Europarecht

Erlaubnis zur Nutzung tertiären Grundwassers für Zwecke der Trinkwasserversorgung

Aktenzeichen  RN 8 K 16.1954

Datum:
17.7.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 152545
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WHG § 12 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2

 

Leitsatz

Die Entnahme von tertiärem Tiefengrundwasser bringt grundsätzlich die Gefahr einer schädlichen Gewässerveränderung mit sich. Aus fachlicher Sicht besteht die Gefahr, dass durch das Vordringen in den tertiären Grundwasserleiter das dortige Grundwasser durch Eindringen oberflächennahen Wassers verunreinigt wird. Sie ist deshalb grundsätzlich nicht erlaubnisfähig. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist in Haupt- und Hilfsantrag zulässig, aber unbegründet.
Dem Klagebegehren stehen anspruchshindernd zwingende Versagungsgründe nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 WHG entgegen.
Das Entnehmen, Zutagefördern und Ableiten von Grundwasser stellt eine Benutzung im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 5 WHG dar, für die gemäß § 8 Abs. 1 WHG eine Erlaubnis erforderlich ist. Nach § 12 Abs. 1 WHG ist die Erlaubnis zu versagen, wenn 1. schädliche, auch durch Nebenbestimmungen nicht vermeidbare und nicht ausgleichbare Gewässerveränderungen zu erwarten sind oder 2. andere Anforderungen nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht erfüllt werden. Im Übrigen steht die Erteilung der Erlaubnis gemäß § 12 Abs. 2 WHG im pflichtgemäßen Ermessen (Bewirtschaftungsermessen) der zuständigen Behörde.
Nach Nr. 7.2.2 LEP soll Tiefengrundwasser grundsätzlich besonders geschont und nur für solche Zwecke genutzt werden, für die seine speziellen Eigenschaften notwendig sind. Das Grundwasser in tieferen Grundwasserstockwerken (Tiefengrundwasser) ist vor nachteiligen Veränderungen durch menschliche Aktivitäten besonders gut geschützt, erneuert sich nur langsam und ist aufgrund seines hohen Alters zumeist noch von natürlicher Reinheit. Es stellt deshalb eine „eiserne Reserve“ für die Versorgung der Bevölkerung in besonderen Not- und Krisenfällen dar. Bei jedem Eingriff in Tiefengrundwasser – auch bei nachhaltiger Nutzung – besteht ein besonderes Risiko nachteiliger irreversibler Veränderungen. Demnach muss die Nutzung tiefer Grundwässer auf unabweisbare Ausnahmefälle beschränkt bleiben.
Entgegen dem Vorbringen der Klägerseite ist vorliegend Maßstab § 12 Abs. 1 WHG. Auf ein nachrangig auszuübendes Bewirtschaftungsermessen kommt es nicht (mehr) entscheidungserheblich an.
Die Entnahme von tertiärem Tiefengrundwasser bringt grundsätzlich die Gefahr einer schädlichen Gewässerveränderung mit sich. Aus fachlicher Sicht besteht die Gefahr, dass durch das Vordringen in den tertiären Grundwasserleiter das dortige Grundwasser durch Eindringen oberflächennahen Wassers verunreinigt wird. Der Vertreter des Wasserwirtschaftsamts hat in der mündlichen Verhandlung vom 17.7.2017 nachvollziehbar dargelegt, dass jede Tiefenwasserentnahme zu einem Nachdrücken qualitativ schlechteren Wassers aus den oberen Schichten führt. Daher könne auch einer weiteren Erhöhung der zugestandenen Gesamtentnahmemenge, die ohnehin auf fachlich schwer zu rechtfertigenden Zugeständnissen an die Klägerseite beruht, nicht zugestimmt werden. Daneben steht dem geltend gemachten Anspruch auch Nr. 7.2.2 des aktuellen Landesentwicklungsprogramms für Bayern (LEP) entgegen, wonach Tiefengrundwasser grundsätzlich nicht für den streitgegenständlichen Zweck genutzt werden soll. Im Hinblick auf die demnach vorliegenden zwingenden Versagungsgründe nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 WHG wäre die beantragte Nutzung tertiären Tiefengrundwassers insgesamt zu versagen gewesen.
Soweit der streitgegenständliche Bescheid eine Entnahme von tertiärem Tiefengrundwasser trotzdem noch für eine Übergangszeit zulässt, ist dies ausschließlich zum Vorteil der Klägerin und nicht mit einer Rechtsverletzung verbunden (§ 113 Abs. 5 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die hier streitgegenständlichen Inhalts- und Schrankenbestimmungen kommen der Klägerin über das rechtlich Zulässige hinaus entgegen, indem sie die bisher zugelassene Nutzung von tertiärem Tiefengrundwasser in zeitlich abgestimmtem Rahmen auslaufen lassen. Die in Nr. 2 des Bescheids getroffenen Regelungen zu Umfang und Dauer der Erlaubnis sind Inhaltsbestimmungen. Bei verständiger Auslegung und im Gesamtzusammenhang ist Geschäftsgrundlage, dass die Klägerin die Entnahme tertiären Tiefengrundwassers noch übergangsweise zur Aufbereitung belasteten Quartärgrundwassers nutzt und dabei den Bedarf auf eine für die öffentliche Trinkwasserversorgung unabweisbare Nutzung reduziert und in absehbarer Zeit ganz einstellt. Die Regelungen zu Umfang und Dauer dienen dazu, der Klägerin einen zumutbaren Übergang zu einer anderweitigen Wasserbeschaffung zu ermöglichen. Die abgestufte Zulassung im streitgegenständlichen Bescheid (Nr. 2 des Bescheids) erweist sich als mehr als angemessen und zumutbar. Ermessensfehler zu Lasten der Klägerin sind den diesbezüglichen Erwägungen in den Gründen des Bescheids nicht zu entnehmen.
Anzumerken ist insoweit, dass der Antrag der Klägerin vom 31.8.2013 auf eine Verlängerung der gehobenen Erlaubnis um zehn Jahre gerichtet war. Anzuknüpfen wäre insoweit an den zum 31.12.2014 auslaufenden Bescheid gewesen, so dass ein Antrag an die Behörde nur bis einschließlich 31.12.2024 vorliegt. Der streitgegenständliche Bescheid vermittelt hingegen ein Recht bis 31.12.2026. Entsprechend erweitert die Klägerin jetzt ihr Klagebegehren ohne vorgängige Antragstellung bei der Behörde bis zu diesem Zeitpunkt.
Ferner betreibt die Klägerin derzeit keine rechtlich zugelassene Quartärwasserentnahme. Der diesbezügliche Bescheid vom 26.1.2005 war bis 31.12.2016 befristet. Über den Verlängerungsantrag ist noch nicht entschieden. Demnach kann die Klägerin derzeit den Zweck der Aufbereitung von Quartärwasser nicht in rechtmäßiger Weise verfolgen.
Eine weitere Nutzung von tertiärem Tiefengrundwasser, die über das mit dem streitgegenständlichen Bescheid zugelassene Maß hinausgeht, ist zur Überzeugung des Gerichts rechtlich nicht zulässig und auch nicht erforderlich. Dem Klagebegehren stehen wegen der Gefahr schädlicher Gewässerveränderungen und wegen Nr. 7.2.2 LEP § 12 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 WHG entgegen. Zu Recht weist die Behörde im streitgegenständlichen Bescheid darauf hin, dass der Entnahme von Tiefengrundwasser durch die Klägerin mehrfach befristet mit der Absicht zugestimmt worden ist, einen Übergangsmodus zu ermöglichen, um in der Zwischenzeit die Qualität des quartären Grundwassers soweit zu heben, dass damit wieder eine Trinkwasserversorgung betrieben werden kann. Auch bestehe die Möglichkeit des Anschlusses an das Fernwasserversorgungsnetz. Variantenuntersuchungen lägen mittlerweile vor. Im Hinblick darauf könne nur für eine Übergangszeit einer Nutzung von Tiefengrundwasser im bescheidsgegenständlichen Umfang zugelassen werden. Soweit die Klägerin meint, sie werde damit zu einer Änderung der „Wasserversorgungsart“ gedrängt, hat sie sich jedenfalls an geltendem Recht zu orientieren, das nur in besonders gelagerten Fällen ausnahmsweise den Zugriff auf tertiäres Tiefengrundwasser zulässt. Die Klägerin kann nicht ernsthaft verlangen, dass das Interesse der Allgemeinheit an einer schonenden Ressourcennutzung zu ihren Gunsten zurücktritt.
Das von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 17.7.2017 umfangreich dargestellte Konzept zur weiteren Sanierung der quartären Brunnen leidet daran, dass es auf die rechtlich unzulässige Nutzung von tertiärem Tiefengrundwasser gestützt ist. Die Klägerin verdrängt insoweit andere Möglichkeiten der Trinkwassergewinnung. Insbesondere hat sie nicht nachvollziehbar aufzeigen können, dass sie sich in gebotener Weise daran orientiert hätte, dass die Nutzung von tertiärem Tiefengrundwasser wiederholt nur noch übergangsweise zugestanden worden ist. Soweit die Klägerin meint, aus dem Gutachten des Landesamts für Wasserwirtschaft vom 8.11.1988 und den Vorgängerbescheiden ab 1993 Vertrauensschutz in eine fortdauernde Nutzung von tertiärem Tiefengrundwasser ableiten zu können, trifft dies nicht zu. So hat das Wasserwirtschaftsamt Deggendorf in seiner Stellungnahme vom 1.10.2014 zutreffend auf seine früheren Gutachten zur befristeten Entnahme von Tiefengrundwasser und die Absicht, einen Übergangsmodus zu ermöglichen, hingewiesen. Auch der von der Klägerin beauftragte Sachverständige geht in seiner Stellungnahme vom 6.12.2014 (Bl. 10 ff. Behördenakten) zur Entwicklung der Nitratgehalte von „einer möglichen Verlängerung der gehobenen Erlaubnis für das Zutagefördern von tertiärem Grundwasser“ aus. Die Stadtwerke … beschreiben in ihrem Schreiben vom 9.12.2014 ebenfalls die Nutzung des Tiefenwassers, „um das belastete Grundwasservorkommen im Quartärgrundwasserstock zu sanieren.“ Die Stadt … habe eine eigene Grundwasserförderung aufgebaut. „Alternativen zur Tiefenwassernutzung wurden von der Stadt … damals hinreichend aufgezeigt und liegen Ihnen vor.“
Soweit die Klägerin meint, sie müsse über den bisherigen jährlichen Verbrauch von etwa 400.000 m³ tertiären Tiefengrundwasser hinaus noch Reserven für künftige Betriebsansiedlungen haben, verkennt sie, dass sie einen eventuellen Mehrbedarf nicht über die Nutzung tertiären Tiefengrundwassers decken kann. Letztere Nutzung war bisher allein für eine Übergangszeit zugelassen, um für vorhandenes quartäres Wasser Trinkwasserqualität zu sichern. Die Klägerin kann den rechtlichen Rahmen nicht dadurch zu ihren Gunsten erweitern, dass sie mit der eingeleiteten Betriebsansiedlung einer Molkerei ab 2018 einen höheren Wasserbedarf haben wird. Bei gehöriger Überlegung hätte sich vielmehr eine Sicherung der Infrastruktur vor diesbezüglichen Zusagen und Planungen aufgedrängt. Insoweit liegt eher ein Anschluss an die Fernwasserversorgung nahe.
Im Gesamtzusammenhang ist es auch nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte die streitgegenständliche Erlaubnis mit Bedingungen im Sinne von § 13 Abs. 1 WHG i. V. m. Art. 36 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG verbindet, die der Schaffung rechtlich und sachlich gebotener Verhältnisse dienen. Es liegt auf der Hand, dass die Klägerin zur Gewährleistung einer funktionsfähigen öffentlichen Wasserversorgung die unter Nr. 3.1 des Bescheids aufgeführten Maßnahmen ergreifen muss. Keine Bedenken bestehen hinsichtlich der Fristsetzung, die Planung zur Wasseraufbereitung und/oder zum Anschluss an ein Fernwasserversorgungsnetz bis zum 1.1.2019 abzuschließen und die Anlagen zur Aufbereitung von Quartärwasser und/oder der Anschluss an ein Fernwasserversorgungsnetz bis 1.1.2021 betriebsbereit fertigzustellen. Das insoweit von der Behörde ausgeübte Ermessen begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Zu Recht verweist der Beklagte darauf, dass Variantenuntersuchungen bereits vorliegen. Die Klägerin hat hingegen nicht substantiiert dargelegt, warum die aufgegebenen Verpflichtungen innerhalb der gesetzten Fristen nicht möglich sein sollen. Vielmehr vermittelt das Verhalten der Klägerin – entgegen ihren anderweitigen Bekundungen – den Eindruck, dass hier auf Kosten und ohne Rücksicht auf berechtigte Belange der Allgemeinheit eine dauerhafte Nutzung von tertiärem Tiefengrundwasser angestrebt wird.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.


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