Europarecht

Erstbegehungsgefahr bei Erlass einer Anti-Suit-Injunction

Aktenzeichen  7 O 14276/20

Datum:
25.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2021, 3995
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
PatG § 143
ZPO § 936, § 928, § 929 Abs. 2
BGB § 23, § 1004

 

Leitsatz

Tenor

1. Die einstweilige Verfügung des Landgerichts München I vom 09. November 2020 wird bestätigt.
2. Die Verfügungsbeklagten haben als Gesamtschuldner auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Über die Ordnungsmittelanträge wird gesondert durch Beschluss im Bürowege entschieden werden.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die einstweilige Verfügung ist zu bestätigen, weil nach wie vor das Vorliegen eines Verfügungsgrundes und eines Verfügungsanspruchs glaubhaft gemacht ist. Die in Indien und China anhängigen Verfahren stehen der Verneinung einer anderweitigen Rechtshängigkeit bzw. der Bejahung eines Rechtsschutzbedürfnisses nicht entgegen. Die einstweilige Verfügung wurde auch rechtzeitig gegenüber allen vier Verfügungsbeklagten vollzogen.
Über die Ordnungsmittelanträge wird gesondert durch Beschluss im Bürowege entschieden werden. Insoweit wird den Schuldnern eine weitere Stellungnahmefrist eingeräumt werden.
A. Zuständigkeit
Das Landgericht München I ist international, örtlich und sachlich zuständig. Funktionell ist die Patentstreitkammer zur Entscheidung berufen.
I. Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 143 PatG. Bei einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung (nachfolgend: AASI), die gegen die Beantragung und/oder Vollstreckung einer von einem ausländischen Gericht erlassenen oder zu erlassenden Anti-Suit-Injunction (nachfolgend: ASI) gerichtet ist, handelt es sich, soweit durch die ASI Patentverletzungsklagen oder Anträge auf Erlass einer AASI unterbunden worden sollen, um eine Patentstreitsache (LG München I BeckRS 2019, 25536 Rn. 40-42). Beantragung, Erlangung und Vollstreckung derartiger ASIs greifen, wenn sie mit dem Ziel, die Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen wegen Patentverletzung im Inland zu verhindern, auf andere Art und Weise rechtwidrig in die eigentumsähnliche Rechtsposition der Verfügungsklägerinnen an ihren in der Bundesrepublik Deutschland validierten Patenten ein und stellen daher unerlaubte Handlungen im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB dar (OLG München GRUR 2020, 379), die (auch) auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und damit auch im OLG Bezirk München begangen werden, so dass die örtliche Zuständigkeit und mit ihr auch die internationale Zuständigkeit des Landgerichts München I aus §§ 937, 32 ZPO i.V.m. § 38 Nr. 1 BayGZVJu folgt. Im Übrigen haben sich die Verfügungsbeklagten rügelos auf das hiesige Verfahren eingelassen, §§ 937, 39 ZPO.
II. Damit ergibt sich auch die funktionelle Zuständigkeit der Patentstreitkammer, die im Übrigen auch unabhängig hiervon daraus folgen würde, dass über die Anträge bereits vor der Patentstreitkammer mündlichen verhandelt worden ist (Ziffer 12.1 GVP 2021 des LG München I).
B. Einhaltung der Vollziehungsfrist
Die Vollziehungsfrist der §§ 936, 928, 929 Abs. 2 ZPO wurde in Bezug auf alle vier Verfügungsbeklagten eingehalten.
I. Die einstweilige Verfügung des Landgericht München I vom 9. November 2020 wurde den anwaltlichen Vertretern der Verfügungsklägerinnen am 11. November 2020 zugestellt. Die Vollziehungsfrist endete daher mit Ablauf des 11. Dezember 2020.
II. Die einstweilige Verfügung des Landgericht München I wurde der Verfügungsbeklagten zu 4) über deren inländische Zweigniederlassung am 18. November 2020 im Parteibetrieb wirksam und rechtzeitig zugestellt, §§ 21, 192 ZPO. Da hierüber kein Streit besteht sind keine weiteren Ausführungen veranlasst.
III. Die Vollziehungsfrist wurde aber auch gegenüber den Verfügungsbeklagten zu 1) bis 3) eingehalten.
1. Dies folgt jedenfalls aus der Stellung des Antrags auf Auslandszustellung am 3. Dezember 2020 und dem rechtzeitigen Bereitstellen der hierzu notwendigen Übersetzungen am 11. Dezember 2020. Denn die vom Gesetz angeordnete Vollziehungsfrist bedeutet nicht, dass die Vollziehung innerhalb der Frist bewirkt, die Zwangsvollstreckung also abgeschlossen sein muss. Vielmehr reicht es aus, dass der Gläubiger die Zwangsvollstreckungsmaßnahme fristgerecht beim zuständigen Vollstreckungsorgan beantragt hat und hierauf die Zwangsvollstreckung, wenn auch erst nach Fristablauf, ohne von Gläubiger zu vertretende Verzögerungen eingeleitet wurde, was entsprechend auch für den Fall notwendiger Auslandszustellungen auf dem Rechtshilfeweg gilt (Mayer in BeckOK ZPO, Vorwerk/Wolf 39. Edition, Stand: 01.12.2020, § 929 Rn. 18 mwN). Darauf, ob die eingeleiteten Zustellungen im Rechtshilfewege letztendlich im konkreten Fall erfolgreich sein werden, kommt es aufgrund des eingelegten Widerspruchs nicht mehr an. Die Ersuchen sind am 19. Januar 2021 (dennoch) zum Teil (weiterer Zustellversuch an die Verfügungsbeklagte zu 4) unter der Adresse in Hong Kong) in Auslauf gegeben worden (Bl. 180)). Bis zum 24. Februar 2021 ist keine Empfangsbestätigung oder Zustellbestätigung zu den Akten gelangt. Ebenfalls unbeachtlich ist insoweit, ob oder ob nicht der Weg der Auslandszustellung über ein Rechtshilfeersuchen gerichtet an chinesische Behörden derzeit überhaupt Erfolg verspricht.
2. Die Einhaltung der Vollziehungsfrist folgt aber auch – hilfsweise – aus dem rechtzeitig am 20. November 2020 gestellten Antrag auf öffentliche Zustellung gem. § 185 Nr. 3 ZPO, weil deren Voraussetzungen sowohl im Zeitpunkt des Antrages als auch im Zeitpunkt der Bewilligung am 30. November 2020 und Durchführung im Zeitraum vom 07. Dezember 12 bis 13. Januar 2021 vorgelegen haben (vgl. Mayer in BeckOK ZPO, Vorwerk/Wolf 39. Edition, Stand: 01.12.2020, § 929 Rn. 18 aE mwN). Auslandszustellung über ein Rechtshilfeersuchen gerichtet an chinesische Behörden versprechen in Patentstreitsachen, insbesondere betreffend einstweilige Verfügungen, die gegen eine chinesische ASI gerichtet sind, derzeit keinen bzw. keinen hinreichend schnellen Erfolg.
a. Die Zustellung kann nach § 185 Abs. 3 Nr. 2 ZPO durch öffentliche Bekanntmachung (öffentliche Zustellung) erfolgen, wenn eine Zustellung im Ausland nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht. Die Zustellung im Ausland muss demnach unausführbar oder nicht erfolgversprechend sein. Unausführbar ist die Auslandszustellung, wenn ein Rechtshilfeabkommen mit dem betreffenden Staat nicht besteht oder die ersuchte Behörde die Rechtshilfe verweigert. Voraussichtlich erfolglos ist sie, wenn nach ihrer Einleitung in absehbarer Zeit mit der Erledigung nicht gerechnet werden kann (Dörndorfer in BeckOK ZPO, Vorwerk/Wolf, 39. Edition, Stand: 01.12.2020, § 185 ZPO Rn. 6 mwN). Eine Zustellung im Ausland ist insbesondere auch dann nicht erfolgsversprechend, wenn ihre Durchführung einen derart langen Zeitraum in Anspruch nähme, dass ein Zuwarten der die Zustellung betreibenden Partei nicht zugemutet werden kann (BGH NJW-RR 2009, 855 Rn. 13; BAG NZWRR 2015, 546, OLG München GRUR-RR 2020, 511 Rn. 10; Häublein/Müller in MüKo ZPO, 6. Aufl. 2020, § 185 Rn. 21; Stöber in Zöller ZPO, 33. Aufl. 2020, § 185 Rn. 7). Der Zweck des § 185 Nr. 3 ZPO liegt darin, den Anspruch auf Justizgewährung für den Kläger zu sichern, wenn auf anderem Wege eine Zustellung nicht durchführbar ist (BGH, NJW-RR 2009, 855 Rn. 13 m.w.N.). Das Gebot, wirkungsvollen Rechtsschutz zu gewähren, erfordert, dass dieser Schutz in angemessener Zeit zu erlangen ist (BGHZ 106, 336, I.4.).
b. Die Volksrepublik China ist Vertragsstaat des Übereinkommens über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen (HZÜ) vom 15.11.1965 (BGBl. 1977 II S. 1452). Nach den der Kammer derzeit vorliegenden Erkenntnissen muss aber davon ausgegangen werden, dass die für eingehende Zustellersuchen zuständigen chinesischen Behörden die Zustellung von gerichtlichen Ladungen und Verfügungen, insbesondere in Patentstreitsachen, seit Jahren verweigern und/oder erheblich verzögern:
aa. So ergibt sich bereits aus der von den Verfügungsklägerinnen eingereichten Übersicht des Auswärtigen Amts vom 01. Juli 2020 (Anlage AR21), dass bei Zustellungen in China mit „längeren Erledigungszeiten“ zu rechnen sei. Anders als bei anderen Ländern kann nicht einmal ein Zeitraum angeben werden.
bb. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz teilte in einem Schreiben vom 28. Mai 2018 mit, dass es im Rechtshilfeverkehr mit China zu Schwierigkeiten komme. Trotz mehrmaliger Erinnerungen und Sachstandsanfragen erfolgten in allen Fällen entweder überhaupt keine Reaktion oder die Ersuchen würden nach Monaten oder Jahren mit dem Hinweis auf Fehler zurückgesandt. Auch eine nochmalige Übermittlung auf diplomatischem Wege nach Art. 9 HZÜ hätten bisher keinen Erfolg gebracht.
cc. Mit Schreiben vom 08. November 2019 wurde seitens des Bayerischen Staatsministerium der Justiz mitgeteilt, dass die Schwierigkeiten anhielten, mit der chinesischen Seite aber vereinbart worden sei, dass das ersuchende Gericht nach einem Monat gerichtet an eine Frau Li (lvylee319@vip.sins.com) per E-Mail in englischer Sprache nachfragen dürfe, ob das Ersuchen angekommen sei. Nach Ablauf von vier bis sechs Monate nach Versendung des Ersuchens könnte dort auch eine Sachstandsanfrage gestellt werden. Diese E-Mail-Adresse ist aber nach Auskunft des zuständigen Rechtspflegers seit geraumer Zeit nicht erreichbar. Dorthin gerichtete Sachstandsanfragen könnten daher nicht übermittelt werden. Auch ein erneuter Test dieser E-Mail-Adresse am 24. Februar 2021 durch den Vorsitzenden verlief negativ (vgl. Ausdrucke vom 24.02.2021 bei der Akte).
dd. Nach Feststellungen des OLG München in einem Urteil vom 13. März 2020 nehmen Zustellungen im Wege der Rechtshilfe in China aber immer noch mindestens eineinhalb Jahre, ggf. auch deutlich länger, in Anspruch. Manche Gesuche würden sogar nach wie vor unerledigt zurückgeleitet (OLG München GRUR-RR 2020, 511, Rn. 11).
ee. Diese Feststellungen des OLG München decken sich mit den aktuellen Erfahrungen des Landgerichts München I.
(1) So wurde am 13. Mai 2020 ein Ersuchen gerichtet auf die Zustellung einer Klage in Hong Kong von den chinesischen Behörden in Gänze mit dem Hinweis unerledigt zurückgesandt, dass – anders als in denen vom Gericht stammenden Schriftstücken – in dem beiliegenden deutschsprachigen Original der Klageschrift das Land des Zustellempfängers mit „Hong Kong“ und nicht mit „Hong Kong, Special Administrative Region (SAR), China“ angegeben worden sei.
In Art. 4 HZÜ ist zwar vorgesehen, dass die Zentrale Behörde des ersuchten Staates, wenn sie der Ansicht ist, dass der Antrag nicht dem Übereinkommen entspricht, die ersuchende Stelle unverzüglich unterrichtet und dabei die Einwände gegen den Antrag einzeln anführt. Eine Ablehnung der Erledigung eines Zustellungsantrags, und dabei handelt es sich faktisch bei der unerledigten Rücksendung eines Ersuchens mit der hier angegebenen Begründung, ist nach Art. 13 Abs. 1 HZÜ aber nur dann zulässig, wenn der ersuchte Staat sie [die Zustellung] für geeignet hält, seine Hoheitsrechte oder seine Sicherheit zu gefährden. Letzteres wurde von den chinesischen Behörden nicht einmal geltend gemacht und liegt auch der Sache nach fern. Durch die Bezeichnung „Hong Kong“ ist der Adressat der Zustellung eindeutig zu identifizieren. Die Hoheitsrechte der Volksrepublik China werden durch die Zustellung einer Klage, die im deutschen Original diese und im Übrigen durchweg die aus chinesischer Sicht zutreffende Bezeichnung aufweist, nach Auffassung der Kammer nicht beeinträchtigt. Es kommt hinzu, dass gem. §§ 133 Abs. 1 Satz 1; 271 Abs. 1 ZPO; Art. 3 Abs. 2 HZÜ zwingend Abschriften der Original-Klageschrift samt Übersetzungen zuzustellen sind. Mithin kommt diese Praxis der chinesischen Behörden auch unter diesem Gesichtspunkt einer vollständigen Verweigerung der Rechtshilfe durch die chinesischen Behörden in Bezug auf dieses Verfahren gleich. Denn die Klagepartei wäre gezwungen, die Klage zurückzunehmen und neu, diesmal mit einer den chinesischen Behörden genehmen Bezeichnung des Landes des Zustellempfängers auf der deutschen Original-Klageschrift, einzureichen. Bei der schlichten Einreichung einer verbesserten Version der Klageschrift für die Zwecke der Zustellung liefe die Klagepartei Gefahr, dass die beklagte Partei später (zu Recht) rügt, dass ihr eine Abschrift der ursprünglich eingereichten Klageschrift nicht zugestellt worden sei.
(2) Am 28. Dezember 2020 wurde ein Ersuchen gerichtet auf die Zustellung an eine von mehreren Parteien in Hong Kong, SAR, China, ebenso unerledigt zurückgeschickt, diesmal mit dem Hinweis, dass in der mit zuzustellenden Abschrift der deutschen Klageschrift bei der Adresse einer anderen Partei die Bezeichnung „Taiwan (R.O.C.)“ statt „Taiwan, China“ zu finden sei (Az. 21 O 1561/20)
(3) Der zuständige Rechtspfleger des Landgerichts München I teilte dem Vorsitzenden am 28. Mai 2019 mit, dass bis zu diesem Zeitpunkt nur ein Zustellersuchen nach China erfolgreich gewesen sei. Dieses sei am 08. September 2015 versandt und am 18. Dezember 2017 zugestellt worden. Die Zustellurkunde sei am 16.Oktober 2018 in Rücklauf gekommen.
(4) Auf aktuelle Nachfrage im Zusammenhang mit diesem Verfahren teilte der zuständige Rechtspfleger mit, dass sich hieran sich bis dato nichts geändert habe. Seit einiger Zeit würden zwar Zustellersuchen nach China über das Bayerische Staatsministerium der Justiz geleitet und von diesem weiter betreut. Auf die Erfolgsaussichten oder die Laufzeit habe dies aber bis dato keinen durchgreifenden Einfluss gehabt. Es sei nur eine weitere erfolgreiche Zustellung hinzugekommen. Diese habe in etwa ein Jahr in Anspruch genommen.
c. Anderweitige Bemühungen seitens der hiesigen Verfügungsklägerinnen, an die Verfügungsbeklagten zu 1) bis 3) im Inland zuzustellen, hatten keinen Erfolg. Die anwaltlichen Vertreter der Verfügungsklägerinnen hatten bei dem aus dem Markt bekannten Prozessbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten in einem anderen vor dem Landgericht München I anhängigen Verfahren in Telefonaten am 13. und 16. November 2020 erfolglos angeregt, Zustellungen gegen Gesellschaften der X-Gruppe entgegen zu nehmen. Der betreffende Rechtsanwalt hatte aber nach einer telefonischen Rückfrage beim Vorsitzenden (vgl. Aktenvermerk vom 17.11.2020) mitgeteilt, dass er sich derzeit nur für in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Unternehmen der X-Gruppe bestellen könne.
d. Mithin war das (alleinige) Beschreiten des formelle Rechthilfewegs nach China entweder unmöglich, weil sich die chinesischen Behörden von der rechtskonformen Anwendung des HZÜ losgesagt haben. Oder er war unter den Umständen des vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahrens jedenfalls nicht erfolgversprechend. Eine besondere Eilbedürftigkeit des vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahrens ergibt sich hier bereits aufgrund der in der chinesischen ASI enthaltenen hohen Strafandrohung von umgerechnet € 126.000,00 pro Tag. Diese betrifft den Wortlaut nach zwar nicht die Verfügungsklägerinnen selbst, jedoch andere Unternehmen aus der ID-Gruppe. Sie wirkt sich so indirekt erheblich auf die Handlungsfreiheit der Verfügungsklägerinnen als diejenigen Unternehmen aus, die innerhalb der ID-Gruppe die streitgegenständlichen Patente halten. Effektiver Rechtsschutz würde aufgrund der oben geschilderten Umstände durch Verweisung auf eine Auslandszustellung in China vereitelt.
Bei Einhaltung des im Schreiben vom 08. November 2019 mitgeteilten Procederes (Rechtshilfeersuchen, frühestens nach vier Monaten Nachfrage per E-Mail) wären unabhängig davon, dass die mitgeteilte E-Mail-Adresse derzeit tot ist, nach vier Monaten aber bereits Zwangsgelder in Höhe von 15.480.000,00 € angefallen ohne dass sichergestellt wäre, dass bis zu diesem Zeitpunkt auch eine erfolgreiche Zustellung gelungen wäre. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen erscheint dies vielmehr als ausgeschlossen. Bei einer solchen Sachlage überwiegen, auch unter Berücksichtigung des Rechts auf rechtliches Gehör des Prozessgegners, die Interessen der Gläubigerin an effektivem Rechtsschutz. Gerade bei einer einstweiligen Verfügung gerichtet gegen eine ausländische ASI mit Zwangsgeldandrohung würde der Justizgewährungsanspruch der Gläubigerin leerlaufen, würde man trotz der bekannten Probleme bei der Zustellung in China im Wege der Rechtshilfe ein vorheriges Scheitern eines konkreten Rechtshilfeersuchens fordern (vgl. OLG München GRUR-RR 2020, 511, Rn. 11 zur Entbehrlichkeit einer vorherigen Anhörung im Rahmen des § 891 Satz 2 ZPO per Rechtshilfeersuchen).
e. Auch im vorliegenden Verfahren enthält das Original der Antragsschrift vom 30. Oktober 2020 im Rahmen der Benennung einer weitere Zustelladresse für die Verfügungsbeklagte zu 4) die Bezeichnung „Hong Kong“ statt „Hong Kong, Special Administrative Region (SAR), China“. Auch wenn die Verfügungsklägerinnen dies mit Schriftsatz vom 05. November 2020 (Bl. 51) korrigiert haben, ist nach wie vor das Original der Antragsschrift zuzustellen, so dass die oben wiedergegebene Reaktion der chinesischen Behörden droht. Die Verfügungsklägerinnen haben dieses Risiko mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2020 (Bl. 105) gesehen und in Kauf genommen, weil ihrer Meinung nach keine andere Möglichkeit bestehe, den Fehler noch anderweitig zu korrigieren, ohne unrichtige oder nicht vollständige Dokumente zuzustellen.
f. Im Übrigen wurde das rechtliche Gehör der Verfügungsbeklagten zu 1) bis 3) trotz der angeordneten und durchgeführten öffentlichen Zustellung gewahrt.
Soweit eine öffentliche Zustellung angeordnet wird, ist der Adressat nämlich dennoch zur Wahrung des rechtlichen Gehörs, soweit möglich, (formlos) über die öffentliche Zustellung zu unterrichten (Dörndorfer in BeckOK ZPO, Vorwerk/Wolf, 39. Edition, Stand: 01.12.2020, § 185 ZPO Rn. 6 mwN).
Diesem Erfordernis wurde vorliegend genüge getan. Den Verfügungsbeklagten wurde im indischen Verfahren – unstreitig – spätestens am 19. November 2020 eine Übersetzung der einstweiligen Verfügung vom 9. November 2020 ausgehändigt. Aufgrund der oben geschilderten informellen Zustellbemühungen über den in Deutschland in einem anderen Verfahren beauftragten Rechtsanwalt war den Verfügungsbeklagten zu 1) bis 3) auch bewusst, dass eine öffentliche Zustellung in Betracht kommt. Spätestens mit Akteneinsicht durch den hiesigen Prozessvertreter im Zeitraum vom 17. Dezember 2020 bis 18. Dezember 2020 (Bl. 108), damals noch allein die Verfügungsbeklagte zu 4) vertretend, war auch den Verfügungsbeklagten zu 1) bis 3) bekannt, dass die öffentliche Zustellung am 30. November 2020 angeordnet und am 07. Dezember 2020 begonnen worden war. Denn der Prozessvertreter hatte sich mit Schriftsatz vom 21. Januar 2021 (Bl. 194/218) auch formell für die Verfügungsbeklagten zu 1) bis 3) bestellt.
g. Mithin verbleibt bei den Verfügungsbeklagten zu 1) bis 3) als Beeinträchtigung die im Vergleich zu einer Rechthilfezustellung bestehende Möglichkeit, dass die Öffentlichkeit von der öffentlichen Zustellung Kenntnis nehmen konnte. Dieser Gesichtspunkt verblasst aber in Abwägung mit den oben angeführten Interessen der Verfügungsklägerinnen an der Möglichkeit, ihre Patente in der Bundesrepublik Deutschland durchsetzen zu können. Ferner hat mittlerweile eine öffentliche Widerspruchsverhandlung stattgefunden. Anträge auf Ausschluss der Öffentlichkeit haben die Verfügungsbeklagten hierbei nicht gestellt, sodass angenommen werden kann, dass der Umstand, dass gegen sie die vorliegende einstweilige Verfügung ergangen und öffentlich zugestellt worden ist, nicht geheimhaltungsbedürftig ist.
h. Die Zustellungen an die Verfügungsbeklagten zu 1) bis 3) gelten daher jedenfalls als ab dem 08. Januar 2021 im Wege der öffentlichen Zustellung bewirkt, § 188 Satz 1 ZPO. Damit wurde die einstweilige Verfügung auch auf diesem Weg rechtzeitig vollzogen.
C. Rechtsschutzbedürfnis und keine anderweitige Rechtshängigkeit
I. Für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung fehlt es auch nicht am Rechtsschutzbedürfnis. Das Rechtsschutzbedürfnis als allgemeine Prozessvoraussetzung ergibt sich in der Regel aus der Nichterfüllung des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs. Es fehlt, wenn der Kläger sein Rechtsschutzziel auf einfacherem und billigerem Wege erreichen kann oder bereits erreicht hat.
1. Der Argumentation Xs, die sie im indischen nicht aber im deutschen Verfahren haben vortragen lassen (Anlage AR 26 S. 28 Ziffer 24), es fehle ID am Rechtsschutzbedürfnis, weil sie darauf zu verweisen seien, sich gegen die ASI im Rahmen des Reconsideration-Verfahrens in China zu verteidigen, kann aus den vom Oberlandesgericht München im Urteil vom 12. Dezember 20219 niedergelegten Gründen (GRUR 2020, 379 Rn. 51, 68 ff.) nicht gefolgt werden. Es ist auch im vorliegenden Verfahren nicht zu erwarten, dass die grundrechtlich geschützten eigentumsähnlichen Rechte der Verfügungsklägerinnen an ihren Patenten und damit auch die Möglichkeit, wegen deren behaupteter Verletzung Patentverletzungsverfahren im Erteilungsstaat einzuleiten, durch die chinesischen Gerichte hinreichend gewahrt werden. Denn auch wenn die ASI im Heimatstaat als ein zulässiges prozessuales Mittel angesehen wird, so stellt sie sich aus der allein maßgeblichen Sicht des deutschen Rechts als rechtwidriger Eingriff in die eigentumsähnlich geschützte Rechtsposition des Patentinhabers dar (vgl. OLG München GRUR 2020, 379 Rn. 5-7). Es sind zwar Fälle denkbar, in denen das die ASI erlassende Gericht auch den Boden der eigenen Rechtsordnung verlassen hat und deswegen ein innerstaatlicher Rechtsbehelf zu einer Überprüfung und Korrektur führen könnte. Die Berücksichtigung einer solchen Möglichkeit der Korrektur durch das ausländische Erlassgericht oder die diesem übergeordneten ausländischen Gerichte innerhalb des deutschen einstweiligen Verfügungsverfahrens würde aber zu erheblicher Rechtsunsicherheit für die rechtssuchenden Patentinhaber führen und eine nur schwerlich anzustellende Prognose erforderlich machen, ob dem Rechtsbehelf im Ausland im konkreten Einzelfall eine Erfolgswahrscheinlichkeit zuzusprechen ist oder eher nicht.
Im Erlassstaat anhängige Rechtsmittel gegen eine ASI lassen das Rechtsschutzbedürfnis nicht in Wegfall kommen und begründen auch keine anderweitige Rechtshängigkeit. Augenscheinlich sind zwar beide Verfahren auf dasselbe Rechtsschutzziel gerichtet und stellen insoweit das jeweilige kontradiktorische Gegenteil dar. Selbst eine Aufhebung der ASI würde aber die aus deutscher Sicht einmal begründete Wiederholungsgefahr nicht entfallen lassen. Die einmal begründete Wiederholungsgefahr entfällt nämlich regelmäßig nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Ohne diese wäre der Antragsteller der ASI nicht gehindert, einen erneuten Antrag auf Erlass einer ASI zu stellen.
Unabhängig hiervon ist nach der Ratio der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26. Oktober 1983 (NJW 1983, 1269) aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes für von ASIs betroffene Patentinhaber aber in jedem Fall eine Ausnahme zuzulassen, weil die Patentinhaber das ausländische Verfahren auf Erlass einer ASI nicht selbst angestrengt haben und andernfalls eine unzumutbare Beeinträchtigung des Rechtsschutzes erleiden müssten.
2. Erst recht fehlt dieses Rechtsschutzbedürfnis nicht mit Blick auf das chinesische Hauptsacheverfahren. Dieses ist allein auf die gerichtliche Feststellung einer globalen Portfolio FRAND-Lizenzgebühr gerichtet. Selbst bei Klageerfolg ergäbe sich dadurch keine vertragliche Lizenzeinräumung zu Gunsten Xs und damit auch zu Gunsten der Verfügungsbeklagten, die die Rechtswidrigkeit einer festgestellten Patentbenutzung entfallen lassen könnte. Der für die Zwecke der hiesigen Entscheidung zu unterstellende andauernde rechtwidrigen Zustand der vielfachen Verletzung der Patente der Verfügungsklägerinnen in der Bundesrepublik Deutschland durch X würde damit also nicht beendet. Eine chinesische Entscheidung wäre in der Bundesrepublik Deutschland wohl auch nicht anerkennungsfähig. Denn dem chinesischen Gericht fehlt aus deutscher Sicht ganz offensichtlich die internationale Zuständigkeit für diese Feststellungklage gegen die ID-Beklagten, die sämtlich ihren Sitz in den Vereinigten Staaten von Amerika haben, soweit sich diese vor dem Gericht in Wuhan nicht rügelos zur Sache einlassen (§ 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
3. Das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses wird auch nicht durch das früher eingeleitete indische Verfahren auf Erlass einer AASI beeinträchtigt.
a. Zunächst ist festzustellen, dass die Verfügungsbeklagte zu 2 nicht Partei des indischen Verfahrens ist. Im indischen Verfahren gibt es auch, anders als im chinesischen, keine Bezugnahme auf „Affiliates“.
b. Das indische Verfahren betrifft, jedenfalls im Zeitpunkt des Schlusses der hiesigen mündlichen Verhandlung am 28. Januar 2021, allein Abwehrmaßnahmen gegen die chinesische ASI, soweit das indische Territorium betroffen ist. Die Verfügungsklägerinnen haben insoweit glaubhaft gemacht, dass im indischen Verfahren vor dem 28. Januar 2021 eindeutige dahingehende nachträgliche Erklärungen eingereicht worden sind. Unabhängig vom Streit der beiden Privatgutachter, ob nach dem indischen Prozessrecht insoweit die Regeln über die Klagerücknahme greifen und falls ja, ob noch eine gerichtliche Gestattung der Klagerücknahme zu erwirken ist (vgl. Anlage AR 2 Ziffer 3.14), ist dadurch dargetan, dass ID in Indien alles getan hat, um zu vermeiden, dass in Indien eine gerichtliche Entscheidung gerichtet auf eine Abwehrmaßnahme gegen die chinesische ASI mit Effekt für das Territorium der Bundesrepublik Deutschland noch ergehen kann (Anlage AR 29 Ziffer 4.24). Soweit noch eine gerichtliche Maßnahme zur Bewirkung einer endgültigen Antragsrücknahme erforderlich sein sollte, ist deren Unterbleiben nicht den Verfügungsklägerinnen anzulasten. Den diesbezüglichen als Parteivortrag zu wertenden Ausführungen des klägerischen Privatgutachters hat der Privatgutachter der Verfügungsbeklagten insoweit nichts Substantielles entgegengesetzt. Der Vortrag ist daher als unstreitig zu behandeln (§ 138 Abs. 3, 4 ZPO). Hiernach ist ID aufgrund der Erklärungen im indischen Verfahren gehindert, in Indien irgendwelche Anträge bezogen auf den Erlass oder die Aufrechterhaltung einer gegen die chinesische ASI gerichteten einstweiligen Verfügung mit Effekt für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland weiterzuverfolgen.
c. Darüber hinaus und unabhängig davon ist die Kammer nach Auswertung der vorgelegten Privatgutachten davon überzeugt, dass im indischen Prozessrecht, wie auch im deutschen Prozessrecht, das im Zweifel hilfsweise heranzuziehen wäre, Prozesserklärungen, Anträge und Entscheidungen der Auslegung zugänglich sind, und dass eine solche Auslegung der in Indien gestellten Anträge sowie der bereits ergangenen gerichtlichen Entscheidung vorliegend ergibt, dass trotz des Wortlauts der Anträge und trotz des finalen Elements in Antrag III., das auf eine vollständige Rücknahme des Antrages auf Erlass einer ASI abzielt, allein Maßnahmen mit Bezug auf das indische Territorium und zum Schutz der indischen Patente und des indischen Patentverletzungsverfahrens streitgegenständlichen waren und sind. Soweit der Privatgutachter der Verfügungsbeklagten als Anlass für eine derartige Auslegung eine Unklarheit fordert, liegt diese unproblematisch deswegen vor, weil der Wortlaut der in Indien gestellten Anträge auf eine vollständige Rücknahme der ASI abstellt, ohne dies auf das indische Territorium zu beschränken, gleichwohl aber in Antrag I. ein zeitlicher Bezug zu dem indischen Verfahren hergestellt und insgesamt allein mit den indischen Patenten und indischem Recht und dem Schutz des indischen Verfahrens argumentiert wird (vgl. Anlage AR 31). Mithin ist durch Auslegung zu ermitteln, wie dieser Antrag zu verstehen ist. Da ID zur Antragsbegründung allein mit ihren indischen Patenten, dem indischen Verfahren und mit indischen Rechtsvorschriften argumentierte, liegt es nahe anzunehmen, dass allein um Rechtsschutz für das Gebiet Indiens nachgesucht wird (vgl. Anlage AR 31 Ziffer 4.9). Insoweit wäre auch die Jurisdiktionsgewalt des indischen Gerichts auf das Territorium Indiens und die indischen Patente begrenzt (vgl. Anlage AR 31 Ziffer 4.19). Bestätigt wird dies durch die späteren eindeutigen Erklärungen IDs. In diesem Sinne ist auch Antrag III auszulegen, denn er wird nicht anders begründet. Selbiges ergibt sich für die “ad interim relief injunction” vom 9. Oktober 2020 (Anlagen AR13, AR26, HL1 S. 8-9 Nr. 9) sowie die mittlerweile überholte “ad interim relief injunction” vom 6. Oktober 2020 (Anlagen HL1 S. 7-8 Nr. 8). Beide gerichtliche Entscheidungen wurden vom indischen Richter allein mit dem Schutz des indischen Verfahrens betreffend die Verletzung der indischen Patente IDs und mit indischen Rechtsvorschriften begründet. Eine Bezugnahme auf ausländische Rechtsordnungen fehlt völlig. Aufgrund der zwar vorläufigen, aber in Bezug auf den grenzüberschreitenden Charakter sehr ausführlichen und sorgfältigen Begründung wären weitere Ausführungen zu erwarten gewesen, wenn der indische Richter eine grenzüberschreitende Verfügung hätte erlassen wollen, die über den Schutz des indischen Verfahrens und der indischen Patente, wenn auch mit Effekt auf das Gebiets Chinas, hinausgeht. Das Privatgutachten der Verfügungsbeklagten steht diesem Auslegungsergebnis schon deswegen nicht entgegen, weil der Privatgutachter allein die Frage beantwortet hat, ob der Effekt der in Indien beantragten einstweiligen Maßnahmen auf das Gebiet Indiens inhärent beschränkt ist oder nicht (vgl. Anlage HL 6a, Seiten 19, 32). In dieser Pauschalität wird dies von den Verfügungsklägerinnen überhaupt nicht in Zweifel gezogen, weil die Befolgung der Maßnahmen naturgemäß Handlungen oder ein Unterlassen auf dem Gebiet Chinas voraussetzen. Die maßgebliche und vom Privatgutachter aber nicht beantwortete Frage ist vielmehr, ob sich die in Indien beantragten Maßnahmen auch auf die Bundesrepublik Deutschland beziehen. Dies ist, wie gezeigt, zu verneinen.
d. Aufgrund dieses Auslegungsergebnisses ist davon auszugehen, dass eine eventuelle Teilrücknahme des Antrags auf Erlass einer ASI bezogen nur auf das Gebiet Indiens nicht als Verstoß gegen die indische AASI gewertet werden könnte. Diese Frage wurde von keinen der beiden Privatgutachter beantwortet. Dies kann vorliegend aber auch dahinstehen. Denn wie schon oben erläutert, würde selbst eine vollständige Rücknahme des Antrags auf Erlass einer ASI und/oder deren vollständige Aufhebung aus deutscher Sicht die Wiederholungsgefahr nicht entfallen lassen, wenn nicht auch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben wird.
e. Der Umstand, dass die hiesigen anwaltlichen Vertreter in der Antragsschrift unzutreffend bzw. unscharf vorgetragen haben, dass die im indischen Verfahren gestellten Anträge bei Erfolg auch die auf die Bundesrepublik Deutschland gerichteten Auswirkungen der chinesischen ASI neutralisiert hätten (Antragsschrift S. 19), ist ebenso unbeachtlich wie der von dieser Vorstellung geprägte Zwischenbeschluss der Kammer vom 3. November 2020. Denn nach § 296a ZPO ist allein maßgeblich, wie sich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung darstellt. Daher bedarf es vorliegend auch keiner weiteren Aufklärung, wie dieser unzutreffende bzw. unscharfe Vortrag zustande gekommen ist.
II. Aus den oben genannten Gründen liegt auch mit Blick auf das indische Verfahren keine doppelte Rechtshängigkeit vor. Die Frage, ob vorliegend die anderweitige Rechtshängigkeit im Ausland dem Verfahren im Inland ausnahmsweise nicht entgegensteht, weil die Verfügungsklägerinnen nach Lage des Falls durch die Sperrwirkung des ausländischen Verfahrens eine unzumutbare Beeinträchtigung des Rechtsschutzes erleiden würden (BGH NJW 1983, 1269), bedarf daher insoweit keiner Entscheidung.
III. Wie bereits vom Oberlandesgericht München (GRUR 2020, 379), geklärt, streitet für die Verfügungsbeklagten auch nicht der Grundsatz des prozessualen Privilegs (Rn. 67), weil die Beantragung einstweiliger Gegenmaßnahmen durch Notwehr gem. § 227 Abs. 1 BGB gerechtfertigt ist (Rn. 75) und vorliegend, wie ausgeführt, nicht damit gerechnet werden kann, dass die Interessen der Verfügungsklägerinnen an dem Schutz der Möglichkeit, Patentverletzungsverfahren in der Bundesrepublik Deutschland anhängig zu machen, durch das Gericht in Wuhan hinreichend gewahrt werden (Rn. 76). Weder das Völkerrecht (Rn. 82), noch das europäische Recht (Rn. 83 f.) stehen dem Erlass einer AASI entgegen.
D. Verfügungsanspruch
Die Verfügungsklägerinnen haben auch das Vorliegen eines Verfügungsanspruchs gegen alle vier Verfügungsbeklagten glaubhaft gemacht.
I. Die Beantragung einer ASI vor einem amerikanischen Gericht mit dem Ziel, die Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen wegen Patentverletzung in Deutschland zu verhindern, stellt eine Beeinträchtigung der eigentumsähnlichen Rechtsposition des Patentinhabers dar § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB (OLG München GRUR 2020, 379; LG München I BeckRS 2019, 25536 Rn. 52; Werner in: Busse/Keukenschrijver, PatG, 9. Auflage 2020, Vor § 139 Rn. 4, 85). Ebenso verhält es sich mit der Beantragung, Aufrechterhaltung und Vollstreckung einer ASI oder einer Entscheidung, die die Beantragung einer Entscheidung der vorliegenden Art (AASI) untersagt (AAASI), vor einem chinesischen Gericht. Für die Verfügungsklägerinnen streitet zusätzlich das Notwehrrecht gem. § 227 Abs. 1 BGB (OLG München GRUR 2020, 379 Rn. 75; Werner in: Busse/Keukenschrijver, PatG, 9. Auflage 2020, Vor § 139 Rn. 4, 85).
II. Beide Verfügungsklägerinnen haben glaubhaft gemacht, dass sie jeweils Inhaber von Patenten betreffend die von der chinesischen ASI adressiere 3G und 4G-Technologie in der Bundesrepublik Deutschland sind. Die chinesische ASI erstreckt sich nach dem Wortlaut und nach der Begründung nicht nur auf China, sondern beansprucht eine weltweite Geltung. Die Verfügungsklägerinnen zu 1) und 2) sind durch „and affiliates thereof“ in Ziffern 1-5 der chinesischen ASI betroffen, wenn auch nicht direkt durch die Zwangsmittelandrohung. Da aber durch die Zwangsmittelandrohung mit den Verfügungsklägerinnen konzernverbundene Unternehmen bedroht werden, wird mit ihr auch die Handlungsfreiheit der Verfügungsklägerinnen als diejenigen eingeschränkt, die im ID-Konzern die streitgegenständlichen standardessentiellen Patente halten.
III. Die Verfügungsbeklagten zu 1) bis 3) sind die Antragsteller der chinesischen ASI und damit vorliegend passivlegitimiert.
IV. 1. Auch die Verfügungsbeklagt zu 4) ist passivlegitimiert. Sie ist durch die Formulierung „and its affiliates“ in der chinesischen ASI mit angesprochen und daher von ihrer Reichweite umfasst. Nach dem Vortrag der Verfügungsklägerinnen hat sie als Konzernmutter die Antragstellung in China angestoßen und koordiniert und ist daher als Mittäterin anzusehen, zumal sie im indischen Verfahren selbst Partei ist und das indische Verfahren den Anlass für den Antrag in China geben hat. Soweit die Verfügungsbeklagte zu 4) dies bestreitet und unter Verweis der eidesstattlichen Versicherung des Z.Z. (Anlage HL ZV3) vorträgt, dass die Verfügungsbeklagte zu 4) bei der Feststellungklage in Wuhan keine Rolle gespielt habe, ist dies unsubstantiiert und unglaubhaft und daher unbeachtlich. Zum einen bezieht sich diese Erklärung nach dem Wortlaut nur auf das chinesische Hauptsacheverfahren und nicht auch auf das ASI-Verfahren. Soweit Rechtsanwalt Y. im Termin anwaltlich versichert hat, dass Herr Z.Z. in einem Telefonat mit ihm den Geltungsbereich dieser Erklärung auch auf das einstweilige Verfügungsverfahren erweitert habe, verbessert dies nicht die Glaubhaftmachung. Denn damit ist allenfalls glaubhaft gemacht, dass Herr Z.Z. eine solche Aussage in einem Telefonat getätigt hat, nicht aber, dass die Verfügungsbeklagte zu 4) nicht an dem ASI-Antrag beteiligt war. Unabhängig hiervon wäre die eidesstattliche Erklärung des Herrn Z.Z. mit einem solchen Verständnis auch nicht glaubhaft. Vor dem Hintergrund, dass die Verfügungsbeklagte zu 4) zusammen mit anderen Konzernunternehmen Beklagte des indischen Verfahrens ist, ist es ohne weitere Erläuterung fernliegend, dass sie als Konzernmutter nicht in den Entscheidungsprozess betreffend den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vor dem Gericht in Wuhan eingebunden war. Dies kann aber dahinstehen, denn unabhängig vom Grad der Glaubhaftmachung ist die Verfügungsbeklagte ihrer sie vorliegend treffenden sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen. Der Vortrag der Verfügungsklägerinnen ist daher als zugestanden anzusehen. Da sich die zugrunde liegenden Vorgänge und Entscheidungsprozesse naturgemäß der Kenntnis der Verfügungsklägerinnen entziehen, genügen diese ihrer Darlegungslast, wenn sie, wie geschehen, ausreichende Anhaltspunkte für eine gemeinsame Abstimmung vortragen mit der Folge, dass die Verfügungsbeklagte eine sekundäre Darlegungslast für die Behauptung trifft, dass eine solche Abstimmung nicht stattgefunden hat (vgl. BGH NJW 2019, 3638 Rn. 47; Urteil vom 26.01.2021 – VI ZR 505/19 Rn. 15 ff.; OLG München GRUR 2020, 379 Rn. 77 ff., 81 f.). Dieser sekundäre Darlegungslast ist die Verfügungsbeklagte zu 4) mit dem oben wiedergegebenen Vortrag nicht nachgekommen. Denn darin wird nicht offenbart, welche Personen handelnd für welche Unternehmen die Entscheidung getroffen haben, in China einen Antrag auf Erlass einer ASI zu stellen. Mithin ist für die Zwecke des vorliegenden Verfahrens davon auszugehen, dass die Verfügungsbeklagte zu 4) in die Beantragung und Aufrechterhaltung der chinesischen ASI maßgeblich als Mittäterin beteiligt war.
2. Auf außerhalb des vorliegenden Verfahrens der Kammer nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung bekannt gewordene Umstände, nämlich dass die Verfügungsbeklagte zu 4) nach eigenem Vortrag mit zwei großen USamerikanischen Unternehmen Lizenzverträge betreffend die 2G, 3G und 4G-Technologie abgeschlossen haben will (Schriftsatz des anwaltlichen Vertreters der Verfügungsbeklagten zu 4) vom 18.01.2021 in dem Patentverletzungsverfahren 7 O 11554/20 vor dem Landgericht München I) kommt es daher ebenso wenig an, wie auf die Fragen, wie sich dies mit dem Vortrag im vorliegenden Verfahren vereinbaren lässt und wie und ob dieses Wissen in den vorliegenden Prozess nach Schluss der mündlichen Verhandlung einbezogen werden kann.
a. Die Verfügungsbeklagte zu 4) hat hierzu im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 24. Februar 2021 Stellung genommen, ohne dass sie hierzu in diesem Verfahren vom Gericht dazu aufgefordert worden wäre. Sie hat unter Vorlage einer Gewinn- und Verlustrechnung der Antragsgegnerin zu 4) für die Jahre 2018 und 2019 im Original und in deutscher Übersetzung (Anlagen HL 9a und 9b) vorgetragen, dass sich aus diesen Unterlagen eindeutig ergebe, dass in den Jahren 2018 und 2019 bei der Antragsgegnerin zu 4) keine nennenswerten Einnahmen und Kosten aufgetreten seien. Wäre die Antragsgegnerin zu 4) keine bloße Holding-Gesellschaft, sondern auch operativ tätig, so wäre eine vergleichbare Gewinn- und Verlustrechnung nicht denkbar. Die Verfügungsbeklagte zu 4) fungiere seit ihrem Börsengang im Jahre 2018 als reine Holdinggesellschaft. Eine wesentliche operative Funktion ihr daher (aktuell) nicht zu. Allein weit vor dem Jahr 2018 sei sie auch als Lizenznehmerin aufgetreten. Zu dieser Zeit sei das Unternehmen quasi noch ein „Start-Up“ gewesen. Das Unternehmen sei erst im Jahr 2010 gegründet worden. Damals sei sie auf Wunsch des Lizenzgebers quasi „zur Sicherheit“ als oberste Gruppengesellschaft in die Verträge einbezogen worden. Sie beantragt, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen, soweit die Kammer Zweifel an der Richtigkeit dieses Vortrags habe und eine weitere Klärung für erforderlich halte. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 24. Februar 2021 Bezug genommen.
b. Die mündliche Verhandlung war nicht nach § 156 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 ZPO wieder zu eröffnen, weil die Kammer den im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 24. Februar 2021 gehalten Vortrag als wahr unterstellen kann, ohne dass sich an dem obigen Ergebnis etwas ändert. Aus dem Umstand allein, dass die Verfügungsbeklagte derzeit nicht selbst operativ tätig ist und deswegen insoweit keine Erträge oder Verluste erwirtschaftet, folgt nämlich nicht, dass sie nicht durch ihre Mitarbeiter und/oder Organe – bilanzneutral und ergebnisneutral – auf die Antragstellung in China hingewirkt hat. Wer tatsächlich in Reaktion auf die Verletzungsklage in Indien die Entscheidung getroffen und umgesetzt hat, in China den Erlass einer ASI zu beantragen, ist damit nach wie vor von keiner Verfügungsbeklagten vorgetragen. Aufgrund des Umstandes, dass die Verfügungsbeklagte zu 4) in Indien mitverklagt worden ist und durch die chinesische ASI mitgeschützt ist, wäre es erstaunlich, wenn sie in diese Überlegungen als Konzernholding nicht einbezogen worden wäre. Jedenfalls wären, wie von den Verfügungsklägerinnen gefordert, die näheren Umstände durch die Verfügungsbeklagte zu 4) dezidiert vorzutragen gewesen.
Eine Widereröffnung ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt veranlasst, dass das Gericht eine Hinweispflicht verletzt hätte. Zwar ist anerkannt, dass ein richterlicher Hinweis unter besonderen Umständen dann geboten sein kann, wenn der Parteivertreter trotz einer dem Gericht (ausdrücklich) mitgeteilten Auffassung, ein bestimmter Punkt sei bewiesen, nicht vom Gericht darauf hingewiesen worden ist, dass das Gericht dieser Einschätzung nicht folgt (OLG München InstGE 8, 254; Zigann in Handbuch des Patenrechts, 2. Aufl. § 15 Rn. 292). Ob dem vorliegend so ist kann aber dahinstehen, denn der im Schriftsatz vom 24. Februar 2021 gehaltene Sachvortrag und die dazu angebotenen Glaubhaftmachungsmittel können, wie gezeigt, als wahr unterstellt werden, ohne dass dies Einfluss auf die getroffene Entscheidung hätte. Weiterer Vortrag wurde nicht angekündigt. Hierdurch unterscheidet sich der vorliegende Fall von demjenigen, der der Entscheidung des OLG München zugrunde lag.
V. Durch das Schreiben der Verfügungsbeklagten zu 4) an die Verfügungsbeklagten zu 1) bis 3) vom 18/19. Dezember 2020 (Anlage HL 3a, 3b) ist keine Erledigung des Verfügungsbegehrens in Bezug auf die Verfügungsbeklagte zu 4) eingetreten. In diesem Schreiben informierte die Verfügungsbeklagte zu 4) die anderen Verfügungsbeklagten vom Erlass der einstweiligen Verfügung des Landgerichts München I vom 9. November 2020 und forderte diese auf, dieser nachzukommen („request that you comply with the order“). Allerdings teilte sie gleichzeitig ihre Auffassung mit, dass sie selbst zu mehr nicht verpflichtet sei und dass die anderen Verfügungsbeklagten erst nach einer ordnungsgemäßen Zustellung verpflichtet seien, den Anordnungen nachzukommen. Mithin hat die Verfügungsbeklagte zu 4) als Mittäterin des Antrags auf Erlass einer ASI in Wuhan nach der Zustellung an sie selbst nicht unverzüglich alles in ihrer Macht stehende getan, um auf die Mittäter entsprechend der Anordnungen in der einstweiligen Verfügung des Landgerichts München I vom 9. November 2020 einzuwirken. Das Schreiben stellt sich vielmehr als (untauglicher) Versuch dar, eine Erfüllung der einstweiligen Anordnungen vorzugaukeln. Auch die vorläufigen Hinweise der Kammer in der Terminsverfügung vom 23. Dezember 2020 haben die Verfügungsbeklagte zu 4) nicht zum Anlass genommen, insoweit ernsthafter auf die anderen Verfügungsbeklagten einzuwirken. Sie ist auch nicht an das chinesische Gericht mit dem Ansinnen herangetreten, die aus ihrer Sicht „aufgedrängte Bereicherung“ durch die Einbeziehung in den Schutzbereich der ASI über die Formulierung „and its affiliates“ durch die Abgabe geeigneter Erklärungen in Wegfall kommen zu lassen. Das Schreiben der Verfügungsbeklagte zu 4) vom 18./19. November 2020 hat auch tatsächlich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu keinerlei Reaktion oder Aktion der Verfügungsbeklagten zu 1) bis 3) in Bezug auf die ASI geführt. Vielmehr ist die ASI nach wie vor in Kraft.
E. Verfügungsgrund
Die Verfügungsklägerinnen haben das Vorliegen eines Verfügungsgrundes glaubhaft gemacht. Dies betrifft sowohl den Aspekt der zeitlichen Dringlichkeit als auch den Aspekt der allgemeinen Dringlichkeit, dass nämlich den Verfügungsklägerinnen ein Verweis auf ein Hauptsacheverfahren nicht zuzumuten ist.
I. Die Verfügungsklägerinnen haben glaubhaft gemacht, dass ihnen ein Verweis auf ein Hauptsacheverfahren nicht zuzumuten ist. Dies ergibt sich für Anträge gerichtet gegen eine von einem anderen Gericht erlassene oder zu erlassenden ASI aus der Natur der Sache. Der Unterlassungsanspruch ist das Wesensmerkmal eines Ausschließlichkeitsrechts, wie das Patent eines ist, und stellt gleichzeitig auch die schärfste Waffe des Patentinhabers dar. Das Patentrecht als Ausschließlichkeitsrecht wäre faktisch wertlos, wenn dem Patentinhaber die Möglichkeit genommen würde, sein Ausschließlichkeitsrecht über das staatliche Gewaltmonopol in Form des ordentlichen Gerichtsverfahrens auch durchzusetzen (Keukenschrijver in Busse/Keukenschrijver, PatG, 9. Aufl., § 9 Rn. 26). Der Unterlassungsanspruch steht dem Patentinhaber aber nur während der begrenzten Laufzeit des Patents zur Verfügung. Durch eine Hauptsacheentscheidung in Bezug auf gegen eine von einem anderen Gericht erlassene ASI könnte der Unterlassungsanspruch daher nicht hinreichend gesichert werden. Denn jedenfalls in der Zeit bis zur vorläufigen Vollstreckung eines obsiegenden erstinstanzliche Hauptsacheurteils wäre der Patentinhaber faktisch seines Unterlassungsanspruchs beraubt. Eine von einem ausländischen Gericht erlassene ASI ist zwar, wie oben ausgeführt, im Inland wegen Verstoß gegen den ordre public nicht anzuerkennen. Durch angedrohte oder national durchgesetzte Zwangsmaßnahmen des ausländischen Gerichts kann aber dennoch gegenüber dem Patentinhaber eine Zwangssituation aufgebaut und aufrechterhalten werden, die eine effektive Durchsetzung der Patente faktisch verhindert.
In Bezug auf eine noch von einem anderen Gericht zu erlassende ASI gilt dies erst recht. In ganz besonderem Maße gilt dies auch, soweit, wie hier, eine Anordnung gerichtet auf ein Verbot der Beantragung von Schutzmaßnahmen (AAASI) im Raum steht.
II. Die Verfügungsklägerinnen haben ebenfalls glaubhaft gemacht, dass sie die im OLG-Bezirk München im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes geltende Monatsfrist ab Kenntnis von Tat und Täter, soweit diese auf Verfahren der vorliegenden Art zur Anwendung kommt, unter den besonderen Umständen des vorliegenden Einzelfalls eingehalten haben.
1. Im OLG-Bezirk München ist im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes grundsätzlich eine Dringlichkeitsfrist von einem Monat ab Kenntnis von Tat und Täter einzuhalten. Soweit der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Besitz der notwendigen Glaubhaftmachungsmittel ist, um mit einigen Erfolgsaussichten einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu stellen, so ist die zur Erlangung dieser Glaubhaftmachungsmittel notwendige Zeit hinzuzuaddieren, soweit der Antragsteller durchgängig zügig vorgeht und alsbald nach dem Vorliegen dieser Glaubhaftmachungsmittel den Verfügungsantrag stellt (Nachweise bei Retzer in Harte/Henning, UWG, 4. Aufl., Anh. zu § 12 Rn. 957).
2. Ob diese Rechtsprechung auch auf die Beantragung einer einstweiligen Verfügung, gerichtet gegen eine von einem anderen Gericht ausgesprochene oder auszusprechende ASI, anzuwenden ist, kann vorliegend dahinstehen. Denn die Verfügungsklägerinnen haben die Monatsfrist, wenn diese anzuwenden ist, unter den besonderen Umständen des vorliegenden Einzelfalls eingehalten, dazu sogleich unter 4. a. Gegen eine Anwendung der Monatsfrist sprechen die besonderen Schwierigkeiten, mit denen sich die Antragsteller insbesondere dann konfrontiert sehen, wenn sie weltweit gleichzeitig Gegenmaßnahmen gegen eine weltweit geltende ASI beantragen müssen, sowie eine mögliche Ungleichbehandlung mit anderen auf Eigentum gestützten Abwehransprüchen, für die bislang diese Monatsfrist nicht galt.
b. Für eine Anwendung sprechen hingegen die Nähe zum Kernbereich des gewerblichen Rechtsschutzes und die damit verbundene Rechtssicherheit. Schließlich handelt es sich bei einem solchem Antrag, wie oben erläutert, um eine Patentstreitsache. Die Monatsfrist ist daher aus Sicht der Kammer anzuwenden. Den durch die Kürze der Frist bedingten besonderen Schwierigkeiten kann aber mit den nachfolgend erläuterten Maßnahmen wirksam begegnet werden.
3. a. Soweit die Monatsfrist gilt, beginnt sie, soweit der Verfügungsantrag auf eine Wiederholungsgefahr gestützt wird, im Zeitpunkt der gesicherten Kenntnis oder des Kennenmüssens des Patentinhabers vom Erlass der ASI. Denn unabhängig von einer Zustellung an den Patentinhaber, auf die der Antragsteller der ASI je nach Rechtsordnung eventuell gar keinen Einfluss mehr hat, hat der Antragsteller die Tat, den Eingriff in das absolute Recht des Patentinhabers, damit vollendet. Die ASI kann bereits ab diesem Zeitpunkt ihre beabsichtigte Wirkung entfalten, nämlich den Patentinhaber durch Drohung mit gerichtlichen Sanktionen im Erlassstaat davon abzuhalten, sein Patent im Erteilungsstaat gerichtlich durchzusetzen. Es ist hierbei eine gesicherte Kenntnis zu fordern. Der von der ASI Betroffene muss klar und eindeutig erkennen können, dass es sich um eine authentische Anordnung eines ausländischen Gerichts handelt, wer genau die Parteien dieses ausländischen Verfahrens sind sowie was genau und warum angeordnet worden ist. Soweit sich diese Fragen nicht allein dem Text der gerichtlichen Entscheidung entnehmen lassen, ist zusätzlich die Kenntnis der zugrundeliegenden Antragsschrift und gegebenenfalls der Glaubhaftmachungsmittel zu fordern.
Die Möglichkeit der Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen eine ergangene ASI, hier einer Reconsideration, hat, wie oben erläutert, auf die Zulässigkeit eines Antrages auf Erlass einer gegen die ASI gerichteten einstweiligen Verfügung und insbesondere auf den Lauf der insoweit zu beachtenden Dringlichkeitsfrist grundsätzlich keinen Einfluss.
b. Soweit der Verfügungsantrag auf eine Erstbegehungsgefahr gestützt wird, beginnt sie im Zeitpunkt der gesicherten Kenntnis oder des Kennenmüssens des Patentinhabers von der Existenz eines Antrags auf Erlass einer ASI oder der sich konkretisierenden Gefahr für eine solche Antragstellung, weil etwa die andere Partei mit einem solchen Antrag gedroht hat. Denn die Stellung eines Antrags auf Erlass einer ASI begründet nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts München eine Erstbegehungsgefahr in Bezug auf einen Eingriff in ein absolutes Recht i.S.v. § 823 I BGB i.V.m. § 1004 I 1 BGB (OLG München GRUR 2020, 379 Rn. 55 f.). Dem Patentinhaber steht es aber frei zunächst abzuwarten, ob sich die Erstbegehungsgefahr verwirklicht, sprich ob das andere Gericht die beantragte ASI auch erlässt. Mit Erlass der beantragten ASI gelten die obigen Ausführungen zur Wiederholungsgefahr.
c. Die Ausführungen zur Erstbegehungsgefahr gelten auch für den Fall, dass der Antrag auf Erlass einer ASI auf ein pauschales weltweites Verbot der gerichtlichen Geltendmachung der betroffenen Patente ohne derzeit anhängige Klagen und Anträge des Patentinhabers gerichtet ist. Zwar ist der Patentinhaber in diesem Fall zur Wahrung der Möglichkeit, seine Patente auch klageweise durchzusetzen, gehalten, innerhalb sehr kurzer Frist in einer Vielzahl von Jurisdiktionen Anträge auf geeignete Gegenmaßnahmen (AASI) vorzubereiten und einzureichen. Anträge auf Erlass einer ASI sind aber bislang ausschließlich im Zusammenhang mit weltweiten Auseinandersetzungen von Inhabern globaler Patentportfolios betreffend standardessentielle Patente mit global agierenden Patentnutzern bekannt geworden. Derartigen Patentinhabern muss aber die globale Dimension ihres Lizenzierungswunsches und die Gefahr möglicher global verstreuter einzelner Gegenmaßnahmen der Patentbenutzer wie Einsprüche, Nichtigkeitsklagen, negativen Feststellungsklagen, Herantreten an einzelne Kartellbehörden oder -gerichte, etc., bewusst sein. Den Pateninhabern muss ebenso bewusst sein, dass die Gefahr besteht, dass einzelne Patentbenutzer von der in ausländischen Jurisdiktionen bereitgestellten Möglichkeit, eine ASI zu beantragen, Gebrauch machen könnten. Insoweit müssen sie auch in Betracht ziehen, dass das ausländische Gericht, wie hier, antragsgemäß und, mit Ausnahme von Indien, ohne konkreten Anlass ein pauschales weltweites Klageverbot ausspricht.
d. Insoweit wird den Patentinhabern auch nichts Unmögliches abverlangt.
aa. Denn den Patentinhaber steht es offen, frühzeitig einen auf Erstbegehungsgefahr gestützten Antrag auf Erlass geeigneter einstweiliger Gegenmaßnahmen zu stellen, die statt oder neben Anordnungen in Bezug auf eine drohende oder bereits erlassene ASI (AASI) auch Anordnungen dahingehend umfassen können (AAAASI), im Ausland keinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung (AAASI) zu stellen, mit dem dem Patentinhaber verboten werden soll, einen Verfügungsantrag der vorliegenden Art (AASI) zu stellen.
Das Landgericht München I wird das Vorliegen der hierfür erforderlichen Erstbegehungsgefahr, teilweise über die oben erörterten bereits bekannten Fallgruppen hinaus, in Zukunft grundsätzlich immer dann annehmen, wenn das Vorliegen einer der nachfolgend aufgezählten Situationen glaubhaft gemacht wird:
– Der Patentbenutzer hat einen Antrag auf Erlass einer ASI gegenüber dem Patentinhaber angedroht.
– Der Patentbenutzer hat einen Antrag auf Erlass einer gegen den Patentinhaber gerichteten ASI gestellt.
– Der Patentbenutzer hat in einer Jurisdiktion, die ASIs grundsätzlich bereitstellt, eine Hauptsacheklage auf Einräumung einer Lizenz oder auf Feststellung einer angemessenen globalen Lizenzgebühr für eine solche Lizenz eingereicht oder dies angedroht.
– Der Patentbenutzer hat gegenüber anderen Patentinhabern den Erlass einer ASI angedroht oder eine solche bereits beantragt und es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Patenbenutzer, für den Patentinhaber erkennbar, von dieser Praxis für die Zukunft, jedenfalls im Verhältnis zum Patentinhaber, losgesagt hat.
– Der Patentbenutzer hat nicht innerhalb der ihm vom Patentinhaber, zum Beispiel im Rahmen des ersten Verletzerhinweises, gesetzten kurzen Frist in Textform erklärt, keinen Antrag auf Erlass einer ASI zu stellen.
bb. Zum selben Konzern gehörende Unternehmen sind dabei in der Regel wie der Patentinhaber bzw. wie der Patentbenutzer zu betrachten.
cc. Insoweit ist die Rechtsprechung zur Begründung einer Erstbegehungsgefahr im Kontext der Gefahr der Beantragung und des Erlasses eines weltweiten Klageverbots weiterzuentwickeln:
(1) Die Annahme einer Erstbegehungsgefahr setzt nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zunächst ernsthafte und greifbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür voraus, dass der Anspruchsgegner sich in naher Zukunft rechtswidrig verhalten wird. Dabei muss sich die Erstbegehungsgefahr auf eine konkrete Verletzungshandlung beziehen. Die die Erstbegehungsgefahr begründenden Umstände müssen die drohende Verletzungshandlung so konkret abzeichnen, dass sich für alle Tatbestandsmerkmale zuverlässig beurteilen lässt, ob sie verwirklicht sind. Da es sich bei der Begehungsgefahr um eine anspruchsbegründende Tatsache handelt, liegt die Darlegungs- und Beweislast beim Anspruchsteller (st. Rspr.; vgl. BGH Urteil vom 20.12.2020 – I ZR 133/17 Rn. 50 mwN – Neuausgabe). Allein das Bestehen eines vertraglichen (oder gesetzlichen) Rechts stellt demgegenüber noch keinen greifbaren tatsächlichen Anhaltspunkt dafür dar, dass dieses Recht vom Anspruchsgegner in naher Zukunft auch geltend gemacht wird. Das Bestehen von Rechten begründet allenfalls die theoretische Möglichkeit ihrer Geltendmachung. Dies reicht jedoch zur Begründung einer Erstbegehungsgefahr nicht aus. Hinzukommen muss vielmehr regelmäßig ein Verhalten des Anspruchsschuldners, aus dem sich eine in naher Zukunft bevorstehende und konkrete Verletzungshandlung ergibt. So kann es sich verhalten, wenn sich der Anspruchsschuldner auf das Bestehen eines bestimmten Rechts beruft (vgl. BGH Urteil vom 20.12.2020 – I ZR 133/17 Rn. 53 mwN – Neuausgabe). Weiter ist es nicht ausreichend, nur den eigenen Rechtsstandpunkt zu vertreten, um sich die bloße Möglichkeit eines entsprechenden Verhaltens für die Zukunft offenzuhalten. Der Erklärung muss bei Würdigung der Einzelumstände des Falls vielmehr auch die Bereitschaft zu entnehmen sein, sich unmittelbar oder in naher Zukunft in dieser Weise zu verhalten (vgl. BGH Urteil vom 20.12.2020 – I ZR 133/17 Rn. 53 mwN – Neuausgabe).
(2) Dem kann für den Fall drohender ASIs, insbesondere wenn sie ohne konkreten Bezug zu einer gerichtlichen Maßnahme des Patentinhabers erlassen werden, nicht in vollem Umfang beigetreten werden. Zwar könnten Inhaber globaler Portfolien mit globalen Lizenzierungswünschen die Zeit vor dem ersten Herantreten an einen Patentbenutzer dafür nutzen, für den Fall einer sich später einstellenden Erstbegehungsgefahr entsprechende Anträge auf Erlass geeigneter Gegenmaßnahmen (AASI) in allen in Betracht kommenden Jurisdiktionen vorzubereiten. Bei einer Vielzahl von Patentbenutzern würde dies aber zu unverhältnismäßig hohen Kosten führen, ohne dass zu diesem Zeitpunkt in jedem Fall bereits greifbare Anhaltspunkt im Sinne dieser Rechtsprechung dafür vorliegen, ob ein konkreter Patentbenutzer, z.B. nach Erhalt des in der Entscheidung Huawei v. ZTE (EuGH GRUR 2015, 764) im Regelfall zwingend vorgeschriebenen Verletzerhinweises, einen Antrag auf Erlass einer ASI in einem konkreten Land stellen wird. Weiter wird zu diesem Zeitpunkt unklar sein, ob dies auch, wie vorliegend geschehen, mit weltweitem Effekt auch außerhalb derjenigen Territorien geschehen wird, in denen Klagen oder Anträge des Patentinhabers bereits anhängig sind oder greifbar demnächst anhängig sein werden. Effektiver Rechtsschutz kann demnach nur durch eine maßvolle zeitliche Vorverlagerung zu Gunsten des Patentinhabers erzielt werden. Dem Interesse des Patentbenutzers, vor kostenpflichten einstweiligen Verfügungen zur Abwehr befürchteter ASI-Anträge verschont zu werden, wird dadurch Rechnung getragen, dass die oben – nicht abschließend – dargestellten, die Erstbegehungsgefahr begründenden Alternativen sämtlich auf Handlungen des Patentbenutzers (bzw. der konzernverbundenen Unternehmen) abstellen. Der Patentbenutzer und die mit ihm konzernverbundene Unternehmen haben es demnach selbst in der Hand, durch geeignete Erklärungen eine Erstbegehungsgefahr gar nicht erst entstehen bzw. eine bereits bestehende wieder in Wegfallen kommen zu lassen. Dies kann man von ihnen auch erwarten, denn die bislang bekannt gewordenen Anträge auf Erlass einer ASI wurden sämtlich damit begründet, eine im Erlassstaat anhängige Hauptsacheklage zu schützen. Diese Hauptsacheklagen sind auf die Schließung eines FRAND-Lizenzvertrages bzw. auf die von einem konkreten Vertragsabschluss losgelöste, abstrakte Feststellung von FRAND-Lizenzkonditionen gerichtet. Beiden Klagetypen ist aber die Argumentation gemein, der Patentbenutzer sei lizenzwillig und die Abwesenheit eines die bereits vorgenommenen und fortgesetzten weltweiten Benutzungshandlungen legitimierenden Lizenzvertrages sei allein dem Patentinhaber zuzuschreiben. Wenn aber diese Patentbenutzer wirklich lizenzwillig sind, so werden sie sich weiterer, über die bereits begangenen und andauernden Benutzungshandlungen hinausgehenden rechtswidriger Eingriffe in die eigentumsähnlich geschützten Rechtspositionen der Patentinhaber enthalten. Oder anders ausgedrückt, ein Patentbenutzer, der einen Antrag auf Erlass einer ASI stellt oder dies androht, kann in der Regel nicht als hinreichend lizenzwillig im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesgerichtshofs (vgl. EuGH GRUR 2015, 764 – Huawei v. ZTE; BGH GRUR 2020, 961 – FRAND-Einwand; Urteil vom 24.11.2020 – KRZ 35/17 – FRAND-Einwand II; z.B. LG München I GRUR-RS 2020, 22577; 21 O 13026/19 bei juris) angesehen werden. Mithin kann von dem Patentbenutzer auch gefordert werden, dass er nach Erhalt des Verletzungshinweises nicht nur seine qualifizierte Lizenzbereitschaft erklärt, sondern auch, dass er keine ASI beantragen wird.
dd. Wollte man dies anders sehen, so müsste der vom Gerichtshof der Europäischen Union ersonnene Verhandlungsablauf grundsätzlich abgeändert werden. Der Verletzungshinweis und die nachfolgenden vorgerichtlichen Schritte müssten entfallen, so dass der Zustand nach BGH – Orange Book (GRUR 2009, 694) wiederhergestellt wäre, dass nämlich der das Patent benutzende Lizenzsucher den ersten Schritt im Verhandlungsablauf zu unternehmen hat.
ee. Überdies sind die Parteien nur dann in der Lage, ihre Interessen wechselseitig auf Augenhöhe geltend zu machen und so dem Verhandlungsregime des EuGH entsprechend ausgewogen zu verhandeln, wenn dem Patentinhaber als Ausgleich für die dem Patentbenutzer uneingeschränkt zur Verfügung stehende Möglichkeit eines Rechtsbestandsangriffs der Weg zu den Gerichten zur Durchsetzung aus seiner Sicht bestehender Verletzungsansprüche gleichfalls uneingeschränkt offensteht. Dieser Gleichklang an Rechtsschutzmöglichkeiten wäre gerade nicht mehr gewahrt, wenn die gerichtliche Geltendmachung von Verletzungsansprüchen infolge einer ASI bereits im Ansatz ausgeschlossen wäre. Dies gilt umso mehr, als eine ASI direkt und unmittelbar den gemäß Art. 47 Abs. 1 der EU-Grundrechtecharta verbürgten und aus Art. 2 Abs. 1, 101 Abs. 1 Satz 2, 103 Abs. 1 GG, Art. 6 MRK i. V. m. dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitenden Anspruch auf Zugang zu den Gerichten (Justizgewährungsanspruch) ausschließt. Der Justizgewährungsanspruch ist bei der Auslegung von Verfahrensvorschriften zu berücksichtigen (Thomas/Putzo, ZPO, 41. Aufl. 2020, Einl I Rn. 29 mwN; vgl. auch Zöller/Vollkommer, 33. Aufl. 2019, Einleitung, Rn. 33, 34). Nichts anderes kann hinsichtlich materiell-rechtlicher Kriterien gelten, die – wie die Frage der Erstbegehungsgefahr – unmittelbar die Möglichkeit prozessualen Rechtsschutzes betreffen. Auch der Justizgewährungsanspruch gebietet daher die wie vorliegend erfolgte maßvolle Vorverlagerung der Erstbegehungsgefahr, um einen infolge einer ASI drohenden faktischen Ausschluss des Zugangs zu den Gerichten bereits im Ansatz zu verhindern. Letztlich kann in den genannten Fällen nur mittels der wie hier vertretenen Vorverlagerung der Erstbegehungsgefahr der gebotene Zugang zu den Gerichten überhaupt gewährleistet werden.
ff. Bei Beibehaltung des Verhandlungsregimes und ohne die vorgeschlagenen Modifikationen betreffend eine zeitliche Vorverlagerung der Annahme einer Erstbegehungsgefahr droht dem Patentinhaber der Erlass einer ASI als Reaktion auf den Verletzerhinweis, was ihn, wie ausgeführt, in einer Vielzahl von Fällen faktisch darin hindern wird, seinen patentrechtlichen Unterlassungsanspruch auch gegenüber unstreitig lizenzunwilligen Patentbenutzern während der Laufzeit der Patente mit Aussicht auf Erfolg gerichtlich durchzusetzen. Dieses Ergebnis widerspräche aber den Wertungen der Art. 9-11 der Durchsetzungsrichtlinie (RL 2004/48/EG) sowie der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union.
Mithin ist nach Auffassung des Landgerichts München I eine Erstbegehungsgefahr bei Glaubhaftmachung des Vorliegens einer der oben genannten Fallgruppen anzunehmen.
4. a. Vorliegend haben die Verfügungsklägerinnen glaubhaft gemacht, im Zeitraum vom 25. bis 26. September 2020 erstmals vom Erlass der ASI durch das Gericht in Wuhan Kenntnis erlangt zu haben. Eine frühere Kenntnis oder ein Kennenmüssen haben die Verfügungsbeklagten nicht glaubhaft gemacht. Die Verfügungsbeklagten verweisen zur Glaubhaftmachung eines früheren Zeitpunkts auf den Wortlaut der englischen Übersetzung der Entscheidung des Gerichts in Wuhan vom 04. Dezember 2020 (Anlage AR ZV7). Darin wird auf Seite 9 oben ausgeführt [Hervorhebungen durch das hiesige Gericht]:
„In this case, on 11 August 2020, the Court served the Review Applicants [ID] by email with the copy of the pleading, the evidential materials, (notice of) procedures for participating in the lawsuit, court summons, the subsequent Anti-Suit-Injunction Order, and other judicial documents”.
Hieraus lässt sich aber keine Einbeziehung der Verfügungsklägerinnen in das Verfahren vor dem Gericht in Wuhan bezogen auf den Antrag auf Erlass einer ASI oder eine zeitlich frühere Kenntnis vom Erlass der ASI ableiten. Denn die Darstellung des Gerichts ist in der englischen Übersetzung offensichtlich falsch. Das chinesische Gerichte konnte die (erlassene) ASI am 11. August 2020 nicht per E-Mail übermittelt haben, weil die ASI – unstreitig – erst am 23. September 2020 (Anlage AR11) erlassen worden war. Es ist daher davon auszugehen, dass es sich entweder um eine falsche Sachdarstellung oder um einen Übersetzungsfehler handelt. In jedem Fall haben die Verfügungsbeklagten damit einen früheren Zeitpunkt nicht glaubhaft gemacht. Dies kann aber vorliegend dahinstehen, denn die Verfügungsklägerinnen durften aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls ausnahmsweise den Ausgang ihres Antrags auf Reconsideration abwarten.
b. Unter den besonderen Umständen des vorliegenden Einzelfalls durften die Verfügungsklägerinnen den Ausgang des Reconsideration-Verfahrens in Wuhan ausnahmsweise abwarten, jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt in dem klar war, dass das Gericht in Wuhan die ASI aufrechterhalten wird.
aa. Das Reconsideration-Verfahren fand mit der Entscheidung vom 4. Dezember 2020 (Anlage AR ZV7) seinen Abschluss. Bereits nach Durchführung der mündlichen Verhandlung vom 16. Oktober 2020 war den Verfügungsklägerinnen aber nach eigenem Bekunden klar, dass ihr Antrag wenig Aussicht auf Erfolg haben wird. Der Verfügungsantrag vom 30. Oktober 2020 ging damit in jedem Fall rechtzeitig i. S. d. Monatsfrist bei Gericht ein und zwar unabhängig von der Frage, ob die Monatsfrist im vorliegenden Einzelfall mit der Kenntnis im Zeitraum vom 25. bis 26. September 2020, am 4. Dezember 2020 mit Abschluss des Reconsideration-Verfahrens oder schon am 16. Oktober 2020, als klar war, dass das Reconsideration-Verfahren keinen Erfolg haben wird, zu laufen begonnen hat.
(1) Soweit der Lauf der Monatsfrist im vorliegenden Einzelfall mit Kenntnis vom Erlass der ASI begonnen hat, ist das Reconsideration-Verfahren, jedenfalls bis zum 16. Oktober 2020, entsprechend dem Zeitraum zum Beibringen von Glaubhaftmachungsmitteln zu behandeln. Dieser Zeitraum ist der Monatsfrist hinzuzurechnen. Insoweit sind zwei Wochen (16.10.2020 bis 30.10.2020), die im Anschluss noch bis zur Antragstellung vergangen sind, für die Auswahl der Bundesrepublik Deutschland unter der Vielzahl von in Betracht kommenden Staaten sowie für die Vorbereitung, Abstimmung und Einreichung eines gegen die ASI gerichteten Verfügungsantrages nicht zu beanstanden. Der Umstand, dass die Verfügungsbeklagte zu 2 erst mit Schriftsatz vom 05. November 2020 explizit im Antrag genannt wurde, ist hierfür ohne Bedeutung. Denn sie war schon mit der Antragsschrift vom 30. Oktober 2020 Teil des Antragsbegehrens (vgl. OLG München GRUR 2020, 379 Rn. 59). Die Klarstellung erfolgte auf den gerichtlichen Hinweis im Zwischenbeschluss vom 03. November 2020, um den Bedenken des Gerichts mit Blick auf das Erfordernis der Bestimmtheit zu begegnen.
(2) Soweit der Lauf der Monatsfrist im vorliegenden Einzelfall am 16. Oktober 2020 begonnen hat, gingen die Antragsschrift vom 30.Oktober 2020 und der Schriftsatz vom 5. November 2020 ohnehin noch innerhalb der Monatsfrist ein.
(3) Soweit der Lauf der Monatsfrist im vorliegenden Einzelfall am 4. Dezember 2020 begonnen hat, lag die einstweilige Verfügung bereits zu diesem Zeitpunkt vor.
bb. Die Verfügungsbeklagten durften aus den nachfolgenden Gründen aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls ausnahmsweise den Ausgang des Reconsideration-Verfahrens in Wuhan abwarten.
(1) Sie waren unstreitig erstmals als Patentinhaber damit konfrontiert, dass ein chinesisches Gericht eine ASI – antragsgemäß – weltweit und mit der Ausnahme von Indien ohne Vorliegen konkreter Klagen oder Anträge des Patentinhabers oder konkreter Anhaltspunkte, dass solche in bestimmten Territorien drohten, ausgesprochen hat (vgl. Prof. Yang Yu and Prof. Jorge L. Contrerars: Will China`s New Anti-Suit Injunctions shift the balance of global FRAND litigation? auf patentlyo.com vom 30.10.2020, Anlage AR 14 S. 9). Dadurch waren ihnen auch die oben wiedergegebenen Wertungen des Gerichts, dass das Reconsideration-Verfahren auch unter diesen Umständen keinen Einfluss auf die Möglichkeit der Beantragung einer gegen die ASI gerichteten einstweiligen Verfügung oder den Lauf der Dringlichkeitsfrist hat, sowie die weitere Handhabe des Landgerichts München I als Reaktion auf diese Entwicklung, naturgemäß noch nicht bekannt.
(2) Die Verfügungsbeklagten selbst haben im indischen Verfahren eingewandt, dass den Verfügungsklägerinnen aufgrund des Antrags auf Reconsideration in Wuhan das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Erlass einer AASI in Delhi fehle (Anlage AR 26 S. 28 Ziffer 24). Das indische Gericht hat zwar dennoch am 6. Oktober 2020 bzw. am 9. Oktober 2020 eine „Ad Interim Injunction“ erlassen, dabei aber den Einwand nicht adressiert. Eine Ad Interim Injuction kann als Hängeverfügung bezeichnet werden. Sie ist eine gerichtliche Anordnung zur vorläufigen Regelung der Verhältnisse bis zum Zeitpunkt der eigentlichen Entscheidung über den Verfügungsantrag und gibt daher nur eine vorläufige und nicht abschließende und nicht erschöpfende Rechtsmeinung des Gerichts wieder (vgl. Anlage AR 26 S. 28 Ziffer 40). Daher kann aus deren Erlass allein nicht sicher abgeleitet werden, dass das indische Gericht diesen Einwand als nicht durchgreifend erachtet hat. Den Verfügungsklägerinnen kann daher vorliegend nicht vorgeworfen werden, dass sie zunächst, wie von den Verfügungsbeklagten in Indien ausdrücklich gefordert und vom indischen Gericht nicht explizit zurückgewiesen, den sichereren Weg in Bezug auf weitere Jurisdiktionen gegangen ist und zunächst den Ausgang des Reconsideration-Verfahrens abwarten wollten, jedenfalls bis nach der mündlichen Anhörung in Wuhan am 16. Oktober 2020, als klar war, dass das chinesische Gericht den vorgetragenen Argumenten nicht folgen wird, statt ad hoc und entgegen des dokumentierten prozessualen Einwandes der Verfügungsbeklagten in einer Vielzahl von weiteren Staaten Anträge auf Erlass einer AASI zu stellen. Dies wäre mit ganz erheblichen Unsicherheiten in Bezug auf die prozessuale Zulässigkeit und erheblichen Kosten verbunden gewesen, wenn denn überhaupt ausreichende Kapazitäten für die Koordinierung eines derartigen weltweite Vorgehens vorhanden gewesen wären.
Für nachfolgende Patentinhaber besteht hingegen nach Kenntnisnahme von der chinesischen Entscheidung sowie von dieser Entscheidung ausreichend Zeit, insoweit Anwaltsteams aufzubauen und die Einreichung entsprechender Anträge koordiniert vorzubereiten. Weiter habe sie, anders als die Verfügungsklägerinnen, die Möglichkeit, das Vorliegen einer Erstbegehungsgefahr durch geeignete vorbereitende Handlungen zu einem Zeitpunkt herbeizuführen, in dem die internationalen Anwaltsteams zur Beantragung von AASIs bereitstehen.
cc. Diese Ausnahmeentscheidung steht im Einklang mit den Wertungen des Bundesgerichtshofs in der Entscheidung mit dem Stichwort „Vakuumtransportsystem“ (GRUR 2017, 428). In dieser Entscheidung hatte der Bundesgerichtshof festgestellt, dass eine Partei auch dann ohne ihr Verschulden außerstande ist, den Restitutionsgrund in einem früheren Verfahren geltend zu machen, wenn ihr diese Geltendmachung zwar tatsächlich möglich gewesen wäre, sie aber annehmen durfte, hierzu rechtlich nicht in der Lage oder jedenfalls nicht gehalten zu sein (Rn. 28).
Ebenso verhält es sich im vorliegenden Fall. Die Verfügungsklägerinnen hätten rein tatsächlich ihren Verfügungsantrag möglicherweise früher stellen können, mussten aber, nicht zuletzt aufgrund des Vorbringens der Verfügungsbeklagten im indischen Verfahren, annehmen, hierzu rechtlich nicht in der Lage zu sein, solange das Reconsideration-Verfahren noch nicht entschieden war oder jedenfalls solange noch nicht absehbar war, dass dieses keinen Erfolg haben wird.
Darüber hinaus mussten die Verfügungsklägerinnen zum damaligen Zeitpunkt auch nicht annehmen, zu einer früheren Antragstellung gehalten zu sein. Denn bei Erfolg des Reconsideration-Verfahrens hätte es weiterer Anträge auf Erlass einstweiliger Gegenmaßnahmen in einer Vielzahl von Rechtsordnungen nicht bedurft. Das Vorgehen der Verfügungsklägerinnen war demnach aus damaliger Sicht prozessökonomisch.
dd. Dass die Verfügungsklägerinnen vorliegend dessen ungeachtet am 29. September 2020 in Indien einen derartigen Antrag eingereicht haben, ist schlicht dem Umstand zuzuschreiben, dass sie dort bereits zuvor eine Patentverletzungsklage eingereicht hatten und ihr bei Weiterbetreiben aufgrund der chinesischen ASI jeden Tag sehr hohen Ordnungsgelder drohten und drohen und mithin sehr schnell gehandelt werden musste. Indien als Ort der möglichen Patentdurchsetzung musste daher auch nicht erst ermittelt werden.
Dass sie gleich am nächsten Tag, den 30. September 2020, bei dem Gericht in Wuhan einen Antrag auf Reconsideration gestellt haben, war durch die hierfür vorgesehene sehr kurze Frist von nur 5 Tagen (vgl. Anlage AR11 S. 12 letzter Absatz) begründet.
Dass die Verfügungsklägerinnen in Bezug auf den vorliegenden Verfügungsantrag die Beendigung des Reconsideration-Verfahrens nicht abgewartet haben, gereicht ihnen ebenfalls nicht zum Nachteil, unabhängig davon, an welchem Zeitpunkt der Beginn des Laufs der Monatsfrist anzuknüpfen ist. Denn sie haben jedenfalls erst ab dem Zeitpunkt anderweitigen Rechtsschutz in der Bundesrepublik Deutschland in Erwägung gezogen als klar war, dass der Antrag auf Reconsideration vor dem Gericht in Wuhan keinen Erfolg haben wird.
III. Die erforderliche Abwägung der gegenläufigen Interessen führt zur Bestätigung der einstweiligen Verfügung.
1. Auch wenn die chinesische ASI in Deutschland wegen Verstoß gegen die deutschen Regeln der internationalen Zuständigkeit und wegen Verstoß gegen den deutschen orde public nicht anerkennungsfähig und nicht vollstreckungsfähig ist (§ 382 ZPO), können die Verfügungsklägerinnen bei Fortbestehen der chinesischen ASI ihre Patentrechte auf unabsehbare Zeit faktisch nicht in der Bundesrepublik Deutschland durchsetzen, ohne extrem hohe Strafen und eventuell weitere Repressalien für sich oder ihre Konzernunternehmen in China fürchten zu müssen. Der Kammer ist bewusst, dass ein chinesisches Gericht möglicherweise seinerseits zu der Beurteilung gelangen könnte, dass die vorliegende einstweilige Verfügung und eventuelle auch auf ihrer Grundlage verhängte Ordnungsgelder wegen Verstoß gegen den chinesischen ordre public dort nicht anerkennungsfähig und nicht vollstreckungsfähig sind. Bei Aufhebung der vorliegenden einstweiligen Verfügung könnten aber die Verfügungsklägerinnen der aus deutscher Sicht rechtswidrigen chinesischen ASI nicht einmal eine Geltung beanspruchende gegenläufige gerichtliche Entscheidung entgegenhalten. Weiter ist zu berücksichtigen, dass sich das Recht dem Unrecht nicht beugen muss und nicht beugen darf.
2. Bei Bestätigung der einstweiligen Verfügung wären die Verfügungsbeklagten aus deutscher Sicht gehalten, die ASI zurückzunehmen. Dadurch würde aber die Hauptsacheklage in China nicht tangiert. Die chinesische Hauptsacheklage betrifft allein die Feststellung einer angemessen globalen Lizenzgebühr. Möglicherweise reichen die Verfügungsklägerinnen in Folge der Bestätigung der einstweiligen Verfügung nachfolgend in Deutschland Verletzungsklagen ein. Diese werden dann von der angegangenen Patentstreitkammer in einem zweiseitigen, rechtsstaatlichen Verfahren geprüft werden. Die zukünftigen Beklagten könnten hierbei insbesondere Nichtverletzung einwenden und einen Aussetzungsantrag wegen einer einzulegenden Nichtigkeitsklage bzw. eines Einspruchs stellen. Ein etwaiger FRAND-Einwand der zukünftigen Beklagten wäre höchstwahrscheinlich wenig erfolgreich, weil sich, wie oben erläutert, kein Lizenzwilliger so verhalten würde, wie es die Verfügungsbeklagten getan haben. Das deutsche Verletzungsgericht würde daher aller Voraussicht nach erst gar nicht in die materielle Prüfung des FRAND-Einwandes einsteigen. Mithin würde das deutsche Verletzungsgericht sich auch nicht inhaltlich der Frage zuwenden, wie hoch eine angemessene globale Lizenzgebühr sein könnte. Mithin ist ein Konflikt mit dem Gegenstand des chinesischen Verfahrens nicht zu erwarten.
3. Dies stellt auch keine Rechtsverweigerung gegenüber den zukünftigen Beklagten dar. Denn die zukünftigen Beklagten haben selbst durch die Einreichung des chinesischen Hauptsacheverfahrens vor dem Gericht in Wuhan, was grundsätzlich zulässig und nicht zu beanstanden ist, dasjenige aus ihrer Sicht weltweit allein zuständige Gericht gewählt, das eine angemessene globale Lizenzgebühr bestimmen soll. Hieran müssen sie sich festhalten lassen. An dieser Beurteilung würde sich auch dann nichts ändern, wenn die zu erwartende chinesische Hauptsacheentscheidung aus deutscher Sicht wegen Verstoß gegen die internationale Zuständigkeit in der Bundesrepublik Deutschland nicht anerkennungsfähig wäre. Denn dies hätten sich die zukünftigen Beklagten selbst zuzuschreiben.
4. Eine doppelte Rechtshängigkeit zwischen dem FRAND-Einwand als Verteidigungsmittel und dem Gegenstand des chinesischen Hauptsacheverfahrens ist aus deutscher Sicht ohnehin ausgeschlossen. Verteidigungsvorbringen definiert nicht den Streitgegenstand, sondern nach der Lehre vom zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff das Klagebegehren in Verbindung mit dem Klageantrag (BGH GRUR 2012, 485 – Rohrreinigungsdüse II, Rn. 23; Zigann/Werner in Cepl/Voss, Prozesskommentar zum gewerblichen Rechtsschutz, 2. Aufl., § 253 Rn. 53 mwN).
5. Ein Interesse der Verfügungsbeklagten, bis zu einer Entscheidung über die chinesische Hauptsacheklage von den Mühen einer Rechtsverteidigung gegen eine Patentverletzungsklage in der Bundesrepublik Deutschland verschont zu bleiben, ist nicht schützenswert. Als Mitglieder einer großen Gruppe von produzierenden und importierenden Industrieunternehmen müssten sie die Patentlage ohnehin ständig prüfen (BGH X ZR 30/14 Rn. 133 – Glasfasern II) und vor der Benutzungsaufnahme sich die notwendigen Lizenzen verschaffen (vgl. EuGH GRUR 2015, 764 Rn. 58 – Huawei v. ZTE). Das haben sie in den vorliegenden über sieben Jahre unterlassen und gleichwohl – was für die Zwecke des vorliegenden Verfahrens zu unterstellen ist – weltweit die Benutzung aufgenommen. Eine weitere Verzögerung ist den Verfügungsklägerinnen vor diesem Hintergrund nicht zuzumuten.
F. Rechtsfolgen
I. Aufgrund des rechtswidrigen Eingriffs in die eigentumsähnlich geschützte Rechtsposition der Verfügungsklägerinnen sind die Verfügungsbeklagten zur Unterlassung weiterer Eingriffe und zur Folgenbeseitigung zu verurteilen, § 1004 BGB.
1. Insoweit ist im Rahmen der geschuldeten Folgenbeseitigungsmaßnahmen auch eine Rücknahme des ASI-Antrages geschuldet. Die Hauptsache (der ASI-Antrag vom 04.08.2020) wird zwar hierdurch ähnlich einer Leistungsverfügung bereits einer endgültigen Regelung zugeführt, dies ist aber im Sinne eines effektiven Rechtsschutzes für die beiden Verfügungsklägerinnen unabdingbar. Denn nur nach einer Teil-Rücknahme des auf den Erlass der ASI gerichteten Antrages in Bezug auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland besteht für die beiden Verfügungsklägerinnen eine hinreichende Rechtssicherheit, nicht wegen nachfolgender Klageerhebungen in der Bundesrepublik Deutschland selbst oder über ihre Tochterunternehme erheblichen Zwangsgeldern in China ausgesetzt zu sein.
2. Der Einwand der Verfügungsbeklagten zu 4), die im Tenor der einstweiligen Verfügung angeordneten Handlungen seien ihr unmöglich, greift nicht durch. Die mit den Spiegelstrichen aufgezählten einzelnen Handlungen stellen nur Beispiele dar, im welchem Umfang der allgemeineren Anordnung, nämlich die Anti-Suit Injunction des Wuhan Intermediate People’s Court, Provinz Hubei, Volksrepublik China, vom 23. September 2020 (Az. (2020) E 01 Zhi Min Chu 169 Zhi Yi) weiterzuverfolgen oder eine andere gerichtliche oder behördliche Maßnahme zu ergreifen, mit der den Antragstellerinnen unmittelbar oder mittelbar verboten werden soll, Patentverletzungsverfahren aus ihren standardessentiellen Patenten in der Bundesrepublik Deutschland zu führen, nachzukommen ist. Wie oben ausgeführt ist die Verfügungsbeklagte als Konzernmutter Mittäterin und Begünstigte in Bezug auf die Beantragung und die Aufrechterhaltung der ASI. Ihr ist es also ohne weiteres möglich, sich dem Unterlassungstenor gemäß zu verhalten und insoweit auf die ihr konzernrechtlich untergeordneten weiteren Verfügugsbeklagten einzuwirken. Insoweit sind auch der Verfügungsantrag sowie die einstweilige Verfügung, die in der Begründung auf den Antrag verwiesen hat, in Richtung auf die Verfügungsbeklagte zu 4) zu verstehen und auszulegen.
3. Durch das Schreiben der Verfügungsbeklagten zu 4) vom 18. November 2020 (HL ZV 2a) ist, was oben bereits ausgeführt worden ist, keine Erfüllung dieser Verpflichtung oder eines Teils dieser Verpflichtung eingetreten.
II. Die Verfügungsbeklagten haben auch die weiteren Kosten des Verfügungsverfahrens zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
III. Der Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung war daher bereits im Termin vom 28. Januar 2021 zurückzuweisen.


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