Europarecht

Erfolgloser Eilantrag gegen Stilllegung einer Anlage zur zeitweiligen Lagerung von Abfällen

Aktenzeichen  W 4 S 17.1067

Datum:
2.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 140178
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
BImSchG § 20 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

1. Von einer Betriebsstilllegung wegen formeller Illegalität kann nur dann abgesehen werden, wenn die Genehmigungsfähigkeit evident und ohne ansatzweise Zweifel vorliegt und feststeht, dass die Erteilung der Genehmigung deswegen nur noch eine reine Formalität ist und alsbald erfolgen wird. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Verfahren nach § 20 Abs. 2 S. 1 BImSchG besteht keine Verpflichtung der Behörde, umfangreiche Untersuchungen anzustellen oder gegebenenfalls sogar Gutachten in Auftrag zu geben bezüglich der Frage, ob es sich um gefährliche Abfälle handelt. Zweifel gehen grundsätzlich immer zu Lasten des Betreibers der Anlage. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird vor der Abtrennung auf 7.500,00 EUR und nach der Abtrennung auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit einer immissionsschutzrechtlichen Untersagungsverfügung.
Die Antragstellerin betreibt auf den Grundstücken mit den Fl.Nrn. …2, …9 (Tfl.) und …1 (Tfl.) der Gemarkung B … eine Anlage zur zeitweiligen Lagerung von Eisen- und Nichteisenschrotten sowie gefährlichen und nichtgefährlichen Abfällen. Ihr wurde zunächst mit Bescheid vom 27. März 2002 eine baurechtliche Genehmigung für die Nutzungsänderung der auf dem Grundstück befindlichen Büro- und Lagergebäude sowie des Betriebsgeländes erteilt. Die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheide des Landratsamts H. datieren vom 25. Januar 2005 (zeitweilige Lagerung von Eisen- und Nichteisenschrotten sowie besonders und nicht besonders überwachungsbedürftigen Abfällen) sowie vom 27. Juli 2006 (Änderungsgenehmigung nach § 16 Abs. 1 BImSchG für die Änderung und Erweiterung von Lagerflächen). Genehmigt ist nach alldem ein Anlagenbetrieb, auf den die folgenden Ziffern des Anhangs 1 zur 4. BImSchV zutreffen:
Ziffern Anhang 1 der 4. BImSchV
Anlagenbezeichnung
8.12.1.2
Anlagen zur zeitweiligen Lagerung von … gefährlichen Abfällen mit einer Gesamtlagerkapazität von weniger als 50 t
8.12.2
Anlagen zur zeitweiligen Lagerung von … nicht gefährlichen Abfällen mit einer Gesamtlagerkapazität von 100t oder mehr
8.12.3.2
Anlagen zur zeitweiligen Lagerung von … Eisen- oder Nichteisenschrotten, einschließlich Autowracks, mit einer Gesamtlagerfläche von 1.000 bis weniger als 15.000 m² oder einer Gesamtlagerkapazität von 100 bis weniger als 1.500 t
Anlässlich von Betriebskontrollen am 26. April 2017 und 3. Juli 2017 wurde durch das Landratsamt H. laut den in den Behördenakten befindlichen Aktenvermerken festgestellt, dass der vorgefundene Anlagenbetrieb von den erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen in verschiedenen Punkten abweicht. So werde durch die zeitweilige Lagerung von mehr als 50 t gefährlicher Abfälle eine Anlage nach Ziffer 8.12.1.1 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV betrieben, ohne dass hierfür eine konkrete Genehmigung vorliege. Des Weiteren würden auch Abfälle angenommen, die von den bestehenden Genehmigungen nicht umfasst seien. Die übrigen festgestellten genehmigungsabweichenden Zustände würden eine nicht genehmigungskonforme Flächennutzung, eine insgesamt ungeordnete Lagersituation mit dem Verstellen von Betriebswegen und zum Teil unzugänglichen Betriebsteilen sowie mangelhafte Dokumentationen der tatsächlich gelagerten Mengen der unterschiedlichen Abfallfraktionen betreffen. Im Einzelnen wird auf die hierzu erstellten Begehungsprotokolle hingewiesen.
Nach Anhörung der Antragstellerin mit Schreiben vom 11. Mai 2017 ordnete der Antragsgegner mit Bescheid vom 11. August 2017 u.a. an, dass die auf den Grundstücken Fl.Nrn. …2, …9 (Tfl.) und …1 (Tfl.) der Gemarkung B* … betriebene Anlage zur zeitweiligen Lagerung von Eisen- und Nichteisenschrotten sowie gefährlichen und nichtgefährlichen Abfällen mit sofortiger Wirkung stillzulegen sei. Dies bedeute, dass eine weitere Annahme von Abfällen ab Zugang des Bescheides nicht mehr erfolgen dürfe und ein Ausgang von Abfällen nur im Rahmen einer gesonderten Räumungsanordnung zulässig sei. Für den Fall der Nichterfüllung oder nicht vollständigen Erfüllung werde ein Zwangsgeld in Höhe von 50.000.- EUR zur Zahlung fällig.
Unter dem 15. September 2017 hat die Antragstellerin hiergegen Klage erhoben, die unter dem Az. W 4 K 17.1063 beim Verwaltungsgericht Würzburg anhängig ist und über die noch nicht entschieden ist.
Zudem hat sie im vorliegenden Verfahren beantragt,
im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 11. August 2017 wiederherzustellen bzw. hinsichtlich der angedrohten Zwangsgelder anzuordnen.
Zur Begründung wurde erklärt, die Betriebsstilllegung sei unrechtmäßig. Die Antragsgegnerin stütze sich nur auf vage Behauptungen. Die Bewertung der Antragsgegnerin bezüglich des vorgefundenen Bauschutthaufens als gefährlicher Abfall in seiner Gesamtheit werde bezweifelt. Die angeordnete Betriebsstilllegung hätte zur Folge, dass der gesamte Kreislauf zusammenbrechen würde und durch die ebenfalls angeordnete Nichtannahme neuer Schrottlieferungen der notwendige und für das betriebswirtschaftliche Überleben erforderliche Weiterverkauf nicht möglich wäre. Weiterhin sei die Antragstellerin an Lieferverträge gebunden. Es werde auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt, da auch an eine Teilstilllegung zu denken wäre.
Der Antragsgegner beantragte mit Schreiben vom 26. September 2017, den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage abzuweisen.
Aufgrund der offenkundig nicht erfolgten Trennung des Bauschutts in gefährliche und nichtgefährliche Bestandteile müsse das gesamte Haufwerk als gefährlicher Abfall betrachtet werden. Auch wenn man den Bauschutt als ungefährlichen Abfall betrachte, wäre die für die ungefährlichen Abfälle genehmigte Menge von max. 100 t noch überschritten, wobei die übrigen auf dem Gelände lagernden Abfälle noch gar nicht berücksichtigt seien. Bezüglich der vorgefundenen Elektroschrottabfälle sei von einem ungenehmigten Anlagenbetrieb auszugehen. Des Weiteren werde auf eine Stellungnahme des Kreisbrandrates hingewiesen, wonach nach erfolgter Ortseinsicht die Voraussetzungen für ein schnelles und effektives Eingreifen der Rettungskräfte nicht gegeben seien. Auch die von der Antragstellerin durchgeführte Abfallbehandlung sei von der bestehenden Genehmigung nicht mitumfasst. Darüber hinaus seien die geforderten betrieblichen Dokumentationspflichten nicht erfüllt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag ist zulässig.
Hinsichtlich der Stilllegungsanordnung sowie des Annahmeverbots von Abfällen entfällt die aufschiebende Wirkung der Klage vom 15. September 2017 (Az. W 4 K 17.1063), weil das Landratsamt H. insoweit unter Ziffer 3. des streitgegenständlichen Bescheids vom 11. August 2017 nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet hat. In diesem Fall kann das Gericht nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alternative 2 VwGO die aufschiebende Wirkung wiederherstellen.
2. Der Antrag ist nicht begründet.
Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO prüft das Gericht, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind. Im Übrigen trifft es eine eigene Ermessensentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der immissionsschutzrechtlichen Anordnung ist gegen das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage abzuwägen. Hierbei sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache von maßgeblicher Bedeutung (vgl. BayVGH, B.v. 17.9.1987 – 26 CS 87.01144 – BayVBl 1988, 369; Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 86). Die Anordnung ist dann aufzuheben, wenn sie rechtswidrig ist und die Antragstellerin dadurch in ihren Rechten verletzt wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Wenn die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen sind, ist das Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs abzuwägen.
2.1 Das Landratsamt H. hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung in ausreichender Weise gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet. Danach ist in den Fällen des Abs. 2 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes schriftlich zu begründen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung muss mit einer auf den konkreten Fall abgestellten und nicht lediglich formelhaften schriftlichen Begründung des besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts versehen werden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 80 Rn. 84). Aus der besonderen Begründung für den Sofortvollzug muss hinreichend deutlich hervorgehen, dass und warum die Behörde aus Gründen des zu entscheidenden Einzelfalls eine sofortige Vollziehung ausnahmsweise für geboten hält (vgl. BayVGH v. 15.12.2010 – 6 CS 10.2697 – juris). In diesem Sinn ist eine bloße Wiederholung des Gesetzeswortlauts nicht ausreichend. Allerdings dürfen andererseits nicht allzu hohe Anforderungen an die Begründung gestellt werden (Schmidt in Eyermann, VwGO, Rn. 43 zu § 80). Die Begründungspflicht soll u.a. der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollzugsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, mit besonderer Sorgfalt zu prüfen („Warnfunktion“), ob tatsächlich ein besonderes öffentliches Interesse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert (BayVGH v. 24.3.1999 – 10 CS 99.27 – BayVBl 1999, 465). Je nach Fallgestaltung können die Gründe für das Bedürfnis des sofortigen Vollzugs mit denen für den Erlass des Verwaltungsaktes weitgehend identisch sein (Kopp/Schenke, VwGO, § 80 Rn. 86 m.w.N.). Bei einer immissionsschutzrechtlichen Stilllegungsanordnung, mit der die Schaffung vollendeter Tatsachen verhindert werden soll, decken sich typischerweise die Gründe für den Erlass des Verwaltungsaktes mit den Gründen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung. In einem solchen Fall ist die Behörde nicht gezwungen, bei der Grundverfügung Gründe „zurückzuhalten“, um sie als besondere Erwägungen bei der Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung verwenden zu können.
Das Landratsamt H. hat unter Ziffer II. 4. der Gründe des streitgegenständlichen Bescheids vom 11. August 2017 die Anordnung des Sofortvollzugs damit begründet, dass gerade im Bereich des Umweltschutzes ein gesteigertes öffentliches Interesse daran bestehe, dass rechtmäßige Zustände baldmöglichst hergestellt würden. Dies umso mehr, wenn eine Gefährdung der Allgemeinheit bzw. der Nachbarschaft zu befürchten sei. Zudem stelle ein illegaler Anlagenbetrieb eine negative Vorbildwirkung dar und könne einen damit verbundenen Nachahmungseffekt haben. Die festgestellten Genehmigungsabweichungen bzw. ungenehmigten Tätigkeiten geböten auch ein zeitnahes Einschreiten der Behörde, um einen weiteren ungenehmigten und damit unter Umweltaspekten bedenklichen Betrieb zur Verhinderung weiterer Verstöße zu unterbinden.
Damit entspricht die im Bescheid vom 11. August 2017 gesondert hervorgehobene Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs den vorgenannten gesetzlichen Anforderungen. Sie zeigt, dass sich der Antragsgegner des Ausnahmecharakters der Vollzugsanordnung bewusst war und lässt zugleich die Erwägungen erkennen, die er für die Anordnung des Sofortvollzugs als maßgeblich erachtet hat. Von einer lediglich „formelhaften“ Begründung oder davon, dass die „Sofortvollzugsanordnung mit sich selbst begründet“ werde, kann daher keine Rede sein. Ob diese Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs in inhaltlicher Hinsicht zu überzeugen vermag, ist keine Frage der Begründungspflicht, sondern des Vollzugsinteresses.
2.2 Im vorliegenden Fall ist die Kammer aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Auffassung, dass die von der Klägerin erhobene Anfechtungsklage gegen die Anlagenstilllegung im Bescheid vom 11. August 2017 voraussichtlich keinen Erfolg hat, da sich die streitgegenständliche Anordnung des Landratsamts H. als rechtmäßig erweist und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Das Landratsamt H. hat die Stilllegungsanordnung der Anlage zur zeitweiligen Lagerung von Eisen- und Nichteisenschrotten sowie gefährlichen und nichtgefährlichen Abfällen auf die Rechtsgrundlage des § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG gestützt. Nach dieser Vorschrift soll die zuständige Behörde anordnen, dass eine Anlage, die ohne die erforderliche Genehmigung errichtet, betrieben oder wesentlich geändert wird, stillzulegen ist.
Tatbestandsvoraussetzung von § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG ist somit, dass eine Anlage ohne die erforderliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung errichtet, betrieben oder wesentlich geändert wird. Anknüpfungspunkt für die Anordnung der Stilllegung ist damit allein die formelle Illegalität. Es kommt daher nicht darauf an, ob von der ungenehmigten Anlage schädliche Umwelteinwirkungen ausgehen können, auf welchen Gründen die Nichteinholung der Genehmigung beruht, ob die zuständige Behörde den illegalen Betrieb länger geduldet hat oder ob der Anlagenbetreiber davon ausgehen konnte, dass die Genehmigung alsbald erteilt wird. Vielmehr ist allein entscheidend, dass die erforderliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung fehlt. Dies ist dann der Fall,
– wenn die Genehmigung noch nicht wirksam erteilt worden ist,
– wenn die Anlage nicht entsprechend der Genehmigung errichtet oder betrieben wird oder
– wenn die Genehmigung später wieder weggefallen ist.
Rechtsfolge ist gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG in diesem Fall, dass die zuständige Behörde die Anlage stilllegen soll. Das bedeutet, dass nur in atypischen Fällen von der Betriebsstilllegung abgesehen werden kann. Voraussetzung für einen solchen atypischen Fall ist nach der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BVerwG v. 15.12.1989 – 7 C 35/87 – juris, m.w.N.) die offensichtliche Genehmigungsfähigkeit, da Zweifel zu Lasten des Betreibers der ungenehmigten Anlage gehen. Die Behörde braucht daher nicht erst umfangreiche und zeitraubende Ermittlungen zur Genehmigungsfähigkeit anzustellen oder aber umfangreiche Untersuchungen durchzuführen und darf dies auch nicht bei Gefahren für Leben und Gesundheit von Menschen. Es ist auch nicht so, dass der Betreiber einer Anlage diese weiterbetreiben darf, bis die fehlende Genehmigungsfähigkeit abschließend geklärt ist. Vielmehr entspricht es der Gesetzeslage, die der Soll-Regelung des § 20 Abs. 2 BImSchG zugrunde liegt, dass eine Anlage nur und erst dann betrieben werden darf, wenn die Genehmigungsfähigkeit zuvor abschließend geprüft worden ist. Demzufolge kann von einer Betriebsstilllegung wegen formeller Illegalität nur dann abgesehen werden, wenn die Genehmigungsfähigkeit evident und ohne ansatzweise Zweifel vorliegt und feststeht, dass die Erteilung der Genehmigung deswegen nur noch eine reine Formalität ist und alsbald erfolgen wird. Alles andere würde im Übrigen auch zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung desjenigen führen, der vor Errichtung und Betrieb einer nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz genehmigungspflichtigen Anlage den Abschluss des Genehmigungsverfahrens abwartet.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe spricht in dem vorliegenden Fall, in dem das Gericht die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs nur summarisch zu überprüfen hat, sehr viel dafür, dass die vom Landratsamt H. angeordnete Betriebsstilllegung zu Recht erfolgte. Der Antragsgegner hat unter Bezugnahme auf die am 26. April 2017 und 3. Juli 2017 durchgeführten Augenscheine und den dabei gefertigten Bildern und Vermerken überzeugend dargelegt, dass die Antragstellerin ungenehmigt eine Anlage i.S.v. Ziffer 8.12.1.1 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV betreibt. Aufgrund dessen geht die Kammer davon aus, dass die Antragstellerin mehr als 50 t gefährliche Abfälle auf den Grundstücken Fl.Nrn. …2, …9 (Tfl.) und …1 (Tfl.) der Gemarkung B* … lagert.
Wenn der Antragstellervertreter demgegenüber vorträgt, der Antragsgegner habe auf dem Bauschutthaufen doch nur „einen Kaminabbruchstein und eine leere Ölflasche“ gefunden, vermag das angesichts der vorgelegten Bilder durch den Antragsgegner zweifellos nicht zu überzeugen bzw. zu einem anderen Ergebnis zu führen, zumal, wie oben dargelegt, das Landratsamt im Verfahren nach § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG gerade nicht die Verpflichtung hat, umfangreiche Untersuchungen anzustellen oder gegebenenfalls sogar Gutachten in Auftrag zu geben bezüglich der Frage, ob es sich nun um gefährliche Abfälle oder aber nicht gefährliche Abfälle handelt. Zweifel gehen grundsätzlich immer zu Lasten des Betreibers der Anlage. Und solche Zweifel sind, wie die vorgelegten Bilddokumentationen zeigen, durchaus berechtigt.
Zudem weist das Landratsamt H. in diesem Zusammenhang zu Recht und für die Kammer nachvollziehbar darauf hin, dass selbst für den Fall, dass man den Bauschutt als ungefährlichen Abfall betrachten würde, dennoch gefährliche Abfälle von mehr als 50 t auf den Grundstücken lagern würden, da in die Berechnung auch die Altfenster, Batterien, Mineralfaserabfälle, der Elektroschrott in Form von Elektrogeräten, Leiterplatten und PC´s mit entsprechenden Bauteilen sowie das mit Elektroschrottteilen durchsetzte Haufwerk mit einzubeziehen seien.
Nicht zu beanstanden ist auch die weitere Feststellung des Antragsgegners, dass für den Fall, dass man den Bauschutt als ungefährlichen Abfall betrachte, jedenfalls die für ungefährliche Abfälle genehmigte Menge von max. 100 t überschritten werde. Die vom Antragsgegner vorgelegten Bilder und Protokollnotizen offenbaren, dass sich auf den Grundstücken der Antragstellerin jedenfalls erhebliche Mengen von Althölzern, Straßenaufbruch, Siedlungsabfällen usw. befinden.
Schließlich ist auch bezüglich der vorgefundenen Elektroschrottabfälle in Form von Platinen und diversen Elektrogeräten von einem ungenehmigten Anlagebetrieb auszugehen, denn nach den Feststellungen des Landratsamtes H. befinden sich auf dem Grundstück, das zeigen auch die vorgelegten Bilder, Elektroschrott in Form von Platinen, Elektro-Altgeräten wie z.B. Videorekorder usw. Auch die auf einem Container vorgefundene Beschriftung „nur Elektroschrott“ spricht für eine Annahme derartiger Abfälle. Die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen umfassen allerdings nicht die hierfür einschlägigen AVV-Schlüsselnummern 1602 „Abfälle aus elektrischen und elektronischen Geräten“.
Es liegt nach alldem auf der Hand, dass vorliegend jedenfalls von einer evidenten Genehmigungsfähigkeit nicht einmal im Ansatz ausgegangen werden kann.
Die weiteren Einwendungen des Antragstellervertreters ändern hieran nichts, berücksichtigen sie doch nicht, dass der maßgebliche Zeitpunkt für die gerichtliche Beurteilung die letzte behördliche Entscheidung, d.h. der Bescheid vom 11. August 2017 ist. Schließlich ist entgegen der Auffassung des Antragstellervertreters auch nicht zu erkennen, dass die Stilllegung und das hiermit verbundene Annahmeverbot von Abfällen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit widerspricht, denn das Landratsamt hat die Stilllegung des Anlagenbetriebs als Verpflichtung zur Wiederherstellung des genehmigungskonformen Betriebs ausgestaltet. Es hat nämlich unter Ziffer 2. des streitgegenständlichen Bescheids vom 11. August 2017 eine Räumungsanordnung erlassen, mit der die Antragstellerin verpflichtet wurde, die Anlage von Abfällen auf das genehmigte Maß zu räumen. Damit ist der Antragstellerin die Möglichkeit eröffnet, bei Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände eine Aufhebung der Anlagenstilllegung zu erreichen.
3. Nach alldem spricht nach einer summarischen Prüfung anhand des derzeitigen Verfahrensstands viel mehr gegen als für einen Erfolg der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren. Selbst wenn aber offene Erfolgsaussichten unterstellt würden, was nach der Auffassung der Kammer allerdings nicht der Fall ist, würde im vorliegenden Fall das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Stilllegungsanordnung das Suspensivinteresse der Antragstellerin überwiegen. Zu Recht weist das Landratsamt in diesem Zusammenhang darauf hin, dass gerade im Bereich des Umweltschutzes ein gesteigertes öffentliches Interesse bestehen muss, dass alsbald rechtmäßige Zustände hergestellt werden.
4. Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung in Ziffer 4.1 des Bescheids vom 11. August 2017 wurden ebenfalls nicht glaubhaft gemacht. Unabhängig davon liegen solche auch nicht vor.
5. Der Antrag konnte deshalb keinen Erfolg haben und war mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 Satz 1 GKG i.V.m. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

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