem Schreibfehler des Bevollmächtigten des Antragstellers in der Klageschrift auszugehen, da offensichtlich die „…“ gemeint war. Daher entspricht es dem tatsächlichen Vorbringen des Antragstellers, dass seine Eltern nun in einer anderen Straße leben und in der Vergangenheit (2016/2017) in der „…“ gelebt haben. Der Vortrag des Antragstellers ist demnach auch in diesem Punkt in sich schlüssig.
(2) Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Zustellung der Ermahnung (10. November 2016) genügt dieser Vortrag des Antragstellers jedoch nicht, um von einer tatsächlichen Wohnungsaufgabe auszugehen. Zwar ist sein Vorbringen über den Auszug und den Umzug zu seinen Eltern an sich schlüssig, jedoch war für einen mit den Verhältnissen vertrauten Beobachter weder der Aufgabewille noch der Aufgabeakt am 1. November 2016 objektiv erkennbar. Als eine solche mit den Verhältnissen vertraute Beobachterin ist die ehemalige Vermieterin Frau J. anzusehen. Diese gab gegenüber der Stadt P… am 2. November 2017, also ein Jahr nach dem vorgetragenen Auszug an, dass sie den Antragsteller bereits längere Zeit nicht mehr gesehen habe. Daraufhin erschien sie bei der Stadt P… und unterzeichnete die rückwirkende Abmeldung zum 1. November 2016. Die ehemalige Vermieterin des Antragstellers gab im Telefongespräch mit Mitarbeitern der Stadt P… gerade nicht an, dass sie den Antragsteller bereits seit einem Jahr nicht mehr gesehen hat. Sie gab auch kein konkretes Datum für den Auszug an. Der verwendete Begriff „seit längerer Zeit“ bedeutet im allgemeinen Sprachgebrauch meist eine Zeitspanne von höchstens ein paar Monaten und gerade nicht von einem ganzen Jahr. Aus welchem Grund das Datum 1. November 2016 als Tag des Auszuges gewählt wurde, ist den Akten nicht zu entnehmen. Für die Vermieterin war zwar ersichtlich, dass die Wohnung längere Zeit vor dem 2. November 2017 aufgegeben worden ist, andernfalls hätte sie keine Abmeldung unterschrieben. Ein konkretes Datum für den Auszug war ihr jedoch nicht bekannt. Aufgrund der dem Gericht zur Verfügung stehenden Informationen kann bei summarischer Prüfung daher nicht angenommen werden, dass für einen mit den Verhältnissen vertrauter Beobachter eine Wohnungsaufgabe in Form eines Aufgabewillens und eines Aufgabeaktes zum Datum 1. November 2016 bereits objektiv erkennbar war. Es ist daher von einer wirksamen Zustellung der Ermahnung am 10. November 2016 auszugehen.
(3) An einer ordnungsgemäßen Zustellung der Verwarnung am 17. Oktober 2017 bestehen nach summarischer Prüfung hingegen erhebliche Zweifel, sodass nicht von einer Zustellung ausgegangen werden kann. Für einen mit den Verhältnissen vertrauten Beobachter war der notwendige Aufgabewille und Aufgabeakt für eine Wohnungsaufgabe vor dem 17. Oktober 2017 nach außen objektiv erkennbar. Die ehemalige Vermieterin des Antragstellers gab bei der Stadt P… am 2. November 2017 an – also kurz nachdem die Verwarnung in den Briefkasten der Adresse … in P… eingeworfen wurde -, dass sie den Antragsteller bereits längere Zeit nicht mehr gesehen habe. Die Vermieterin war zudem mit einer Abmeldung des Antragstellers einverstanden und unterschrieb das entsprechende Formular. Für die Vermieterin als eine mit den Verhältnissen vertraute Person war daher längere Zeit vor dem 2. November 2017 bereits objektiv ersichtlich, dass der Antragsteller seine Wohnung in P… aufgegeben hat. Für sie wurde daher der Aufgabewille und Aufgabeakt hinreichend deutlich. Der Wortlaut „längere Zeit“ bezieht sich im allgemeinen Sprachgebrauch auf einen Zeitraum von ein paar Monaten, sodass davon auszugehen ist, dass für einen mit den Verhältnissen vertrauten Beobachter eine Aufgabeakt und Aufgabewille bereits vor dem 17. Oktober 2017 und damit vor der Zustellung der Verwarnung objektiv erkennbar war. Für einen mit den Verhältnissen vertrauten Beobachter, der auch von der Nichtbezahlung der Gebühren und des Bußgeldes Kenntnis hatte, war daher bereits seit Mitte 2017 ersichtlich, dass der Antragsteller nicht mehr in der ehemaligen Wohnung in P… seinen tatsächlichen Lebensmittelpunkt hatte und stattdessen bei seinen Eltern lebte. Es ist daher nach summarischer Prüfung davon auszugehen, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Zustellung der Verwarnung keine Wohnung mehr unter der angegebenen Adresse hatte, was auch durch einen Aufgabewillen und Aufgabenakt nach außen erkennbar geworden ist. Daher konnte eine Ersatzzustellung in den ehemaligen Briefkasten des Antragstellers keine wirksame Zustellung der Verwarnung begründen.
bb. Der Antragsteller muss diese unwirksame Zustellung auch nicht nach Treu und Glauben gegen sich gelten lassen.
Die Zustellung wäre dann wirksam, wenn der Antragsteller den Zustellbediensteten oder den Zustellenden zielgerichtet getäuscht hätte, um die Zustellung zu vereiteln und sich dadurch treuwidrig verhalten hätte. In diesem Falle könnte sich der Antragsteller nicht zu seinen Gunsten auf das eigene Fehlverhalten berufen, sondern wäre so zu behandeln, als hätte er am Zustellungsort eine Wohnung gehabt. Die Zustellvorschriften sind nämlich kein Selbstzweck. Sie sollen neben der Wahrung und Förderung des Interesses des Zustellenden an einer einfachen und effektiven Zustellmöglichkeit auch gewährleisten, dass die Zustellung in einer Art und Weise erfolgt, welche dem Zustellempfänger die Kenntnisnahme vom Inhalt des Schriftstücks und die Ausrichtung seiner Rechtsverteidigung darauf ermöglicht. Dieser Schutzzweck würde jedoch pervertiert und dem Missbrauch wäre Tür und Tor geöffnet, wenn durch arglistiges Vortäuschen einer falschen Anschrift wirksame Zustellungen verhindert werden könnten (vgl. BayVGH, B.v. 16.12.2011 – 22 ZB 11.2637 – juris Rn. 10; OLG Thüringen, B.v. 24.1.2006 – 1 Ss 277/05 – juris Rn. 16, 18).
Entgegen der Ansicht des Landratsamts kann von einem arglistigen Verhalten des Antragstellers bei summarischer Prüfung anhand der vorhandenen Aktenlage nicht ausgegangen werden. Anders als im oben (und vom Landratsamt) zitiertem Urteil des OLG Thüringen hat der Antragsteller nicht durch aktives Tun einen Irrtum bei den Behörden oder dem Zustellungsdienst hervorgerufen. Im Fall, den das OLG Thüringen zu entscheiden hatte, reagierte der Betroffene auf Schreiben der Behörden, verteidigte sich aktiv dagegen und trug erst später vor, dass eine der Entscheidungen ihm nicht zugestellt wurde, da er seinen Wohnsitz bereits früher verlegt hatte. Im Fall des Antragstellers liegt das tatsächliche Geschehen anders. Der Antragsteller hat nie durch aktives Verhalten dem Landratsamt vorgespielt, weiterhin in P… zu leben. Der Antragsteller hat weder auf die für die Bescheide erhobenen Gebühren reagiert, noch sein Bußgeld zeitnah bezahlt. Er hat lediglich den durch die nicht erfolgte Ummeldung und die Nichtabnahme seiner Briefkastenschilder entstandenen Irrtum aufrechterhalten. Zur Bejahung eines arglistigen Verhaltens ist hingegen eine zielgerichtete Täuschung notwendig, die gerade nicht vorliegt. Durch die fehlende Ummeldung seines Wohnsitzes und auch seines Gewerbesitzes hat der Antragsteller zwar gegen melderechtliche Vorschriften verstoßen, ein solcher Verstoß begründet jedoch noch kein treuwidriges Verhalten. Zwar mutet es tatsächlich seltsam an, dass sich die ehemalige Vermieterin, insbesondere nachdem Mietzahlungen sofort und ohne Rücksprache eingestellt wurden, nicht an ein konkretes Auszugsdatum erinnern konnte. Jedoch geht aus der kurzen Aktennotiz der Stadt P… nicht hervor, wie intensiv die Vermieterin zum tatsächlichen Zeitpunkt des Auszugs befragt wurde, geschweige denn, ob sie aufgefordert wurde, anhand ihrer Unterlagen das konkrete Datum zu ermitteln. Auf Basis des vorliegenden Akteninhalts kann zumindest nicht davon ausgegangen werden, dass die ehemalige Vermieterin eine Schutzbehauptung zugunsten des Antragstellers gegenüber der Stadt P… aufgestellt hat und mit diesem kollusiv zusammengewirkt hat, um einen tatsächlichen Wohnsitz in P… zu verschleiern. Auch allein der Umstand, dass der Antragsteller nun wieder in P… unter derselben Adresse (bei Frau …) eingezogen ist, vermag noch kein treuwidriges Vereiteln der Zustellung der Verwarnung zu begründen.
Das Gesamtbild aller Tatsachen lässt daher im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht den Schluss auf ein arglistiges und treuwidriges Verhalten zu, sodass sich der Antragsteller nicht die fehlenden/fehlerhafte Zustellung der Verwarnung zurechnen lassen muss.
cc. Da auch die tatsächliche Kenntnisnahme von der Verwarnung vor der Entziehung der Fahrerlaubnis nicht nachgewiesen werden konnte, ist eine Heilung nach Art. 9 VwZVG nicht möglich. Insbesondere hat der Antragsteller die Gebühren der Verwarnung nicht bezahlt, sodass von einer tatsächlichen Kenntnisnahme nicht ausgegangen werden kann.
dd. Die summarische Prüfung ergibt deshalb, dass von einer Zustellung der Verwarnung an den Antragsteller nicht ausgegangen werden kann. Die Voraussetzung des § 4 Abs. 6 Satz 1 StVG lag daher zum Zeitpunkt der Entziehung der Fahrerlaubnis des Antragstellers nicht vor. Die Entziehung war somit nach summarischer Prüfung rechtswidrig und verletzte den Antragsteller so in seinen Rechten. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Fahrerlaubnisentziehung ist anzuordnen.
b. Für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Zwangsgeldandrohung ist vorliegend kein Raum mehr. Denn durch die mittlerweile erfolgte Abgabe einer eidesstaatlichen Versicherung des Antragstellers mit dem Inhalt, dass er seinen Führerschein nicht abgeben könne, da er diesen verloren habe, geht die Zwangsgeldandrohung ins Leere. Da die Behörde auch nicht zu erkennen gegeben hat, dass sie beabsichtigt, das Zwangsgeld gleichwohl beizutreiben, besteht insoweit kein Rechtsschutzbedürfnis (vgl. st. Rspr. im vergleichbaren Fall der Führerscheinabgabe: BayVGH, B.v. 6.10.2017 – 11 CS 17.953 – juris Rn. 10; B.v. 26.4.2012 – 11 CS 12.650 – juris Rn. 13 m.w.N.).
In der Sache weist das Gericht darauf hin, dass im Zeitpunkt des Ablaufs der Erfüllungsfrist (fünf Tage nach Zustellung des streitgegenständlichen Bescheids) die allgemeine Vollstreckungsvoraussetzung des Art. 19 Abs. 1 VwZVG nicht vorgelegen hat, da die Verpflichtung zur Abgabe in Ziffer 1 Satz 2 des Bescheids weder sofort vollziehbar (vgl. obige Ausführungen) noch bestandskräftig war.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Es liegt lediglich ein Unterliegen des Antragstellers zu einem geringen Teil vor. Hauptverfügung des streitgegenständlichen Bescheides war die Fahrerlaubnisentziehung in Ziffer 1 Satz 1. Die Zwangsmittelandrohung stellt daher nur eine begleitende Verfügung dar, die der Durchsetzung der Abgabe des Führerscheins dienen soll.
Die Höhe des Streitwerts richtet sich nach § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i. V. m. Nrn. 1.5 und 46.3 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (s. NVwZ-Beilage 2013, 57).

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