Europarecht

Erfolgreiche Schiedseinrede gegen Klage auf Übertragung einer Patentanmeldung

Aktenzeichen  21 O 8717/20

Datum:
5.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 38563
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 293, § 1023, § 1030 Abs. 1
UNÜ Art. V Abs. 1 lit. a, Abs. 2 lit. a

 

Leitsatz

1. Ist eine Schiedsvereinbarung als Prozessvertrag einzuordnen, ergibt sich das anwendbare Recht aus dem Schiedsvereinbarungsstatut. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Einholung eines Rechtsgutachtens zur Ermittlung des anwendbaren ausländischen Rechts ist nicht erforderlich, wenn und soweit das Gericht ohne weiteres selbst in der Lage ist, sich die maßgeblichen ausländischen Rechtsnormen und Rechtsgrundsätze ohne nennenswerte Sprachbarriere zu erschließen, wie dies für ein verwandtes Rechtssystem wie das schweizerische auch wegen der öffentlich verfügbaren Recherchemöglichkeiten anzunehmen sein kann. (Rn. 35 – 36) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das für das wirksame Zustandekommen einer Schiedsklausel (Formstatut) anwendbare Recht ist nach den Regeln des internationalen Privatrechts und nicht nach einer rein verfahrensrechtlichen lex fori-Anknüpfung zu beurteilen. (Rn. 61) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ansprüche auf Übertragung der Streitpatentanmeldung und Feststellung einer Schadensersatzpflicht wegen unberechtigter Patentanmeldung sind sowohl nach deutschem als auch nach schweizerischem Recht objektiv schiedsfähig. (Rn. 63  und 68 – 74) (redaktioneller Leitsatz)
5. Ein inländisches staatliches Gericht darf seine Zuständigkeit wegen eines zwischen den Parteien vereinbarten ausländischen Schiedsortes nur dann verneinen, wenn es sich bei den geltend gemachten Ansprüchen auch nach dem deutschen Recht um einen schiedsfähigen Streitgegenstand handelt. (Rn. 64 – 65) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Zahlung einer Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist gemäß § 1032 Abs. 1 ZPO unzulässig. Die Beklagte hält der vor dem Landgericht München I erhobenen Klage auf Übertragung der Patentanmeldung EP … und Feststellung einer Schadensersatzpflicht wegen unberechtigter Patentanmeldung zu Recht die in Ziffer 12 der Vertraulichkeitsvereinbarung vom 26.06.2013 vereinbarte Schiedsklausel entgegen. Die Klägerin kann die geltend gemachten Ansprüche – der zwischen den Parteien erfolgten Vereinbarung entsprechend – nur vor einem nach den Schiedsregeln der Internationalen Handelskammer zu konstituierenden Schiedsgericht geltend machen.
1. Die Voraussetzungen einer gemäß § 1032 Abs. 1 ZPO wirksam erhobenen Schiedseinrede liegen vor. Wird demzufolge vor einem Gericht Klage in einer Angelegenheit erhoben, die Gegenstand einer Schiedsvereinbarung ist, so hat das Gericht die Klage als unzulässig abzuweisen, sofern der Beklagte dies vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache rügt, es sei denn, das Gericht stellt fest, dass die Schiedsvereinbarung nichtig, unwirksam oder undurchführbar ist.
1. Die Vorschrift des § 1032 Abs. 1 ZPO ist ungeachtet des von den Parteien ge mäß Ziffer 12 der Vertraulichkeitsvereinbarung vom 26.06.2013 vereinbarten Schiedsortes Schweiz anwendbar. Gemäß § 1025 Abs. 2 ZPO ist § 1032 Abs. 1 ZPO entgegen der Klägerin auch dann anzuwenden, wenn der Ort des schiedsgerichtlichen Verfahrens im Ausland liegt.
2. Die Beklagte hat die Schiedseinrede vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache am 05.05.2021 erhoben. Bereits in ihrer Klageerwiderung vom 10.08.2020 rügte die Beklagte die Zuständigkeit des Landgerichts München I mit der Begründung, dass die geltend gemachten Ansprüche Gegenstand der gemäß Ziffer 12 der Vertraulichkeitsvereinbarung vom 26.06.2013 vereinbarten Schiedsklausel sind.
3. Der Streitgegenstand der vor dem Landgericht München I anhängig gemachten Klage fällt nach dem anzuwendenden schweizerischen Recht in den Anwendungsbereich der zwischen den Parteien getroffenen Schiedsabrede und ist somit schiedsgebunden (vgl. Wolf/Eslami in Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 40. Edition, Stand: 01.03.2021, § 1032 ZPO, Rn. 7; Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 41. Aufl. 2020, § 1032 ZPO, Rn. 4). Die vereinbarte Schiedsklausel gilt ihrem Wortlaut nach für alle aus und in Zusammenhang mit der Vertraulichkeitsvereinbarung vom 26.06.2013 entstehenden Streitigkeiten. Dazu zählen auch die geltend gemachten Ansprüche auf Übertragung der Streitpatentanmeldung und Feststellung einer Schadensersatzpflicht wegen unberechtigter Patentanmeldung, unabhängig davon, ob die maßgebliche gesetzliehe Grundlage – wie die Klägerin meint – Art. II § 5 Abs. 1 Satz 1 IntPatÜG i.V.m. Art. 61 Abs. 1 EPÜ, § 823 Abs. 1 BGB, oder Art. 3 Abs. 1, 29 Abs. 1 des schweizerischen Bundesgesetzes über Erfindungspatente vom 25.06.1954 i.V.m. Art. 61 Abs. 1 EPÜ, Art. 42 Abs. 1 OR, ist.
a. Für die zur Bestimmung ihrer Reichweite erforderliche Auslegung der Schieds klausel gilt schweizerisches materielles Recht.
aa. Bei einer Schiedsabrede handelt es sich um einen Prozessvertrag, durch den sich die Vertragsparteien verpflichten, die aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringenden Rechtsstreitigkeiten nicht dem ordentlichen Gericht, sondern dem vereinbarten Schiedsgericht zu unterbreiten (BGH, Urt. v. 03.12.1986, Az. IVb ZR 80/85 -, juris, Rn. 22). Ist die Schiedsvereinbarung aber als Prozessvertrag einzuordnen, ergibt sich das anwendbare Recht aus dem Schiedsvereinbarungsstatut (vgl. BGH, Beschluss vom 08.11.2018, Az. I ZB 24/18, juris, Rn. 10/11; OLG München, Beschluss vom 07.07.2014, Az. 34 SchH 18/13, juris, Rn. 37; Geimer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 1029 ZPO, Rn. 107 m.w.N.). Zwischen den Parteien vereinbarter Schiedsort ist die Schweiz.
bb. Nichts anderes gilt, wenn man die Schiedsvereinbarung gemäß Ziffer 12 der Vertraulichkeitsvereinbarung vom 26.06.2013 als materiell-rechtlichen Vertrag einordnet. Behandelt man die Schiedsvereinbarung als materiell-rechtlichen Vertrag, folgt die Anwendung schweizerischen Rechts aus der von den Parteien getroffenen Rechtswahl.
Internationalprivatrechtlicher Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des auf Schiedsabreden anwendbaren Rechts ist das UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.06.1958 (nachfolgend nur: UN-Übereinkommen). Gemäß dessen Art. V Abs. 1 lit. a) beurteilt sich das auf Schiedsabreden anzuwendende Recht primär nach einer möglichen ausdrücklichen oder zumindest konkludenten Rechtswahl der Parteien (Paulus in Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, BeckOGK, Rom I-VO Art. 1, Rn. 95). Im vorliegenden Fall haben die Parteien in Ziffer 12 Satz 3 der Vertraulichkeitsvereinbarung zudem ausdrücklich die Anwendung schweizerischen Rechts einschließlich schweizerischen internationalen Privatrechts vereinbart. Gemäß Art. 116 Abs. 1, 187 Abs. 1 des schweizerischen Bundesgesetzes über das internationale Privatrecht vom 18.12.1987 (IPRG) ist eine Rechtswahl zulässig und auch für ein von den Parteien vereinbartes Schiedsgericht verbindlich (Berger in Grolimund/Loacker/Schnyder, Internationales Privatrecht, 4. Aufl. 2020, Art. 187 IPRG, Rn. 16). Ihrer Formulierung nach bezieht sich die in Ziffer 12 Satz 3 der Vertraulichkeitsvereinbarung vom 26.06.2013 erfolgte Rechtswahl zwar auf die Vertraulichkeitsvereinbarung als Hauptvertrag. Angesichts der im unmittelbaren Zusammenhang mit der in Ziffer 12 Sätzen 1 und 2 der Vertraulichkeitsvereinbarung vereinbarten Schiedsabrede erfolgten Regelung ist indes davon auszugehen, dass sich die Rechtswahl auch auf die Schiedsvereinbarung als eigenständigen Prozess- oder materiell-rechtlichen Vertrag bezieht. Dafür spricht insbesondere, dass die Parteien ausdrücklich und ohne Einschränkung vereinbart haben, dass das Schiedsgericht schweizerisches Recht anwenden soll.
b. Das Gericht sieht sich vorliegend in der Lage, die nach schweizerischem Recht maßgeblichen Rechtsgrundlagen selbst zu ermitteln und zu beurteilen.
aa. Das maßgebliche ausländische Recht ist gemäß § 293 ZPO von Amts wegen zu ermitteln. In welcher Weise das Gericht sich die notwendigen Kenntnisse verschafft, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen (BGH, NJW 2014, 1244, 1245; Prütting in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 293 ZPO, Rn. 47). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass an die Ermittlungspflicht umso höhere Anforderungen zu stellen sind, je komplexer und je fremder im Vergleich zum deutschen das anzuwendende Recht ist (BGH, NJW-RR 2020, 802, 804 f.; BGH, EuZW 2018, 732, 733). Bei Anwendung einer dem deutschen Recht verwandten Rechtsordnung und klaren Rechtsnormen sind die Anforderungen hingegen geringer (BGH, NJW 2006, 762, 764). Im Einzelfall kann dabei die Erholung eines Rechtsgutachtens geboten sein. Dies ist jedoch insbesondere dann nicht zwingend geboten, wenn die maßgeblichen Rechtsnormen und Rechtsgrundsätze auf andere Weise wie etwa auf der Grundlage entsprechenden Parteivortrags ermittelt werden können (vgl. OLG Frankfurt, SchiedsVZ 2007, 217, 218).
Gleiches gilt nach Ansicht der Kammer, wenn und soweit das Gericht ohne weiteres selbst in der Lage ist, sich die maßgeblichen, ausländischen Rechtsnormen und Rechtsgrundsätze zu erschließen. Dies ist insbesondere dann möglich und geboten, wenn das anwendbare ausländische Recht ein verwandtes Rechtssystem betrifft und öffentlich verfügbare Recherchemöglichkeiten vorhanden sind, die dem Gericht ohne nennenswerte Sprachbarriere den Zugang zu den maßgeblichen Rechtsnormen und einschlägigen, insbesondere obergerichtlichen Entscheidungen eröffnen. Denn gerade in so gelagerten Fällen kann das Gericht das maßgebliche Recht als Ganzes eigenständig dahingehend erforschen, wie es in Rechtsprechung und Rechtslehre Ausdruck und in der Praxis Anwendung findet (vgl. Bacher in Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 40. Edition, Stand: 01.03.2021, § 293 ZPO, Rn. 18 m.w.N.).
bb. Diese Voraussetzungen sind mit Blick auf die hier relevanten Grundsätze der schweizerischen Rechtsordnung erfüllt. Die einschlägigen Rechtsnormen sind in der in deutscher Sprache gehaltenen Datenbank „Fedlex“ (www.fedlex.admin.ch) veröffentlicht. Rechtsprechung des schweizerischen Bundesgerichts kann über eine Volltextsuchfunktion auf der Webseite www.bger.ch recherchiert werden. Literatur zum schweizerischen Recht stand der Kammer über die Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Innovation und Wettbewerb in München zur Verfügung.
c. Nach dem maßgeblichen schweizerischen Recht unterfallen die von der Kläge rin geltend gemachten Vindikations- und Schadensersatzansprüche der in Ziffer 12 der Vertraulichkeitsvereinbarung vom 26.06.2013 enthaltenen Schiedsklausel.
aa. Die Reichweite nach schweizerischem Recht geschlossener vertraglicher Vereinbarungen ist durch Vertragsauslegung nach Maßgabe des durch das Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Fünfter Teil: Obligationenrecht, vom 30.03.1911 (nachfolgend: „OR“) geregelten, schweizerischen Vertragsrechts zu bestimmen (vgl. Gränicher in Grolimund/Loacker/Schnyder, Internationales Privatrecht, 4. Aufl. 2020, Art. 178 IPRG, Rn. 78). Gemäß Art. 19 Abs. 1 OR gilt dabei im Ausgangspunkt auch nach schweizerischem Recht der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Innerhalb der Schranken des Gesetzes können vertragliche Inhalte daher beliebig vereinbart werden (Meise/Huguenin in Widmer Lüchinger/Oser, Basler Kommentar, Obligationenrecht I, 7. Aufl. 2019, Art. 19/20 OR, Rn. 5). Dies gilt dem Grunde nach auch für Schiedsvereinbarungen, deren Anwendungsbereich dem auf eine besondere Liberalität gerichteten Willen des schweizerischen Gesetzgebers zufolge gemäß Art. 177 Abs. 1 IPRG lediglich dahingehend eingeschränkt wird, dass Gegenstand ausschließlich vermögensrechtliche Ansprüche sein können (vgl. Hochstrasser/Burlet in Grolimund/Loacker/Schnyder, Internationales Privatrecht, 4. Aufl. 2020, Einl. 12. Kap., Rn. 190 f.).
Die in streitigen Fällen zur Ermittlung der zwischen den Parteien umstrittenen Reichweite vertraglicher Pflichten gebotene Auslegung ist nach schweizerischem Recht gemäß Art. 18 OR vorzunehmen. Demzufolge ist bei der Beurteilung eines Vertrages sowohl nach Form als nach Inhalt der übereinstimmende wirkliche Wille und nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise zu beachten, die von den Parteien aus Irrtum oder in der Absicht gebraucht wird, die wahre Beschaffenheit des Vertrages zu verbergen. Kann ein übereinstimmender, wirklicher Parteiwille nicht ermittelt werden, ist der mutmaßliche Parteiwille durch Auslegung zu ermitteln. Dabei sind vertragliche Vereinbarungen nach ständiger Rechtsprechung des schweizerischen Bundesgerichts gemäß Art. 18 Abs. 1 OR aufgrund des Vertrauensprinzips so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen, die ihnen vorausgegangen und unter denen sie abgegeben worden sind, verstanden werden durften und mussten (schweizerischer Bundesgerichtsentscheid, nachfolgend nur: BGE, 130 III 417 E. 3.2 S. 424 f.; BGE 122 III 420 E. 3a S. 424, jeweils m.w.N.; Gränicher, a.a.O.; Wiegand in Widmer Lüchinger/Oser, Basler Kommentar, Obligationenrecht I, 7. Aufl. 2019, Art. 18 OR, Rn. 18 ff.). Zu berücksichtigen ist insbesondere der vom Erklärenden verfolgte Regelungszweck, wie ihn der Erklärungsempfänger „in guten Treuen verstehen durfte und musste“ (BGE 132 III 24 E. 4. S. 27 f. m.w.N.; Gränicher, a.a.O.; Wiegand, a.a.O., Art. 18 OR, Rn. 30 und 35).
bb. Diese Rechtsgrundsätze, die in der Sache der aus dem deutschen Recht geläufigen Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont gemäß §§ 133, 157 BGB ähneln (zur Ähnlichkeit ausdrücklich Wiegand, a.a.O., Art. 18 OR, Rn. 32 und 147), kann das Gericht ohne Erholung eines Rechtsgutachtens auf den vorliegenden Fall anwenden:
(1) Ein übereinstimmender Wille ist angesichts der von den Parteien vertretenen, divergierenden Auslegung der Reichweite der vereinbarten Schiedsklausel nicht festzustellen. Entscheidend ist folglich eine vom Wortlaut ausgehende Auslegung nach dem Vertrauensprinzip (vgl. speziell für Schiedsklauseln: schweizerisches Bundesgericht, nachfolgend nur: BGer, Urt. v. 30.06.2014, Az. 4A_562/2013, E. 3.1; zuvor bereits: BGer, Urt. v. 15.12.2003, Az. 4C.282/2003, E. 3.1 sowie BGE 116 Ia 56 E.3.b S. 58 f.; Gränicher, a.a.O.). Dem Wortlaut der in der Vertraulichkeitsvereinbarung vom 26.06.2013 vereinbarten Schiedsklausel nach wollten die Parteien „alle Streitigkeiten, die sich aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag und etwaigen Änderungsverträgen und Folgeverträgen ergeben“ der Entscheidung durch ein Schiedsgericht unterstellen. Bereits daraus ergibt sich, dass die von den Parteien vereinbarte Schiedsklausel denkbar weit angelegt war. Die bewusst weit gefasste schiedsgerichtliche Zuständigkeit bringen die Parteien dabei nicht nur dadurch zum Ausdruck, dass für die Zuständigkeit des Schiedsgerichts bereits der bloße Zusammenhang einer Streitigkeit mit der zum 26.06.2013 vereinbarten Vertraulichkeitsvereinbarung genügen soll, sondern darüber hinaus auch Streitigkeiten betreffend Änderungs- und Folgeverträge mit erfasst sein sollen. Dem kann bei objektiver Betrachtung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben nur der im Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgebliche Wille der Vertragsparteien entnommen werden, eine möglichst umfassende Zuständigkeit des fraglichen Schiedsgerichts zu vereinbaren.
Dementsprechend hat auch das schweizerische Bundesgericht bereits ausdrücklich entschieden, dass eine Schiedsvereinbarung, welche auch die sich „im Zusammenhang mit dem“ Vertrag ergebenden Streitigkeiten erfassen soll, nach Treu und Glauben im Sinne des mutmaßlichen, auf eine weit gefasste Zuständigkeit des Schiedsgerichts gerichteten Parteiwillens dahingehend verstanden werden muss, dass die Parteien alle Ansprüche, die sich aus dem von dem fraglichen Vertrag geregelten Sachverhalt ergeben oder diesen unmittelbar berühren, der ausschließlichen Zuständigkeit des Schiedsgerichts zuweisen wollten (BGE 138 III 681 E. 4.4 S. 687 m.w.N.).
(2) Die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche betreffen unmittelbar den der Vertraulichkeitsvereinbarung vom 26.06.2013 zu Grunde liegenden Sachverhalt. Mit ihrer Klage beantragt die Klägerin die Übertragung der Patentanmeldung EP 14 183 704.7 (EP 2 845 716 A1) sowie die Feststellung einer Schadensersatzpflicht wegen unberechtigter Einreichung dieser Patentanmeldung. Die Streitpatentanmeldung betrifft eine Blasform zum Herstellen von Kunststoffbehältnissen, von deren technischen Merkmalen die Beklagte nach dem Vortrag der Klägerin anlässlich der am 03.07.2013 und 04.07.2013 auf der Anlage der Beklagten durchgeführten Vergleichstests Kenntnis erlangt. Gemäß Seiten 10 ff. der Klageschrift vom 10.07.2020 stützt die Klägerin ihre Ansprüche ausdrücklich auf den Vorwurf, dass die Beklagte die für die Streitpatentanmeldung notwendigen, technischen Erkenntnisse durch widerrechtliche Entnahme im Rahmen dieser gemeinsam durchgeführten Vergleichstests gewonnen habe. Die Durchführung dieser Vergleichstests war aber gerade Anlass und Gegenstand der Vertraulichkeitsvereinbarung vom 26.06.2013. Deren Präambel zu Folge wurde die Vereinbarung geschlossen, weil die Parteien vertrauliche Informationen mit Blick auf einen Test zum Vergleich von Bodenformen für Plastikflaschen austauschen wollten.
Auch das schweizerische Bundesgericht hat mit Urteil vom 19.05.2003, Az. 4C.40/2003, betreffend eine Vertraulichkeitsvereinbarung in Gestalt eines sogenannten „Secrecy Agreements“ ausdrücklich entschieden, dass die Parteien mit der Formulierung „any difference or dispute resulting from or with regard to this agreement“ (zu Deutsch: „alle Unstimmigkeiten oder Streitigkeiten aus oder mit Bezug zu diesem Vertrag“) eine umfassende Zuständigkeit des dort vereinbarten Schiedsgerichts vorsehen wollten, der gerade auch die auf patentgesetzlicher Grundlage geltend gemachte Abtretung einer Patentanmeldung unterfallen sollte. Obgleich die dortige Klägerin – ebenso wie in der hiesigen Streitkonstellation – keine Ansprüche aus der Vertraulichkeitsvereinbarung, sondern nur den patentrechtlichen Vindikationsanspruch gerichtlich geltend gemacht hatte, versagte das schweizerische Bundesgericht im Ergebnis dem von der dortigen Klägerin angerufenen staatlichen Gericht die Zuständigkeit und hielt stattdessen dem mutmaßlichen Parteiwillen entsprechend die Zuständigkeit des vereinbarten Schiedsgerichts für gegeben.
Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg den in der mündlichen Verhandlung vom 05.05.2021 geäußerten Einwand entgegenhalten, wonach das vorgenannte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts vom 19.05.2003 auf den vorliegenden Fall keine Anwendung fände, da diesem eine im Vergleich zu einer bloßen Vertraulichkeitsvereinbarung komplexere Forschungs- und Entwicklungskooperation zu Grunde gelegen habe. Die Klägerin verkennt zum einen, dass der streitgegenständlichen Vertraulichkeitsvereinbarung eine Kooperation der Parteien mit Blick auf den möglichen Auftrag des Getränkeherstellers A… zu Grunde lag. Gemäß Ziffer 1 der Vertraulichkeitsvereinbarung sollte der avisierte Test mit Blick auf einen Auftrag des Kunden A… durchgeführt werden, um die mögliche Reduktion des Blasdrucks beim Herstellen von Plastikflaschen zu überprüfen. Gemäß Ziffer 8 der Vertraulichkeitsvereinbarung haben die Parteien zudem ausdrücklich spezifische Pflichten für die Zurverfügungstellung von Produktmustern getroffen. Diese von den Parteien weitergehend vereinbarten Pflichten bestätigen aber nicht nur den engen Zusammenhang der geltend gemachten Ansprüche mit dem von der Vertraulichkeitsvereinbarung geregelten Sachverhalt, sondern auch, dass der Vertragsgegenstand insoweit über einen reinen Vertraulichkeitsschutz hinausgeht, als Ziffer 8 (iv) der Vertraulichkeitsvereinbarung die empfangende Partei dazu verpflichtet, Testergebnisse unverzüglich der offenlegenden Partei zukommen zu lassen. Zum anderen vermag die Argumentation der Klägerin mit Blick auf den Wortlaut der streitgegenständlichen Schiedsklausel nicht zu überzeugen. Demzufolge wurde die Schiedsabrede ausdrücklich auch für alle Änderungs- und Folgeverträge getroffen. Die von der Klägerin behauptete enge Beschränkung des Anwendungsbereichs der Schiedsklausel war daher dem Parteiwillen nach gerade nicht intendiert. Vielmehr lässt der Wortlaut der Schiedsabrede unter Berücksichtigung von Treu und Glauben allein den Schluss zu, dass die Parteien die Schiedsabrede umfassend auf ihre, möglicherweise auch weitergehende, vertragliche Zusammenarbeit erstrecken wollten.
Entscheidend ist nach Ansicht der Kammer überdies, dass auch in dem von dem schweizerischen Bundesgericht entschiedenen Fall die dortige Klägerin vertragliche Ansprüche ausdrücklich nicht geltend gemacht, sondern eine Patentübertragung ausschließlich auf gesetzlicher Grundlage verlangt hatte. Dennoch stellte das schweizerische Bundesgericht im Ergebnis allein darauf ab, dass die geltend gemachen Ansprüche mit einem Vorgang begründet wurden, der sich im Rahmen der vertraglichen Zusammenarbeit ereignet hatte (BGer, Urt. v. 19.05.2003, Az. 4C.40/2003, E. 5.4). Vor diesem Hintergrund entschied das schweizerische Bundesgericht wie folgt:
„Nach den von der Vorinstanz zitierten Stellen der Klageschrift wurde die von der Beklagten zum Patenteintrag angemeldete Erfindung aufgrund einer Idee bzw. von Informationen gemacht, zu denen die Beklagte im Rahmen der vertraglichen Zusammenarbeit zwischen der Klägerin 1 und der Beklagten Zugang erhielt. Der Streit darüber, ob die Kläger aufgrund dieses behaupteten Umstandes gegenüber der Beklagten ein besseres Recht auf die Erfindung haben, steht somit klarerweise mit dem Secrecy Agreement im Zusammenhang und fällt daher in den Anwendungsbereich der darin enthaltenen Schiedsklausel.“
Im vorliegenden Fall, bei dem die Beklagte die Streitpatentanmeldung dem Vortrag der Klägerin zufolge auf der Grundlage von Informationen eingereicht hat, zu denen sie im Rahmen der vertragsgegenständlichen Tests von Bodenformen vom für Plastikflaschen am 03./04.07.2013 Zugang erhalten hatte, kann nach dem Dafürhalten der Kammer nichts anderes gelten.
(3) Entgegen der Klägerin kommt es weiter nicht darauf an, ob es sich bei den der Beklagten im Rahmen der Vergleichstests zur Verfügung gestellten Blasformen um als solche gekennzeichnete, vertrauliche Informationen handelte.
Die Argumentation der Klägerin erscheint insoweit bereits widersprüchlich, als sie einerseits mit Blick auf den Anwendungsbereich der Schiedsklausel argumentiert, dass keine vertraulichen Informationen im Sinne der Vertraulichkeitsvereinbarung vorliegen, andererseits aber auf Seite 9 ihres Schriftsatzes vom 09.03.2021 (Bl. 113 d. Akte) selbst ausführt, dass die der Beklagten vor Testdurchführung zugesendeten Blasformbodenteile „selbstverständlich unter das NDA fielen, ohne dass es einer besonderen Kennzeichnung als vertraulich bedurfte“.
Ungeachtet dessen stellt sich die Frage, ob eine Verletzung der Vertraulichkeitspflichten erfolgt ist, erst bei der Prüfung, ob in materieller Hinsicht gegebenenfalls auch Ansprüche wegen Verletzung vertraglicher Pflichten aus der Vertraulichkeitsvereinbarung bestehen können. Bei der an dieser Stelle allein relevanten Prüfung des Anwendungsbereichs der vereinbarten Schiedsklausel sind die materiellen Anspruchsvoraussetzungen eines möglichen Verstoßes gegen die Pflichten aus der Vertraulichkeitsvereinbarung dagegen ohne Belang. Es genügt insoweit, dass – wie ausgeführt – ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem von der Vertraulichkeitsvereinbarung geregelten Sachverhalt besteht (vgl. BGE 140 III 134 E. 3.3.2 S. 140). In einem solchen Fall ist vielmehr im Sinne des mutmaßlichen Parteiwillens davon auszugehen, dass die Parteien alle Ansprüche, die sich aus dem vom Vertrag geregelten Sachverhalt ergeben oder diesen unmittelbar berühren, der ausschließlichen Zuständigkeit des Schiedsgerichts zuweisen wollten (BGE 138 III 681 E. 4.4 S. 687).
Aus diesem Grund steht es der Zuständigkeit des vertraglich vereinbarten Schiedsgerichts auch nicht entgegen, dass die Klägerin ihre Klage auf gesetzliche Ansprüche stützt. Die streitgegenständliche Schiedsklausel ist bewusst weit gefasst. Dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht es daher allein, auch die sich aus dem streitigen Sachverhalt möglicherweise ergebenden, gesetzlichen Ansprüche der Zuständigkeit des von den Parteien vereinbarten Schiedsgerichts zu unterwerfen (vgl. auch BGE 138 III 681 E. 4.4 S. 687 f.; BGer, 19.05.2003, Az. 4C.40/2003, E. 5.4; Mondini/Meier, sic! 2015, 289, 291; Gränicher, a.a.O., Art. 178 IPRG, Rn. 59).
Dass eine gemeinsame Behandlung sämtlicher den streitgegenständlichen Sachverhalt betreffender rechtlicher Anspruchsgrundlagen in einem einheitlichen Verfahren auch in praktischer Hinsicht allein sinnvoll ist, zeigt nicht zuletzt die – wie ausgeführt – in Teilen widersprüchlich anmutende Argumentation der Klägerin. Dies illustriert aus Sicht der Kammer anschaulich, dass sich letztlich die Frage der Reichweite der Vertraulichkeitsvereinbarung und die Frage nach der unberechtigten Nutzung proprietärer Informationen der Klägerin kaum trennscharf abgrenzen lassen wird. Schlussendlich geht es der Klägerin gerade darum, dass die Beklagte anlässlich des durch die Vertraulichkeitsvereinbarung vom 26.06.2013 abgesicherten Tests vom 03./04.07.2013 Informationen erlangt hat, welche die Klägerin als proprietär betrachtet und daher nach ihrem Dafürhalten von der Beklagten nicht als Grundlage der Streitpatentanmeldung hätten verwendet werden dürfen. Hierbei handelt es sich um einen einheitlichen Lebenssachverhalt, für den die Parteien eine einheitliche Streitlösung in Form des vereinbarten ICC-Schiedsverfahrens vorgesehen haben. Diesen Akt prozessualer Privatautonomie gilt es zu berücksichtigen.
(4) In diesem Zusammenhang geht auch der Einwand der Klägerin fehl, wonach die Vertraulichkeitsvereinbarung nicht die Frage der Inhaberschaft an einer potentiellen Erfindung oder eines Rechts, ein Patent anzumelden, regele und daher in Ziffer 9 der Vereinbarung bewusst offen gelassen worden sei. Insbesondere kann die Klägerin hieraus nicht ableiten, dass die Frage der Rechteinhaberschaft in der Vertraulichkeitsvereinbarung als gesonderter, dieser nicht unterfallender Regelungsgegenstand gezielt nicht aufgenommen wurde. Ziffer 9 der Vertraulichkeitsvereinbarung verdeutlicht im Gegenteil, dass die Parteien den Status quo der Rechtezuordnung aufrechterhalten wollten, indem ausdrücklich klargestellt wurde, dass selbst mit der möglichen Offenlegung vertraulicher Informationen keinerlei Rechte übertragen oder Lizenzen eingeräumt werden sollten. Damit spricht aber letztlich auch die Regelung in Ziffer 9 der Vertraulichkeitsvereinbarung für einen gerade bestehenden, unmittelbaren Zusammenhang zwischen den geltend gemachten gesetzlichen Vindikations- und Schadensersatzansprüchen einerseits und der die Schiedsabrede enthaltenden Vertraulichkeitsvereinbarung andererseits.
cc. Schließlich kann die Klägerin auch nicht mit dem Argument durchdringen, dass die Zuständigkeit des Landgerichts München I zumindest aus Ziffer 15 der Vertraulichkeitsvereinbarung folge, weil es in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich gewesen wäre, ein ICC-Schiedsgericht zu konstituieren.
Die Einlassung der Klägerin überzeugt bereits deswegen nicht, weil die vereinbarte Schiedsklausel gemäß Ziffer 15 der Vertraulichkeitsvereinbarung vom 26.06.2013 lediglich gerichtliche Anordnungen auf vorläufige (erhaltende oder präventive) Maßnahmen wie z.B. vorläufige Pfändungen und/oder einstweilige Anordnungen und/oder Verfügungen ermöglicht. Damit greift Ziffer 15 der Vertraulichkeitsvereinbarung aber lediglich den allgemeinen schiedsrechtlichen Grundsatz auf, wonach Schiedsabreden es nicht ausschließen, dass ein staatliches Gericht vor oder nach Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens auf Antrag einer Partei eine vorläufige oder sichernde Maßnahme in Bezug auf den Streitgegenstand des schiedsrichterlichen Verfahrens anordnet (vgl. § 1033 ZPO, Art. 374 Abs. 1 der schweizerischen ZPO sowie Art. 9 UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration). Mit der vorliegenden Klage beantragte die Klägerin indes keine vorläufigen Maßnahmen in diesem Sinne. Vielmehr beantragte die Klägerin die Übertragung der Streitpatentanmeldung sowie die Feststellung einer Schadensersatzpflicht im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens mit dem Ziel einer endgültigen und gerade nicht – wie gemäß Ziffer 15 der Vertraulichkeitsvereinbarung vorausgesetzt – vorläufigen Entscheidung. Dass aus der subjektiven Sicht der Klägerin in zeitlicher Hinsicht eilig Klageerhebung geboten war, ist für die Eigenart des von ihr gewählten Rechtsschutzes als Hauptsacheverfahren ohne Belang.
dd. Ob eine Zuständigkeit der staatlichen Gerichte im Ergebnis auch dann zu verneinen wäre, wenn die Parteien die Schiedsklausel lediglich für alle Streitigkeiten „aus“ dem fraglichen Vertrag vereinbart hätten, bedarf darüber hinaus keiner Beantwortung (dafür offenbar Mondini/Meier, a.a.O.). Die Kammer lässt diese Frage ausdrücklich offen. Die Parteien haben in der streitgegenständlichen Schiedsklausel eine weite Formulierung gewählt und dementsprechend bewusst alle Streitigkeiten „im Zusammenhang“ mit der Vertraulichkeitsvereinbarung vom 26.06.2013 der Zuständigkeit eines ICC-Schiedsgerichts unterworfen.
ee. Offen bleiben kann in diesem Zusammenhang zudem, ob die in der Sache geltend gemachten Ansprüche auf Übertragung der Streitpatentanmeldung und Feststellung einer Schadensersatzpflicht wegen unberechtigter Patentanmeldung auf Basis der von der Klägerin behaupteten Rechtsgrundlagen der Art. II § 5 Abs. 1 Satz 1 IntPatÜG i.V.m. Art. 61 Abs. 1 EPÜ, § 823 Abs. 1 BGB, oder nach den entsprechenden Rechtsgrundlagen des schweizerischen Rechts gemäß Art. 3 Abs. 1, 29 Abs. 1 des schweizerischen Bundesgesetzes über Erfindungspatente vom 25.06.1954 i.V.m. Art. 61 Abs. 1 EPÜ (sog. Patentabtretungsklage), Art. 42 Abs. 1 OR, zu beurteilen sind. In beiden Fällen handelt es sich jeweils um gesetzliche Anspruchsgrundlagen, die jedoch ungeachtet ihrer nicht-vertraglichen Natur – wie ausgeführt – von der Reichweite der streitgegenständlichen Schiedsabrede erfasst sind. Die Frage nach dem auf die geltend gemachten Ansprüche anwendbaren, materiellen Recht ist nur für die Begründetheit der behaupteten Ansprüche, nicht aber für die Reichweite der vereinbarten Schiedsklausel und damit die Zulässigkeit der zum Landgericht München I erhobenen Klage relevant.
4. Zur Überzeugung der Kammer steht darüber hinaus fest, dass die streitgegen ständliche Klausel wirksam ist und es sich bei den geltend gemachten Ansprüchen um einen sowohl nach deutschem als auch schweizerischem Recht schiedsfähigen Streitgegenstand handelt.
a. Die streitgegenständliche Schiedsklausel ist nach dem insoweit maßgeblichen schweizerischen Recht formwirksam zustande gekommen. Insbesondere ist die gemäß Art. 178 Abs. 1 IPRG vorausgesetzte Schriftform gewahrt.
Das für das wirksame Zustandekommen einer Schiedsklausel (Formstatut) anwendbare Recht ist nach den Regeln des internationalen Privatrechts und nicht – wie teilweise in der Literatur vertreten wird – nach einer rein verfahrensrechtlichen lex fori-Anknüpfung zu beurteilen (BGH, SchiedsVZ 2011, 46, 48, Rn. 30; Münch in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2017, § 1029 ZPO, Rn. 27 sowie § 1031 ZPO, Rn. 24; vgl. auch Paulus in Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, BeckOGK, Rom I-VO Art. 1, Rn. 95). Internationalprivatrechtlicher Anknüpfungspunkt ist daher auch insoweit die von den Parteien gemäß Art. V Abs. 1 lit. a) UN-Übereinkommen, Art. 116 Abs. 1, 187 Abs. 1 IPRG zulässige und hier zu Gunsten schweizerischen Rechts erfolgte Rechtswahl.
Keiner Entscheidung bedarf dabei die Frage, ob das schweizerische IPRG in zeitlicher Hinsicht nach seiner aktuellen Fassung oder in der zum Zeitpunkt des Abschlusses der Schiedsabrede gültigen Fassung anzuwenden ist. Sowohl das IPRG mit Stand vom 01.01.2013 als auch das seit 01.02.2021 in Kraft stehende IPRG lassen die einfache Textform für eine wirksame Schiedsabrede genügen (vgl. Gränicher, a.a.O., Art. 178 IPRG, Rn. 10).
b. Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche auf Übertragung der Streitpatentanmeldung und Feststellung einer Schadensersatzpflicht wegen unberechtigter Patentanmeldung sind sowohl nach deutschem als auch nach schweizerischem Recht objektiv schiedsfähig.
aa. Hinsichtlich des Schiedsfähigkeitsstatuts geht die Kammer von der Notwendigkeit einer kumulativen Kontrolle nach deutschem und schweizerischem Recht aus. Dies gilt nach Ansicht der Kammer jedenfalls dann, wenn die Parteien – wie hier – einen ausländischen Schiedsort bestimmt haben (für eine Doppelkontrolle auch bei inländischem und noch nicht feststehendem Schiedsort i.E. Schmidt-Ahrendts/Höttler, SchiedsVZ 2011, 267, 276; für eine kumulative Kontrolle bei inländischem Schiedsort Voit in Musielak/Voit, ZPO, 18. Aufl. 2021, § 1030 ZPO, Rn. 10; a.A. für ausschließliche Anknüpfung an die lex fori bei inländischem Schiedsort: OLG München, SchiedsVZ 2014, 262, 264 sowie mit ausführlichen Hinweisen zum Streitstand: Adolphsen in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2017, Art. II UNÜ, Rn. 11).
(1) Dass ein inländisches staatliches Gericht seine Zuständigkeit im Falle eines zwischen den Parteien vereinbarten, ausländischen Schiedsortes nur dann verneinen darf, wenn es sich bei den geltend gemachten Ansprüchen um einen nach deutschem Recht als lex fori schiedsfähigen Streitgegenstand handelt, folgt aus Sicht der Kammer bereits unmittelbar aus dem in Art. 47 Abs. 1 EUGrundrechtecharta verbürgten und aus Art. 2 Abs. 1, 101 Abs. 1 Satz 2, 103 Abs. 1 GG, Art. 6 EMRK i.V. m. dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitenden Anspruch auf Zugang zu den Gerichten (Justizgewährungsanspruch). Zwar kann auf den Zugang zu staatlichen Gerichten im Wege einer freiwillig vereinbarten Schiedsabrede verzichtet werden (vgl. BGH, NJW 2016, 2266, 2271, Rn. 52). Der Kammer ist zudem auch bewusst, dass sich der deutsche Gesetzgeber für eine schiedsfreundliche Gestaltung des Zivilprozessrechts entschieden hat (BT-Drs. 13/5274, 1). Vor dem Hintergrund seines grund- und verfassungsrechtlichen Rechtsschutzauftrages darf sich ein staatliches Gericht indes dennoch nur insoweit aus seiner Justizgewährungsverantwortlichkeit zurückziehen, als die für den dem Gericht obliegenden Rechtsschutzauftrag maßgebliche Rechtsordnung den ihm vorgelegten Streitgegenstand als schiedsfähig betrachtet (so i.E. auch OLG Frankfurt am Main, IPRax 1999, 247, 251; Geimer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 1029 ZPO, Rn. 114; Münch in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2017, § 1029 ZPO, Rn. 43 sowie § 1030 ZPO, Rn. 23). Anderenfalls entstünde ein unter dem Gesichtspunkt des Justizgewährungsanspruchs verfassungsrechtlich grundlegend bedenklicher Wertungswiderspruch, wenn ein staatliches Gericht die Ausübung der ihm anvertrauten rechtsprechenden Gewalt hinsichtlich eines Streitgegenstandes, für den der Gesetzgeber gerade die staatlichen Gerichte als allein zuständig erachtet, unterlassen könnte.
(2) Haben die Parteien – wie vorliegend – einen ausländischen Schiedsort gewählt, ist nach Ansicht der Kammer darüber hinausgehend das entsprechende, ausländische Schiedsfähigkeitsstatut zu prüfen. Zum einen ist kein Grund ersichtlich, warum eine von den Parteien getroffene und nach dem Rechtsgedanken des Art. V Abs. 1 lit. a) des UN-Übereinkommens für das Schiedsvereinbarungsstatut maßgebliche Rechtswahl für die Frage der Schiedsfähigkeit nicht zu berücksichtigen sein sollte. Insoweit bleibt es den Parteien unbenommen, über den rechtsstaatlich gebotenen Mindeststandard der nach deutschem Recht zu beurteilenden Schiedsfähigkeit hinaus zusätzliche, nach dem gewählten Recht gegebenenfalls bestehende Anforderungen zu vereinbaren (vgl. SchmidtAhrendts/Höttler, SchiedsVZ 2011, 267, 276).
(3) Entgegen einer in der Literatur geäußerten Ansicht (siehe insbesondere Adolphsen in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2017, Art. II UNÜ, Rn. 11 m.w.N.) steht der von der Kammer für notwendig erachteten kumulativen Kontrolle der Schiedsfähigkeit nicht entgegen, dass hieraus Wertungswidersprüche resultieren könnten und den Parteien dem Gesetzgeber zufolge gerade keine Dispositionsbefugnis hinsichtlich der objektiven Schiedsfähigkeit des Streitgegenstandes zusteht. Eine kumulative Kontrolle vermeidet vielmehr bereits im Ansatz mögliche, im Durchsetzungsstadium eines Schiedsspruchs gegebenenfalls auftretende Wertungswidersprüche. Denn spätestens bei der im Rahmen der Durchsetzung eines Schiedsspruchs gebotenen Mitwirkung staatlicher Gerichte hat das jeweils angerufene, staatliche Gericht gemäß Art. V Abs. 2 lit. a) des UN-Übereinkommens nach dessen insoweit maßgeblicher lex fori zu beurteilen, ob der ihm vorgelegte Streitgegenstand schiedsfähig ist und dem jeweiligen ordre public entspricht. Dies folgt für deutsche Gerichte aus § 1061 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. II Abs. 2 lit. a) und b) des UN-Übereinkommens und für schweizerische Gerichte gleichermaßen aus Art. 190 Abs. 2 lit. b) und e) IPRG. Dass der Gesetzgeber zudem eine Dispositionsfähigkeit hinsichtlich der Schiedsfähigkeit verneint, ist im Ausgangspunkt zwar zutreffend (BT-Drs. 13/5274, S. 59). Hieraus folgt indes nur, dass der über §§ 1059 Abs. 2 lit. a), 1061 Abs. 1 ZPO geschützte, gesetzliche Mindeststandard im Hinblick auf die an die Schiedsfähigkeit nach deutschem Recht zu stellenden Anforderungen nicht unterschritten werden darf. Warum die Parteien indes keinen zusätzlichen und damit strengeren Maßstab vereinbaren können sollen, lässt sich mit Blick auf die ihnen zustehende Privatautonomie sachlich nicht rechtfertigen.
bb. Die nach deutschem Recht gemäß § 1030 Abs. 1 ZPO zu beurteilende Schiedsfähigkeit der streitgegenständlichen Ansprüche liegt vor. Der deutsche ordre public steht der Schiedsfähigkeit des hier relevanten Streitgegenstandes nicht entgegen. Gemäß § 1030 Abs. 1 ZPO kann jeder vermögensrechtliche Anspruch Gegenstand einer Schiedsvereinbarung sein. Nichtvermögensrechtliche Ansprüche sind insoweit schiedsfähig, als die Parteien berechtigt sind, über den Gegenstand des Streites einen Vergleich zu schließen.
(1) Als vermögensrechtlich ist ein Streitgegenstand einzuordnen, wenn er sich entweder aus Vermögensrechten ableitet oder anderenfalls wenigstens doch auf eine vermögenswerte Leistung abzielt (Münch in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2017, § 1030 ZPO, Rn. 13). Zur Begründung der von ihr geltend gemachten Ansprüche trägt die Klägerin vor, dass die technische Lehre der Streitpatentanmeldung auf eine von Seiten der Klägerin getätigte Erfindung zurückzuführen sei, die ihr Mitarbeiter J… am 30.05.2013 zeichnerisch festgehalten habe (Anlage MSP 10). Die Rechte an dieser Erfindung stünden daher der Klägerin zu. Die Beklagte habe die entsprechende technische Lehre im Rahmen der Tests am 03./04.07.2013 widerrechtlich entnommen und zu Unrecht als Patent angemeldet. Streitgegenstand ist folglich die der Streitpatentanmeldung zu Grunde liegende Erfindung und die daran bestehenden Rechte. Das Recht an einer Erfindung hat eine Doppelnatur bestehend aus einer erfinderpersönlichkeitsrechtlichen und vermögensrechtlichen Komponente (Melullis in Benkard, Patentgesetz, 11. Aufl. 2015, § 6 PatG, Rn. 9). Damit handelt es sich, wie positiv-rechtlich etwa der Anspruch eines Arbeitnehmererfinders auf die Zahlung einer Erfindervergütung im Falle der Inanspruchnahme einer Erfindung durch dessen Arbeitgeber gemäß § 9 Abs. 1 ArbnErfG eindrücklich zeigt, ungeachtet möglicher zusätzlicher persönlichkeitsrechtlicher Befugnisse jedenfalls auch um eine vermögenswerte Rechtsposition, an der Dritten gegen Entgelt Nutzungsbefugnisse eingeräumt werden können (so i.E. auch Fitzner in Fitzner/Lutz/Bodewig, BeckOK Patentrecht, 20. Edition, Stand: 15.04.2021, § 6 PatG, Rn. 8/9; Pansch in Haedicke/Timmann, Handbuch des Patentrechts, 2. Aufl. 2020, § 10, Rn. 138; Melullis in Benkard, Patentgesetz, 11. Aufl. 2015, § 6 PatG, Rn. 9, 23/24). Auf diese vermögenswerte Rechtsposition in Gestalt des Rechts an der streitgegenständlichen Erfindung gehen die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche auf Übertragung der Patentanmeldung und Feststellung der Schadensersatzpflicht zurück, so dass die vermögensrechtliche Natur des Streitgegenstandes zur Überzeugung der Kammer feststeht.
(2) Nichts anderes ergibt sich aus der Eigenart von Patenten als kraft hoheitlichem Verwaltungsakt zu schaffenden Rechten. Der Gesetzgeber hat lediglich für Streitigkeiten betreffend den Rechtsbestand von Patenten festgestellt, dass die insoweit kraft Gesetzes eingesetzten besonderen Gerichte ausschließlich zuständig sind und eine Schiedsfähigkeit insofern ausscheidet. Lediglich über den Rechtsbestand ist deshalb durch richterliches Gestaltungsurteil, das nicht nur zwischen den Parteien, sondern gegenüber jedermann wirkt, zu entscheiden (vgl. BT-Drs. 13/5742, S. 35). Zur Begründung hat der Gesetzgeber darauf verwiesen, dass die entsprechenden Rechte nicht der Disposition der Parteien im Wege privatautonomer Vereinbarungen unterliegen (BT-Drs., a.a.O.).
Vor dem Hintergrund dieser Begründung erscheint die Schlussfolgerung einer fehlenden Schiedsfähigkeit patentrechtlicher Rechtsbestandsstreitigkeiten indes bereits im Ansatz fragwürdig. Unberücksichtigt bleibt mit diesem Verweis des Gesetzgebers auf die den Parteien vermeintlich fehlende Dispositionsbefugnis, dass ein Erfinder ohne Weiteres freiwillig auf das ihm zustehende Recht verzichten kann (vgl. Kaess in Busse/Keukenschrijver, 9. Aufl. 2020, Vor § 143, Rn. 21). Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 PatG erlischt das Patent, wenn der Patentinhaber darauf durch schriftliche Erklärung an das Patentamt verzichtet. Daher wird von Teilen der Literatur auch vertreten, dass Patentbestandsstreitigkeiten nicht per se schiedsunfähig sind. Zwar könne ein Schiedsgericht ein Patent nicht mit Wirkung erga omnes vernichten. Möglich sei aber eine schiedsgerichtliche Verurteilung der jeweiligen Beklagtenpartei, bei der zuständigen Patentbehörde die Löschung des Patents zu beantragen (Geimer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 1030 ZPO; Kaess in Busse/Keukenschrijver, 9. Aufl. 2020, Vor § 143, Rn. 21; von Raden, BB Beilage 1999, Nr. 9, 17, 18; Schlosser, ZIP 1987, 492, 499).
Ungeachtet dessen, dass sich die Annahme einer pauschalen Schiedsunfähigkeit patentrechtlicher Bestandsstreitigkeiten bereits grundlegenden rechtlichen Zweifeln ausgesetzt sieht, können die der Gesetzesbegründung zu Grunde liegenden Erwägungen jedenfalls nicht auf Patentvindikationsklagen übertragen werden können. Dies folgt bereits aus Art. 71 EPÜ i.V.m. Regel 22 EPÜ. Gemäß Art. 71 EPÜ kann die europäische Patentanmeldung für einen oder mehrere der benannten Vertragsstaaten übertragen werden oder Gegenstand von Rechten sein. Regel 22 EPÜ sieht vor, dass der Rechtsübergang einer europäischen Patentanmeldung auf Antrag eines Beteiligten in das Europäische Patentregister eingetragen wird. Einzige Voraussetzung ist insoweit, dass der Rechtsübergang durch Vorlage von Dokumenten nachgewiesen ist. Dass eine Übertragung nur auf gerichtliches Urteil hin vollzogen wird, lässt sich diesen Regelungen indes gerade nicht entnehmen. Vielmehr bestätigen die Vorschriften des EPÜ letztlich, dass Patente und Patentanmeldungen handelbare, vermögenswerte Rechte sind. Können Patente und Patentanmeldungen jedoch privatautonom übertragen werden, kann letztlich nichts anderes gelten, wenn ein privatautonom bestimmtes Schiedsgericht eine entsprechende Übertragung anordnet.
(3) Dass schiedsgerichtliche Entscheidungen Grundlage einer Übertragung der Anmeldebefugnisse gemäß Art. 61 Abs. 1 EPÜ sein können, steht auch in Einklang mit dem Protokoll über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen über den Anspruch auf Erteilung eines europäischen Patents vom 05.10.1973 (Anerkennungsprotokoll). Das Argument der Klägerin, wonach es sich bei einem Schiedsverfahren nicht um ein Verfahren handele, das zu einer Entscheidung im Sinne von Art. 61 Abs. 1 EPÜ führe (Seite 12 des Schriftsatzes der Klägerin vom 26.10.2020, Bl. 53 d. Akte), greift nicht durch. Aus Ziff. 2.2 der Richtlinien für die Prüfung im EPA mit Stand vom März 2021 ergibt sich vielmehr, dass ausländische Schiedssprüche dem Grunde nach anerkennungsfähig sind, sodass eine ausschließliche Zuständigkeit staatlicher Gerichte bereits im Ansatz nicht in Betracht kommt. Widersprechende Vorschriften im Sinne des Art. 11 Abs. 1 des Anerkennungsprotokolls liegen zudem nicht vor. Im Gegenteil findet vorliegend das UN-Übereinkommen Anwendung, auf dessen Grundlage Schiedssprüche in den EPÜ-Mitgliedstaaten gerade durchsetzbar sind. Die Anerkennung von Schiedssprüchen auf der Grundlage des UNÜbereinkommens ist schlussendlich auch die tragende Erwägung dafür, dass das EPA in seinen vorbezeichneten Prüfungsrichtlinien Schiedssprüche als Grundlage von Entscheidungen im Sinne von Art. 61 EPÜ akzeptiert.
(4) Nichts anderes ergibt sich aus der Entscheidung der EPA-Beschwerdekammer vom 29.09.2004, Az. J 6/03. Demzufolge kann ein Urteil eines kanadischen Gerichts als Gericht eines Nicht-EPÜ-Mitgliedstaates nicht als Grundlage einer Aussetzung gemäß Regel 14 Abs. 1 EPÜ (Fussnote:(Die Entscheidung der Beschwerdekammer bezog sich auf die Vorgängerregelung gemäß Regel 13 EPÜ1973.)) herangezogen werden, um ein Verfahren mit dem Ziel, eine Entscheidung im Sinne des Art. 61 Abs. 1 EPÜ zu erwirken, durchführen zu können. Die Beschwerdekammer begründet dies damit, dass die EPÜ-Vertragsstaaten der Europäischen Patentorganisation keine Befugnisse zur Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen aus Drittstaaten übertragen haben (EPA-Beschwerdekammer, a.a.O., Rn. 25). Diese Erwägung greift indes bei Schiedssprüchen nicht. Denn sämtliche EPÜ-Mitgliedstaaten sind zugleich Mitgliedstaaten des UN-Übereinkommens vom 10.06.1958, so dass eine Anerkennung des vorliegend der Vereinbarung der Parteien entsprechend nach schweizerischem Schiedsverfahrensrecht zu erlassenden Schiedsspruchs in sämtlichen EPÜ-Mitgliedstaaten auf der völkerrechtlichen Grundlage des UN-Übereinkommens sichergestellt ist. Die der Beschwerdekammerentscheidung vom 29.09.2004 zu Grunde liegende Drittstaatenproblematik kann daher in der zur Entscheidung stehenden Fallkonstellation bereits im Ansatz nicht entstehen.
cc. Auch auf der Grundlage schweizerischen Rechts hat die Kammer letztlich keinerlei Zweifel daran, dass ein schiedsfähiger Streitgegenstand vorliegt.
(1) Der schweizerische ordre public steht der Schiedsfähigkeit von Streitigkeiten betreffend die Vindikation europäischer Patentanmeldungen nicht entgegen. Zum schweizerischen ordre public zählen ausschließlich die fundamentalen Rechtsgrundsätze, deren Nicht-Einhaltung mit der schweizerischen Rechtsund Werteordnung schlechthin unvereinbar ist (Pfisterer in Grolimund/Loacker/Schnyder, Internationales Privatrecht, 4. Aufl. 2020, Art. 190 IPRG, Rn. 88). Hierzu zählen das Vertragstreuegebot (pacta sunt servanda), das Rechtsmissbrauchsverbot, der Grundsatz von Treu und Glauben, das Verbot der entschädigungslosen Enteignung, das Diskriminierungsverbot und der Schutz von Handlungsunfähigen (Mabillard/Briner in Grolimund/Loacker/Schnyder, Internationales Privatrecht, 4. Aufl. 2020, Art. 177 IPRG, Rn. 19). Dahingehende Verstöße sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Auch unter dem Gesichtspunkt des EPÜ ergeben sich keine ordre public-Verstöße. Die Vorschriften des EPÜ sowie des Anerkennungsprotokolls gelten für die Schweiz ebenso wie für die Bundesrepublik Deutschland als EPÜMitgliedsstaaten. Die zum EPÜ und dem Anerkennungsprotokoll bereits ausgeführten Erwägungen betreffend die Schiedsfähigkeit von Patentvindikationsstreitsachen gelten daher gleichermaßen mit Blick auf die Schweiz.
(2) Auch im Übrigen ergeben sich aus dem schweizerischen Recht keine im Vergleich zum deutschen Recht strengeren Maßstäbe hinsichtlich der Beurteilung der Schiedsfähigkeit der seitens der Klägerin geltend gemachten Ansprüche. Die Schiedsfähigkeit eines Patentvindikationsstreits ist nach schweizerischem Recht vielmehr zu Recht ausdrücklich anerkannt (BGer, Urt. v. 19.05.2003, Az. 4C.40/2003; Mondini/Meier, sic! 5/2015, 289, 290).
Schiedsfähig sind gemäß Art. 177 Abs. 1 des schweizerischen IPRG sämtliche vermögensrechtlichen Ansprüche. Vermögensrechtlich in diesem Sinne sind der Rechtsprechung des schweizerischen Bundesgerichtes zufolge alle Forderungen, die für die Parteien einen Vermögenswert haben, als aktiver Vermögenswert oder als Verbindlichkeit, mit anderen Worten, die Rechte, die für mindestens eine Partei ein Interesse darstellen, das in Geld geschätzt werden kann (BGer, Urt. v. 03.07.2002, Az. 4P.77/2002; BGE 118 II 353 E.3.b. S. 356). Auf die Disponibilität des Streitgegenstands kommt es dabei – anders als gegebenenfalls gemäß § 1030 Abs. 1 Satz 2 ZPO und der mit Blick auf Patentbestandsstreitigkeiten zitierten bundesdeutschen Gesetzesbegründung – nicht an (BGE 118 II 353 E.3.b. S. 356).
Die an einer Erfindung bestehenden Rechte einschließlich des Rechts, die Erfindung zur Erteilung eines Patents anzumelden, stellen neben den erfinderpersönlichkeitsrechtlichen Befugnissen zumindest auch ein vermögenswertes Recht dar, über das der Erfinder entgeltlich verfügen kann. Der Vermögenswert einer Erfindung zeigt sich auch mit Blick auf die Schweiz etwa daran, dass Arbeitgeber einem Arbeitnehmererfinder nach schweizerischem Recht gegebenenfalls eine besondere Vergütung schulden. Art. 332 Abs. 4 OR sieht ausdrücklich eine Verpflichtung des Arbeitgebers vor, dem Arbeitnehmererfinder eine besondere angemessene Vergütung auszurichten, wenn er die Erfindung dem Arbeitnehmer nicht freigibt. Damit gilt auch insoweit nichts anderes, als zur vermögensrechtlichen Natur des vorliegenden Streitgegenstands bereits zum deutschen Recht festgestellt wurde.
Auf die nach deutschem Recht erörterten, weiteren Bedenken betreffend die Schiedsfähigkeit eines Patentvindikationsstreits kommt es nach schweizerischem Recht nicht an. Denn insoweit ist eine mögliche Dispositionsfähigkeit der Parteien über den Streitgegenstand bereits im Ansatz aus rechtlichen Gründen – wie ausgeführt – nicht relevant (BGE 118 II 353 E.3.b. S. 356). Erwägungen, wie sie der Gesetzgeber der Bundesrepublik Deutschland mit Blick auf Patentbestandsstreitigkeiten angestellt hat (BT-Drs. 13/5742, S. 35), bedürfen nach schweizerischem Recht daher keiner näheren Erörterung.
II. Die Nebenentscheidungen über die Kosten sowie die vorläufige Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 709 Satz 1 ZPO.


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