Aktenzeichen AN 18 S 19.50476
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1, § 34a, § 75
Dublin III-VO Art. 12 Abs. 2, Art. 21 Abs. 1
Leitsatz
Nach dem System der normativen Vergewisserung bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens gilt die Vermutung, dass die Behandlung von Asylbewerbern in jedem Mitgliedstaat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entspricht. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Mit seinem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wendet sich der Antragsteller gegen eine asylrechtliche Abschiebungsanordnung nach Polen im Rahmen des sog. Dublin-Verfahrens.
Der Antragsteller, ein weißrussischer Staatsangehöriger christlich-orthodoxen Glaubens, reiste am 17. November 2018 in die Bundesrepublik Deutschland ein und äußerte am 21. März 2019 ein Asylgesuch, von dem die Antragsgegnerin infolge schriftlicher behördlicher Mitteilung am selben Tag Kenntnis erlangte. Am 3. April 2019 stellte der Antragsteller einen förmlichen Asylantrag.
Eine von der Antragsgegnerin am 3. April 2019 eingeholte VIS-Auskunft ergab, dass dem Antragsteller am 12. Juli 2018 ein polnisches Kurzaufenthaltsvisum für den Schengen-Raum (Visum-Nr. …) mit einer Gültigkeitsdauer vom 15. Juli 2018 bis zum 14. Juli 2020 erteilt worden war.
Daraufhin richtete die Antragsgegnerin am 10. April 2019 ein auf die Vorschrift des Art. 12 Abs. 1 oder 3 Dublin III-VO gestütztes Aufnahmegesuch an die polnische Dublin-Einheit. Die polnischen Behörden nahmen dieses Gesuch mit Schreiben vom 19. April 2019 an und erklärten – unter Berufung auf Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO – ihre Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags des Antragstellers.
Die persönliche Anhörung des Antragstellers durch das Bundesamt erfolgte am 8. April 2019. Darin gab er an, in Deutschland über keine nahen Verwandten zu verfügen; es würden aber Freunde und Bekannte in Deutschland leben. Außerdem besitze sein Vater in der Stadt … eine …fabrik und der Antragsteller beabsichtige, langfristig in dieser Fabrik zu arbeiten. Er wolle daher in Deutschland bleiben. Auf Nachfrage zu seinem gesundheitlichen Zustand brachte er vor, an Hypertonie, Plattfüßen, Gastritis, Skoliose und Apnoe zu leiden. Gegen die Hypertonie nehme er Tabletten ein, deren Namen er jedoch vergessen habe. Ärztliche Atteste zu seinen Beschwerden könne er nicht vorlegen.
Mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 23. April 2019 – Geschäftszeichen: … -, welcher dem Antragsteller am 25. April 2019 zugestellt wurde, lehnte die Antragsgegnerin den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab (Ziffer 1), stellte das Nichtvorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG fest (Ziffer 2) und ordnete die Abschiebung nach Polen an (Ziffer 3). In Ziffer 4 des Bescheids wurde das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Zur Begründung wurde unter anderem auf eine Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG abgestellt, da Polen aufgrund des dem Antragsteller ausgestellten Visums gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei.
Mit Datum vom 29. April 2019 legte der Antragsteller dem Bundesamt zu den geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen verschiedene Berichte über ärztliche Untersuchungen, die allesamt während des Jahres 2018 in Weißrussland erfolgt waren, in deutscher Übersetzung vor.
Am 30. April 2019 ließ er gegen den Bundesamtsbescheid vom 23. April 2019 Klage vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach (AN 18 K 19.50477) erheben und das Gericht außerdem um die Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieses Rechtsbehelfs ersuchen. Eine Begründung ist bislang nicht erfolgt.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Anordnung der Abschiebung nach Polen anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf ihre Ausführungen in dem streitgegenständlichen Bescheid.
Mit Schriftsatz vom 2. April 2020 erklärte die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller – unter Vorbehalt des Widerrufs – die Aussetzung der Vollziehung der Abschiebungsanordnung gemäß § 80 Abs. 4 VwGO i.V.m. Art. 27 Abs. 4 Dublin III-VO. Mit Schriftsatz vom 30. Juli 2020 wurde die Aussetzung der Vollziehung der Abschiebungsanordnung widerrufen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Hauptsacheverfahren sowie auf die in elektronischer Form vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag mit dem Ziel der gerichtlichen Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage (AN 18 K 19.50477) gegen die in Ziffer 3 des Bundesamtsbescheids getroffene Abschiebungsanordnung, zu dessen Entscheidung nach § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG der Einzelrichter berufen ist, führt nicht zum Erfolg.
1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig.
Er ist insbesondere statthaft, weil der Anfechtungsklage gegen die Abschiebungsanordnung kraft bundesgesetzlicher Regelung keine aufschiebende Wirkung zukommt, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG. Er wurde zudem innerhalb der einwöchigen Antragsfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG gestellt.
Der Zulässigkeit des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO steht schließlich der Umstand, dass die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller vorübergehend die Aussetzung der Vollziehung der Abschiebungsanordnung gemäß § 80 Abs. 4 VwGO i.V.m. Art. 27 Abs. 4 Dublin III-VO erklärt hat, nicht entgegen. Zwar soll die von der Antragsgegnerin erklärte Aussetzung der Vollziehung nach einer in der Rechtsprechung vertretenen Ansicht die Unzulässigkeit eines zuvor gestellten Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO zur Folge haben, und zwar unabhängig davon, ob sich das diesbezügliche Vorgehen als rechtmäßig erweist (so etwa VG München, U.v. 7.7.2020 – M 2 K 19.51274 – juris Rn. 13). Darauf kommt es hier aber gar nicht an, weil die Aussetzung der Vollziehung der Abschiebungsanordnung inzwischen widerrufen wurde. Jedenfalls zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, der gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage allein maßgeblich ist, sieht sich der Antragsteller mithin (wieder) einer sofort vollziehbaren Abschiebungsanordnung nach Polen ausgesetzt, so dass sich der hiergegen erhobene Eilrechtsbehelf nach § 80 Abs. 5 VwGO insbesondere als statthaft erweist und der Antragsteller ferner über das notwendige Rechtsschutzbedürfnis verfügt.
2. In der Sache jedoch erweist sich der Antrag als unbegründet.
Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO hat das erkennende Gericht eine eigenständige und originäre Interessenabwägung zwischen dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin und dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers zu treffen. Bei dieser gerichtlichen Ermessensentscheidung kommt vor allem den – nach dem Wesen des Eilverfahrens nur summarisch zu prüfenden – Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs eine maßgebliche Bedeutung zu (vgl. BVerwG, B.v. 6.7.1994 – 1 VR 10.93 – juris Rn. 4).
Unter Heranziehung dieser Grundsätze fällt die vorliegend zu treffende Interessenabwägung zugunsten der Antragsgegnerin aus, weil die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird. Die in Ziffer 3 des Bescheids getroffene Abschiebungsanordnung erweist sich zu dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung als rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Abschiebungsanordnung hat ihre rechtliche Grundlage in § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann, also eine entsprechende Abschiebung nicht in rechtlicher Hinsicht unzulässig oder in tatsächlicher Hinsicht unmöglich ist. Nach § 34a Abs. 1 Satz 3 AsylG ist eine vorherige Androhung oder Fristsetzung entbehrlich. Die vorliegend mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 23. April 2019 ergangene Abschiebungsanordnung wird diesen Anforderungen gerecht.
a) Zu Recht geht die Antragsgegnerin von einer Zuständigkeit Polens für die Bearbeitung des Asylgesuchs des Antragstellers nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2, Art. 7-15 Dublin III-VO aus. Konkret ergibt sich diese hier – wie im Bescheid zutreffend dargestellt – aus Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO.
Gemäß Art. 12 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO ist für die Prüfung von Asylanträgen solcher Personen, die im Besitz eines gültigen Visums sind, grundsätzlich derjenige Mitgliedstaat zuständig, der dieses Visum erteilt hat. Hier ergab die seitens Antragsgegnerin eingeholte VIS-Auskunft, dass dem Antragsteller am 12. Juli 2018 ein polnisches Kurzaufenthaltsvisum für den Schengen-Raum mit einer Gültigkeitsdauer vom 15. Juli 2018 bis zum 14. Juli 2020 erteilt worden war. Zu dem nach Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO maßgeblichen Zeitpunkt der erstmaligen Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz im Sinne des Art. 20 Abs. 2 Dublin III-VO, wofür nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (U.v. 26.7.2017 – C-670/16 – juris Rn. 75 ff.) die – hier am 21. März 2019 erfolgte – erstmalige schriftliche Kenntniserlangung der Antragsgegnerin von dem Asylgesuch maßgeblich ist, befand sich der Antragsteller mithin im Besitz eines gültigen Visums für Polen.
Die Zuständigkeit Polens ist auch nicht infolge Zeitablaufs auf die Antragsgegnerin übergegangen. Insbesondere hat diese ihr Aufnahmegesuch vom 10. April 2019 innerhalb der dreimonatigen Frist des Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO nach der Antragstellung (Art. 20 Abs. 2 Dublin III-VO) an die polnischen Behörden unterbreitet. Ein Übergang der Zuständigkeit nach Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 3 Dublin III-VO ist damit nicht erfolgt. Die daraufhin am 19. April 2019 erfolgte Annahme des Aufnahmegesuchs durch Polen ist ebenfalls zu Recht erfolgt, weil eine entsprechende Zuständigkeit Polens aus Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO tatsächlich gegeben ist, s.o.
Die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags ist schließlich nicht gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO infolge eines Ablaufs der sechsmonatigen Überstellungsfrist auf die Antragsgegnerin übergegangen. Deren Lauf wurde hier durch den vor Fristablauf gestellten, zulässigen Eilantrag vom 30. April 2019 unterbrochen. Bis zur gerichtlichen Entscheidung über diesen Eilantrag ist nämlich eine Überstellung kraft gesetzlicher Anordnung gemäß § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG ausgeschlossen. Die Überstellungsfrist beginnt daher mit der Bekanntgabe des ablehnenden Eilbeschlusses erneut zu laufen (vgl. BVerwG, U.v. 26.5.2016 – 1 C 15.15 – juris Rn. 11; B.v. 27.4.2016 – 1 C 22.15 – juris Rn. 22; OVG NRW, U.v. 7.7.2016 – 13 A 2302/16.A – juris Rn. 22). Auf die weitergehende Frage, ob der Lauf der Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO darüber hinaus durch die seitens der Antragsgegnerin auf Grundlage von § 80 Abs. 4 VwGO i.V.m. Art. 27 Abs. 4 Dublin III-VO erklärte Aussetzung der Vollziehung der Abschiebungsanordnung unterbrochen werden konnte, kommt es damit nicht mehr an.
b) Es sind im Übrigen keinerlei Umstände vorgetragen oder ersichtlich, die ausnahmsweise eine Zuständigkeit der Antragsgegnerin nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 Dublin III-VO begründen oder diese zu einer Ausübung des in Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO normierten Selbsteintrittsrechts verpflichten würden.
(1) Eine ausnahmsweise Zuständigkeit der Antragsgegnerin nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 Dublin III-VO ist nicht gegeben. Das polnische Asylverfahren und die dortigen Aufnahmebedingungen weisen keine systemischen Schwachstellen auf, die für den Antragsteller mit der Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRC, Art. 3 EMRK einhergingen.
Nach dem System der normativen Vergewisserung (s. dazu BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93 – juris Rn. 181 ff.) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (s. dazu EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10, C-493/10 – juris Rn. 75 ff.; U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris Rn. 80 ff.) gilt die Vermutung, dass die Behandlung von Asylbewerbern in jedem Mitgliedstaat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entspricht. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine unwiderlegliche Vermutung; vielmehr obliegt es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass ein Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden (EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10, C-493/10 – juris Rn. 105 f.; U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris Rn. 84 f.). Allerdings fallen solche Schwachstellen nur dann unter Art. 4 GRC, Art. 3 EMRK, wenn sie eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen. Dies wird indessen erst dann anzunehmen sein, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hat, dass sich eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befindet, die es ihr nicht erlaubt, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigt oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzt, der mit der Menschenwürde unvereinbar ist (vgl. zum Ganzen: EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris Rn. 91 f.).
Ausgehend von den vorstehend dargestellten Grundsätzen sind für das Gericht unter Berücksichtigung der aktuellen Erkenntnislage keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dem Antragsteller bei einer Überstellung nach Polen wegen dort bestehender systemischer Schwachstellen im Asylverfahren oder in den Aufnahmebedingungen eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRC drohen würde. Es wird insoweit gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf die Gründe des Bescheids vom 23. April 2019 Bezug genommen, welche sich in vertiefter Weise mit dem Nichtvorliegen systemischer Mängel im polnischen Asylverfahren auseinandersetzen. Auch in der deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit wird diese Einschätzung überwiegend geteilt (aus neuerer Zeit etwa: VG Düsseldorf, U.v. 21.7.2020 – 22 K 8762/18.A – juris Rn. 149 ff.; U.v. 25.7.2019 – 12 K 8342/18.A – juris Rn. 19 ff.; VG Regensburg, B.v. 5.2.2020 – RO 12 S 20.50020 – juris Rn. 45 ff.; VG Würzburg, B.v. 3.1.2020 – W 8 S 19.50825 – juris Rn. 15 f.; VG Ansbach, B.v. 3.6.2019 – AN 18 S 18.50559 – juris Rn. 31 ff.; VG Augsburg, B.v. 21.5.2019 – Au 6 S 19.50444 – juris Rn. 30 ff.; VG Cottbus. B.v. 30.11.2018 – 5 L 601/18.A – juris Rn. 11 ff.; VG Aachen, B.v. 12.10.2018 – 6 L 1206/18.A – juris Rn. 16 ff.).
(2) Besondere, die persönliche Situation des Antragstellers betreffende humanitäre Gründe, welche die Antragsgegnerin ausnahmsweise zu einer Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO verpflichten könnten, sind ebenfalls nicht zu ersehen.
Der Antragsteller verfügt nach eigenen Angaben in Deutschland über keinerlei familiäre Beziehungen. Dass er hier über Freunde und Bekannte verfügen will, ist insoweit unerheblich. Ebenso wenig ergeben sich derartige humanitäre Gründe aus dem Wunsch des Antragstellers, langfristig in der …fabrik seines Vaters in der Stadt … zu arbeiten.
c) Schließlich stehen einer Abschiebung weder inlandsbezogene noch zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse im Sinne von § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG entgegen.
(1) Inlandsbezogene Abschiebungshindernisse sind nicht zu ersehen. Dass der Antragsteller im Hinblick auf die geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen als reiseunfähig einzustufen wäre, ist weder vorgetragen, noch anderweitig zu ersehen. Diesbezügliche Anhaltspunkte können insbesondere den in Übersetzung vorgelegten ärztlichen Berichten aus Weißrussland nicht entnommen werden.
(2) Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK kommt ebenfalls nicht in Betracht. Wie bereits dargelegt, besteht für den Antragsteller bei einer Rückkehr nach Polen insbesondere im Hinblick auf die dortigen Lebensumstände für Asylsuchende nicht die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung.
(3) Zuletzt muss auch ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausscheiden.
Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht, wobei vor allem existenzielle Gefahren durch Tötung, Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung sowie insbesondere Krankheit erfasst werden, die dem Ausländer aufgrund seiner persönlichen Situation drohen. Wie sich aus § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG ergibt, besteht eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlimmern würden. Erforderlich, aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist damit in Krankheitsfällen, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib und Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht (BVerwG, B.v. 17.8.2011 – 10 B 13.11 – juris Rn. 3).
Dass eine Abschiebung nach Polen für den Antragsteller mit einer derart erheblichen und existenzbedrohenden Verschlechterung seines Gesundheitszustands einherginge, vermag der erkennende Einzelrichter bei summarischer Prüfung nicht zu erkennen. An dieser Stelle kann insbesondere dahinstehen, inwiefern die vom Antragsteller in deutscher Übersetzung vorgelegten weißrussischen Arztberichte aus dem Jahr 2018 als geeigneter Nachweis für die geltend gemachten gesundheitlichen Leiden (Hypertonie, Plattfüße, Gastritis, Skoliose und Apnoe) angesehen werden können. Die deshalb ggf. erforderliche medikamentöse Behandlung, welche sich nach den Angaben des Antragstellers auf die Einnahme eines (ihm namentlich nicht bekannten) Medikaments gegen Hypertonie beschränkt, kann und wird er unter Berücksichtigung der aktuellen Auskunftslage nämlich – ebenso wie eine unter Umständen zusätzlich notwendige ärztliche Anbindung – gleichermaßen in Polen erhalten.
Für Ausländer, die im Wege des Dublin-Verfahrens nach Polen zurückkehren, stellt sich die medizinische Versorgungslage wie folgt dar: Im Anschluss an die Überstellung nach Polen wird der Gesundheitszustand eines Rückkehrers zunächst durch das medizinische Personal der Grenzwache beurteilt, wobei insbesondere die Möglichkeiten zur Anpassung der Aufenthaltsverhältnisse in Polen an die gesundheitliche Situation des Antragstellers sowie die eventuelle Notwendigkeit einer Unterbringung in einer (fachlichen) medizinischen Einrichtung abgesprochen werden. Sollte der Rückkehrer einer sofortigen Hospitalisierung bedürfen, wird außerdem der Transport in eine entsprechende medizinische Einrichtung sichergestellt. Während des Asylverfahrens ist die medizinische Versorgung im selben Umfang wie für versicherte polnische Staatsbürger garantiert; diese besteht auch dann fort, wenn die materielle Versorgung – gleich aus welchen Gründen – reduziert werden sollte. Die medizinische Versorgung von Asylbewerbern wird dabei im Auftrag der polnischen Asylbehörde von der Firma … erbracht und umfasst die medizinische Basisversorgung, Spezialbehandlungen, Zahnbehandlungen, die Versorgung mit Medikamenten sowie psychologische Betreuung (vgl. zum Ganzen: Republik Österreich – BFA, Länderinformationsblatt Polen, Gesamtaktualisierung 27.6.2019, S. 7 und 12 f.).
Unter Zugrundelegung dieser tatsächlichen Erkenntnisse ist die derzeitige medikamentöse Behandlung des Antragstellers auch in Polen gewährleistet. Dabei ist namentlich von einer Verfügbarkeit des gegenwärtig eingenommenen Medikaments auszugehen. Nichts anderes gilt, soweit der Antragsteller in Zukunft auf weitergehende (fach-)ärztliche Behandlungsmaßnahmen angewiesen sein sollte. So steht namentlich das medizinische Personal von MedCOI (Medical Country of Origin Information) auf dem Standpunkt, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der Europäischen Union generell in ausreichendem Maße verfügbar sind (vgl. Republik Österreich – BFA, Länderinformationsblatt Polen, Gesamtaktualisierung 27.6.2019, S. 12). Im Übrigen ist es nach § 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG nicht erforderlich, dass die in Polen zur Verfügung stehende medizinische Versorgung mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.