Europarecht

Feuerwehraufwendungsersatz bei Fehlalarm durch Brandmeldeanlage

Aktenzeichen  M 30 K 17.107

Datum:
21.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 4001
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayFwG Art. 28 Abs. 2 Nr. 5 Alt. 5
VwGO § 113 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Die Heranziehung zum Kostenersatz gemäß Art. 28 Abs. 2 Nr. 5 Alt. 2 BayFwG bei einem Falschalarm, der durch eine private Brandmeldeanlage ausgelöst wurde, setzt keine schuldhafte Alarmauslösung voraus. Es reicht aus, dass sich die anlagenspezifischen Risiken für einen Falschalarm verwirklicht haben (Anschluss an BayVGH BeckRS 2004, 26928). (Rn. 13 – 14) (redaktioneller Leitsatz)
2 Für den Kostenersatz nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 5 Alt. 2 BayFwG ist keine teleologische Reduktion vorzunehmen, dass eine Inanspruchnahme ausscheidet, wenn die Brandmeldeanlage nicht freiwillig, sondern auf behördliche Anordnung hin verbaut wurde. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
3 Eeine unbillige Härte der Inanspruchnahme kommt erst in Betracht, wenn diese im jeweiligen Einzelfall zu einer finanziellen Belastung „über Gebühr“, zB einer äußerst hohen Belastung oder Existenzbedrohung führt. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten vom 8. Januar 2015 in der Form des Widerspruchsbescheids des Landratsamts … von 5. Dezember 2016 sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 VwGO.
Die Bescheide finden in Art. 28 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 5 BayFwG i.V.m. der Satzung der Beklagten über Aufwendungsersatz und Gebühren für Einsätze und andere Leistungen städtischer Feuerwehren vom 29. März 2014 eine hinreichende Rechtsgrundlage. Nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 5 BayFwG kann unter anderem Aufwendungsersatz bei einem Falschalarm, der durch eine private Brandmeldeanlage ausgelöst wurde, verlangt werden. Dabei reicht das bloße Ausrücken der Feuerwehr im Falle eines Falschalarms durch eine solche Brandmeldeanlage aus, eines Feuerwehreinsatzes bedarf es hierzu nicht.
Entgegen der Argumentation der Klägerin kommt es hierbei nicht darauf an, ob der Falschalarm schuldhaft erfolgte bzw. ist hierbei keine teleologische Reduktion vorzunehmen, dass eine Inanspruchnahme ausscheidet, wenn die Brandmeldeanlage nicht freiwillig, sondern auf behördliche Anordnung hin verbaut wurde. Die gesetzliche Konzeption in Verbindung mit der kommunalen Satzung setzt gerade kein schuldhaftes Verhalten voraus (so auch Forster/Pemler/Remele, Bayerisches Feuerwehrgesetz, 43. EL Januar 2018, Art. 28 Rn 54), weshalb die beiden klägerseits zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgericht München vom 17. Dezember 1997 – M 7 K 96.4828 – und Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vom 27. Juni 2012 – 4 BV 11.2549 – gerade nicht einschlägig sind, bei denen andere normative Grundlagen gegenständlich waren.
Vielmehr hat sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ausführlich mit der Normierung des Art. 28 Abs. 2 Nr. 5 BayFwG in seiner Entscheidung vom 8. Juli 2004 – 4 BV 03.617 – auseinandergesetzt. Danach kann der Betreiber einer privaten Brandmeldeanlage zum Kostenersatz gemäß Art. 28 Abs. 2 Nr. 5 Var. 2 BayFwG (nur) herangezogen werden, wenn sich bei der Alarmauslösung die anlagenspezifischen Risiken für einen Falschalarm verwirklicht haben. Es geht dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu weit, eine quasi allgemeine Gefährdungshaftung alleine durch die Nutzung einer Brandmeldeanlage anzunehmen – weshalb er das Kriterium des „menschlichen Zutuns“ ausschließt -, vielmehr zieht er eine Begrenzung daraus, ob sich im konkreten Fall die mit der Alarmauslösung auf technischem Wege zwangsläufig verbundenen anlagenspezifischen Risiken für einen Falschalarm verwirklicht haben, denn nur diese habe der Anlagenbetreiber zu tragen (BayVGH, U.v. 8.7.2004 – 4 BV 03.617 – juris Rn 19 f.). Die technische Anlageeinrichtung reagiere im Gegensatz zum Mensch starr, unflexibel und unreflektiert auf das Vorliegen einzelner brandtypischer Begleiterscheinungen. In Abhängigkeit von der Art der eingesetzten Meldedetektoren (Rauch-, Hitze-, Flammen- oder Brandgasmelder) und deren eingestellter Sensibilität spreche sie automatisch auf bestimmte, mit einem Brand typischerweise verbundene Sekundärerscheinungen an, ohne in der Lage zu sein, diese im Einzelfall auf die Verursachung durch einen Brand zurückzuführen. Neben diese Fehlalarmierungsrisiken, die aus der Fixierung auf einzelne typische Brandfolgeeffekte resultieren, würden konstruktiv bedingte Auslöserisiken infolge der Sensibilität der Anlage auch für von außen einwirkende brandunabhängige Ereignisse (z.B. Blitzschlag, Erschütterungen) und das allgemeine Risiko technischer Störungen (z.B. Auslösung nach Kurzschluss) treten (BayVGH, a.a.O. Rn 21). Jedenfalls diese Risikofelder für einen Falschalarm, die tatsächlich nicht auf einem Brand beruhende Ansprache eines Meldedetektors (z.B. infolge von Schweißarbeiten), die Sensibilität der Anlage für externe Effekte und die jedem elektr(on) ischen Gerät immanente Möglichkeit des Auftretens von Störungen seien nach dem Wortlaut des Art. 28 Abs. 2 Nr. 5 Var. 2 BayFwG dem Anlagenbetreiber als adäquat zu verantwortende Ursachen zugewiesen. Der Betreiber einer Brandmeldeanlage habe für die diagnostische Schwäche der Einrichtung, Auslösungen infolge von außen kommender brandfremder Ereignisse sowie das Auftreten von technisch bedingten Fehlfunktionen einzustehen (BayVGH, a.a.O. Rn 22).
In Folge dieser Rechtsprechung werden auch in der Kommentarliteratur z.B. Fehlalarme unter den Tatbestand des Art. 28 Abs. 2 Nr. 5 BayfwG subsumiert, die durch ein Ansprechen auf mit einem Brand typischerweise verbundene Erscheinungen wie Rauch, Hitze etc., ohne dass ein Brand vorliegt, durch das allgemeine Risiko technischer Störungen, z.B. Auslösung nach Kurzschluss, die Nachlässigkeit in der Wartung der Anlage, eine falsche Auswahl und Planung der Anlage oder durch höhere Gewalt, z.B. Blitzschlag, Erschütterungen, ausgelöst wurden (Forster/Pemler/ Remele, Bayerisches Feuerwehrgesetz, 43. EL Januar 2018, Art. 28 Rn 54).
Solche anlagenspezifischen Risiken im Sinne o.g. Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und der Kommentarliteratur haben sich auch im vorliegenden Fall bei der im Streit stehenden Brandmeldeanlage der Klägerin verwirklicht. Aus den den Bescheiden zugrundeliegenden Falschalarmen und insbesondere auch den Ausführungen des Vertreters der Klägerin in der mündlichen Verhandlung wurde deutlich, dass entgegen der Klagebegründung unterschiedliche Aspekte die Brandmeldeanlage zum Auslösen brachten und bringen. Sowohl bei einem Auslösen durch Funkenflug bei Flex- und Schweißarbeiten, Infrarotunterbrechung durch Vogelflug, aufwirbelnden Staub bei Reinigungsarbeiten, Auslösen im Zusammenhang mit einer Stromunterbrechung (vgl. insoweit die jeweiligen Angaben in der Protokollierung über den Feuerwehreinsatz) als auch bei einem Auslösen aufgrund von Erschütterungen eines Kranbetriebs (während Letztes nur nach den Angaben in der Klageschrift, aber nicht ausweislich der Behördenunterlagen ein Auslösegrund war) handelt es sich letztlich um solche anlagenspezifische Risiken für einen Fehlalarm. Die Brandmeldeanlage löst aus, obwohl tatsächlich kein Brand bzw. keine Brandgefahr vorlag. Dies stellt die typische Konstellation eines Fehlalarms aufgrund der anlagetypischen Beschaffenheit im oben dargestellten Sinne dar. Die Beklagte hat somit zutreffend den Kostentatbestand des Art. 28 Abs. 2 Nr. 5 Var. 2 BayFwG als erfüllt angesehen.
Im Übrigen hat die Beklagten ausweislich der jeweiligen Bescheidsbegründung jeweils ihr Ermessen erkannt, in noch hinreichender und beanstandungsfreier Weise insbesondere mit Bezugnahme auf haushaltsrechtliche Vorgaben (vgl. auch BayVGH, U.v. 3.9.2009 – 4 BV 08.754 – juris Rn 20, wonach keine hohen Anforderungen an die Betätigung des Entschließungsermessens zu stellen sind; wenngleich die Verpflichtung zur Beachtung des haushaltsrechtlichen Gebots der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit in Art. 61 f. Bayerische Gemeindeordnung i.V.m. dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung die Notwendigkeit einer Ermessensausübung nicht entfallen lässt, auch kein Ermessen intendiert oder der Erlass einer Kostensatzung keine Annäherung an eine Selbstbindung in Richtung Kostenerhebung darstellt (Forster/Pemler/Remele, Bayerisches Feuerwehrgesetz, 43. EL Januar 2018, Art. 28 Rn 12 m.w.N.)) gegenüber der finanziellen Belastung der Klägerin abgewogen und zudem gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 3 BayFwG die Frage einer etwaigen Unbilligkeit der Inanspruchnahme geprüft. Auf die zutreffenden Ausführungen wird Bezug genommen. Dabei kommt eine unbillige Härte der Inanspruchnahme erst in Betracht, wenn diese im jeweiligen Einzelfall zu einer finanziellen Belastung „über Gebühr“, z.B. einer äußerst hohen Belastung oder Existenzbedrohung (vgl. Nr. 28.2 VollzBekBayFwG), führt. Hierzu sind vorliegend keine Anhaltspunkte vorgetragen oder ersichtlich.
Soweit die Klägerin die Höhe der Inanspruchnahme rügt, fehlt es hierzu an jeglicher Substantiierung. Der Einwand, teilweise erscheine der Personalaufwand nicht gerechtfertigt, reicht insoweit nicht aus, die jeweiligen Kostenaufstellungen (als Anlage zu den jeweiligen Bescheiden) und die Ausführungen im Widerspruchsbescheid in Zweifel zu ziehen und das Gericht zu einer allgemeinen Fehlersuche zu veranlassen. Auch die schriftsätzlich angeregte, in der mündlichen Verhandlung nicht förmlich beantragte Einholung eines entsprechenden Sachverständigengutachtens ist daher für das Gericht nicht veranlasst.
Auch im Übrigen bestehen keine Bedenken im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Bescheide in Form des Widerspruchsbescheids.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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