Europarecht

Kein Anspruch auf Beförderung bei Versetzung in den Ruhestand

Aktenzeichen  M 21 K 17.147

Datum:
12.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 146403
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtVG § 5 Abs. 3
ZDv A-1340/49 Nr. 219

 

Leitsatz

1 Eine rückwirkende Beförderung verstößt gegen das Verbot rückwirkender Statusbegründungen oder -änderungen (vgl. BVerfG BeckRS 2003, 25070). (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die für das Beförderungsamt erforderliche Eignung besitzt ein Soldat nicht, wenn feststeht, dass er das neue Statusamt nicht für eine angemessene Zeit ausüben wird (vgl. BVerwG BeckRS 9998, 167157). Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn die Bundeswehr durch Verwaltungsvorschrift eine Restdienstzeit von zwei Jahren als Voraussetzung einer Beförderung vorsieht. (Rn. 17 und 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Mit Einverständnis der Beteiligten kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung über die Klage entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die in Haupt- und Hilfsantrag zulässige Klage ist jeweils unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Beförderung zum Stabsfeldwebel und Einweisung in eine Stabsfeldwebelstelle, weder rückwirkend zum 1. September 2016 noch zu jedem anderen in Betracht kommenden Zeitpunkt. Der Bescheid des BAPersBw vom 10. Oktober 2016 in der Gestalt des Beschwerdebescheids des BAPersBw vom 8. Dezember 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -).
Eine rückwirkende Beförderung zum 1. September 2016 würde bereits gegen das Verbot rückwirkender Statusbegründungen oder -änderungen verstoßen (vgl. BVerfG, B. v. 10.10.2003 – 2 BvL 7/02 – ZTR 2004, 109 = NVwZ-RR 2004, 82, m.w.N.; OVG Münster, U. v. 2.7.2007 – 1 A 1920/06 – IÖD 2008, 30). Soweit die Bundeshaushaltsordnung nach § 49 Abs. 2 Satz 2 BHO, der gemäß § 115 Satz 1 BHO auch auf ein Soldatenverhältnis Anwendung findet, die Möglichkeit rückwirkender Einweisungen in besetzbare Planstellen vorsieht, handelt es sich nicht um Statusänderungen für die Vergangenheit, sondern um rein besoldungsrechtliche Maßnahmen, die im Übrigen auf einen Rückwirkungszeitraum von maximal drei Monaten begrenzt sind (vgl. BVerfG, B. v. 10.10.2003 – a.a.O., m.w.N.).
Einem Anspruch auf Beförderung des Klägers mit Wirkung lediglich für die Zukunft steht wiederum bei dem gebotenen Abstellen auf den für die Beurteilung des geltend gemachten Verpflichtungsbegehrens maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt von vornherein entgegen, dass der Kläger mit Ablauf des 31. Dezembers 2017 vorzeitig in den Ruhestand versetzt wird und damit die nach dem beamtenrechtlichen Leistungsprinzip für eine Beförderung erforderliche Eignung im Sinne von Art. 33 Abs. 2 GG nicht mehr gegeben ist. Der Kläger könnte das neue Statusamt nicht mehr ausüben. Die für das Beförderungsamt erforderliche Eignung besitzt ein Soldat nämlich dann nicht, wenn feststeht, dass er das neue Statusamt nicht für eine angemessene Zeit ausüben wird (vgl. BVerwG, v. U. 29.8.1996 – 2 C 23.95 – BVerwGE 102, 33). Denn die Beförderung erfolgt nicht vorrangig, um einen Soldaten für in der Vergangenheit erbrachte Leistungen zu belohnen, sondern im Hinblick auf die von ihm im neuen Amt künftig wahrzunehmenden Aufgaben (vgl. BayVGH, B. v. 19.2.2007 – 3 CE 06.3302 – juris, m.w.N.).
Der angegriffene Bescheid ist auch nicht wegen Ermessensfehlern rechtswidrig. Die Ermessensausübung des BAPersBw erfolgte in Anwendung der ZDv A-1340/49 Nr. 219 des Bundesministeriums der Verteidigung vom 7. Dezember 2015, wonach die Beförderung von Berufssoldatinnen und Berufssoldaten und die Einweisung in eine Planstelle der Besoldungsgruppen A 12, A 15, B 2 und B 3 nur zulässig sind, wenn die weitere Verwendung in der Bundeswehr für mindestens zwei Jahre vorgesehen ist. Gegen diese Verwaltungsvorschrift bestehen keinen rechtlichen Bedenken. Sie ist eine zulässige Ausformung des beamtenrechtlichen Leistungsgrundsatzes. Die pauschale Festlegung des Zeitraums, innerhalb dessen mit einer adäquaten Leistung im Beförderungsamt zu rechnen ist, auf in der Regel zwei Jahre erweist sich mit Blick auf die Zielsetzung, Beförderungsentscheidungen strikt an das Eignungs- und Leistungsprinzip zu binden und Gefälligkeitsbeförderungen zu unterbinden, als verhältnismäßig (vgl. zu einem ähnlichen Sachverhalt VG Trier, U. v. 17.4.2012 – 1 K 120/12.TR – juris). Außergewöhnlichen Sachverhaltskonstellationen im Einzelfall kann aufgrund der Möglichkeit, nach Zdv A-1340/49 Nr. 241 für die Beförderung oder Einweisung von Soldatinnen oder Soldaten eine Ausnahmegenehmigung von den Bestimmungen über die Beförderung zu beantragen, Rechnung getragen werden.
Diese Einschätzung stützt sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Trier (VG Trier, U. v. 17.4.2012 – a.a.O.) auch auf die zu § 5 Abs. 3 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) ergangene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Diese legt nahe, dass zwei Jahre ein angemessener Zeitraum sind. So hat das Bundesverfassungsgericht die in § 5 BeamtVG enthaltene Einschränkung des Grundsatzes der Versorgung aus dem letzten Amt zugelassen mit der Begründung, dass Voraussetzung für einen Anspruch auf Versorgung nach Maßgabe des letzten Amtes ein Mindestmaß an nachhaltiger, diesem Amt entsprechender Dienstleistung sei. Dabei hielt es eine Wartezeit von zwei Jahren bis zur Ruhegehaltsfähigkeit der erhöhten Bezüge für gerechtfertigt, um dem Anliegen, Gefälligkeitsbeförderungen zu verhindern und eine hinreichende Leistung im Beförderungsamt sicherzustellen, Rechnung zu tragen (BVerfG, B. v. 20.3.2007 – 2 BvL 11/04 – BVerfGE 117, 372; B. v. 7.7.1982 – 2 BvL 14/78 u. a. – BVerfGE 61, 43).
Gestützt wird dieses Ergebnis auch auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu der Frage, ob die Berücksichtigung einer hinreichenden Restdienstzeit (in diesem Fall: drei Jahre) bei militärischen Verwendungsentscheidungen, die mit der Übertragung eines höher bewerteten Dienstpostens verbunden sind, ein mit Art. 33 Abs. 2 GG und § 3 Abs. 1 SG vereinbares Auswahlkriterium darstellt (BVerwG, B. v. 21.10.2010 – 1 WB 18/10 – BVerwGE 138, 70). Dazu führte das Bundesverwaltungsgericht wörtlich aus:
Die in ständiger Verwaltungspraxis vom Bundesministerium der Verteidigung und vom Personalamt zugrunde gelegte Anforderung an Förderungsbewerber, dass diese auf förderlichen Dienstposten der Besoldungsgruppe A 16 oder B 3 noch eine hinreichende Restdienstzeit von jedenfalls drei Jahren aufweisen müssen, damit sie im Personalberaterausschuss vorgestellt werden können, stellt eine sachliche Erwägung für die Beschränkung des Kandidatenkreises dar, die nach den oben dargelegten Maßstäben rechtlich nicht zu beanstanden ist und insbesondere das Leistungsprinzip nicht in Frage stellt. Die Anforderung einer hinreichenden Restdienstzeit rechtfertigt sich inhaltlich vor allem aus dem Aspekt der erforderlichen Kontinuität und Effektivität der Aufgabenerfüllung auf dem höherwertigen Dienstposten. Bei höherwertigen Dienstposten gewinnen Kontinuität und Effektivität der Aufgabenerfüllung ein erheblich gesteigertes Gewicht, weil diese Dienstposten mit ihrer umfangreichen Funktions- und Verantwortungsbereite deutlich herausgehoben und deshalb besonders wichtig sind. Bei Dienstposten der Besoldungsgruppe A 16 kommt noch hinzu, dass sie in der Regel mit einer nicht zu unterschätzenden Außenwirkung verbunden sind. Bei der gebotenen typisierenden Betrachtung stellt eine zu kurze Restdienstzeit des Förderungsbewerbers die Möglichkeit in Frage, dass er auf einem förderlichen Dienstposten noch eine den erhöhten Anforderungen des Dienstpostens entsprechende nachhaltige Leistung zum Nutzen des Dienstherrn erbringen wird. Daher bezeichnet der Erlass des Bundesministeriums der Verteidigung vom 14. Januar 2008 eine zu kurze Restdienstzeit zutreffend als nicht „sinnvoll“.
Darüber hinaus ist es eine personalpolitisch sachgerechte Erwägung, auf förderlichen Dienstposten nicht nur eine Förderung, sondern auch eine ruhegehaltfähige Beförderung des jeweiligen Soldaten zu erreichen. Damit stellt die in der Amtlichen Auskunft mitgeteilte ständige Verwaltungspraxis zugleich ein adäquates Element der mittel- und langfristigen Personalsteuerung auf der Ebene höherwertiger Dienstposten dar. Das gilt für höherwertige Dienstposten grundsätzlich – unabhängig von einer bestimmten Besoldungsgruppe – auch dann, wenn ein Förderungsbewerber im Einzelfall nur Interesse an der Beförderung, nicht aber an deren Ruhegehaltwirksamkeit haben sollte. Der Bundesminister der Verteidigung kann seine Personalsteuerung so gestalten, dass sich auch der Aspekt der Ruhegehaltfähigkeit einer Beförderung bei der Personalauswahl auswirkt. Dann erfüllt die Bereitstellung förderlicher Dienstposten mit der Möglichkeit der ruhegehaltfähigen Statusänderung für geeignete Soldaten die Funktion eines gewissen Anreizes, sich um solche qualifizierten Verwendungen zu bemühen. Wird ein förderlicher Dienstposten hingegen auch für Soldaten mit sehr geringer Restdienstzeit zur Verfügung gestellt, entfällt bei deren Auswahl und nachfolgender Beförderung die „Anreizfunktion“ des Dienstpostens, weil er für geeignete Soldaten mit längerer Restdienstzeit zunächst „blockiert“ ist.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß der Vorschrift Nr. 241 ZDv A-1340/49. Nach dieser Vorschrift kann es in Ausnahmefällen geboten sein, für die Beförderung oder Einweisung von Soldatinnen oder Soldaten eine Ausnahmegenehmigung von den Bestimmungen über die Beförderung zu beantragen. Dies wäre z. B. für die Beförderung von Berufssoldatinnen und Berufssoldaten innerhalb der letzten zwei Jahre vor Eintritt oder Versetzung in den Ruhestand der Fall. Der Kläger hätte nur dann einen Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung durch die zuständige Stelle, wenn deren Ermessen auf Null reduziert wäre.
Dieses Ermessen ist aber vorliegend nicht auf Null reduziert, da weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, weshalb ein Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung bestehen sollte.
Weiterhin hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Neuverbescheidung seines Antrags. Sein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung wurde bereits durch den Bescheid des BAPersBw vom 10. Oktober 2016 sowie dessen Beschwerdebescheid vom 8. Dezember 2016 erfüllt. Auf die entsprechenden Gründe des Beschwerdebescheids nimmt die Kammer Bezug.
Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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