Europarecht

Erfolglose Asylklage russischer Staatsangehöriger

Aktenzeichen  RO 9 K 17.32909

Datum:
9.8.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 4
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
GG GG Art. 103 Abs. 1
ZPO ZPO § 227

 

Leitsatz

Ob es in der Russischen Föderation zu einer Diskriminierung wegen der tschetschenischen Volkszugehörigkeit kommt, ist angesichts der Auskunftslage nicht weiter nachzugehen. Diese Frage ist zudem nicht entscheidungserheblich, wenn nach dem klägerischen Vorbringen die tschetschenische Volkszugehörigkeit offensichtlich keine Rolle gespielt hat (hier: Polizist in Tschetschenien mit russischem Innenministerium als Dienstherrn). (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Bundesamts vom 8. Mai 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Diese haben keinen Anspruch auf einen Schutzstatus im beantragten Umfang (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Das Gericht folgt den Feststellungen und Gründen des angefochtenen Bescheids und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Mit der Klagebegründung wurden keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen, die in Ergänzung des Vortrags der Kläger zu 1) und 2) im Rahmen der persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt und in Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Bescheids eine andere Bewertung des für asylrelevant angesehenen Geschehens nahelegt. Letztlich wurde im Ergebnis nur unterstrichen, dass der Vortrag glaubwürdig und detailliert gewesen sei. Ein substantiierter Vortrag mit gewichtigen Gründen, der eine andere Bewertung herbeiführen könnte, ist unterblieben. Insbesondere war der Frage der Diskriminierung in der Russischen Föderation anknüpfend an die tschetschenische Volkszugehörigkeit angesichts der Auskunftslage (Auswärtiges Amt, Lagebericht zur Russischen Föderation vom 24. Januar 2017) nicht weiter nachzugehen und im Kontext mit dem klägerischen Vorbringen, wonach der Kläger zu 1) als Polizist, dessen Dienstherr das Innenministerium der Russischen Föderation gewesen sein soll, keine Bedeutung erlangt, da dieser Gesichtspunkt der Volkszugehörigkeit offensichtlich bei der Einstellungsentscheidung des Klägers zu 1), die er trotz der bei der Anhörung geschilderten Vorgeschichte als völlig problemlos darstellte – unterstellt man das Vorbringen, dass er in Tschetschenien Polizist der Russischen Föderation gewesen ist, als wahr, obwohl der Kläger zu 1) dafür keinen überprüfbaren Nachweis erbrachte -, keine Rolle gespielt hat. Insgesamt ist das Vorbringen der Kläger zu 1) und 2) sehr vage geblieben. Das Gericht hat nicht die Überzeugung gewonnen, dass die Angaben der beiden Kläger wahrheitsgemäß einen Lebenssachverhalt wiedergeben, der sich in der geschilderten Art und Weise zugetragen hatte. Die Klägerin zu 2) konnte die Angaben des Klägers zu 1) nicht bestätigen. Letztlich wusste sie bei der persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt nur mitzuteilen, dass er – soweit sie wisse – ein Sicherheitsmitarbeiter bei der Polizei gewesen sei, dessen Probleme begonnen hätten, als er gehört habe, dass er nach Syrien und in den Donbas (Ukraine) gehen müsse. Nähere Angaben zu seiner beruflichen Tätigkeit konnte sie nicht machen. Der Kläger zu 1) hat in der mündlichen Verhandlung auf die Frage seiner anwaltlichen Vertreterin, ob die Familie Schwierigkeiten bekomme, wenn er nicht in die Ukraine gehe, lediglich erklärt, dass nicht direkt gedroht worden sei, sondern anderen seien Probleme gemacht worden, damit man sehe, was passieren könnte. Nach der angeblichen rückwirkenden Kündigung seines Dienstverhältnisses ab 2013 ist nicht nachvollziehbar, ob der Kläger aufgrund weiter bestehender Dienstpflichten gehalten gewesen wäre als „Freiwilliger“ in den Donbas oder – wie die Klägerin zu 2) weiter angab – nach Syrien zu gehen. Über angebliche vertragliche Verpflichtungen des Klägers zu 1) hat dieser keinen weiteren Aufschluss gegeben und ist die Angabe der näheren Umstände eines solchen Einsatzes für seine Person schuldig geblieben, so dass die Vermutung nicht fern liegt, dass der Kläger zu 1) von einer so gestalteten Vorgehensweise im Zuständigkeitsbereich des Verteidigungsministeriums der Russischen Föderation in irgendeiner Weise Kenntnis erhalten und auf seine berufliche Situation übertragen hat, um eine weitere Begründung für die Ausreise zu schaffen. Der Kläger zu 1) hat zu keinem Zeitpunkt im Asylverfahren erklärt, wie er ohne polizeiliche Ausbildung zu einer Anstellung als Polizist im Innenministerium der Russischen Föderation gekommen sein will. Bei der persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt hat er lediglich angegeben – anders als in der mündlichen Verhandlung -, dass er vorher ein Fachhochschulstudium für Business Management im Bereich Buchhaltung abgeschlossen habe, bevor er Polizist geworden sei. Er sei zuletzt für den Waffenraum zuständig gewesen, vorher habe er auch an Sicherheitseinsätzen teilgenommen. Abgesehen davon, dass sich diese sehr vage Aussage nur zum Teil mit den Angaben in der mündlichen Verhandlung zum Inhalt seiner beruflichen Tätigkeit zur Deckung gebracht werden könnte, nämlich soweit er an Sicherheitseinsätzen teilgenommen haben will, lässt seine letzte Zuständigkeit für den Waffenraum auch den Schluss zu, dass der Kläger zu 1) nur Verwaltungsaufgaben verrichtete und nicht im aktiven Polizeidienst tätig war, was seiner beruflichen Vorbildung auf dem Gebiet der Buchhaltung näher kommt.
Das Gericht sah sich in Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung weder veranlasst, das persönliche Erscheinen der Kläger zu 1) und 2) anzuordnen noch durch Parteieinvernahme derselben Beweis zu erheben. Die Kläger zu 1) und 2) hatten seit Beginn des Asylverfahrens und seit Klageerhebung durch eine russisch sprechende anwaltliche Vertreterin hinreichend Gelegenheit, ihre Asylgründe umfassend darzulegen und gegebenenfalls zu ergänzen. Die anwaltliche Vertreterin hat an der mündlichen Verhandlung teilgenommen und hätte in Anwesenheit des Klägers zu 1) die Möglichkeit gehabt, für den Kläger persönliche Erklärungen abzugeben. Insoweit ist dem Anspruch auf rechtliches Gehör im Sinne von Art. 103 Abs. 1 GG genügt. Die Anwältin hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, mit dem Kläger zu 1) zwei Tage vor der mündlichen Verhandlung noch ein Beratungsgespräch geführt zu haben. Das Gericht war deshalb von Rechts wegen nicht gehalten, nach der erstmaligen Kundgabe des Klägers zu 1) von Schwierigkeiten mit der russischen Sprache im Laufe der mündlichen Verhandlung auf Antrag der Klägervertreterin die Verhandlung zu vertagen, zumal das Gericht berechtigte Zweifel hatte, die im Verlauf der mündlichen Verhandlung erstmals artikulierten sprachliche Schwierigkeiten des Klägers zu 1) mit der russischen Sprache für glaubhaft zu erachten. Diese Zweifel ergeben sich zum einen aus dem Asylvorbringen des Klägers zu 1), wonach er seit 12 Jahren als Polizist im Dienste des Innenministeriums der Russischen Föderation gestanden haben will und entweder vor der Dienstaufnahme oder – nach den neuerlichen Angaben in der mündlichen Verhandlung – während des Dienstes zwischen 2008 und Ende 2014 erfolgreich ein Fernstudium absolviert haben will, zum anderen aus dem Ablauf und den Erklärungen des Klägers zu 1) im Asylverfahren vor dem Bundesamt. Bereits in der vom Kläger zu 1) unterschriebenen Niederschrift zum Asylantrag Teil 1 (Bl. 2 bis 4 d. Bundesamtsakte) wurde für ihn – anders als für die Klägerin zu 2) – als 1. Sprache Russisch und als 2. Sprache Tschetschenisch aufgenommen. Sämtliche nachfolgenden Mitteilungen und Belehrungen wurden ebenfalls gegen Unterschrift ohne Beanstandung durch den Kläger zu 1) auf Russisch ausgehändigt. Für den Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) wurde die Erst- und Zweitbefragung zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates am 24. November 2015 ebenfalls auf Russisch durchgeführt und es wurde durch Unterschriftsleistung bestätigt, dass keine Verständigungsschwierigkeiten aufgetreten sind. In der Niederschrift über die persönliche Anhörung des Klägers zu 1) ist festgehalten worden, dass er diese – anders als bei der Klägerin zu 2) – auf Russisch erfolgte. Einzig auf dem Kontrollbogen (Bl. 189 a.a.O.) Ist vermerkt, dass die Anhörung auf Tschetschenisch erfolgt sei, ohne Unterscheidung zwischen dem Kläger zu 1) und der Klägerin zu 2). Ob dies zutrifft oder versehentlich zwischen beiden Klägern keine Unterscheidung getroffen wurde und die Angabe in der Niederschrift über die persönliche Anhörung des Klägers zu 1) in Russisch (Bl. 163 a.a.O.) den Tatsachen entspricht, kann dahingestellt bleiben, da nach vorstehenden Ausführungen für den Kläger zu 1) hinreichend belegt ist, dass er die russische Sprache vollumfänglich beherrscht. Auch in der mündlichen Verhandlung waren die sprachlichen Fähigkeiten des Klägers zu 1) in der russischen Sprache – wie in der Niederschrift dokumentiert – so ausgeprägt, dass er die an ihn gerichteten Fragen beantworten konnte. Aus den in der Niederschrift wiedergegebenen Fragestellungen und Antworten ergibt sich nicht andeutungsweise, dass ein weiterer Aufklärungsbedarf, der über das klägerische Asylvorbringen vor dem Bundesamt und im Klageverfahren hinausgeht, aber auch kein zusätzlicher Redebedarf des Klägers zu 1), entstanden wäre.
Aus den im Klageverfahren zum Kläger zu 7) vorgelegten ärztlichen Unterlagen ergibt sich keine andere Beurteilung hinsichtlich der Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Auch insoweit ist deshalb auf den Ausgangsbescheid zu verweisen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Danach war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83 b AsylG).
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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