Europarecht

Fehlerhafte Zustellung – Postlagernd

Aktenzeichen  M 5 K 15.4926

Datum:
26.4.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 82 Abs. 2 S. 1, § 154 Abs. 1, § 173
ZPO ZPO § 82, § 183, § 189

 

Leitsatz

1 Zu den zwingenden Bestandteilen einer wirksamen Klageerhebung bei Gericht gehört es nach § 82 Abs. 1 S. 1 VwGO, eine ladungsfähige Anschrift der Klagepartei zu benennen (Anschluss an BVerwG BeckRS 2012, 48064). (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine fehlerhafte Zustellung kann nicht die Nichtigkeit eines Urteils herbeiführen. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin zu 1) hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin zu 1) darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Über die Klage konnte nach vorheriger Anhörung durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da sie keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
2. Die Klage ist unzulässig, weil dem Gericht im Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung – nach Ablauf der vom Gericht gemäß § 82 Abs. 2 Satz 1 VwGO der Klagepartei gesetzten Frist – eine aktuelle ladungsfähige Anschrift der Klägerin zu 1) und des Klägers zu 2) von der Klagepartei nicht benannt worden ist.
Zu den zwingenden Bestandteilen einer wirksamen Klageerhebung bei Gericht gehört es nach § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO, eine ladungsfähige Anschrift der Klagepartei zu benennen (BVerwG, U.v. 13.4.1999 – 1 C 24/97 – NJW 1999, 2608, juris Rn. 42; vgl. auch BVerwG, B.v. 14.2.2012 – 9 B 79/11 u.a. – NJW 2012, 1527, juris Rn. 11). Die Angabe des Wohnsitzes ist nicht nur ein wichtiges Merkmal zur Identifizierung der Klagepartei, sondern ist auch erforderlich, um deren Einstandspflicht für eventuelle nachteilige Folgen ihrer Prozessführung (insbesondere eine eventuelle Kostenerstattungspflicht) durchsetzen zu können. Die Angabe einer Postfachadresse oder die Angabe „postlagernd“ genügen insoweit nicht. Es ist einer Klagepartei, auch wenn sie sich im Ausland befindet, zuzumuten, eine Adresse (Straße und Hausnummer) zu benennen, unter der sie sich regelmäßig aufhält und unter der ihre Erreichbarkeit sichergestellt ist (insgesamt hierzu: Geiger in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 82 Rn. 3).
An der Angabe einer aktuellen ladungsfähigen Anschrift der Klägerin zu 1) und des Klägers zu 2) fehlt es hier. Die Klägerin zu 1) hat auf Aufforderung des Gerichts vom 21. März 2017 eine ladungsfähige Anschrift nicht benannt. Auf die Folge der Unzulässigkeit der Klage ohne Angabe einer ladungsfähigen Anschrift wurde die Klägerin zu 1) in diesem Schreiben ausdrücklich hingewiesen. Auch die Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten im Inland ist bislang trotz der schriftlichen Aufforderung des Gerichts vom 21. März 2017 durch die Klagepartei unterblieben.
3. Darüber hinaus ist die Klage auch unbegründet.
Die Klagepartei begehrt die Feststellung, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 18. November 2014, Aktenzeichen M 5 K 14.2313, wegen fehlerhafter Zustellung nichtig bzw. aufzuheben sei. Dieses Begehren hat keinen Erfolg. Es kann dabei dahin gestellt bleiben, ob ein Zustellungsmangel wegen Verstoßes gegen § 183 Zivilprozessordnung (ZPO) vorliegt. Denn eine fehlerhafte Zustellung kann nicht die Nichtigkeit eines Urteils herbeiführen. Ohnehin wäre – selbst wenn ein Zustellungsmangel unterstellt würde – aufgrund der Vorschrift des § 189 ZPO davon auszugehen, dass etwaige Zustellungsmängel geheilt sind. Demnach gilt ein Dokument als zugestellt, in dem es der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist. Aus den Gerichtsakten des streitgegenständlichen Verfahrens M 5 K 14.2313 geht hervor, dass die Klagepartei das Urteil erhalten hat.
4. Die Klägerin zu 1) hat gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die vollmachtlos Prozessführende ist kostenpflichtig, denn einerseits hat sie die Prozessführung veranlasst, andererseits kann sie den Vertretenen ohne Vollmacht nicht verpflichten. Da der Kläger zu 2) die Klage nicht unterschrieben hat und von der Klägerin zu 1) mangels Vollmacht nicht wirksam vertreten wurde, können ihm mithin keine Kosten auferlegt werden. Nach § 173 VwGO i.V.m. § 89 Abs. 1 der ZPO war die Klägerin zu 1) deshalb mit den Prozesskosten zu belasten (Olbertz in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 26. EL 2014, vor § 154 Rn. 13). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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