Europarecht

Hohenloher Landschwein

Aktenzeichen  I ZR 163/19

Datum:
29.7.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:290721UIZR163.19.0
Normen:
§ 100 Abs 1 S 1 MarkenG
EUV 1151/2012
Spruchkörper:
1. Zivilsenat

Leitsatz

Hohenloher Landschwein
Der Schutz geografischer Herkunftsangaben als Kollektivmarken nach dem Markengesetz besteht grundsätzlich selbständig neben dem Schutz geografischer Angaben und Ursprungsbezeichnungen nach der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel. Ist eine nach deutschem Recht als Kollektivmarke eingetragene geografische Herkunftsangabe nicht nach der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 eingetragen und wurde auch kein Antrag auf eine Eintragung dorthin gestellt, wird die Anwendung des § 100 Abs. 1 MarkenG bei der Bestimmung der Grenzen zur Benutzung der Angabe seitens eines Dritten durch die Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 daher weder gesperrt noch eingeschränkt. Im Rahmen der Abwägung, ob die Benutzung durch einen Dritten den guten Sitten im Sinne des § 100 Abs. 1 Satz 1 MarkenG entspricht, kann demgemäß auch die Qualitätsfunktion der Marke Berücksichtigung finden.

Verfahrensgang

vorgehend OLG Stuttgart, 25. Juli 2019, Az: 2 U 73/18, Urteilvorgehend LG Stuttgart, 3. April 2018, Az: 17 O 1532/16

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart – 2. Zivilsenat – vom 25. Juli 2019 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Die Klägerin ist ein wirtschaftlicher Verein mit Sitz in W.      , der als bäuerlicher Erzeugergemeinschaft rund 1.450 Fleisch und Fleischwaren produzierende Mitgliederbetriebe angehören. Für sie sind seit dem 6. Februar 2012 die geografischen Herkunftsangaben “Hohenloher Landschwein” und “Hohenloher Weiderind” als deutsche Kollektivmarken unter anderem für Fleisch (Warenklasse 29) eingetragen. Eine Eintragung der Bezeichnungen als geschützte geografische Angaben oder Ursprungsbezeichnungen auf Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (Grundverordnung) besteht nicht. In der Markensatzung der Klägerin heißt es, der Markenschutz diene “in erster Linie zur Sicherstellung der hohen Qualität und damit dem Schutz der Verbraucherschaft vor minderwertiger Nachahmung”. Die Mitglieder der Klägerin können die Kennzeichen nutzen, sofern sie sich an die von ihr aufgestellten Erzeugerrichtlinien halten. Diese sehen bestimmte Anforderungen an die Tierzucht, die Tierhaltung, die Fütterung, den Transport und die Schlachtung sowie deren Kontrolle durch näher bezeichnete Stellen vor.
2
Die Beklagte zu 1 ist ein Fleisch verarbeitendes und vertreibendes Unternehmen, ebenfalls mit Sitz in W.      . Der Beklagte zu 2 ist ihr Geschäftsführer. Die Beklagten gehören der Klägerin nicht an.
3
In den Ausgaben vom 12. und vom 19. Dezember 2016 der lokalen Tageszeitung “Haller Tagblatt” warb die Beklagte zu 1 mit den Angaben “Hohenloher Landschwein” und “Hohenloher Weiderind”. Weiter erschien eine Anzeige im Bekanntmachungsblatt der Gemeinde W.       Nr. 48 mit den Angaben “Zartes Schweinefilet – ‘Das Beste vom Hohenloher Landschweine’, auch als Filetspieße” und “Magerer Sauerbraten vom Hohenloher Weiderind”. In der Ausgabe Nr. 50 des Bekanntmachungsblatts der Gemeinde W.       warb die Beklagte zu 1 für “Rinderbraten aus der Keule, vom Hohenloher Weiderind”. Zudem warb sie auf ihrer Internetseite mit verschiedenen Bezeichnungen für Fertiggerichte unter Verwendung der Angaben “Hohenloher Landschwein” und “Hohenloher Weiderind”.
4
Die Klägerin hat die Beklagten nach erfolgloser Abmahnung unter anderem auf Unterlassung in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und zuletzt beantragt, die Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr die Bezeichnungen “Hohenloher Weiderind” und/oder “Hohenloher Landschwein” für Fleisch, Fleischwaren und/oder Fertiggerichte zu benutzen, insbesondere anzubieten, herzustellen, zu vertreiben oder sonst in den Verkehr zu bringen, hierfür zu werben oder diese zu den vorgenannten Zwecken zu besitzen.
5
Außerdem hat sie die Beklagten auf Auskunft, Feststellung der Schadensersatzpflicht sowie Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Anspruch genommen. Das Berufungsgericht hat die Beklagten – unter Abweisung der auf die Benutzungsform des Herstellens gestützten Klage – antragsgemäß verurteilt (OLG Stuttgart, GRUR-RR 2019, 521). Hiergegen wenden sich die Beklagten mit der vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt.

Entscheidungsgründe

6
I. Das Berufungsgericht hat – soweit für das Revisionsverfahren relevant – im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 97 Abs. 2 MarkenG in Verbindung mit § 14 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 1, 2 und 6 MarkenG, der Auskunftsanspruch aus § 242 BGB und der Anspruch auf Ersatz des aus den Verletzungshandlungen entstandenen Schadens aus § 97 Abs. 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 6 Satz 1 MarkenG zu. Die Beklagten hätten die Zeichen “Hohenloher Weiderind” und “Hohenloher Landschwein”, die mit den für die Klägerin geschützten Kollektivmarken identisch seien, für Waren derselben Warenklasse benutzt, für die die Kollektivmarken Schutz genössen. Da die Beklagten nicht die in den Markensatzungen enthaltenen Bedingungen erfüllten und insbesondere nicht selbst Mitglieder der Klägerin seien, seien sie zur Benutzung der Kollektivmarken nicht berechtigt.
7
Die Beklagten könnten sich nicht auf die Schutzschranke des § 100 Abs. 1 MarkenG berufen. Zwar sei die Anwendung von § 100 Abs. 1 MarkenG bei der Bestimmung der Grenzen zur Benutzung einer Kollektivmarke nicht durch die Grundverordnung gesperrt. Vielmehr sei Art. 14 der Grundverordnung und Art. 24 Abs. 5 des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte des geistigen Eigentums (TRIPS) zu entnehmen, dass die Möglichkeit, geografische Herkunftsangaben als Kollektivmarken zu schützen, grundsätzlich selbständig neben dem in der Grundverordnung abschließend geregelten Rechtssystem zum Schutz geografischer Herkunftsangaben stehe. Dies gelte erst recht, solange die geografische Herkunftsangabe wie im Streitfall nicht aufgrund einer Registereintragung durch die Grundverordnung geschützt sei.
8
Die Benutzung der streitgegenständlichen Bezeichnungen durch die Beklagten entspreche aber unter Abwägung aller in Betracht kommenden Umstände nicht den guten Sitten im Sinne des § 100 Abs. 1 Satz 1 MarkenG. Durch die Verwendung identischer Zeichen mit hoher Unterscheidungskraft hätten die Beklagten eine gedankliche Verbindung zwischen den Zeichen und der Erzeugergemeinschaft der Klägerin hergestellt und keine Anstrengungen unternommen, diese gedankliche Verbindung aufzulösen. Dies sei zur Ausnutzung der Wertschätzung der Kollektivmarken erfolgt. Dadurch seien die Herkunftsfunktion und die Werbefunktion der Kollektivmarken der Klägerin beeinträchtigt.
9
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass der Klägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 97 Abs. 2 MarkenG in Verbindung mit § 14 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 1, 2 und 6 MarkenG zusteht.
10
1. Der auf Wiederholungsgefahr gestützte und in die Zukunft gerichtete Unterlassungsanspruch besteht nur, wenn die beanstandeten Handlungen sowohl nach dem zur Zeit der jeweils beanstandeten Handlung geltenden Recht als auch nach dem zur Zeit der Revisionsentscheidung geltenden Recht rechtsverletzend waren (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 2019 – I ZR 29/18, GRUR 2019, 1053 Rn. 18 = WRP 2019, 1311 – ORTLIEB II, mwN). Nach dem Zeitpunkt der von der Klägerin beanstandeten Handlungen im Jahr 2016 ist das Markengesetz durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2015/2436 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken vom 11. Dezember 2018 (Markenrechtsmodernisierungsgesetz – MaMoG, BGBl. I S. 2357) mit Wirkung ab 14. Januar 2019 novelliert worden. Für den Streitfall maßgebliche Änderungen haben sich hierdurch nicht ergeben.
11
2. Entgegen der Ansicht der Revision ist der Unterlassungsantrag nicht zu weit gefasst und bereits deshalb unbegründet.
12
a) Die Revision beanstandet, der Unterlassungsantrag sei nicht auf die konkret gerügten Verletzungshandlungen der Beklagten bezogen, sondern erfasse jede mögliche Benutzungshandlung und damit auch erlaubte Verhaltensweisen. Insbesondere erfasse er auch den Fall, dass die Beklagten die in der Markensatzung der Klägerin und deren Erzeugerrichtlinien festgelegten Bedingungen erfüllten und dem Kollektiv der Klägerin beiträten.
13
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsantrag unbegründet, wenn er aufgrund seiner zu weiten Fassung die geltend gemachte konkrete Verletzungsform verfehlt, weil er auch erlaubte Verhaltensweisen erfasst (vgl. BGH, Urteil vom 15. August 2013 – I ZR 188/11, GRUR 2013, 1161 Rn. 53 bis 55 = WRP 2013, 1465 – Hard Rock Café; Urteil vom 22. Januar 2014 – I ZR 164/12, GRUR 2014, 393 Rn. 47 = WRP 2014, 424 – wetteronline.de). Gleiches gilt grundsätzlich auch für markenrechtliche Unterlassungsansprüche.
14
c) Der Unterlassungsantrag und der Urteilsausspruch sind allerdings nicht auf einen Sachverhalt gestützt, nach dem den Beklagten die Benutzung der streitgegenständlichen Kollektivmarken gestattet ist, weil sie die in der Markensatzung der Klägerin und deren Erzeugerrichtlinien festgelegten Bedingungen erfüllen und dem Kollektiv der Klägerin angehören. Dieses von der Revision aufgezeigte hypothetische Szenario ist daher nicht Gegenstand der Klage oder des Urteils und ist damit weder vom Unterlassungsantrag noch vom Urteilsausspruch umfasst.
15
3. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts verletzen die Benutzungshandlungen der Beklagten das ausschließliche Benutzungsrecht der Klägerin an den zu ihren Gunsten eingetragenen geografischen Kollektivmarken “Hohenloher Landschwein” und “Hohenloher Weiderind”.
16
a) Wer ohne Zustimmung des Inhabers einer Marke im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren benutzt, die mit denjenigen identisch sind, für die sie Schutz genießt, kann nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 MarkenG vom Inhaber der Marke bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Auf Kollektivmarken sind diese Vorschriften gemäß § 97 Abs. 2 MarkenG entsprechend anzuwenden.
17
b) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagten hätten die streitgegenständlichen Zeichen “Hohenloher Weiderind” und “Hohenloher Landschwein”, die mit den für die Klägerin geschützten Kollektivmarken identisch seien, in einer die Wiederholungsgefahr begründenden Weise im geschäftlichen Verkehr für Waren derselben Warenklasse benutzt, für die die Kollektivmarken Schutz genössen, ohne die in den Markensatzungen der Klägerin enthaltenen Bedingungen zu erfüllen oder selbst Mitglieder der Klägerin zu sein. Diese Feststellungen greift die Revision nicht an. Rechtsfehler sind nicht ersichtlich.
18
4. Das Berufungsgericht hat ein Eingreifen der Schutzschranke des § 100 Abs. 1 MarkenG zugunsten der Beklagten ebenfalls rechtsfehlerfrei verneint.
19
a) Nach § 100 Abs. 1 Satz 1 MarkenG gewährt die Eintragung einer geografischen Herkunftsangabe als Kollektivmarke ihrem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu untersagen, solche Angaben im geschäftlichen Verkehr zu benutzen, sofern die Benutzung den guten Sitten entspricht und nicht gegen § 127 MarkenG verstößt. Insbesondere kann nach § 100 Abs. 1 Satz 2 MarkenG eine solche Marke einem Dritten, der zur Benutzung einer geografischen Bezeichnung berechtigt ist, nicht entgegengehalten werden.
20
b) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Anwendung von § 100 Abs. 1 MarkenG bei der Bestimmung der Grenzen zur Benutzung der als Kollektivmarke eingetragenen geografischen Bezeichnungen “Hohenloher Landschwein” und “Hohenloher Weiderind” nicht durch die Grundverordnung ausgeschlossen oder gesperrt ist. Dies ergibt sich aus der rechtlichen Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen dem Schutz geografischer Kollektivmarken und dem Schutz geografischer Bezeichnungen nach der Grundverordnung.
21
aa) Die Bezeichnungen “Hohenloher Landschwein” und “Hohenloher Weiderind” sind für die Klägerin nach nationalem Recht als geografische Kollektivmarken eingetragen und geschützt.
22
Gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 MarkenG können als Kollektivmarken alle als Marke schutzfähigen Zeichen im Sinne des § 3 MarkenG eingetragen werden, die geeignet sind, die Waren oder Dienstleistungen der Mitglieder des Inhabers der Kollektivmarke von denjenigen anderer Unternehmen nach ihrer betrieblichen oder geografischen Herkunft, ihrer Art, ihrer Qualität oder ihren sonstigen Eigenschaften zu unterscheiden. Nach § 99 MarkenG können Kollektivmarken auch ausschließlich aus Zeichen bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der geografischen Herkunft der Waren oder Dienstleistungen dienen können.
23
Der nationale Schutz von Kollektivmarken entspricht den Vorgaben der Richtlinie (EU) Nr. 2015/2436 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (Markenrichtlinie). Gemäß Art. 27 Buchst. b der Markenrichtlinie (zur Unionskollektivmarke vgl. Art. 74 Abs. 1 Satz 1 UMV) bezeichnet der Begriff “Kollektivmarke” eine Marke, die bei der Anmeldung als solche bezeichnet wird und geeignet ist, Waren und Dienstleistungen der Mitglieder des Verbands, der Markeninhaber ist, von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Nach Art. 29 Abs. 1 der Markenrichtlinie sehen die Mitgliedstaaten die Eintragung von Kollektivmarken vor. Art. 29 Abs. 3 Satz 1 der Markenrichtlinie bestimmt (entsprechend den Vorgängerregelungen in Art. 15 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2008/95/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken und in Art. 15 Abs. 2 Satz 1 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken; zur Unionskollektivmarke vgl. Art. 74 Abs. 2 Satz 1 UMV), dass die Mitgliedstaaten vorsehen können, dass Zeichen oder Angaben, die zur Bezeichnung der geografischen Herkunft dienen können, Kollektivmarken darstellen können.
24
bb) Die Bezeichnungen “Hohenloher Landschwein” und “Hohenloher Weiderind” sind zugunsten der Klägerin weder nach der Grundverordnung eingetragen noch hat sie einen Antrag auf eine solche Eintragung gestellt.
25
Der Schutz von Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel ist auf Unionsebene durch die Grundverordnung geregelt. Für den Streitfall maßgebliche Abweichungen zu den Vorgängerverordnungen ([EG] Nr. 510/2006, [EG] Nr. 692/2003 und [EWG] Nr. 2081/92) bestehen nicht.
26
Die Ursprungsbezeichnung dient zur Bezeichnung eines Erzeugnisses, das seine Güte oder Eigenschaften überwiegend oder ausschließlich den geografischen Verhältnissen einschließlich der natürlichen und menschlichen Einflüsse verdankt (Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Grundverordnung). Die geografische Herkunftsangabe ist ein Name, der zur Bezeichnung eines Erzeugnisses verwendet wird, dessen Qualität, Ansehen oder eine andere Eigenschaft wesentlich auf seinen geografischen Ursprung zurückzuführen ist (Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Grundverordnung).
27
Ein Schutz von Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben nach der Grundverordnung setzt deren Eintragung auf Unionsebene voraus (vgl. Art. 13 und Erwägungsgrund 12 der Grundverordnung). Eine nicht eingetragene geografische Bezeichnung kann daher nach den Bestimmungen der Grundverordnung auf dem Unionsmarkt nicht in den Genuss der von ihr vorgesehenen Schutzregelung kommen (vgl. EuGH, Urteil vom 8. September 2009 – C-478/07, Slg. 2009, I-7721 = GRUR 2010, 143 Rn. 107 – Budějovický Budvar [American Bud II]; Urteil vom 8. Mai 2014 – C-35/13, GRUR 2014, 674 Rn. 27 = WRP 2014, 1044 – Assica und Kraft Foods Italia [Salame felino]).
28
cc) Kollektivmarken, die aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der geografischen Herkunft von Waren und Dienstleistungen dienen können, auf der einen Seite und Ursprungsangaben und geografische Angaben auf der anderen Seite unterliegen nicht nur unterschiedlichen rechtlichen Regelungen, sondern verfolgen auch verschiedene Ziele.
29
Die wesentliche Funktion einer Kollektivmarke besteht darin, die Waren oder Dienstleistungen der Mitglieder des Verbands, der Markeninhaber ist, von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH, Urteil vom 20. September 2017 – C-673/15 bis C-676/15, GRUR 2017, 1257 Rn. 52 und 63 – The Tea Board/EUIPO [Darjeeling]; Urteil vom 12. Dezember 2019 – C-143/19, GRUR-RR 2020, 250 Rn. 52 – Der Grüne Punkt/EUIPO; Urteil vom 5. März 2020 – C-766/18, GRUR-RR 2020, 199 Rn. 64 – Foundation for the Protection of the Traditional Cheese of Cyprus named Halloumi/EUIPO [BBQLOUMI/HALLOUMI]). Demgegenüber dienen Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben zur Bezeichnung von Erzeugnissen, die einen immanenten Zusammenhang zwischen den Merkmalen des Erzeugnisses und dem geografischen Ursprung aufweisen (vgl. Erwägungsgrund 17 und Art. 5 Abs. 1 und 2 der Grundverordnung).
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Während die Hauptfunktion der Kollektivmarke – und zwar auch der geografischen Kollektivmarke – demnach darin liegt, die betriebliche Herkunft der Waren oder Dienstleistungen aus einem Unternehmen des Verbands zu gewährleisten, besteht die Hauptfunktion von Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben darin, die geografische Herkunft der Erzeugnisse und deren darauf beruhende spezifische Eigenschaften zu garantieren (vgl. EuGH, GRUR 2017, 1257 Rn. 54, 56 und 62 – The Tea Board/EUIPO [Darjeeling]).
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dd) Der Schutz (geografischer) Kollektivmarken nach dem auf der Markenrichtlinie beruhenden, vollharmonisierten Recht der Mitgliedstaaten besteht grundsätzlich selbständig neben dem Schutz geografischer Angaben und Ursprungsbezeichnungen nach der Grundverordnung (vgl. Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Medienrecht, 3. Aufl., § 97 MarkenG Rn. 3; Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., vor §§ 130-136 MarkenG Rn. 39 mwN; Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 135 Rn. 63; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 99 Rn. 2 sowie Vorbemerkung zu §§ 126-139 Rn. 3; BeckOK.Markenrecht/Schoene, 25. Edition [Stand 1. April 2021], § 99 MarkenG vor Rn. 1; aA Meyer, WRP 1995, 783, 786).
32
(1) Dies ergibt sich insbesondere aus Art. 14 der Grundverordnung, der die Beziehungen zwischen Marken, Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben regelt.
33
Ist eine Ursprungsbezeichnung oder eine geografische Angabe nach Maßgabe der Grundverordnung eingetragen, so wird nach Art. 14 Abs. 1 Unterabsatz 1 der Grundverordnung die Eintragung einer Marke, deren Verwendung im Widerspruch zu Art. 13 Absatz 1 der Grundverordnung stände und die die gleiche Erzeugnisklasse betrifft, abgelehnt, wenn der Antrag auf Eintragung der Marke nach dem Zeitpunkt der Einreichung des Antrags auf Eintragung der Ursprungsbezeichnung oder der geografischen Angabe bei der Kommission eingereicht wird. Nach Art. 14 Abs. 1 Unterabsatz 2 der Grundverordnung werden Marken, die unter Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 Unterabsatz 1 der Grundverordnung eingetragen wurden, gelöscht. Die Bestimmungen des Art. 14 Abs. 1 der Grundverordnung gelten nach Art. 14 Abs. 1 Unterabsatz 3 der Grundverordnung unbeschadet der Bestimmungen der Markenrichtlinie. Nach Art. 5 Abs. 3 Buchst. c der Markenrichtlinie ist eine Marke unter anderem dann von der Eintragung ausgeschlossen oder unterliegt im Fall ihrer Eintragung der Nichtigerklärung, wenn und soweit nach Maßgabe von Unionsvorschriften zum Schutz von Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben ein Antrag auf Eintragung einer Ursprungsbezeichnung oder geografischen Angabe bereits vor der Anmeldung zur Eintragung der Marke gestellt worden war und diese Ursprungsbezeichnung oder geografische Angabe der berechtigten Person das Recht verleiht, die Benutzung einer jüngeren Marke zu untersagen (vgl. auch § 13 Abs. 1 und 2 Nr. 5 und § 42 Abs. 1 und 2 Nr. 5 MarkenG sowie Art. 8 Abs. 6 und Art. 46 Abs. 1 Buchst. d UMV).
34
Gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 der Grundverordnung darf unbeschadet von deren Art. 6 Abs. 4 eine Marke, deren Verwendung im Widerspruch zu Art. 13 Abs. 1 der Grundverordnung steht und die vor dem Zeitpunkt der Einreichung des Antrags auf Schutz der Ursprungsbezeichnung oder geografischen Angabe bei der Kommission angemeldet, eingetragen oder, sofern dies nach den einschlägigen Rechtsvorschriften vorgesehen ist, durch Verwendung in gutem Glauben im Gebiet der Union erworben wurde, ungeachtet der Eintragung einer Ursprungsbezeichnung oder geografischen Angabe weiter verwendet und für dieses Erzeugnis erneuert werden, sofern keine Gründe für ihre Ungültigerklärung oder ihren Verfall gemäß der Unionsmarkenverordnung oder der Markenrichtlinie vorliegen. Nach Art. 14 Abs. 2 Satz 2 der Grundverordnung wird in solchen Fällen die Verwendung der geschützten Ursprungsbezeichnung oder der geschützten geografischen Angabe neben den jeweiligen Marken erlaubt.
35
Danach können Marken, die – wie die hier in Rede stehenden geografischen Kollektivmarken – vor dem Zeitpunkt der Einreichung eines Antrags auf Schutz einer entsprechenden Ursprungsbezeichnung oder geografischen Angabe bei der Kommission eingetragen wurden, selbst dann weiterverwendet werden, wenn zu einem späteren Zeitpunkt eine entsprechende Ursprungsbezeichnung oder geografische Angabe eingetragen wird und die Verwendung der Marke im Widerspruch zum Schutz dieser Ursprungsbezeichnung oder geografischen Angabe nach Art. 13 Abs. 1 der Grundverordnung steht (vgl. EuGH, Urteil vom 2. Juli 2009 – C-343/07, Slg. 2009, I-5491 = GRUR 2009, 961 Rn. 119 – Bavaria und Bavaria Italia [Bayerisches Bier I]).
36
(2) Das Nebeneinander der Schutzsysteme lässt sich darüber hinaus auch Art. 24 Abs. 5 TRIPS entnehmen. Diese Bestimmung sieht vor, dass Regelungen zum Schutz geografischer Herkunftsangaben die Eintragungsfähigkeit oder die Gültigkeit der Eintragung einer Marke oder das Recht zur Benutzung einer Marke nicht beeinträchtigen, wenn eine Marke gutgläubig angemeldet oder eingetragen wurde, bevor die geografische Angabe in einem Ursprungsland geschützt wird.
37
c) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Schutzschranke des § 100 Abs. 1 Satz 1 MarkenG greife zugunsten der Beklagten nicht ein. Hiergegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
38
aa) Die Schutzschranke des § 100 Abs. 1 MarkenG für geografische Kollektivmarken setzt Art. 29 Abs. 3 Satz 2 und 3 der Markenrichtlinie um (zuvor Art. 15 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2008/95/EG und Art. 15 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 89/104/EWG; zur Unionskollektivmarke vgl. Art. 74 Abs. 2 Satz 2 UMV). Nach Art. 29 Abs. 3 Satz 2 der Markenrichtlinie berechtigt eine Kollektivmarke den Inhaber nicht dazu, einem Dritten die Benutzung solcher Zeichen oder Angaben im geschäftlichen Verkehr zu untersagen, sofern die Benutzung durch den Dritten den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel entspricht. Nach Art. 29 Abs. 3 Satz 3 der Markenrichtlinie kann eine solche Marke insbesondere einem Dritten, der zur Benutzung einer geografischen Bezeichnung berechtigt ist, nicht entgegengehalten werden.
39
bb) Das Merkmal der “guten Sitten” in § 100 Abs. 1 Satz 1 MarkenG entspricht inhaltlich dem in der Markenrichtlinie verwendeten Begriff der “anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel” (zu § 23 Nr. 2 MarkenG aF vgl. BGH, Urteil vom 14. April 2011 – I ZR 33/10, GRUR 2011, 1135 Rn. 23 = WRP 2011, 1602 – GROSSE INSPEKTION FÜR ALLE, mwN).
40
Damit die Benutzung den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel genügt, darf der Dritte den berechtigten Interessen des Markeninhabers nicht in unlauterer Weise zuwiderhandeln (vgl. EuGH, Urteil vom 16. November 2004 – C-245/02, Slg. 2004, I-10989 = GRUR 2005, 153 Rn. 82 – Anheuser-Busch [Budweiser Budvar]; Urteil vom 11. September 2007 – C-17/06, Slg. 2007, I-7041 = GRUR 2007, 971 Rn. 33 – Céline; BGH, Urteil vom 30. April 2009 – I ZR 42/07, BGHZ 181, 77 Rn. 29 – DAX). Um dies beurteilen zu können, ist eine Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls erforderlich (vgl. EuGH, GRUR 2005, 153 Rn. 84 – Anheuser-Busch [Budweiser Budvar]; EuGH, Urteil vom 20. Juli 2017 – C-93/16, GRUR 2017, 1132 Rn. 45 = WRP 2017, 1452 – Ornua [Kerrygold/Kerrymaid]; BGHZ 181, 77 Rn. 29 – DAX; BGH, GRUR 2011, 1135 Rn. 23 – GROSSE INSPEKTION FÜR ALLE). Der Dritte handelt unter anderem dann den berechtigten Interessen des Markeninhabers in unlauterer Weise zuwider, wenn er die Wertschätzung der Marke in unlauterer Weise ausnutzt (zur bekannten Marke vgl. EuGH, Urteil vom 17. März 2005 – C-228/03, Slg. 2005, I-2337 = GRUR 2005, 509 Rn. 41 bis 43 – Gillette Company und Gillette Group Finland [Gillette]; Urteil vom 18. Juni 2009 – C-487/07, Slg. 2009, I-5185 = GRUR 2009, 756 Rn. 49 – L’Oréal u.a.; BGH, GRUR 2011, 1135 Rn. 24 – GROSSE INSPEKTION FÜR ALLE). Zu berücksichtigen ist zum einen, inwieweit die Verwendung der Bezeichnung durch den Dritten von den beteiligten Verkehrskreisen oder zumindest einem erheblichen Teil dieser Kreise als Hinweis auf eine Verbindung zwischen den Waren oder Dienstleistungen des Dritten und dem Markeninhaber oder einer zur Benutzung der Marke befugten Person aufgefasst wird, und zum anderen, inwieweit der Dritte sich dessen hätte bewusst sein müssen (vgl. EuGH, GRUR 2005, 153 Rn. 83 – Anheuser-Busch [Budweiser Budvar]; GRUR 2007, 971 Rn. 34 – Céline). Ferner sind die Anstrengungen zu würdigen, die der Dritte unternimmt, um sicherzustellen, dass die Verbraucher seine Waren von denen des Markeninhabers unterscheiden (vgl. EuGH, GRUR 2017, 1132 Rn. 45 – Ornua [Kerrygold/Kerrymaid]).
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cc) Aus Sicht des Berufungsgerichts entspricht die Benutzung der Kollektivmarken “Hohenloher Landschwein” und “Hohenloher Weiderind” durch die Beklagten nicht den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
42
(1) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Schutz einer Kollektivmarke mit geografischer Herkunftsangabe beziehe sich auf alle ökonomischen Funktionen, die einer Marke zukämen und rechtlich geschützt seien. Hierzu gehöre nicht nur ihre Hauptfunktion, die Gewährleistung der Herkunft der Ware oder Dienstleistung gegenüber Verbrauchern, sondern es zählten dazu auch ihre anderen Funktionen wie etwa die Gewährleistung von deren Qualität. Zwar sei zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass sie beschreibende Begriffe für die Vermarktung ihrer Produkte verwenden dürften und die Klägerin die Auswahl geeigneter Bezeichnungen durch die Anmeldung einer Vielzahl von Kollektivmarken erschwere. Die Beklagten hätten aber die Zeichen in identischer Form genutzt, ohne dem angesprochenen Verbraucher durch irgendeinen Hinweis auch nur ansatzweise zu verdeutlichen, dass ihre Produkte nicht von einem Mitglied der Klägerin stammten und deren Erzeugerrichtlinien nicht vollständig entsprächen. Verbraucher könnten daher leicht zu der irrigen Auffassung gelangen, dass die Beklagte zu 1 der Erzeugergemeinschaft angehöre oder die beworbenen Waren jedenfalls gewissen Qualitätsanforderungen oder Produktionsmethoden entsprächen, die für die mit den Kennzeichen versehenen Produkte üblich seien und daher erwartet würden. Die Kollektivmarken der Klägerin besäßen einen guten Ruf, da die angesprochenen Verkehrskreise mit den Bezeichnungen “Hohenloher Weiderind” und “Hohenloher Landschwein” eine allgemein hohe Qualität der damit beworbenen Produkte verbänden. Den Beklagten gehe es nicht primär um die Verwendung der Bezeichnungen als Herkunftsangabe, vielmehr trachteten sie danach, den von der Klägerin aufgebauten guten Ruf der Marke auszunutzen und sich den Sog der werbewirksamen Marke verkaufsfördernd zunutze zu machen.
43
(2) Entgegen der Rüge der Revision hat das Berufungsgericht diesen Ausführungen nicht den unzutreffenden Rechtssatz zugrunde gelegt, die unveränderte Benutzung einer als Kollektivmarke geschützten geografischen Herkunftsangabe stelle bereits für sich genommen regelmäßig einen Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne von § 100 Abs. 1 Satz 1 MarkenG dar. Vielmehr hat es in Übereinstimmung mit der dargestellten Rechtsprechung eine Gesamtabwägung aller in Betracht kommenden Umstände vorgenommen.
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dd) Die Revision macht weiter ohne Erfolg geltend, das Berufungsgericht habe bei der Anwendung des § 100 Abs. 1 MarkenG die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union verkannt, indem es im Rahmen der durchgeführten Gesamtabwägung auch die aus Sicht der Verbraucher mit den streitgegenständlichen Bezeichnungen verbundenen Qualitätserwartungen in den Blick genommen habe. Die nationalen Regelungen zum Markenschutz seien dahingehend auszulegen, dass eine Marke, die einer qualifizierten geografischen Herkunftsangabe entspreche, keine Qualitäts-, sondern lediglich eine Herkunftsgarantie biete.
45
(1) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist es Zweck der Grundverordnung, für qualifizierte geografische Angaben eine einheitliche und abschließende Schutzregelung zu schaffen (vgl. EuGH, GRUR 2010, 143 Rn. 111 bis 114 – Budějovický Budvar [American Bud II]; EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2010 – C-120/08, Slg. 2010, I-13393 = GRUR 2011, 240 Rn. 59 – Bavaria [Bayerisches Bier II]; EuGH, GRUR 2014, 674 Rn. 28 – Assica und Kraft Foods Italia [Salame felino]; ebenso BGH, Urteil vom 22. September 2011 – I ZR 69/04, GRUR 2012, 394 Rn. 20 = WRP 2012, 550 – Bayerisches Bier II). Sie stellt ein Instrument der gemeinsamen Agrarpolitik dar, das im Wesentlichen darauf abzielt, dem Verbraucher Gewähr dafür zu bieten, dass landwirtschaftliche Erzeugnisse, die mit einer nach dieser Verordnung eingetragenen geografischen Angabe versehen sind, aufgrund ihrer Herkunft aus einem bestimmten geografischen Gebiet bestimmte besondere Merkmale aufweisen und damit eine auf ihrer geografischen Herkunft beruhende Qualitätsgarantie bieten. Damit soll es den Landwirten, die sich zu echten Qualitätsanstrengungen bereit erklärt haben, ermöglicht werden, als Gegenleistung ein höheres Einkommen zu erzielen, und verhindert werden, dass Dritte missbräuchlich Vorteile aus dem Ruf ziehen, der sich aus der Qualität dieser Erzeugnisse ergibt (vgl. EuGH, GRUR 2010, 143 Rn. 111 – Budějovický Budvar [American Bud II]; EuGH, Urteil vom 14. September 2017 – C-56/16, GRUR 2018, 89 Rn. 82 – Instituto dos Vinhos do Douro e do Porto/EUIPO [PORT CHARLOTTE/Porto/Port]).
46
Stände es den Mitgliedstaaten frei, ihren Erzeugern zu erlauben, in ihrem Hoheitsgebiet eine der Angaben oder eines der Zeichen, die den nach der Grundverordnung eingetragenen Namen vorbehalten sind, zu benutzen, indem sie sich auf eine nationale Berechtigung stützen, für die möglicherweise weniger strenge Anforderungen als die im Rahmen der Grundverordnung für die fraglichen Erzeugnisse vorgesehenen gelten, bestände die Gefahr, dass diese Qualitätsgarantie, die die wesentliche Funktion der nach der Grundverordnung gewährten Rechte darstellt, nicht mehr sichergestellt wäre. Dies könnte auf dem Binnenmarkt auch das Ziel einer Wettbewerbsgleichheit zwischen den Herstellern von Erzeugnissen mit diesen Angaben oder Zeichen gefährden und wäre insbesondere geeignet, die Rechte zu beeinträchtigen, die den Herstellern vorbehalten sein müssen, die sich zu echten Qualitätsanstrengungen bereit erklärt haben, um eine nach dieser Verordnung eingetragene geografische Angabe benutzen zu können (vgl. EuGH, GRUR 2010, 143 Rn. 112 – Budějovický Budvar [American Bud II]; GRUR 2018, 89 Rn. 83 – Instituto dos Vinhos do Douro e do Porto/EUIPO [PORT CHARLOTTE/Porto/Port]).
47
Um die Ziele der Grundverordnung nicht zu beeinträchtigen, darf der durch eine nationale Regelung für geografische Angaben gewährte Schutz daher nicht bewirken, dass den Verbrauchern garantiert wird, dass die diesen Schutz genießenden Erzeugnisse eine bestimmte Qualität oder Eigenschaft aufweisen, sondern nur, dass die Herkunft dieser Erzeugnisse aus dem betroffenen geografischen Gebiet garantiert ist (vgl. EuGH, GRUR 2014, 674 Rn. 34 – Assica und Kraft Foods Italia [Salame felino]; BGH, Urteil vom 31. März 2016 – I ZR 86/13, BGHZ 209, 302 Rn. 18 – Himalaya Salz).
48
(2) Wie das Berufungsgericht zu Recht hervorgehoben hat, steht diese in Bezug auf nationale Regelungen zum Schutz geografischer Herkunftsangaben ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union einer Gesamtabwägung unter Berücksichtigung der Qualitätserwartungen der Verbraucher im Rahmen der Prüfung eines Verstoßes gegen die guten Sitten im Sinne des § 100 Abs. 1 Satz 1 MarkenG nicht entgegen (zustimmend auch Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering aaO § 99 Rn. 6; Wachsmuth, ZLR 2020, 857, 861 f.).
49
Im Gegensatz zu dem allein auf einem nationalen Rechtsakt oder einem bilateralen Übereinkommen beruhenden Schutz geografischer Herkunftsangaben setzt der mittels einer geografischen Kollektivmarke gewährte Schutz Vorgaben des Unionsrechts um und ist Bestandteil eines vollharmonisierten Systems. Das Verhältnis zwischen geografischen Kollektivmarken einerseits und entsprechenden geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen andererseits ist durch Art. 14 der Grundverordnung abschließend geregelt (vgl. Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering aaO § 99 Rn. 6 und § 100 Rn. 12; Schoene, MarkenR 2014, 273, 281; BeckOK.Markenrecht/Schoene aaO § 100 MarkenG Rn. 12). Die der Umsetzung der Markenrichtlinie dienenden nationalen Bestimmungen zum Umfang des Kollektivmarkenschutzes und zu dessen Beschränkung (§ 100 Abs. 1 MarkenG) sind hiervon nicht ausgenommen. Die Grundverordnung kann einem nationalen, auf unionsrechtlichen Vorgaben beruhenden Schutz von Kollektivmarken daher allein in dem durch Art. 14 der Grundverordnung vorgegebenen Umfang entgegenstehen.
50
(3) Das Berufungsgericht ist demzufolge zu Recht davon ausgegangen, dass der durch die streitgegenständlichen Kollektivmarken gewährte Schutz grundsätzlich alle in § 97 MarkenG genannten rechtlich geschützten Funktionen (Gewährleistung der betrieblichen oder geografischen Herkunft, der Art, Qualität oder sonstigen Eigenschaften der Waren oder Dienstleistungen) umfasst. Dem steht nicht entgegen, dass die Hauptfunktion einer Kollektivmarke darin liegt, die Waren oder Dienstleistungen des Markeninhabers von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. dazu oben unter Rn. 28 sowie die dortigen Nachweise). Auf diese Hauptfunktion ist der durch eine Kollektivmarke gewährte Schutz nicht beschränkt. Vielmehr kann eine Kollektivmarke etwa auch implizit auf die geografische Herkunft der von ihr erfassten Waren hinweisen (vgl. EuGH, GRUR-RR 2020, 199 Rn. 74 – Foundation for the Protection of the Traditional Cheese of Cyprus named Halloumi/EUIPO [BBQLOUMI/HALLOUMI]). Soweit die Kollektivmarkensatzung – wie im Streitfall – Bedingungen für die Benutzung der Kollektivmarke aufstellt (vgl. § 102 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG und Art. 30 Abs. 2 Satz 1 Markenrichtlinie) und es so ihren Inhabern erlaubt, bestimmte Produktionsmethoden, Qualitätsanforderungen oder Produktgestaltungen festzuschreiben, ermöglicht sie es den Unternehmen außerdem, einen besonderen Ruf für die mit der Kollektivmarke gekennzeichneten Produkte aufzubauen (vgl. Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 97 MarkenG Rn. 2; differenzierend Schoene, MarkenR 2014, 273, 281). Damit erlangt auch die Qualitätsfunktion der Marke Bedeutung (vgl. Fezer aaO § 97 Rn. 4), weshalb das Berufungsgericht sie zu Recht in seine Erwägungen mit einbezogen hat.
51
III. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 – 283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 21 = NJW 1983, 1257 – C.I.L.F.I.T.; Urteil vom 1. Oktober 2015 – C-452/14, GRUR Int. 2015, 1152 Rn. 43 – Doc Generici). Im Streitfall stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt ist oder nicht zweifelsfrei zu beantworten ist. Insbesondere trifft Art. 14 der Grundverordnung eine hinreichend klare Regelung in Bezug auf das Verhältnis zwischen dem durch die Grundverordnung gewährten Schutz von Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben einerseits und dem (Kollektiv-)Markenschutz andererseits (vgl. dazu insbesondere Rn. 32 bis 35). Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union in Bezug auf nationale Regelungen zum Schutz geografischer Herkunftsangaben ergibt sich nichts Anderes (vgl. dazu insbesondere Rn. 45 bis 49).
52
IV. Danach ist die Revision der Beklagten zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Koch     
        
Pohl     
        
Schmaltz
        
Odörfer      
        
Wille      
   


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