Europarecht

Festsetzung der Abwasserabgabe für das Einleiten von Niederschlagswasser

Aktenzeichen  8 ZB 16.1050

Datum:
11.10.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 131792
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AbwAG § 7 Abs. 2
BayAbwAG Art. 6
VwGO § 108, § 124 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Es gibt keinen Anspruch auf Fortsetzung eines durch neue Erkenntnisse als unrechtmäßig erkannten Verwaltungshandelns. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Aufteilung einer Kanalisation in abgabefreie und abgabepflichtige Teilbereiche kommt nur in Betracht, wenn einerseits die Abwasserbehandlung den Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 2 S. 1 und 2 BayAbwAG entspricht und andererseits selbstständige Teilbereiche der Kanalisation vorliegen, die mit den notwendigen Regenbecken oder Regenrückhalteeinrichtungen ausgestattet sind. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es entspricht den Zielvorstellungen des Abwasserabgabengesetzes, dass auch beim Niederschlagswasser wasserwirtschaftlich sinnvolle Maßnahmen zur Reinhaltung der Gewässer berücksichtigt werden. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 8 K 15.1957 2016-04-18 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 11.372,63 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung der Abwasserabgabe für das Einleiten von Niederschlagswasser im Jahr 2010.
Mit Bescheid des Landratsamts P… vom 23. Oktober 2007 wurde der Klägerin die Erlaubnis zur Einleitung von Mischwasser aus Entlastungskanälen in den A… an den Einleitungsstellen KA3 Kläranlage und RÜ2/E7 erteilt.
Mit Abgabebescheid vom 14. Oktober 2015 setzte das Landratsamt P… die von der Klägerin für das Jahr 2010 zu entrichtende Abwasserabgabe für das Einleiten von verschmutztem Niederschlagswasser auf 20.477,61 Euro fest. Bei der Berechnung der Abwasserabgabe wurden erstmals 2.648 Einwohner des Markts A… einbezogen. Zur Begründung wurde angeführt, dass die Abwasseranlage der Klägerin (mit Ausnahme des Teileinzugsgebiets des Stauraumkanals SK3) zusammen mit dem Mischwassersystem des Markts A… ein einziges hydraulisches System bilde, für das die Voraussetzungen der Abgabefreiheit nicht vorlägen.
Das Verwaltungsgericht Regensburg hat die Klage mit dem Antrag auf Aufhebung des Abgabebescheids, soweit eine höhere Abwasserabgabe als 9.104,98 Euro festgesetzt wurde, mit Urteil vom 18. April 2016 abgewiesen.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung.
II.
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Der von der Klägerin allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils liegt nicht vor oder wurde nicht ausreichend am Maßstab von § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO dargelegt.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nur, wenn einzelne tragende Rechtssätze oder erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts durch schlüssige Gegenargumente infrage gestellt werden. Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Antragsteller substanziiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 3.3.2004 – 1 BvR 461/03 – BVerfGE 110, 77/83; B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/548). Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf einzelne Elemente der Urteilsbegründung an, sondern auf das Ergebnis der Entscheidung, also auf die Richtigkeit des Urteils nach dem Sachausspruch in der Urteilsformel (vgl. BVerfG, B.v. 16.7.2013 – 1 BvR 3057/11 –BVerfGE 134, 106 = juris Rn. 36 ff.; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838/834; BayVGH, B.v. 15.3.2017 – 8 ZB 15.1610 – juris Rn. 8 m.w.N.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen sind vorliegend keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils ersichtlich.
1.1 Die vom Erstgericht geteilte fachliche Einschätzung des Wasserwirtschaftsamts (S. 13 Behördenakt), wonach die Mischwasserkanalisation der Abwasseranlage A… mit der Mischwasserkanalisation des Markts A… (mit Ausnahme des Teileinzugsgebiets des Stauraumkanals SK3) eine hydraulische Einheit (vgl. Nr. 2.2.1 VwVBayAbwAG vom 17.9.2003, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 14.3.2016, AllMBl S. 1476) bildet, wird von der Zulassungsbegründung nicht substanziiert infrage gestellt. Mit ihrer Rüge, das Erstgericht habe sich damit auseinandersetzen müssen, ob das behauptete „hydraulische System“ überhaupt vorliege, macht die Klägerin in der Sache keine ernstlichen Zweifel, sondern einen Verfahrensfehler (Verletzung der Begründungspflicht, § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO) geltend. Ungeachtet der fehlenden Erhebung einer Verfahrensrüge ist eine Verletzung der Begründungspflicht hier nicht zu erkennen. Die wesentlichen Erwägungen, die das Erstgericht bestimmt haben, die Voraussetzungen einer hydraulischen Einheit als erfüllt anzusehen, lassen sich der Urteilsbegründung entnehmen (vgl. BVerwG, B.v. 24.8.2016 – 9 B 54.15 – NVwZ 2017, 568 = juris Rn. 22 m.w.N.; Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 108 Rn. 30). Das angegriffene Urteil legt hierzu dar, dass sich das aus dem Markt A… zugeführte Niederschlagswasser mit dem aus dem Gemeindegebiet der Klägerin stammenden Niederschlagswasser vermischt, bevor es in den A… eingeleitet wird (vgl. S. 5 des Urteils des Erstgerichts).
1.2 Mit ihrem Einwand, das Landratsamt sei bis zum Veranlagungsjahr 2009 nicht von einer hydraulischen Einheit ausgegangen, zeigt die Klägerin keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils auf, weil es keinen Anspruch auf Fortsetzung eines durch neue Erkenntnisse als unrechtmäßig erkannten Verwaltungshandelns gibt (vgl. BayVGH, B.v. 26.1.2017 – 4 B 16.1541 – juris Rn. 52).
1.3 Entgegen der Auffassung der Klägerin war der Beklagte auch nicht gehalten, die unstreitig an die Abwasseranlage der Klägerin angeschlossenen 2.648 Einwohner des Markts A… bei der Berechnung der Abgabeschuld unberücksichtigt zu lassen. Der Hinweis auf die „grundsätzliche Abgabefreiheit“ dieser Einwohner, der wohl auf die Abgabefreiheit des Einleitens von Niederschlagswasser durch den Markt A… abzielt (vgl. Abgabebescheide S. 52 ff. der Akte des Erstgerichts), geht fehl. Streitgegenstand ist nicht die Abgabepflicht des Markts A… für auf seinem Gemeindegebiet eingeleitetes Niederschlagswasser, sondern die Abgabeverpflichtung der Klägerin, die Niederschlagswasser in den A… einleitet. Die Tatsache, dass der Markt A… – wasserrechtlich erlaubt (vgl. Bescheid vom 23.10.2007, S. 24 und 29 des Behördenakts) – der Abwasseranlage der Klägerin Niederschlagswasser aus seiner Mischkanalisation zuführt, ändert daran nichts.
Der Einwand, das Erstgericht habe eine Einzelbetrachtung der Einleitung aus dem Mischwasserkanal des Markts A… zu Unrecht unterlassen, greift ebenfalls nicht durch. Die Zulassungsbegründung beruft sich darauf, dass die Abwasserabgabe auf Basis der Zahl der angeschlossenen Einwohner und nicht nach der Abwassermenge berechnet werde, sodass die Einleitmengen nicht auseinanderdividiert werden müssten. Dieser Vortrag verkennt, dass das Erstgericht nicht maßgeblich auf die Berechenbarkeit der jeweiligen Abwassermenge, sondern auf die Teilbarkeit der Kanalisation in einen abgabepflichtigen und einen abgabefreien Teil abgestellt und dies zu Recht verneint hat. Die Aufteilung einer Kanalisation in abgabefreie und abgabepflichtigen Teilbereiche kommt nur in Betracht, wenn einerseits die Abwasserbehandlung den Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BayAbwAG entspricht und andererseits selbstständige Teilbereiche der Kanalisation vorliegen, die mit den notwendigen Regenbecken oder Regenrückhalteeinrichtungen ausgestattet sind (Zöllner in Sieder/Zeitler, BayAbwAG, Stand 15.5.2015, Art. 6 Rn. 14). Hierbei müssen die Voraussetzungen im Teilbereich für den gesamten Mischwasserentsorgungspfad erfüllt sein (Zöllner in Sieder/Zeitler, a.a.O.). Diese Voraussetzungen werden von der Klägerin nicht dargelegt und sind auch offensichtlich nicht erfüllt.
1.4 Die nicht näher belegte Behauptung der Klägerin, wonach fast das komplette Niederschlagswasser und Mischwasser auf dem Gemeindegebiet des Markts A… abgeschlagen werde, erfüllt nicht die Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Im Übrigen wird damit die Annahme des Erstgerichts, bei Niederschlagsereignissen werde gegebenenfalls das aus dem Markt A… zugeführte Niederschlagswasser mit solchem aus dem Abwassersystem der Klägerin vermischt (S. 5 des Urteils des Erstgerichts), nicht infrage gestellt.
1.5 Schließlich stehen Sinn und Zweck von § 7 Abs. 2 AbwAG und Art. 6 BayAbwAG einer Einbeziehung der angeschlossenen Einwohner des Markts A… bei der Berechnung der Abgabenhöhe nicht entgegen. Der hiergegen vorgebrachte Einwand, damit gebe es für Gemeinden, die nicht selbst Anlagenbetreiber seien, keinerlei Anreize für ein umweltschonendes und wasserrechtskonformes Verhalten, greift zu kurz. Es entspricht den Zielvorstellungen des Abwasserabgabengesetzes, dass auch beim Niederschlagswasser wasserwirtschaftlich sinnvolle Maßnahmen zur Reinhaltung der Gewässer berücksichtigt werden (BayVGH, B.v. 27.9.2007 – 22 B 04.891 – NVwZ 2008, 445 = juris Rn. 20; Zöllner in Sieder/Zeitler/Dahme, AbwAG, Stand 1.5.2016, § 7 Rn. 23). Das Ziel des Abwasserabgabengesetzes, Schadstoff-einleitungen zu vermeiden oder zu vermindern, ist auch im Rahmen der Auslegung landesrechtlicher Vorschriften zur Auslegung des § 7 Abs. 2 AbwAG Rechnung zu tragen (BayVGH, B.v. 27.9.2007 – 22 B 04.891 – NVwZ 2008, 445 = juris Rn. 20). Vorliegend liegt es bei der Klägerin, durch die Erhöhung des Speichervolumens ihrer Entlastungsbauwerke auf 1.108 m3 (vgl. S. 13 und S. 33 Behördenakt) eine ordnungsgemäße Mischwasserbehandlung sicherzustellen und damit die Voraussetzungen für die Abgabefreiheit der Einleitung des Niederschlagswassers nach § 7 Abs. 2 AbwAG i.V.m. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayAbwAG zu schaffen (vgl. BayVGH, B.v. 4.1.2016 – 8 CS 15.2387 – juris Rn. 8).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 3 GKG.
3. Mit Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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