Europarecht

Gewährung einer Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten

Aktenzeichen  13a ZB 16.1974

Datum:
9.5.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 111572
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VO (EG) Nr. 1698/2005 Art. 36 lit. a, Art. 37
VO (EG) Nr. 73/2009 Art. 4
ViehVerkV § 29 Abs. 1, § 32 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Ein Verstoß gegen die Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht gem. § 29 Abs. 1, § 32 Abs. 1 ViehVerkV liegt vor, wenn ein Rinderhalter über vier Jahre hinweg die Berichtigung in Bezug auf 48 Rinder, die seit Jahren nicht mehr in seinem Bestand stehen, unterlassen hat. (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Erkrankung einer Rinderherde lässt die Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht nicht entfallen. (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Empfänger einer Ausgleichszulage hat die Grundanforderungen an die Betriebsführung und Vorschriften für die Erhaltung der Flächen in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand (Cross-Compliance-Regelungen) zu erfüllen; dazu gehören auch die Anforderungen an die Kennzeichnung und Registrierung von Tieren. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 3 K 15.1770 2016-07-21 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 528,75 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 21. Juli 2016 (Az. Au 3 K 15.1770) ist abzulehnen, weil die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO nicht vorliegen.
An der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Diese lägen vor, wenn das Zulassungsvorbringen einen die Entscheidung tragenden Rechtssatz oder eine insoweit erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten derart in Frage stellen würde, dass sich die gesicherte Möglichkeit der Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ergäbe (BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546; B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642).
Der Kläger wendet sich gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, er habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten (AGZ) nach Art. 36 a) ii) i.V.m. Art. 37 VO (EG) Nr. 1698/2005 für das Jahr 2014. Entgegen dessen Auffassung sei er anspruchsberechtigt gewesen. Durch die behördlich angeordnete Blauzungenimpfung im Jahr 2008 sei eine Infektion bei sämtlichen Tieren in seinem Bestand aufgetreten, die zum Zusammenbruch der gesamten Herde geführt habe. Infolge dieser Impfmaßnahme seien die Tiere an der Tierseuche „chronischer Botulismus“ erkrankt. Die Ursache der Erkrankung sei bis heute nicht geklärt; dies müsse nun durch ein Sachverständigengutachten erfolgen. Im Einvernehmen mit dem Veterinäramt sei geplant gewesen, seinen Betrieb als „Isolierbetrieb“ einzurichten, um im Rahmen von Prüfungsverfahren festzustellen, weshalb und woran seine Tiere erkrankt seien. Ohne vorherige Mitteilung an ihn, dass das Forschungsprojekt nun doch nicht realisiert werde, sei der Viehbestand mit Ausnahme der hochträchtigen Rinder und Kälber abgeholt worden. Wenn die Tiere wie angegeben in einen anderen Betrieb gebracht worden wären, hätte sie dieser angemeldet und er – der Kläger – wäre über eine Doppelmeldung informiert worden. Damit sei nicht ersichtlich, weshalb er vorsätzlich gegen seine Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht gemäß § 29 Abs. 1, § 32 Abs. 1 der Verordnung zum Schutz gegen die Verschleppung von Tierseuchen im Viehverkehr (ViehVerkV: Anzeige jeder Veränderung des Rinderbestandes innerhalb von sieben Tagen, Eintragungen in das Bestandsregister unverzüglich) verstoßen haben sollte.
Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass der Kläger vorsätzlich, andauernd und beharrlich gegen die genannten Regelungen verstoßen habe, nachdem er über vier Jahre hinweg die Berichtigung in Bezug auf 48 Rinder, die seit Jahren nicht mehr in seinem Bestand stünden, unterlassen habe (UA S. 8). Diese Auffassung des Verwaltungsgerichts ist nicht zu beanstanden, zumal der Kläger selbst in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, dass er bewusst eine Berichtigung verweigere. Solange der Staat kein Gutachten über die Ursächlichkeit der Impfschäden in Auftrag gegeben habe, werde er keine Abmeldung vornehmen. Auch im Zulassungsantrag hat er hierauf nochmals explizit verwiesen. Soweit der Kläger im Hinblick auf die Kürzung um 100% die Verhältnismäßigkeit anzweifelt, entspricht die Auffassung des Verwaltungsgerichts der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, B.v. 19.8.2013 – 21 ZB 13.1097 – juris). Weshalb eine angeblich enge Absprache des Klägers mit den Behörden hinsichtlich der Erkrankung seiner Rinderherde den Pflichtverstoß entfallen lassen sollte, wird im Übrigen auch nicht dargelegt. Ebenso wenig wird ausgeführt, weshalb ein Sachverständigengutachten über die Ursächlichkeit der Erkrankung dem Kläger einen rechtfertigenden Grund dafür liefern könnte, dass er seiner Anzeigepflicht nicht nachgekommen ist. Es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern ein Krankheitsgeschehen in seinem Rinder haltenden Betrieb den Kläger dazu berechtigen könnte, seine Kennzeichnungs- und Registrierungspflichten außer Acht zu lassen, worauf die Landesanwaltschaft zu Recht verweist.
Der Rechtssache kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu. Mit seinem Vorbringen wirft der Kläger die Frage auf, ob „eine Inzidentprüfung dahingehend stattzufinden hat, ob die Zwangsimpfungen kausal ursächlich für die Erkrankung von Mensch und Tier sind“. Diese Frage lässt sich bereits aus dem Gesetz beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf. Das Verwaltungsgericht hat im Einzelnen die Rechtsgrundlagen für die Rückforderung dargestellt (UA S. 6) und ausgeführt, dass der Kläger als Empfänger einer Ausgleichszulage die Grundanforderungen an die Betriebsführung und Vorschriften für die Erhaltung der Flächen in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand (Cross-Compliance-Regelungen) zu erfüllen hat. Dazu gehören auch die genannten Anforderungen an die Kennzeichnung und Registrierung von Tieren. Die europarechtlichen Grundlagen haben auf nationaler Ebene durch die Viehverkehrsverordnung eine Konkretisierung erfahren. Nach § 29 Abs. 1 ViehVerkV hat der Tierhalter jede Veränderung seines Rinderbestandes unter Angabe bestimmter Daten innerhalb von sieben Tagen anzuzeigen. Eintragungen in das Bestandsregister sind unverzüglich vorzunehmen (§ 32 Abs. 1 ViehVerkV). Diese Regelungen stellen ersichtlich nur auf den tatsächlich vorhandenen Rinderbestand ab, der im Register entsprechend verzeichnet sein muss. Nicht maßgeblich ist hierbei, ob und aus welchem Grund ein Rinderbestand dezimiert wurde. In diesem Sinn führt auch die Landesanwaltschaft aus, dass die Erforschung eines Krankheitsverlaufs durch medizinische Gutachten, wie sie sich der Kläger vorstelle, nicht erforderlich sei, um den genannten Pflichten nachzukommen. Zudem wäre die Frage der Ursächlichkeit einer Erkrankung einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich. Vielmehr ist hier schon nach den Schilderungen des Klägers maßgeblich auf dessen Betrieb und die konkreten Umstände des Einzelfalls abzustellen. Das schließt eine allgemeine Beantwortung der Frage aus.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 3 GKG.


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