Aktenzeichen 34 SchH 6/17
Leitsatz
Auch wenn das Gericht durch Beschluss entschieden hat, kann der Einwand, die Entscheidung sei (versehentlich) lückenhaft, weil über den prozessualen Antrag nur unvollständig entschieden worden sei, mit dem (fristgebundenen) Ergänzungsantrag, nicht jedoch mit der Anhörungsrüge geltend gemacht werden. (Rn. 13 und 14)
Tenor
I. Das Ablehnungsgesuch des Antragstellers vom 30. Januar 2018 gegen die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht S. K. sowie die Richterinnen am Oberlandesgericht P. und Dr. S. wird verworfen.
II. Die Gehörsrüge des Antragstellers vom 30. Januar 2018 wird verworfen, soweit sie sich gegen Ziffer I. des Beschlusstenors vom 15. Januar 2018 richtet, und zurückgewiesen, soweit sie sich gegen Ziffer II. des Beschlusstenors vom 15. Januar 2018 richtet.
III. Der Antragsteller hat die Kosten des Rügeverfahrens zu tragen.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich – unter Ablehnung der befassten Richter – mit der Anhörungsrüge gemäß § 321a ZPO gegen die Senatsentscheidung vom 15.1.2018.
In dem im Juni 2008 eingeleiteten Schiedsverfahren macht der Antragsteller als Schiedskläger gegen die Antragsgegner, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts und deren beide Gesellschafter, als Schiedsbeklagte Ansprüche im Zusammenhang mit der Beendigung seiner Gesellschafterstellung geltend.
Im Verlauf der gerichtlichen Verfahren wegen Ablehnung von Schiedsrichtern (Az. 34 SchH 8/12, 34 SchH 21/13, 34 SchH 14/15, 34 SchH 13/16 sowie 34 SchH 3/17) hat der Antragsteller jede richterliche Tätigkeit der Verfahrensleitung und -entscheidung zum Anlass genommen, die jeweils mit der Sache befassten Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen.
Im vorliegenden Verfahren wegen Bestellung eines Ersatzschiedsrichters für die Antragsgegner hat er auf die gerichtlichen Verfügungen vom 2.5.2017 und 28.9.2017 mit Ablehnungsgesuchen reagiert.
Am 15.1.2018 hat der Senat diese Ablehnungsgesuche unter Mitwirkung der abgelehnten Richterin verworfen (Ziffer I. des Tenors) und einen zweiten beisitzenden Ersatzschiedsrichter zur Durchführung des zwischen den Parteien anhängigen Schiedsverfahrens bestellt (Ziffer II. des Tenors).
Gegen diese dem Antragsteller über seine Prozessbevollmächtigten am 18.1.2018 zugegangene Entscheidung richtet sich der Antragsteller unter gleichzeitiger Ablehnung der befassten Richterinnen wegen Befangenheit mit der Anhörungsrüge vom 30.1.2018. Er meint, das Gericht habe die Grenzen der richterlichen Selbstverwerfungskompetenz verkannt und bei der Sachentscheidung die Dispositionsmaxime sowie die Bindung an die Parteianträge missachtet. Für sich genommen sei zwar nicht zu beanstanden, dass das Gericht „dem gegenständlichen Antrag des Schiedsklägers auf Bestellung eines (zweiten) beisitzenden Schiedsrichters stattgegeben hat“. Jedoch bleibe die Tenorierung in Ziffer II. des Beschlusses wegen „Nichtberücksichtigung der wesentlichsten Streitgegenstände“ hinter Umfang und Reichweite des Antragsbegehrens zurück, denn unerwähnt seien geblieben: Verzinsung der Abfindung, Befangenheit des „von den Schiedsbeklagten beauftragten parteilichen Beraters“, Unverwertbarkeit der von den Schiedsbeklagten eingebrachten Abfindungsbilanz, Verwertbarkeit des vom Schiedskläger vorgelegten Gutachtens. Auch in der Sachverhaltsdarstellung seien die Streitgegenstände des schiedsgerichtlichen Verfahrens unter Übergehen von Sinn und Reichweite der substantiiert vorgetragenen Antragsbegründung unzutreffend und unvollständig wiedergegeben worden. Deshalb könne beim bestellten Schiedsrichter und dem übrigen Schiedsrichterkollegium der Eindruck entstehen, dass nur über die im Tenor aufgeführten, nicht jedoch über alle geltend gemachten Streitgegenstände entschieden werden solle. Dadurch seien die Zuständigkeit des bestellten Schiedsrichters zumindest verunklart, wenn nicht sogar beschnitten und der Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt worden. Dies rechtfertige auch die Besorgnis der Befangenheit.
Die Antragsgegner haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten, hiervon jedoch keinen Gebrauch gemacht.
Ergänzend wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Das gegen die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht S. K. sowie die Richterinnen am Oberlandesgericht P. und Dr. S. angebrachte Ablehnungsgesuch des Antragstellers vom 30.1.2018 dient offensichtlich verfahrensfremden Zwecken. Es ist daher wegen Rechtsmissbrauchs als unzulässig – auch unter Mitwirkung der abgelehnten Richterinnen selbst (vgl. BVerfG vom 15.6.2015, 1 BvR 1288/14, juris Rn. 15 f. und 18; NJW 2005, 3410/3412; NJW 2007, 3771/3773) – zu verwerfen.
Der Antragsteller setzt mit diesem Gesuch sein bereits in den Verfahren 34 SchH 21/13, 34 SchH 14/15, 34 SchH 13/16 und 34 SchH 3/17 sowie im vorliegenden Verfahren zum Ausdruck gekommenes schematisiertes Vorgehen fort, indem er auf die richterliche Behandlung seiner Eingaben mit Ablehnungsgesuchen reagiert und dabei geltend macht, die Besorgnis der Befangenheit ergebe sich aus dem Inhalt der erlassenen Entscheidung. Aus diesem Vorgehen ist ersichtlich, dass der Antragsteller die Richterablehnung nicht ihrem Zweck entsprechend, sondern – systematisch – als Instrument zur Kontrolle richterlichen Verfahrens- und Entscheidungshandelns einsetzt, wenn es seinen Vorstellungen nicht entspricht. Dies stellt einen Missbrauch des Ablehnungsrechts dar.
III.
Die gegen den Beschluss vom 15.1.2018 eingelegte Gehörsrüge, § 321a ZPO, ist nicht in vollem Umfang zulässig erhoben.
1. Soweit sich die Anhörungsrüge gegen die Verwerfung von Ablehnungsgesuchen richtet (Ziff. I des Tenors), erweist sie sich zwar als statthaft, aber unzulässig, weil sie nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form begründet wurde. Indem der Antragsteller seine Rechtsansicht darlegt, nach der das Gericht die Grenzen der Selbstverwerfungskompetenz verkannt habe, stellt er seine Rechtsmeinung der für falsch erachteten Sicht des Gerichts gegenüber; ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör ist damit nicht dargelegt (BVerfGE 80, 269/286; BGH vom 21.2.2008, IX ZR 62/07, juris).
2. Die gegen die Bestellungsentscheidung (Ziff. II des Tenors) gerichtete Anhörungsrüge ist insoweit nicht der statthafte Rechtsbehelf, als mit ihr geltend gemacht wird, das Gericht sei hinter dem Begehren des Antragstellers zurückgeblieben, weil sich die Bestellung nicht ausdrücklich auch auf die als „Streitgegenstände“ bezeichneten und oben (Gliederungspunkt I.) zusammenfassend wiedergegebenen Gesichtspunkte erstrecke.
Dieser Einwand kann nicht mit der Anhörungsrüge nach § 321a ZPO, sondern nur mit dem (fristgebundenen) Ergänzungsantrag nach § 321 ZPO (analog) geltend gemacht werden. Der in § 321 ZPO unmittelbar nur für Urteile zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke, dass versehentliche Entscheidungslücken nachträglich auf Parteiantrag vom Gericht geschlossen werden können, ist auf gerichtliche Entscheidungen in der Form von Beschlüssen übertragbar. Dies rechtfertigt die analoge Anwendung der Norm (MüKo/Musielak ZPO 5. Aufl. § 329 Rn. 14 m.w.N.), wenn das Gericht im Beschluss über einen im Verfahren geltend gemachten prozessualen Anspruch oder Teile davon versehentlich nicht entschieden hat (vgl. MüKo/Musielak § 321 Rn. 4 bis 6).
Ist aber ein „anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung“ gegeben, so ist gemäß § 321a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO die Anhörungsrüge nicht statthaft. Soweit sich der Antragsteller auf den Standpunkt stellt, durch das Zurückbleiben der Entscheidung hinter dem Begehrten sei ihm unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO (analog) etwas anderes als beantragt (hierzu MüKo/Musielak § 308 Rn. 18 und 22) zugesprochen worden, weshalb die Gehörsrüge das statthafte Rechtsmittel sei, fehlt es an der gebotenen Differenzierung zwischen Unvollständigkeit der Streitentscheidung und Zusprechen eines Aliud.
3. Als statthaft und formgerecht begründet sowie fristgerecht eingelegt, mithin als zulässig, erweist sich die Anhörungsrüge gegen die Bestellungsentscheidung deshalb nur insoweit, als mit ihr geltend gemacht wird, der Senat habe im Tenor und in den Gründen der Entscheidung vom 15.1.2018 Ausführungen des Antragstellers in dessen Antragsbegründung weder wiedergegeben noch sonst zutreffend verarbeitet. Damit habe er erhebliches Vorbringen übergangen. Dies sei auch entscheidungserheblich, weil die Zuständigkeit des bestellten Schiedsrichters dadurch verunklart worden sei.
IV.
Die Anhörungsrüge erweist sich im Umfang ihrer Zulässigkeit als unbegründet. Die Entscheidung des Senats vom 15.1.2018 (Ziffer II. des Beschlusstenors) verletzt das Recht des Antragstellers auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht. Der Senat hat kein zu berücksichtigendes entscheidungserhebliches Vorbringen des Antragstellers übergangen und sein rechtliches Gehör auch nicht in sonstiger Weise verkürzt.
Zwar behauptet der Rügeführer, wesentliches Vorbringen sei bei der Bestellungsentscheidung außer Acht gelassen worden. Die in Ziffer II. des Beschlusstenors vorgenommene Bezeichnung des zwischen den Parteien anhängigen Schiedsverfahrens, zu dessen Durchführung der Ersatzschiedsrichter bestellt worden ist, sei unklar und könne als Kompetenzbeschneidung des bestellten Ersatzschiedsrichters verstanden werden, weil sie weder die im Bestellungsantrag vorgetragenen, als „Streitgegenstände“ bezeichneten Streitpunkte im Einzelnen auflistet noch etwaige künftige Erweiterungen des Schiedsverfahrens ausdrücklich anspricht.
Dies trifft jedoch nicht zu.
Es ist weder erforderlich noch sonst geboten, sämtliche Streitpunkte des Schiedsverfahrens im Tenor oder in den Gründen der Bestellungsentscheidung darzustellen und auf potentielle künftige Erweiterungen des Schiedsverfahrens einzugehen. Dass der Ersatzschiedsrichter – wie beantragt – für die Durchführung des zwischen den Parteien anhängigen Schiedsverfahrens bestellt worden ist, ergibt sich aus dem Tenor und den Gründen der Entscheidung; die behauptete Unklarheit folgt weder aus der schlagwortartigen Beschreibung des Verfahrensgegenstands im Beschlusstenor noch aus der Sachverhaltsdarstellung in den Gründen. Dass Vortrag des Antragstellers übergangen worden sei, lässt sich bei einem Abgleich zwischen Bestellungsentscheidung und prozessualem Vorbringen nicht feststellen.
V.
1. Der Ausspruch zur Kostentragung im Verfahren der Anhörungsrüge beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Im Übrigen bedarf es keiner Kostenentscheidung.
2. Ein Streitwert ist nicht festzusetzen, weil für das Verfahren der Anhörungsrüge eine Festgebühr (KV GKG Nr. 1700) anfällt.
3. Die Entscheidung über die Anhörungsrüge ist gemäß § 321a Abs. 4 Satz 4 ZPO nicht anfechtbar. Im Übrigen ist die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 574 Abs. 2 ZPO) nicht vorliegen.
4. Die Garantie einer gerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeit gegen behauptete Rechtsverletzungen eröffnet keinen unbegrenzten Rechtsweg (BVerfGE 107, 395/401, 411). Weitere Eingaben im vorliegenden Verfahren, mit denen wiederum in Auseinandersetzung mit diesem Beschluss Rechtsbehelfe gegen denselben – gegebenenfalls unter Anbringen von Ablehnungsgesuchen – ergriffen werden, werden daher vom Senat nicht mehr beschieden.