Aktenzeichen M 27 K 19.2377
Leitsatz
Die Niederlassungserlaubnis ist kraft Gesetzes erloschen, da die Ausreise aus einem nicht nur vorübergehenden Grund erfolgte. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Die Klage ist sowohl im Hinblick auf das Anfechtungswie auch das Feststellungsbegehren statthaft.
In der vorliegenden Konstellation, in welcher der Beklagte das Erlöschen mittels Bescheid festgestellt hat, ist zunächst die Anfechtungsklage statthaft, weil dem angefochtenen Bescheid – unabhängig davon, dass der Aufenthaltstitels gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 6 bzw. Nr. 7 AufenthG kraft Gesetzes erlischt – jedenfalls nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont Regelungswirkung zukommt (vgl. GK-AufenthG, § 51 Rn. 138; BayVGH, B.v. 18.2.2015 – 10 ZB 14.345 – juris Rn. 6) bzw. den Rechtsschein eines solchen erweckt und somit ein Rechtsschutzinteresse an seiner Beseitigung besteht. Darüber hinaus ist auch das Feststellungbegehren statthaft. Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die gerichtliche Feststellung des Fortbestehens ihrer Niederlassungserlaubnis und damit eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO (vgl. BVerwG, U. v. 17.1.2012 – 1 C 1.11 – BVerwGE 141, 325). Es bestand insofern ein berechtigtes (rechtliches) Interesse der Klägerin an der gerichtlichen Feststellung (§ 43 Abs. 1 Halbs. 2 VwGO), dass ihre Niederlassungserlaubnis nicht – wie von dem Beklagten festgestellt – nach § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG erloschen ist (vgl. BVerwG U. v. 23.3.2017 – 1 C 14/16 – Rn. 12 – juris).
II.
Die insofern zulässige Klage ist jedoch unbegründet, weil der Bescheid des Beklagten rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 VwGO). Diese hat auf die Feststellung im obig bezeichneten Sinn keinen Anspruch.
Die als Niederlassungserlaubnis fortgeltende unbefristete Aufenthaltserlaubnis (§ 101 Abs. 1 Satz 1 AufenthG) der Klägerin ist kraft Gesetzes gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG erloschen. § 51 Abs. 2 Satz 1 AufenthG steht dem nicht entgegen, weil seine Voraussetzungen nicht vorliegen.
1. Die Niederlassungserlaubnis ist bereits mit Ausreise der Klägerin 20. August 2018 gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG erloschen, weil diese Ausreise bereits zu dem maßgeblichen Zeitpunkt aus einem ihrer Natur nach nicht vorübergehenden Grund erfolgt ist.
a) Nach § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG erlischt ein Aufenthaltstitel, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht nur vorübergehenden Grunde ausreist. Unschädlich sind nur solche Auslandsaufenthalte, welche nach ihrem Zweck typischerweise zeitlich begrenzt sind und die keine wesentliche Änderung der gewöhnlichen Lebensumstände in Deutschland mit sich bringen. Fehlt es an einem dieser Merkmale, liegt ein der Natur nach nicht nur vorübergehender Grund vor. Neben der Dauer und dem Zweck des Auslandsaufenthalts sind bei der Prüfung, ob die Ausreise aus einem seiner Natur nach nicht nur vorübergehenden Grund erfolgt ist, alle objektiven Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, während es auf den inneren Willen des Ausländers und insbesondere seine Planung der späteren Rückkehr nach Deutschland nicht allein ankommen kann. § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG greift nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht nur dann, wenn der seiner Natur nach nicht vorübergehende Grund bereits im Zeitpunkt der Ausreise vorlag, sondern auch dann, wenn er erst während des Aufenthalts des Ausländers im Ausland eintrat (vgl. BVerwG, U.v. 30.4.2009 – 1 C 6.08 – BVerwGE 134, 27ff., Rn. 21 m. w. N.). Wesentlich ist auch die Dauer der Abwesenheit: Je länger sie währt und je deutlicher sie über einen bloßen Besuchs- und Erholungsaufenthalt im Ausland hinausgeht, desto mehr spricht dafür, dass der Auslandsaufenthalt nicht nur vorübergehender Natur ist.
Je weiter sich die Aufenthaltsdauer im Ausland über die Zeit hinaus ausdehnt, die mit begrenzten Aufenthaltszwecken typischerweise verbunden ist, desto eher liegt die Annahme eines nicht nur vorübergehenden Grundes im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG nahe. Der Aufenthaltstitel erlischt daher dann, wenn der Auslandsaufenthalt auf unbestimmte Zeit angelegt ist (VGH BW, U.v. 9.11.2015 – 11 S 714/15 – juris Rn. 43 m.w.N.) bzw. wenn sich aus den Gesamtumständen ergibt, dass der Betreffende seinen Lebensmittelpunkt ins Ausland verlagert hat (BVerwG, U.v. 11.12.2012 – 1 B 15.11 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 17.1.2017 – 10 ZB 15.1706 – juris Rn. 6). Eine Ausreise zum Zwecke einer Familiengründung im Ausland ist ihrem Zweck nach auf einen Auslandsaufenthalt auf unabsehbare Zeit gerichtet und erfolgt daher aus einem seiner Natur nach nicht nur vorübergehenden Grund, insbesondere wenn dabei gleichzeitig die Bindungen im Bundesgebiet wie ein Beschäftigungsverhältnis oder eine eigene Wohnung nicht fortbestehen (vgl. BayVGH, B.v. 12.12.2017 – 19 CS 16.1785; B.v. 3.12.2015 – 10 ZB 13.2438 – juris).
b) Die Umstände, welche zum Erlöschen des Aufenthaltstitels führen, müssen zur Überzeugung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) feststehen; die Beweislast trägt insoweit zunächst die Ausländerbehörde (BayVGH, B.v. 23.1.2017 – 10 CE 16.1398 – BeckRS 2017,100995). Die Ausländerin trifft dabei allerdings eine Mitwirkungspflicht nach § 82 Abs. 1 AufenthG sowie § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO, weshalb sie die Umstände des Auslandsaufenthalts substantiiert darzulegen und eventuelle Beweismittel vorzulegen hat.
c) Nach diesen Maßstäben ist die Klägerin bereits aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grund gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG ausgereist. Die Klägerin hatte dem Landratsamt im Rahmen der persönlichen Vorsprache am 11. Januar 2019 selbst mitgeteilt, dass sie ihre Tochter in der Türkei zur Schule angemeldet habe und zu diesem Zwecke bereits am 20. August 2018 aus Deutschland ausgereist sei. Bei dem Anmelden eines minderjährigen Familienangehörigen zur Schule im Ausland und dem Verbringen der überwiegenden Zeit bei dem in der Türkei lebenden Ehemann ging das Landratsamt zu Recht davon aus, dass es sich dabei nicht lediglich um einen der Natur nach lediglich vorübergehenden Zweck handelt. Nach eigenem Vortrag der Klägerin und ausweislich der der Behörde und dem erkennenden Gericht vorliegenden Unterlagen hat die Klägerin einen in der Türkei lebenden und arbeitenden türkischen Staatsangehörigen bereits im Jahre 2009 geheiratet und im Jahre 2012 eine gemeinsame Tochter – in Deutschland – zur Welt gebracht. Auf Grund der Entscheidung der Klägerin, die Tochter auch in der Türkei zur Schule anzumelden und zu dem Ehemann zu ziehen, ist die Behörde nach Ansicht des Gerichts zu Recht davon ausgegangen, dass spätestens zu diesem Zeitpunkt eine Verlagerung des Lebensmittelpunktes in die Türkei stattgefunden hat. Die Lebensumstände in Deutschland haben sich dadurch für die Klägerin erheblich geändert. Spätestens mit der Einschulung der Tochter in der Türkei haben ihre Aufenthalte dort den Charakter eines vorübergehenden Besuchsaufenthaltes verloren und vielmehr die Qualität einer Verlagerung des Lebensmittelpunktes angenommen. Die auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in der Türkei weilende Klägerin hat im Klageverfahren auch nicht nachvollziehbar vortragen können, welche Momente wesentlicher Lebensumstände sich für sie (noch) in Deutschland ereignen. Vielmehr scheinen die nur noch gelegentlich erfolgenden Aufenthalte bei den Eltern der Klägerin Besuchscharakter in Deutschland zu haben. Das Gericht sieht den Schwerpunkt ihrer Lebensführung in Gestalt des Zusammenlebens mit ihrer Familie in der Türkei und nicht in Deutschland bei ihren Eltern. Mit Heirat des türkischen Ehemannes und Einschulung der Tochter in der Türkei hat sich die Kernfamilie der Klägerin in der Türkei gebildet, so dass nicht mehr auf die Deutschland lebenden Eltern abzustellen ist.
Aus der Gesamtschau dieser objektiven Umstände ist das Gericht insofern überzeugt, dass die Klägerin bereits am 20. August 2018 aus einem nicht nur vorübergehenden Grund ausgereist ist und bereits zu diesem Zeitpunkt ihren Lebensmittelpunkt ins Ausland verlagert hat, so dass gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG die Niederlassungserlaubnis erloschen ist.
2. Der Ausnahmetatbestand des § 51 Abs. 2 Satz 1 AufenthG greift vorliegend nicht. Nach dieser Vorschrift erlischt die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens fünfzehn Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, nicht nach § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG, wenn sein Lebensunterhalt gesichert ist und kein Ausweisungsgrund vorliegt. Die Klägerin besaß zwar in dem maßgeblichen Zeitpunkt noch eine Niederlassungserlaubnis, hielt sich seit mehr als fünfzehn Jahren in Deutschland auf und weist in ihrer Person keine Ausweisungsgründe auf. Sie konnte jedoch in dem Zeitpunkt der Ausreise nicht nachweisen, dass ihr Lebensunterhalt in dem Falle eines erneuten Aufenthaltes in Deutschland gesichert ist.
Die Klägerin hat im August 2018 – wie zuvor (Ziff. 1) festgestellt – ihren Lebensmittelpunkt ins Ausland (Türkei) verlagert. Damit ist ihre Niederlassungserlaubnis nach § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG erloschen. Die Voraussetzungen des Privilegierungstatbestands des § 51 Abs. 2 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor, denn zum Zeitpunkt ihrer Ausreise aus Deutschland konnte keine positive Prognose gestellt werden, dass ihr Lebensunterhalt für den Fall der zukünftigen Rückkehr nach Deutschland gesichert wäre.
a) Maßgeblicher Prognosezeitpunkt ist hierbei der Zeitpunkt der Ausreise und nicht der Zeitpunkt der beabsichtigten Wiedereinreise (BVerwG, U.v. 23.3.2017 – 1 C 14.16 – juris Rn. 14ff.). Im Rahmen der Regelung des § 51 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist mithin die Prognose im Zeitpunkt der Erfüllung der Erlöschensvoraussetzungen nach § 51 Abs. 1 Nr. 6 oder 7 AufenthG anzustellen. Das ergibt sich aus Sinn und Zweck der Vorschrift unter Berücksichtigung ihrer Entstehungsgeschichte (zu der rechtlichen Begründung des maßgeblichen Zeitpunktes: BVerwG, U.v. 23.3.2017 – 1 C 14.16 – juris Rn. 14ff.). Von diesem Zeitpunkt ausgehend ist die Prognose zu stellen, ob der Lebensunterhalt der Klägerin in Zukunft auf Dauer oder zumindest auf absehbare Zeit im Falle eines erneuten Aufenthalts in Deutschland gesichert ist. Der Lebensunterhalt eines Ausländers ist gesichert, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann (§ 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Dabei bleiben die in § 2 Abs. 3 Satz 2 AufenthG aufgeführten öffentlichen Mittel außer Betracht. Hierfür ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die positive Prognose erforderlich, dass der Lebensunterhalt des Ausländers in Zukunft auf Dauer ohne Inanspruchnahme anderer öffentlicher Mittel gesichert ist (BVerwG, U.v. 18.4.2013 – 10 C 10.12 – BVerwGE 146, 198 Rn. 13). Zweifel gehen dabei zu Lasten des ausreisenden Ausländers. Je unsicherer der Zeitpunkt einer möglichen Wiedereinreise ist, umso schwieriger ist es, eine positive Prognose zu stellen, es sei denn der Betreffende verfügt über feste wiederkehrende Einkünfte, etwa in Gestalt einer Altersrente, oder über ein ausreichendes, auch im Bestand gesichertes Vermögen.
b) Das Landratsamt hat insofern vom zutreffenden Prognosezeitpunkt der Ausreise der Klägerin in die Türkei im August 2018 aus festgestellt, dass deren Lebensunterhalt für den Fall einer zukünftigen Wiedereinreise nicht gesichert sein würde. Das Landratsamt hat dies in rechtlich nicht zu beanstandender Weise aus der bisherigen Erwerbsbiografie der Klägerin, welche über keine abgeschlossene Berufsausbildung im Bundesgebiet verfügt, abgeleitet. Die Klägerin hat zwar in Deutschland die Schule besucht und ausweislich der Akten ein ca. einwöchiges Praktikum für eine Ausbildung zur Verkäuferin absolviert (vgl. Bl. 56 der Behördenakten (BA)). Sie verfügt jedoch nicht über eine abgeschlossene Berufsausbildung und hat kein eigenes Einkommen in Deutschland erzielt. Mithin ist in Ermangelung einer entsprechenden Verpflichtungserklärung des Vaters der Klägerin (vgl. weitere Ausführungen) lediglich auf die Lohn- und Gehaltsnachweise ihres in der Türkei lebenden und arbeitenden Ehemannes abzustellen.
Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG gilt der Lebensunterhalt eines Ausländers als gesichert, wenn er ihn einschließlich des ausreichenden Krankenversicherungsschutzes (i. S. v. § 2 Abs. 3 Satz 3 AufenthG) ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Als unschädlich gilt jedoch ein Bezug der in § 2 Abs. 3 Satz 2 AufenthG genannten öffentlichen Mittel. Selbst wenn man darauf abstellen sollte, dass die Klägerin mit ihrer Familie in dem Falle einer Wiedereinreise in der Wohnung des Vaters der Klägerin wohnen könnte (§ 22 Sozialgesetzbuch II (SGB II)), genügt das für den Ehemann der Klägerin nachgewiesene Gehalt nicht den Anforderungen an einen gesicherten Lebensunterhalt in Deutschland. Bei der Bedarfsberechnung war die Kernfamilie der Klägerin bestehend aus Ehemann und der Tochter als Bedarfsgemeinschaft maßgeblich. Unter Zugrundelegung der Anforderungen des SGB II (vgl. BVerwG, U. v. 18.4.2013 – 10 C 10.12 – BVerwGE 146, 198-217 – juris) an die Höhe des Lebensunterhaltes genügen die in der Höhe zwischen 573,40 EUR und 1.126,76 EUR vorgelegten Gehaltsnachweise des Ehemannes der Klägerin selbst unter Berücksichtigung eines Gehaltsmittels von ca. 850 EUR nicht zur Sicherung des Lebensbedarfs in Deutschland.
c) Soweit die Klägerin geltend macht, dass ihr Lebensunterhalt inzwischen – auch – durch die Vorlage einer Bestätigung nach § 68 AufenthG des Vaters gesichert sei, kommt es hierauf schon deshalb nicht an, weil dieser Nachweis zu dem maßgeblichen Zeitpunkt nicht vorlag. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Anstellung der Prognoseentscheidung ist schließlich – wie bereits ausgeführt – der Zeitpunkt der Ausreise und somit der 20. August 2018. Genauso wenig wie zwischenzeitlich aufgenommene Beschäftigungsverhältnisse berücksichtigungsfähig sind kann eine nachgereichte Bestätigung nach § 68 AufenthG für die Prognoseentscheidung herangezogen werden. Maßgeblich ist schließlich alleine der Betrachtungszeitpunkt, zu welchem die Niederlassungserlaubnis erloschen ist. Diese lebt nicht etwa wieder dann auf, wenn entsprechende Unterlagen zwischenzeitlich nachgereicht worden sind. Ein Erlöschen der Niederlassungserlaubnis soll zwar vermieden werden, sofern die tatbestandlichen Voraussetzungen der Privilegierung vorliegen. Ein nachträgliches „Wiederaufleben“ der Niederlassungserlaubnis ist jedoch gesetzlich nicht vorgesehen. Im Lichte der Rechtssicherheit soll die Ausländerbehörde zu jedem beliebigen Zeitpunkt in der Lage sein, verbindlich festzustellen, ob die Niederlassungserlaubnis fortbesteht oder nach § 51 Abs. 1 AufenthG bereits erloschen ist. Dies ist aber nur möglich, wenn im Rahmen des § 51 Abs. 2 S. 1 AufenthG auf den Zeitpunkt des Eintritts der gesetzlichen Erlöschensvoraussetzungen abgestellt wird (Tanneberger/Fleuß in: BeckOK AuslR, 24. Ed. 1.11.2019, AufenthG § 51 Rn. 20b).
d) In dem maßgeblichen Zeitpunkt lag dem Landratsamt, welches eine entsprechende Prognoseentscheidung anzustellen hatte, jedoch nicht die entsprechende Bestätigung, sondern es lagen lediglich Gehaltsnachweise des Vaters vor. Diese mögen zwar die Möglichkeit dafür darlegen, dass der Vater grundsätzlich für den Lebensunterhalt der Klägerin aufkommen könnte. Da die volljährige Klägerin jedoch gegenüber ihrem Vater keinen gesetzlichen Unterhaltsanspruch mehr hat, hätte es des Nachweises einer freiwilligen Unterhaltszahlung bedurft. Es ist dazu zwar nicht zwingend eine formularmäßige Bestätigung zu verlangen (vgl. auch zur Möglichkeit des Nachweises freiwilliger Unterhaltszahlungen: VGH BW, U.v. 09.11.2015 – 11 S 714/15 – juris). Jedoch bedarf es der ausdrücklichen Bestätigung des sich Verpflichtenden, dass er für einen längeren Zeitraum nach Wiedereinreise für den Lebensunterhalt des ausgereisten Ausländers aufkommen wird. Diese ausdrückliche Bestätigung lag in dem vorliegenden Fall zu dem maßgeblichen Zeitpunkt jedoch nicht vor. Hierbei ist in den Blick zu nehmen, dass nach § 68 Abs. 2 Satz 2 AufenthG eine Bestätigung nach dieser Rechtsvorschrift nach Maßgabe des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes vollstreckbar ist. Grundlage einer entsprechenden Vollstreckung kann zwar auch eine private, nicht formularhafte, Erklärung sein. Diese muss jedoch ausdrücklich und möglichst schriftlich erfolgen, so dass die freiwilligen Unterhaltszahlung jederzeit realisieren lassen. Die Erklärung selbst muss sich hierbei auf belegbare Umstände beziehen (vgl. VGH BW, U.v. 09.11.2015 – 11 S 714/15 – juris Rn. 55). Von dem Vater der Klägerin lag der Behörde jedoch erst während des gerichtlichen Verfahrens im Juli 2019 – und mithin nach dem zuvor aufgezeigten maßgeblichen Zeitpunkt – eine verwertbare Bestätigung und somit verspätet vor, welches nicht wieder zu einem Wiederaufleben der bereits mit Ausreise im August 2018 erloschenen Niederlassungserlaubnis führen kann. Zuvor lagen zwar die Umstände in Gestalt der Gehaltsabrechnungen vor; nicht jedoch die maßgebliche Erklärung des Vaters, dass dieses Geld auch tatsächlich zur Sicherung des Lebensunterhaltes seiner Tochter in dem Falle einer Wiedereinreise aufgewandt werden sollte. Das Gericht kann daher auch offenlassen, ob unter Berücksichtigung des Gehalts des Vaters eine positive Prognose hätte getroffen werden können.
Zwar kann die die Prognoseentscheidung treffende Behörde keine dem § 68 AufenthG entsprechende Bestätigung zwingend verlangen (vgl. VGH BW, U.v. 09.11.2015 – 11 S 714/15 – juris Rn. 54 ff.), da auch eine Erklärung, dass freiwillig Unterhalt geleistet werde, grundsätzlich genügt. Der Behörde kann jedoch kein Vorwurf dahingehend gemacht werden, sie habe die Klägerin nicht darauf hingewiesen, dass eine entsprechende Bestätigung benötigt werde. Vielmehr hat das Landratsamt Altötting der Klägerin mit Schreiben vom 9. August 2018 – und somit vor dem maßgeblichen Zeitpunkt der Ausreise der Klägerin aus dem Bundesgebiet – mitgeteilt, dass das Landratsamt „eine Bestätigung [des Vaters der Klägerin], dass dieser für [deren] Lebensunterhalt in der Türkei“ aufkommt, benötige. In diesem Zusammenhang ist unerheblich, dass das Landratsamt, wie in der mündlichen Verhandlung von dem Behördenvertreter angegeben, „unglücklich formuliert“ mitteilte, dass sich die Sicherung des Lebensunterhalts auf die Türkei beziehen solle und nicht auf die erneute Wiedereinreise nach Deutschland. Vielmehr ist ausschlaggebend, dass von dem Vater keinerlei Bestätigung oder Erklärung abgegeben worden ist und die von der Klägerin eingereichten Unterlagen nicht den Anforderungen an den Nachweis der Sicherung des Lebensunterhaltes entsprechen.
Erst mit Schreiben vom 18. Dezember 2018 übermittelte die Klägerin eine weitere Lohnabrechnung ihres Vaters und zum 22. Juli 2019 – erst nahezu ein Jahr nach dem maßgeblichen Prognosezeitpunkt – legte sie die Bestätigung ihres Vaters vor, dass dieser für ihre Lebensunterhaltssicherung aufkommen werde. Dies führte jedoch, wie bereits dargelegt, nicht zu einem Wiederaufleben der bereits von Gesetzes wegen durch die Ausreise in die Türkei erloschenen Niederlassungserlaubnis.
3. Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrecht der Antragstellerin. Auch nach Art. 7 ARB 1/80 (Assoziationsabkommen EWG/Türkei) ist das Aufenthaltsrecht durch die nicht nur vorübergehende Verlagerung des Lebensmittelpunktes erloschen.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erlischt ein Aufenthaltsrecht aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 nur dann, wenn es gemäß Art. 14 ARB 1/80 rechtmäßig aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit beschränkt wurde oder wenn der Rechtsinhaber das Gebiet des aufnehmenden EUMitgliedstaats für einen nicht unerheblichen Zeitraum und ohne berechtigte Gründe verlässt (vgl. EuGH, U.v. 16.3.2000 – Ergat, C-329/97 – juris Rn. 45 ff.; EuGH, U.v. 8.12.2011 – Ziebell, C-371/08 – juris Rn. 49). Ob ein türkischer Staatsangehöriger das Bundesgebiet für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen und dadurch sein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht verloren hat, richtet sich danach, ob er seinen Lebensmittelpunkt aus Deutschland wegverlagert hat. Je länger der Auslandsaufenthalt des Betroffenen andauert, desto eher kann von der Aufgabe seines Lebensmittelpunktes in Deutschland ausgegangen werden. Ab einem Auslandsaufenthalt von ungefähr einem Jahr müssen gewichtige Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sein Lebensmittelpunkt noch im Bundesgebiet ist (vgl. BVerwG, U.v. 25.3.2015 – 1 C 19.14 – BVerwGE 151, 377ff.; LS 1 und 2 in Fortentwicklung von BVerwG, U.v. 30.4.2009 – 1 C 6.08 – BVerwGE 134, 27).
Auch anhand dieses Maßstabes ist das Aufenthaltsrecht der Klägerin erloschen, da sie ihren Lebensmittelpunkt spätestens nach Anmeldung ihrer Tochter zur Schule in der Türkei und die dazu erfolgte Ausreise zu ihrem dort bereits lebenden türkischen Ehemann verlagert hat. Etwas anders ergibt sich auch nicht unter Heranziehung europarechtlicher Normen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann der nicht nach Gründen für eine Ausreise differenzierende Mindestzeitrahmen nach Art. 16 Abs. 4 der RL 2004/38/EG (RL 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten) nicht als Mindestzeitraum für den Verlust assoziationsrechtlicher Aufenthaltsrechte türkischer Staatsbürger herangezogen werden (BVerwG, U.v. 25.3.2015 – 1 C 19.14 – juris Rn. 19f.). Dieser Zeitrahmen ist nach der insofern einschlägigen Rechtsprechung lediglich als ein Orientierungsrahmen zu begreifen (BVerwG, U.v. 30.4.2009 – 1 C 6.08 – BVerwGE 134, 27). Maßgeblich ist mithin auch in diesem Zusammenhang alleine, ob eine Verlagerung des Lebensmittelpunktes stattgefunden hat. Hinzu kommt, dass die Klägerin zu dem für die Feststellung maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht darlegen konnte, den Lebensmittelpunkt weiterhin in Deutschland zu haben. Vielmehr stellte es sich dem Gericht so dar, dass die auch zu dem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in der Türkei weilende Klägerin vielmehr Deutschland nur noch zu Besuchszwecken aufsucht.
4. Die Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung ist auch ansonsten rechtmäßig. Die Klägerin ist – sofern sie sich wieder in Deutschland ohne ein entsprechendes Visum aufhalten sollte – ausreisepflichtig (§ 50 Abs. 1 AufenthG), da ihr Aufenthaltstitel in Gestalt der Niederlassungserlaubnis erloschen ist. Die Ausreisepflicht ist auch vollziehbar (§ 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG). Da die Klägerin nicht mehr in dem Besitz des Aufenthaltstitels ist, war eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Verlangens einer Herausgabe des Aufenthaltstitels (Ziff. 3 des Bescheids) vorliegend nicht veranlasst.
III.
Aus vorbezeichneten Gründen ist die Klage unbegründet und wies bereits bei Klageerhebung keine Aussicht auf Erfolg auf, so dass auch der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abzulehnen war. Nach § 166 VwGO in Verbindung mit §§ 114 ff. ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag jedoch nur dann Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
IV. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung.