Europarecht

Flaschenpfand III

Aktenzeichen  I ZR 135/20

Datum:
29.7.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
EuGH-Vorlage
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:290721BIZR135.20.0
Normen:
Art 2 Buchst a EGRL 6/98
Art 3 Abs 1 EGRL 6/98
Art 3 Abs 4 EGRL 6/98
Art 10 EGRL 6/98
§ 1 Abs 4 PAngV
EGRL 29/2005
Spruchkörper:
1. Zivilsenat

Leitsatz

Flaschenpfand III
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 2 Buchst. a und Art. 10 der Richtlinie 98/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse (ABl. L 80 vom 18. März 1998, S. 27) und der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 149 vom 11. Juni 2005, S. 22; Berichtigung ABl. L 253 vom 25. September 2009, S. 18) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist der Begriff des Verkaufspreises im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/6/EG dahin auszulegen, dass er den Pfandbetrag enthalten muss, den der Verbraucher beim Kauf von Waren in Pfandflaschen oder Pfandgläsern zu zahlen hat?
2. Für den Fall, dass Frage 1 bejaht wird:
Sind die Mitgliedsstaaten nach Art. 10 der Richtlinie 98/6/EG berechtigt, eine von Art. 3 Abs. 1 und 4 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/6/EG abweichende Regelung wie die in § 1 Abs. 4 PAngV beizubehalten, wonach für den Fall, dass außer dem Entgelt für eine Ware eine rückerstattbare Sicherheit gefordert wird, deren Höhe neben dem Preis für die Ware anzugeben und kein Gesamtbetrag zu bilden ist, oder steht dem der Ansatz der Vollharmonisierung der Richtlinie 2005/29/EG entgegen?

Verfahrensgang

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 30. Juli 2020, Az: 6 U 49/19, Urteilvorgehend LG Kiel, 26. Juni 2019, Az: 15 HKO 38/18, Urteil

Tenor

I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 2 Buchst. a und Art. 10 der Richtlinie 98/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse (ABl. L 80 vom 18. März 1998, S. 27) und der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 149 vom 11. Juni 2005, S. 22; Berichtigung ABl. L 253 vom 25. September 2009, S. 18) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist der Begriff des Verkaufspreises im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/6/EG dahin auszulegen, dass er den Pfandbetrag enthalten muss, den der Verbraucher beim Kauf von Waren in Pfandflaschen oder Pfandgläsern zu zahlen hat?
2. Für den Fall, dass Frage 1 bejaht wird:
Sind die Mitgliedsstaaten nach Art. 10 der Richtlinie 98/6/EG berechtigt, eine von Art. 3 Abs. 1 und 4 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/6/EG abweichende Regelung wie die in § 1 Abs. 4 PAngV beizubehalten, wonach für den Fall, dass außer dem Entgelt für eine Ware eine rückerstattbare Sicherheit gefordert wird, deren Höhe neben dem Preis für die Ware anzugeben und kein Gesamtbetrag zu bilden ist, oder steht dem der Ansatz der Vollharmonisierung der Richtlinie 2005/29/EG entgegen?

Gründe

1
A. Der Kläger ist ein Verein, der satzungsgemäß das Interesse seiner Mitglieder an der Einhaltung des Wettbewerbsrechts überwacht. Die Beklagte vertreibt Lebensmittel. In einem Faltblatt (Anlage K 3) bewarb sie unter anderem Getränke in Pfandflaschen und Joghurt in Pfandgläsern. Der Pfandbetrag war in die angegebenen Preise nicht einberechnet, sondern mit dem Zusatz “zzgl. … € Pfand” ausgewiesen. Der Kläger hält dies wegen der fehlenden Angabe eines Gesamtpreises für unzulässig und nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Ersatz einer Abmahnkostenpauschale in Anspruch.
2
Das Landgericht (LG Kiel, Urteil vom 26. Juni 2019 – 15 HKO 38/18, juris) hat die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt,
a) es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr gegenüber Verbrauchern für Getränke und/oder Joghurt, auf die ein Pfand erhoben wird, mit der Ankündigung von Preisen zu werben, ohne den jeweiligen Gesamtpreis einschließlich des Pfands zu nennen, sofern dies geschieht, wie in der Anlage K 3 zu diesem Urteil wiedergegeben,
b) an den Kläger 178,50 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. November 2018 zu zahlen.
3
Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen (OLG Schleswig, GRUR-RR 2021, 133). Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
4
B. Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung von Art. 2 Buchst. a und Art. 10 der Richtlinie 98/6/EG über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse sowie der Reichweite der mit der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt beabsichtigten Vollharmonisierung ab. Vor einer Entscheidung ist das Verfahren deshalb auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.
5
I. Das Berufungsgericht hat die Klage als unbegründet angesehen und hierzu im Wesentlichen ausgeführt:
6
Dem Kläger stehe kein Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV zu. Es bestünden bereits erhebliche Bedenken, ob § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV weiterhin so auszulegen sei, dass in den danach anzugebenden Gesamtpreis ein Pfandbetrag einzurechnen sei. Der Klage könne jedenfalls deshalb nicht stattgegeben werden, weil § 1 Abs. 4 PAngV eine Ausnahmevorschrift für den Fall enthalte, dass außer dem Entgelt für die Ware oder Leistung eine rückerstattbare Sicherheit gefordert werde. Diese Vorschrift sei zwar europarechtswidrig und deshalb nicht mehr anwendbar. Gleichwohl sei sie geltendes Recht. Es sei mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren, die Beklagte zu verurteilen, obwohl sie sich an diese Vorschrift gehalten habe. Der Unterlassungsanspruch bestehe auch nicht wegen eines irreführenden Unterlassens der Angabe des Gesamtpreises nach § 5a Abs. 2 und 3 Nr. 3 UWG. Die Vorschrift des § 5a Abs. 3 Nr. 3 UWG greife wegen der vorrangigen Regelungen zur Preisauszeichnung in der Richtlinie 98/6/EG nicht ein. Selbst wenn die Vorschrift anwendbar wäre, könnte das Ergebnis nicht anders sein als bei einer Anwendung von § 3a UWG, da die Beklagte sich an den für sie bindenden § 1 Abs. 4 PAngV gehalten habe. Wegen dieser Vorschrift könne auch nicht über den Verweis in § 5a Abs. 4 UWG auf die Informationsanforderungen in der Richtlinie 98/6/EG zurückgegriffen werden.
7
II. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2, §§ 3, 3a UWG wegen eines Verstoßes gegen § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV nicht verneint werden.
8
1. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV hat derjenige, der Verbrauchern gewerbs- oder geschäftsmäßig oder regelmäßig in sonstiger Weise Waren oder Leistungen anbietet oder als Anbieter von Waren oder Leistungen gegenüber Verbrauchern unter Angabe von Preisen wirbt, die Preise anzugeben, die einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile zu zahlen sind (Gesamtpreise). Bei der Vorschrift handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 2016 – I ZR 61/14, GRUR 2016, 516 Rn. 12 = WRP 2016, 581 – Wir helfen im Trauerfall, mwN). Soweit sie die Unternehmer zur Angabe der Gesamtpreise einschließlich der Umsatzsteuer beim Warenhandel verpflichtet, hat sie ihre Grundlage in Art. 1 und 2 Buchst. a, Art. 3 und 4 Abs. 1 der Richtlinie 98/6/EG (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 2016 – I ZR 29/15, GRUR 2017, 286 Rn. 10 = WRP 2017, 296 – Hörgeräteausstellung). Ob die Beklagte gegen § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV verstoßen hat, hängt deshalb von der Auslegung dieser Richtlinienvorschriften, insbesondere davon ab, ob ein Pfandbetrag, der beim Kauf von Waren in Pfandflaschen oder Pfandgläsern zu zahlen ist, in dem Gesamtpreis enthalten sein muss.
9
a) Nach Art. 3 Abs. 1 und 4 der Richtlinie 98/6/EG ist in der Werbung für die in Art. 1 der Richtlinie 98/6/EG bezeichneten Erzeugnisse, das heißt für Erzeugnisse, die Verbrauchern von Händlern angeboten werden, der Verkaufspreis anzugeben, wenn die Werbung – wie im Streitfall – vom Durchschnittsverbraucher als Angebot des Gewerbetreibenden aufgefasst werden kann, das Erzeugnis zu den in dieser Werbung genannten Konditionen zu verkaufen (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Juli 2016 – C-476/14, GRUR 2016, 945 Rn. 28 bis 30 = WRP 2016, 1096 – Citroën Commerce). Nach Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/6/EG bezeichnet der Ausdruck “Verkaufspreis” den Endpreis für eine Produkteinheit oder eine bestimmte Erzeugnismenge, der die Mehrwertsteuer und alle sonstigen Steuern einschließt. Als Endpreis muss er notwendigerweise die unvermeidbaren und vorhersehbaren Bestandteile des Preises enthalten, die obligatorisch vom Verbraucher zu tragen sind und die Gegenleistung in Geld für den Erwerb des betreffenden Erzeugnisses bilden (EuGH, GRUR 2016, 945 Rn. 37 – Citroën Commerce). Ob der Verkaufspreis im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/6/EG auch den Pfandbetrag enthalten muss, den Verbraucherinnen und Verbraucher beim Kauf von Waren in Pfandflaschen oder Pfandgläsern zu zahlen haben, ergibt sich daraus nicht zweifelsfrei und ist Gegenstand der Vorlagefrage 1.
10
b) Nach einer Auffassung, der sich das Landgericht angeschlossen hat, ist ein Pfandbetrag Teil des Verkaufspreises gemäß Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/6/EG (KG, WRP 2018, 226, 229 [juris Rn. 65]; LG Essen, Urteil vom 29. August 2019 – 43 O 145/18, juris Rn. 48 bis 59; LG Berlin, Urteil vom 10. September 2019 – 91 O 127/18, juris Rn. 27; LG Frankfurt am Main, Urteil vom 22. November 2019 – 3-10 O 50/19, juris Rn. 35; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl., § 1 PAngV Rn. 28; ders., WRP 2018, Heft Nr. 3, S. I). Die rückerstattbare Sicherheit im Sinne des § 1 Abs. 4 PAngV stelle einen unvermeidbaren und vorhersehbaren Bestandteil des Preises dar, der obligatorisch vom Verbraucher zu tragen sei und damit nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union Teil des Verkaufspreises im Sinne des Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/6/EG sei (vgl. KG, WRP 2018, 226, 229 [juris Rn. 65]; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO § 1 PAngV Rn. 28). Die Erstattung des Pfandbetrags bei Rückgabe des Behältnisses stehe dem nicht entgegen, zumal die Käuferinnen und Käufer die Kosten und Mühen der Rückgabe häufig scheuten (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO § 1 PAngV Rn. 28).
11
c) Nach einer anderen Auffassung ist Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/6/EG dahin auszulegen, dass ein Pfandbetrag nicht Teil des Verkaufspreises ist (OLG Köln, GRUR-RR 2020, 384, 385 [juris Rn. 41]; BeckOK.UWG/Barth, 12. Edition [Stand 1. Mai 2021], § 1 PAngV Rn. 36; Schröder, WRP 2019, 984 Rn. 25 bis 29; dahin tendierend auch Büscher/Schilling, UWG, § 1 PAngV Rn. 58). Welche Preisbestandteile dem Gesamtpreis zuzuordnen seien, bestimme sich grundsätzlich aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs, der seit Jahren daran gewöhnt sei, dass das Flaschenpfand gesondert neben dem Gesamtpreis für die Ware angegeben werde (vgl. OLG Köln, GRUR-RR 2020, 384, 385 [juris Rn. 42]). Bei dem Pfandbetrag handele es sich auch nicht um einen Preisbestandteil, der als Gegenleistung für die Ware zu zahlen sei, sondern um eine reine Sicherheit im Interesse der (Wieder-)Verwertung des Gebindes (vgl. OLG Köln, GRUR-RR 2020, 384, 385 [juris Rn. 43]), die zudem keine (dauerhafte) wirtschaftliche Belastung der Kundinnen und Kunden darstelle (vgl. Schröder, WRP 2019, 984 Rn. 26). Der Verbraucher wolle regelmäßig wissen, welchen Preis er für das Produkt an sich zu zahlen habe, und nicht auf den “wahren” Preis rückrechnen müssen (BeckOK.UWG/Barth aaO § 1 PAngV Rn. 70). Werde der Pfandbetrag in den Verkaufspreis einbezogen, sei dieser zudem Grundlage der Grundpreisangabe nach § 2 PAngV, also der Angabe des Preises je Maßeinheit nach Art. 3 Abs. 1 und 4 der Richtlinie 98/6/EG, und erschwere die Vergleichbarkeit von Grundpreisen für Getränke in verschiedenen Arten von Pfandgebinden mit unterschiedlichen Pfandbeträgen (vgl. BeckOK.UWG/Barth aaO § 1 PAngV Rn. 36; Altmann, GRUR-Prax 2020, 88).
12
d) Der Senat hält die zuerst genannte Ansicht für überzeugender. Sie entspricht der Auffassung, die der Senat bereits vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 98/6/EG zu § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV vertreten hat (vgl. BGH, Urteil vom 14. Oktober 1993 – I ZR 218/91, GRUR 1994, 222, 223 f. [juris Rn. 16 f.] = WRP 1994, 101 – Flaschenpfand I).
13
aa) Für die Auslegung des Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/6/EG kann es nicht darauf ankommen, ob die Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland aufgrund der Regelung in § 1 Abs. 4 PAngV seit Jahren daran gewöhnt sind, dass das Flaschenpfand gesondert neben dem Gesamtpreis für die Ware angegeben wird. Die Richtlinie 98/6/EG ist in der gesamten Europäischen Union einheitlich auszulegen.
14
bb) Bei einem Pfandbetrag handelt es sich nach Ansicht des Senats um einen unvermeidbaren und vorhersehbaren Bestandteil des Preises, der obligatorisch vom Verbraucher zu tragen ist und einen Teil der Gegenleistung in Geld für den Erwerb des betreffenden Erzeugnisses bildet (vgl. EuGH, GRUR 2016, 945 Rn. 37 – Citroën Commerce). Wenn der Verbraucher ein Getränk in einer Pfandflasche erwerben möchte, treten ihm Getränk und Verpackung als ein einheitliches Gebinde im Rahmen eines einheitlichen Angebots gegenüber, für das an der Kasse eine Gegenleistung zu erbringen ist, die sich aus Getränkepreis plus Pfandbetrag zusammensetzt. Der Verbraucher kann das in der Mehrwegverpackung angebotene Getränk nur zusammen mit der Flasche erwerben (vgl. BGH, GRUR 1994, 222, 223 [juris Rn. 16] – Flaschenpfand I). Regelmäßig will er aber – auch zu Zwecken des Preisvergleichs sowohl mit Blick auf Konkurrenzangebote als auch mit Blick auf Einwegware – wissen, was ihn der Einkauf konkret, also insgesamt, kostet (BGH, GRUR 1994, 223 [juris Rn. 17] – Flaschenpfand I). Das gilt entsprechend für die Angabe des Grundpreises. Dieser lässt sich ausgehend vom Gesamtpreis inklusive Pfandbetrag ohne weiteres angeben. Bei einer eventuell erforderlichen Umrechnung auf die Mengeneinheit (§ 2 Abs. 3 PAngV) ist lediglich zu beachten, dass der Pfandbetrag gleichbleibt (vgl. LG Essen, Urteil vom 29. August 2019 – 43 O 145/18, juris Rn. 92).
15
cc) Nach Auffassung des Senats erfordern allerdings die Gebote der Preisklarheit und Preiswahrheit nach § 1 Abs. 7 Satz 1 PAngV, der seine Grundlage in Art. 4 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 98/6/EG hat (zum inhaltsgleichen § 1 Abs. 6 Satz 1 PAngV aF vgl. BGH, Urteil vom 16. Juli 2009 – I ZR 140/07, GRUR 2010, 251 Rn. 16 = WRP 2010, 245 – Versandkosten bei Froogle I; vgl. auch Erwägungsgrund 2 der Richtlinie 98/6/EG), nicht nur die Angabe des Gesamtpreises, sondern auch dessen Aufschlüsselung hinsichtlich der Preisbestandteile Warenpreis und Pfandbetrag (vgl. BGH, GRUR 1994, 222, 224 [juris Rn. 18] – Flaschenpfand I).
16
2. Für den Fall, dass Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/6/EG dahin auszulegen ist, dass ein Pfandbetrag im Verkaufspreis enthalten sein muss, stellt sich die Frage, ob die Mitgliedsstaaten nach Art. 10 der Richtlinie 98/6/EG berechtigt sind, eine von Art. 3 Abs. 1 und 4 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/6/EG abweichende Regelung wie die in § 1 Abs. 4 PAngV beizubehalten, oder ob dem der Ansatz der Vollharmonisierung der Richtlinie 2005/29/EG entgegensteht. Das ist Gegenstand der Vorlagefrage 2.
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a) Nach § 1 Abs. 4 PAngV ist für den Fall, dass außer dem Entgelt für eine Ware oder Leistung eine rückerstattbare Sicherheit gefordert wird, deren Höhe neben dem Preis für die Ware oder Leistung anzugeben und kein Gesamtbetrag zu bilden. Danach wäre der Verkaufspreis in Abweichung von Art. 3 Abs. 1 und 4 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/6/EG und § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV nicht einschließlich des Pfandbetrags zu bilden, der beim Kauf von Waren in Pfandflaschen und Pfandgläsern zu zahlen ist.
18
b) Nach Art. 10 der Richtlinie 98/6/EG sind die Mitgliedstaaten nicht gehindert, unbeschadet ihrer Verpflichtungen nach dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Bestimmungen zu erlassen oder beizubehalten, die für die Unterrichtung der Verbraucher und den Preisvergleich günstiger sind. Die Richtlinie 98/6/EG zielt damit auf eine Mindestangleichung (vgl. BGH, Beschluss vom 18. September 2014 – I ZR 201/12, GRUR 2014, 1208 Rn. 14 = WRP 2014, 1444 – Preis zuzüglich Überführung).
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c) Mit der Richtlinie 2005/29/EG werden die Regeln über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern auf Unionsebene vollständig harmonisiert. Daher dürfen die Mitgliedstaaten, wie Art. 4 der Richtlinie 2005/29/EG ausdrücklich festschreibt, keine strengeren Maßnahmen erlassen als die, die in der Richtlinie festgelegt sind, selbst dann nicht, wenn sie ein höheres Verbraucherschutzniveau bezwecken (vgl. EuGH, Urteil vom 23. April 2009 – C-261/07 und C-299/07, Slg. 2009, I-2949 = GRUR 2009, 599 Rn. 52 – VTB-VAB und Galatea; Urteil vom 9. November 2010 – C-540/08, Slg. 2010, I-10909 = GRUR 2011, 76 Rn. 30 – Mediaprint Zeitungs- und Zeitschriftenverlag; Urteil vom 10. Juli 2014 – C-421/12, GRUR Int. 2014, 964 Rn. 55 – Kommission/Belgien).
20
Dieser Grundsatz der Vollharmonisierung wurde durch die Öffnungsklausel in Art. 3 Abs. 5 Satz 1 der Richtlinie 2005/29/EG in der bis zum 6. Januar 2020 geltenden Fassung (aF) modifiziert. Danach konnten die Mitgliedstaaten für einen Zeitraum von sechs Jahren ab dem 12. Juni 2007 in dem durch die Richtlinie 2005/29/EG angeglichenen Bereich nationale Vorschriften beibehalten, die restriktiver oder strenger waren als die Richtlinie und zur Umsetzung von Richtlinien erlassen worden waren, die Klauseln über eine Mindestangleichung enthalten. Mit der am 7. Januar 2020 in Kraft getretenen Richtlinie (EU) 2019/2161 zur Änderung der Richtlinien 93/13/EWG, 98/6/EG, 2005/29/EG und 2011/83/EU zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union wurde diese bereits zum 12. Juni 2013 ausgelaufene Öffnungsklausel durch eine neue Öffnungsklausel ersetzt (vgl. Art. 3 Nr. 2 der Richtlinie [EU] 2019/2161). Am Ansatz der Vollharmonisierung der Richtlinie 2005/29/EG auch in ihrer durch die Richtlinie (EU) 2019/2161 geänderten Fassung ändert das nichts (vgl. Alexander, WRP 2021, 136 Rn. 2). Restriktivere nationale Maßnahmen zur Umsetzung mindestharmonisierender Richtlinien können wettbewerbsrechtlich nicht sanktioniert werden, sofern keine andere (sachliche) Öffnungsklausel greift (vgl. Großkomm.UWG/Heinze, 3. Aufl., Einleitung C Rn. 333).
21
Der durch die Richtlinie 2005/29/EG angeglichene Bereich im Sinne von Art. 3 Abs. 5 Satz 1 der Richtlinie 2005/29/EG aF betrifft nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG unlautere Geschäftspraktiken im Sinne von Art. 5 dieser Richtlinie von Unternehmen gegenüber Verbrauchern vor, während und nach Abschluss eines auf ein Produkt bezogenen Handelsgeschäfts. In Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 2005/29/EG werden Geschäftspraktiken definiert als jede Handlung, Unterlassung, Verhaltensweise oder Erklärung, kommerzielle Mitteilung einschließlich Werbung und Marketing eines Gewerbetreibenden, die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts an Verbraucher zusammenhängt. Darunter fällt grundsätzlich auch die Angabe des Verkaufspreises in der Werbung (vgl. EuGH, GRUR 2016, 945 Rn. 43 – Citroën Commerce) einschließlich eines (eventuellen) Pfandbetrags.
22
d) Ob Art. 10 der Richtlinie 98/6/EG und die Vollharmonisierung der Richtlinie 2005/29/EG, unter Berücksichtigung von Art. 3 Abs. 5 Satz 1 der Richtlinie 2005/29/EG aF, die Beibehaltung von § 1 Abs. 4 PAngV zulassen, ist umstritten.
23
aa) Nach einer Auffassung fällt § 1 Abs. 4 PAngV in den durch die Richtlinie 2005/29/EG angeglichenen Bereich. Danach durfte die Vorschrift nur nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 5 Satz 1 der Richtlinie 2005/29/EG aF beibehalten werden, also nur soweit es sich dabei um eine Regelung handelt, die nach Maßgabe des Art. 10 der Richtlinie 98/6/EG über die Mindestangleichung durch Art. 3 Abs. 1 und 4 der Richtlinie 98/6/EG hinausgeht, und zudem nur bis zum Ende des Übergangszeitraums am 12. Juni 2013. Da dieser Zeitpunkt verstrichen ist, steht nach dieser Ansicht Art. 3 Abs. 5 Satz 1 der Richtlinie 2005/29/EG aF, mithin die Vollharmonisierung der Richtlinie 2005/29/EG der Regelung in § 1 Abs. 4 PAngV entgegen (KG, WRP 2018, 226, 229 [juris Rn. 65]; LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 6. Juni 2019 – 19 O 16/19, juris Rn. 38; LG Essen, Urteil vom 29. August 2019 – 43 O 145/18, juris Rn. 66; LG Berlin, Urteil vom 10. September 2019 – 91 O 127/18, juris Rn. 27; LG Frankfurt am Main, Urteil vom 22. November 2019 – 3-10 O 50/19, juris Rn. 48; Sosnitza in Ohly/Sosnitza, UWG, 7. Aufl., Einf. PAngV Rn. 14; Wenglorz in Fezer/Büscher/Obergfell, UWG, 3. Aufl., S 14 Rn. 165a; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO Vorb. PAngV Rn. 11b und § 1 PAngV Rn. 28; ders., WRP 2016, 541 Rn. 30; ders., WRP 2018, Heft Nr. 3, S. I).
24
bb) Nach der Gegenauffassung liegt § 1 Abs. 4 PAngV außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2005/29/EG und steht Art. 3 Abs. 5 Satz 1 der Richtlinie 2005/29/EG aF der Beibehaltung von § 1 Abs. 4 PAngV deshalb nicht entgegen (OLG Köln, GRUR-RR 2020, 384, 385 [juris Rn. 40]; LG Köln, Urteil vom 3. April 2019 – 84 O 256/18, juris Rn. 19; MünchKomm.UWG/Schaffert, 3. Aufl., § 3a Rn. 499 mit Rn. 488; Weidert in Harte/Henning, UWG, 4. Aufl., § 1 PAngV Rn. 73; Büscher/Schilling aaO § 1 Rn. 58; dahin tendierend auch Goldberg, WRP 2013, 1561 Rn. 40).
25
e) Der Senat hält die zuerst genannte Auffassung für überzeugender.
26
aa) Die Gegenauffassung nimmt an, die Regelung in § 1 Abs. 4 PAngV verfolge auch umweltpolitische Ziele, die außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2005/29/EG lägen (OLG Köln, GRUR-RR 2020, 384, 385 [juris Rn. 40]; LG Köln, Urteil vom 3. April 2019 – 84 O 256/18, juris Rn. 19; Weidert in Harte/Henning aaO § 1 PAngV Rn. 73; Büscher/Schilling aaO § 1 PAngV Rn. 58; Goldberg, WRP 2013, 1561 Rn. 40). Das trifft nach Ansicht des Senats nicht zu.
27
(1) Die Regelung in § 1 Abs. 4 PAngV ist im Jahr 1997 in Reaktion auf die Entscheidung des Senats “Flaschenpfand I” (BGH, GRUR 1994, 222) geschaffen worden. Der Verordnungsgeber meinte, das Erfordernis, den Endpreis als Summe von Getränkepreis und Pfandbetrag anzugeben, führe zu einer optischen Benachteiligung von Mehrweg- gegenüber Einweggebinden, die auf den ersten Blick preiswerter wirkten. Nach der Neuregelung könne der Verbraucher ohne Schwierigkeiten den Preis für den Inhalt vergleichen. Dies entspreche auch den umweltpolitischen Bemühungen um Durchsetzung von Mehrweggebinden (Begründung zur Dritten Verordnung zur Änderung der Preisangabenverordnung, BR-Drucks. 238/97, S. 8).
28
(2) Die Richtlinie 2005/29/EG nimmt Bestimmungen zum Umweltschutz nicht ausdrücklich von ihrem Anwendungsbereich aus. Nach ihrem Art. 3 Abs. 3 lässt sie nur Rechtsvorschriften der Gemeinschaft oder der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Gesundheits- und Sicherheitsaspekte von Produkten unberührt.
29
(3) Nach Auffassung des Senats kann sich die Gegenansicht nicht mit Erfolg auf Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2005/29/EG stützen. Selbst wenn eine Vorschrift danach bereits dann nicht mehr in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2005/29/EG fiele, wenn ihr – neben Aspekten der Transparenz, Klarheit und Vergleichbarkeit von Verkaufspreisen – auch Gesundheits- und Sicherheitsaspekte von Produkten zugrunde lägen, erfüllte § 1 Abs. 4 PAngV diese Voraussetzung nicht (vgl. LG Essen, Urteil vom 29. August 2019 – 43 O 145/18, juris Rn. 72 f.; LG Berlin, Urteil vom 10. September 2019 – 91 O 127/18, juris Rn. 27; LG Frankfurt am Main, Urteil vom 22. November 2019 – 3-10 O 50/19, juris Rn. 51 f.). Der Aspekt des Umweltschutzes, der mit der Förderung eines Mehrwegsystems für Verpackungen verfolgt wird, betrifft keine Gesundheits- und Sicherheitsaspekte von Produkten. Erwägungsgrund 9 Satz 3 der Richtlinie 2005/29/EG verweist insoweit beispielhaft auf Spirituosen, Tabakwaren und Arzneimitteln. Die Regelung in Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2005/29/EG betrifft danach unmittelbare, von den Produkten ausgehende Gesundheitsgefahren. Entsprechende Gefahren sind bei Pfandprodukten nicht ersichtlich.
30
bb) § 1 Abs. 4 PAngV soll nach der Gegenauffassung auch deshalb nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2005/29/EG fallen, weil nach deren Art. 3 Abs. 4 bereits die Richtlinie 98/6/EG selbst außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2005/29/EG liege (vgl. MünchKomm.UWG/Schaffert aaO § 3a Rn. 488). Der Senat hält das nicht für zutreffend.
31
(1) Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG sieht vor, dass bei einer Kollision der Bestimmungen dieser Richtlinie mit anderen unionsrechtlichen Vorschriften, die besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln, die Letzteren vorgehen und für diese besonderen Aspekte maßgebend sind. Diese Regelung soll nach der Gegenauffassung den Vorschriften der Richtlinie 98/6/EG für den Bereich der Preisangaben für Waren den Vorrang einräumen. Art. 3 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG aF sei nicht einschlägig (gewesen), weil sie auf den “durch diese Richtlinie angeglichenen Bereich” beschränkt sei, der nicht berührt sei, soweit die Kollisionsnorm des Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG reiche. Im Bereich der Preisangaben für Waren seien daher für die Unterrichtung der Verbraucher und den Preisvergleich günstigere mitgliedstaatliche Bestimmungen im Sinne von Art. 10 der Richtlinie 98/6/EG weiterhin zulässig. Dieser jedenfalls grundsätzliche Vorrang werde in der Richtlinie 2005/29/EG dadurch bestätigt, dass allein die Angabe des Preises je Maßeinheit gemäß Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 98/6/EG in Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG in Verbindung mit deren Anhang II als eine im Unionsrecht festgelegte wesentliche Informationsanforderung genannt werde. Daraus folge im Umkehrschluss, dass in Bezug auf alle anderen Pflichten hinsichtlich der Preisangabe für Waren eine Anwendung des Art. 7 der Richtlinie 2005/29/EG ausscheide (MünchKomm.UWG/Schaffert aaO § 3a Rn. 488). Dem kann nicht zugestimmt werden.
32
(2) Der Anwendungsbereich von Art. 3 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG aF wurde nicht durch Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG beschränkt. Eine Kollision im Sinne von Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG kommt überhaupt nur in Betracht, wenn die (Kollisions-)Norm in den durch die Richtlinie 2005/29/EG angeglichenen Bereich im Sinne von Art. 3 Abs. 5 Satz 1 der Richtlinie 2005/29/EG aF fällt. Die beiden Bestimmungen stehen vielmehr nebeneinander und regeln unterschiedliche Bereiche: Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG betrifft das Verhältnis unionsrechtlicher Vorschriften zueinander (vgl. EuGH, Urteil vom 13. September 2018 – C-54/17 und C-55/17, GRUR 2018, 1156 Rn. 59 = WRP 2018, 1304 – Wind Tre und Vodafone Italia); Art. 3 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG aF regelt das Verhältnis des Unionsrechts zum nationalen Recht (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO Vorb. PAngV Rn. 11 b). Danach würde auch für den Fall, dass es sich bei Art. 10 der Richtlinie 98/6/EG um eine im Verhältnis zu den Bestimmungen der Richtlinie 2005/29/EG nach deren Art. 3 Abs. 4 vorrangige Regelung handelte, gelten, dass zur Umsetzung von Art. 10 der Richtlinie 98/6/EG erlassene nationale Vorschriften, die restriktiver oder strenger sind als die Bestimmungen der Richtlinie 2005/29/EG nach deren Art. 3 Abs. 5 Satz 1 aF nur bis zum 12. Juni 2013 beibehalten werden konnten.
33
(3) Unabhängig davon bestehen Zweifel daran, dass es sich bei § 1 Abs. 4 PAngV um eine Vorschrift handelt, die im Sinne von Art. 10 der Richtlinie 98/6/EG für die Unterrichtung der Verbraucher und den Preisvergleich günstiger ist (vgl. LG Essen, Urteil vom 29. August 2019 – 43 O 145/18, juris Rn. 63 bis 65; LG Berlin, Urteil vom 10. September 2019 – 91 O 127/18, juris Rn. 27; LG Frankfurt am Main, Urteil vom 22. November 2019 – 3-10 O 50/19, juris Rn. 48; bejahend Sosnitza in Ohly/Sosnitza aaO Einf. PAngV Rn. 14; Wenglorz in Fezer/Büscher/Obergfell aaO S 14 Rn. 165a; Schröder, WRP 2019, 984 Rn. 10). Nach Ansicht des Senats ist das nicht der Fall. Es handelt sich im Gegenteil um eine Regelung, die die Information der Verbraucherinnen und Verbraucher und den Preisvergleich erschwert, weil sie von ihnen verlangt, den tatsächlich zu zahlenden Preis selbst zu errechnen (vgl. oben Rn. 14).
34
3. Die Vorlagefragen sind entscheidungserheblich. Sollte Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/6/EG so auszulegen sein, dass ein Pfandbetrag im Verkaufspreis enthalten sein muss, und die davon abweichende Regelung in § 1 Abs. 4 PAngV mit Blick auf Art. 3 Abs. 4 und 5 Satz 1 der Richtlinie 2005/29/EG aF in Verbindung mit Art. 10 der Richtlinie 98/6/EG unzulässig sein, stünde § 1 Abs. 4 PAngV der Annahme eines Verstoßes gegen § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV nicht entgegen.
35
a) Das Berufungsgericht hat allerdings mit Recht angenommen, dass § 1 Abs. 4 PAngV nicht dahingehend richtlinienkonform ausgelegt werden könnte, dass er die Verpflichtung zur Angabe eines Gesamtpreises inklusive eines Pfandbetrags zuließe.
36
aa) Die nationalen Gerichte müssen das innerstaatliche Recht mit Hilfe der anerkannten Auslegungsmethoden so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der einschlägigen Richtlinie auslegen, um das in ihr festgelegte Ergebnis zu erreichen (vgl. Art. 288 Abs. 3 AEUV). Diese Pflicht zur unionsrechtskonformen Auslegung betrifft das gesamte nationale Recht, unabhängig davon, ob es vor oder nach der Richtlinie, um die es geht, erlassen wurde (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Februar 2021 – C-760/18, NZA 2021, 333 Rn. 65 und 68 – M. V. u.a.; BGH, Urteil vom 28. Mai 2020 – I ZR 7/16, GRUR 2020, 891 Rn. 53 = WRP 2020, 1009 – Cookie-Einwilligung II; Urteil vom 18. November 2020 – VIII ZR 78/20, NJW 2021, 1008 Rn. 25, jeweils mwN). Allerdings findet die Verpflichtung der nationalen Gerichte, bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts den Inhalt einer Richtlinie heranzuziehen, in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, insbesondere im Grundsatz der Rechtssicherheit und im Rückwirkungsverbot, ihre Schranken und darf nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen (vgl. EuGH, NZA 2021, 333 Rn. 67 – M. V. u.a.; BGH, Urteil vom 5. Oktober 2017 – I ZR 232/16, GRUR 2018, 438 Rn. 19 = WRP 2018, 420 – Energieausweis; Urteil vom 19. April 2018 – I ZR 244/16, GRUR 2018, 950 Rn. 20 = WRP 2018, 1069 – Namensangabe; BGH, NJW 2021, 1008 Rn. 26, jeweils mwN).
37
bb) Nach diesen Grundsätzen wäre eine richtlinienkonforme Auslegung von § 1 Abs. 4 PAngV nicht möglich. Nach ihrem Wortlaut, der Systematik, dem Zweck und der Entstehungsgeschichte ordnet die Vorschrift eindeutig an, dass abweichend von § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV gerade kein Gesamtbetrag inklusive eines Pfandbetrags gebildet werden soll (vgl. OLG Köln, GRUR-RR 2020, 384, 385 [juris Rn. 28]; LG Bonn, Urteil vom 3. Juli 2019 – 12 O 85/18, juris Rn. 23; Sosnitza in Ohly/Sosnitza aaO Einf. PAngV Rn. 14; Köhler, WRP 2018, Heft Nr. 3, S. I; Höfinger, GRUR-Prax 2020, 268).
38
cc) Es kann offenbleiben, ob die Vorschrift des § 1 Abs. 4 PAngV unter diesen Umständen – wie das Berufungsgericht angenommen hat – nicht anwendbar wäre (zu § 7 HOAI vgl. BGH, Beschluss vom 14. Mai 2020 – VII ZR 174/19, BGHZ 225, 297 Rn. 24 bis 39; vgl. auch BGH, NJW 2021, 1008 Rn. 46). Es kann ebenso offenbleiben, ob – wie das Berufungsgericht weiter angenommen hat – eine wegen Unionsrechtswidrigkeit nicht anwendbare Vorschrift gleichwohl gültig bliebe und der Werbende sich darauf berufen könnte.
39
b) Die Vorschrift des § 1 Abs. 4 PAngV verstieße gegen § 5a Abs. 2 und 4 UWG und wäre nichtig, soweit darin angeordnet wird, dass kein Gesamtbetrag aus dem Preis für eine Ware (dem Warenpreis) und der Höhe einer rückerstattbaren Sicherheit (dem Pfandbetrag) zu bilden ist.
40
aa) Nach § 5a Abs. 2 Satz 1 UWG handelt unlauter, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält, die der Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen (Nr. 1), und deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (Nr. 2). Als Vorenthalten gilt nach § 5a Abs. 2 Satz 2 UWG auch das Verheimlichen wesentlicher Informationen (Nr. 1), die Bereitstellung wesentlicher Informationen in unklarer, unverständlicher oder zweideutiger Weise (Nr. 2) und die nicht rechtzeitige Bereitstellung wesentlicher Informationen (Nr. 3). Nach § 5a Abs. 4 UWG gelten als wesentlich im Sinne des Absatzes 2 auch Informationen, die dem Verbraucher aufgrund unionsrechtlicher Verordnungen oder nach Rechtsvorschriften zur Umsetzung unionsrechtlicher Richtlinien für kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing nicht vorenthalten werden dürfen.
41
bb) Auch soweit § 5a Abs. 4 UWG nicht auf die unionsrechtlichen Vorschriften, sondern auf die zu ihrer Umsetzung ergangenen Rechtsvorschriften abstellt, setzt § 5a Abs. 4 UWG doch Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG um. Nach dieser Vorschrift sind die im Unionsrecht festgelegten Informationsanforderungen maßgeblich. Eine unzureichende Umsetzung einer Richtlinienbestimmung im Sinne von Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG in deutsches Recht steht der Anwendung des § 5a Abs. 4 UWG daher nicht entgegen (vgl. BGH, GRUR 2018, 438 Rn. 28 – Energieausweis). In diesem Zusammenhang macht es entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keinen Unterschied, ob die nationale Umsetzungsvorschrift bewusst lückenhaft ist (vgl. BGH, GRUR 2018, 438 Rn. 20 – Energieausweis) oder – wie gegebenenfalls im Streitfall – ausdrücklich eine von einer Richtlinie abweichende Regelung trifft. In beiden Fällen weicht die nationale Umsetzungsvorschrift so eindeutig von der Richtlinie ab, dass eine richtlinienkonforme Auslegung nicht möglich ist. Für die Kollision mit der gesetzlichen Anordnung in § 5a Abs. 4 UWG, die in Richtlinien festgelegten Informationsanforderungen als wesentlich zu behandeln, macht dies keinen Unterschied.
42
cc) Die in Art. 3 Abs. 1 und 4 der Richtlinie 98/6/EG geregelten Informationspflichten sind nach Auffassung des Senats solche wesentlichen Informationspflichten gemäß Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG und damit auch gemäß § 5a Abs. 4 UWG.
43
Nach Auffassung des Senats können nicht nur Art. 3 Abs. 4, sondern insbesondere auch Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 98/6/EG wesentliche Informationspflichten im Sinne des Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG und damit auch gemäß § 5a Abs. 4 UWG entnommen werden. Nach Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG (§ 5a Abs. 4 UWG) gelten die im Unionsrecht festgelegten Informationsanforderungen in Bezug auf kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung oder Marketing, auf die in der nicht erschöpfenden Liste des Anhangs II verwiesen wird, als wesentlich. In der Liste des Anhangs II wird zwar lediglich die Pflicht zur Angabe des Preises je Maßeinheit bei jeglicher Werbung unter Angabe des Verkaufspreises der Erzeugnisse (Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 98/6/EG, § 2 Abs. 1 Satz 2 PAngV) und nicht die – hier in Rede stehende – Pflicht zur Angabe des Verkaufspreises beim Angebot von Erzeugnissen (Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 98/6/EG, § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV) genannt. Auch bei der zuletzt genannten Pflicht handelt es sich aber um eine im Unionsrecht festgelegte Informationsanforderung in Bezug auf kommerzielle Kommunikation. Da die Liste des Anhangs II nicht erschöpfend ist, steht einer Einstufung dieser Pflicht als wesentlich nicht entgegen, dass sie in dieser Liste nicht ausdrücklich genannt ist (vgl. BGH, Urteil vom 28. März 2019 – I ZR 85/18, GRUR 2019, 641 Rn. 32 = WRP 2019, 724 – Kaffeekapseln).
44
dd) Das Verbot nach Art. 7 Abs. 1 und 5 in Verbindung mit der Liste des Anhangs II der Richtlinie 2005/29/EG (§ 5a Abs. 4 UWG), den Verkaufspreis eines Erzeugnisses vorzuenthalten, wird nicht durch die Verpflichtung nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 98/6/EG (§ 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV), den Verkaufspreis eines Erzeugnisses anzugeben, verdrängt, weil insoweit keine Kollision vorliegt.
45
(1) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat zwar entschieden, dass der Aspekt des Verkaufspreises, der in einer Werbung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden angegeben ist, durch die Richtlinie 98/6/EG geregelt werde, und die Richtlinie 2005/29/EG hinsichtlich dieses Aspekts gemäß Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG nicht zur Anwendung komme (vgl. EuGH, GRUR 2016, 945 Rn. 44 f. – Citroën Commerce). Der Senat versteht diese Ausführungen allerdings so, dass sie sich nur auf die im dortigen Verfahren in Rede stehende Kollision von Art. 3 Abs. 1 und 4 der Richtlinie 98/6/EG mit Art. 7 Abs. 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG beziehen und die Anwendbarkeit der Richtlinie 2005/29/EG nicht ausgeschlossen ist, wenn keine Kollision mit einer Regelung der Richtlinie 98/6/EG vorliegt.
46
Ob eine Kollision im Sinne von Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG vorliegt, ist in Bezug auf konkrete Bestimmungen zu prüfen (vgl. EuGH, Urteil vom 25. Juli 2018 – C-632/16, GRUR 2018, 940 Rn. 32 bis 41 = WRP 2018, 1049 – Dyson; EuGH, GRUR 2018, 1156 Rn. 58 bis 68 – Wind Tre und Vodafone Italia; EuGH, Urteil vom 10. September 2020 – C-363/19, GRUR 2020, 1230 Rn. 55 bis 62 = WRP 2020, 1420 – Konsumentombudsmannen; Schlussanträge des Generalanwalts in der Rechtssache C-632/16 vom 22. Februar 2018 Rn. 84 mit Fn. 28; BGH, Beschluss vom 25. Juni 2020 – I ZR 176/19, GRUR 2020, 1002 Rn. 47 = WRP 2020, 1300 – Zigarettenausgabeautomat).
47
Soweit die Richtlinie 2005/29/EG über ihren Art. 7 Abs. 5 die Vorschriften der Richtlinie 98/6/EG integriert, fehlt es an einem Kollisionsfall (vgl. Sosnitza in Ohly/Sosnitza aaO Einf. PAngV Rn. 14; Büscher/Schilling aaO Einl. PAngV Rn. 30; zum Begriff der Kollision vgl. EuGH, GRUR 2018, 1156 Rn. 60 f. – Wind Tre und Vodafone Italia). Insoweit ergänzen sich die Richtlinien vielmehr (zum entsprechenden Verhältnis der Richtlinie 2005/29/EG zur Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel vgl. EuGH, Urteil vom 16. Juli 2015 – C-544/13 und C-545/13, GRUR 2015, 1028 Rn. 78 = WRP 2015, 1206 – Abcur). Das ergibt sich auch daraus, dass die Verweisung in Art. 7 Abs. 1 und 5 in Verbindung mit der Liste des Anhangs II der Richtlinie 2005/29/EG auf Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 98/6/EG keinen Anwendungsbereich hätte, wenn die Richtlinie 2005/29/EG hinsichtlich der in Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 98/6/EG geregelten Aspekte von vornherein nicht anwendbar wäre.
48
(2) Gegenteiliges ergibt sich nicht aus der Entscheidung des Senats “Hörgeräteausstellung” (aA MünchKomm.UWG/Schaffert aaO § 3a Rn. 488). In dieser Entscheidung hat der Senat angenommen, dass der geltend gemachte Unterlassungsanspruch weder wegen eines Verstoßes gegen § 1 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 PAngV, Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 98/6/EG (BGH, GRUR 2017, 286 Rn. 7 bis 12) noch unter dem Gesichtspunkt des Vorenthaltens einer wesentlichen Information im Sinne von § 5a Abs. 2 UWG, Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG (BGH, GRUR 2017, 286 Rn. 15) begründet ist. Letzteres hat er unter Bezugnahme auf die Entscheidung “Citroën Commerce” des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, GRUR 2016, 945 Rn. 44 f.) damit begründet, dass die Richtlinie 98/6/EG der Richtlinie 2005/29/EG gemäß deren Art. 3 Abs. 4 vorgeht. Danach stand einem Unterlassungsanspruch wegen eines Verstoßes gegen die der Umsetzung von Art. 7 Abs. 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG dienende Bestimmung des § 5a Abs. 3 Nr. 3 UWG der Vorrang der Bestimmungen der Richtlinie 98/6/EG entgegen. Da die Vorschriften der Richtlinie 98/6/EG nicht verletzt waren, kam auch ein Unterlassungsanspruch wegen eines Verstoßes gegen die der Umsetzung von Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG dienende Bestimmung des § 5a Abs. 4 UWG nicht in Betracht.
49
ee) Die Preisangabenverordnung kann keine von § 5a Abs. 4 UWG abweichende Regelung treffen. Die Regelung eines Verbots der Angabe eines Gesamtbetrags aus dem Warenpreis und dem Pfandbetrag in § 1 Abs. 4 PAngV wäre vielmehr insoweit nichtig, weil sie dem Verbot, den Verkaufspreis eines Erzeugnisses vorzuenthalten (vgl. Art. 7 Abs. 1 und 5 in Verbindung mit der Liste des Anhangs II der Richtlinie 2005/29/EG; § 5a Abs. 4 UWG), widerspricht. Das könnte der Senat selbst feststellen.
50
(1) Die Preisangabenverordnung, die auf § 1 Satz 1 PreisAngG beruht, ist eine Rechtsverordnung im Sinne von Art. 80 GG. Der Anwendungsbefehl eines formellen Parlamentsgesetzes – hier § 5a Abs. 2 und 4 UWG – kann nach dem Vorrang des Gesetzes nicht durch eine Rechtsverordnung verdrängt werden (vgl. BVerfGE 8, 155, 169 [juris Rn. 81]). Die Gerichte haben Rechtsverordnungen darauf zu überprüfen, ob sie gegen höherrangiges Recht verstoßen (vgl. BVerfGE 48, 40, 45 [juris Rn. 16]; BGH, Urteil vom 4. November 2015 – VIII ZR 217/14, BGHZ 207, 246 Rn. 20 bis 24; Urteil vom 17. Juli 2019 – VIII ZR 130/18, BGHZ 223, 30 Rn. 15). Soweit eine Rechtsverordnung mit höherrangigem Recht unvereinbar ist, ist sie grundsätzlich nichtig (vgl. BeckOK.GG/Uhle, 46. Edition [Stand 15. Mai 2021], Art. 80 Rn. 36; Brenner in Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl., Art. 80 Rn. 82). Das können die Fachgerichte selbst feststellen, weil insoweit kein Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts besteht (st. Rspr.; vgl. BVerfGE 1, 184, 195 bis 201 [juris Rn. 39 bis 53]; BVerfGE 68, 319, 325 f. [juris Rn. 18 und 20]; BVerfGE 114, 303, 311 [juris Rn. 35]).
51
(2) Der Umstand, dass die Preisangabenverordnung zwischenzeitlich durch Parlamentsgesetze geändert worden ist (vgl. etwa § 20 Abs. 9 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004, BGBl. I S. 1414; Art. 5 des Dritten Gesetzes zur Änderung reiserechtlicher Vorschriften vom 17. Juli 2017, BGBl. I S. 2394), ändert nichts an ihrem einheitlichen Rang als Rechtsverordnung (vgl. BVerfGE 114, 196, 238 [juris Rn. 205]; BVerfGE 114, 303, 312 [juris Rn. 40]; aA BeckOK.GG/Uhle aaO Art. 80 Rn. 52 mwN). Soweit der Entscheidung “Versandkosten” (BGH, Urteil vom 4. Oktober 2007 – I ZR 143/04, GRUR 2008, 84 Rn. 27 = WRP 2008, 98) etwas anderes entnommen werden kann (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO Vorb. PAngV Rn. 1; Kolb, Die Übergangsregelung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, 2015, S. 63), hält der Senat hieran nicht fest. Auch die Rechtmäßigkeit durch Parlamentsgesetz geänderter Rechtsverordnungen kann in vollem Umfang durch die Fachgerichte kontrolliert werden; einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG bedarf es nicht (vgl. BVerfGE 114, 303, 313 [juris Rn. 41]). Im Streitfall kommt es darauf allerdings nicht an, weil die Regelung in § 1 Abs. 4 PAngV nicht durch Parlamentsgesetz, sondern durch Rechtsverordnungen eingefügt (als § 1 Abs. 3 PAngV aF; BGBl. I 1997 S. 1910) und innerhalb des § 1 PAngV verschoben (BGBl. I 2002 S. 4195) wurde.
52
4. Das Berufungsgericht hat im Übrigen in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass ein etwaiger Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV geeignet wäre, die Interessen der Verbraucher gemäß § 3a UWG spürbar zu beeinträchtigen.
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