Europarecht

Kein Anspruch auf Erstaufforstungserlaubnis

Aktenzeichen  B 1 K 17.397

Datum:
15.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 28272
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayWaldG Art. 16 Abs. 2
RL 92/43/EWG Art. 6 Abs. 3

 

Leitsatz

1. Eine Aufforstung, die den Verlust einer Fläche eines Lebensraumstyps des Anhangs I der RL 92/43/EWG darstellt, führt grundsätzlich zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Erhaltungszustands im Sinne des Art. 6 Abs. 3 RL 92/43/EWG und ist damit gem. § 33 BNatSchG grundsätzlich unzulässig, soweit die Veränderung zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Nennung von Art. 3 BayNatSchG aF in Art. 16 Abs. 2 BayWaldG ist unschädlich; entscheidend ist, dass die Nennung dieser Norm von Anfang an nur bezweckte, die maßgeblichen naturschutzrechtlichen Pläne inhaltlich hinreichend zu umschreiben. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Erstaufforstungserlaubnis. Der Ablehnungsbescheid des AELF B. … vom 24. April 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
1. Gemäß Art. 16 Abs. 1 Satz 1 Waldgesetz für Bayern (BayWaldG) bedarf die Aufforstung nicht forstlich genutzter Grundstücke mit Waldbäumen durch Saat oder Pflanzung der Erlaubnis.
a) Der vom Kläger vorgetragene vormalige Waldbestand bis in das Jahr 1937 führt hier nicht zur Erlaubnisfreiheit, da mit der im Jahr 1937 genehmigten Rodung die Umwandlung in eine Wiese und damit eine Nutzungsänderung hin zu einer Grünfläche erfolgte.
b) Ebenso trat hier keine Genehmigungsfiktion nach Art. 39 Abs. 3 Satz 3 BayWaldG ein.
Über die Erlaubnis nach Art. 16 Abs. 1 BayWaldG ist gemäß Art. 39 Abs. 3 Satz 1 BayWaldG binnen drei Monaten nach Eingang des Antrags bei der unteren Forstbehörde zu entscheiden, sofern der Antrag die Zustimmung der nach Art. 43 Abs. 1 Satz 1 BayWaldG Beteiligten – insbesondere der Eigentümer und Nutzungsberechtigten der angrenzenden Grundstücke i.S.v. Art. 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayWaldG – enthält. Kann aufgrund besonderer Umstände im Einzelfall über den Antrag innerhalb dieser Frist nicht entschieden werden, ist nach Art. 39 Abs. 3 Satz 2 BayWaldG die Frist vor ihrem Ablauf in einem dem Antragsteller mitzuteilenden Zwischenbescheid um höchstens drei Monate zu verlängern. Die Erlaubnis gilt gemäß Art. 39 Abs. 3 Satz 3 BayWaldG als erteilt, wenn sie nicht innerhalb der jeweils maßgeblichen Frist aus Art. 39 Abs. 3 Satz 1 und 2 BayWaldG versagt wird.
Durch den am 25. April 2017 zugestellten Bescheid wurde über den Antrag des Klägers, der bei der Behörde am 30. April 2017 einging (Blatt 22 der Behördenakte), innerhalb der Dreimonatsfrist entschieden.
2. Nach Art. 16 Abs. 2 BayWaldG darf die Erlaubnis (nach pflichtgemäßer Ermessensausübung) nur versagt oder durch Auflagen eingeschränkt werden, wenn die Aufforstung Plänen i.S. des Art. 3 BayNatSchG (Gesetz über den Schutz der Natur, die Pflege der Landschaft und die Erholung in der freien Natur – Bayerisches Naturschutzgesetz) widerspricht, wenn wesentliche Belange der Landeskultur oder des Naturschutzes und der Landschaftspflege gefährdet werden, der Erholungswert der Landschaft beeinträchtigt wird oder erhebliche Nachteile für die umliegenden Grundstücke zu erwarten sind. Die Erlaubnis wurde vorliegend zu Recht versagt, da die Aufforstung wesentliche Belange des Naturschutzes gefährdet und die Aufforstung Plänen im Sinne des Art. 3 BayNatSchG widerspricht.
a) Nach der Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde vom 13. Februar 2018 (Blatt 8 der Verwaltungsakte), auf die Bezug genommen wird und der sich das Gericht anschließt, liegt die Fläche innerhalb des FFH-Gebiets … „Ablauf von D. … bis Z. …“ sowie innerhalb des Landschaftsschutzgebiets „F. … – V. …“. Die Fläche ist als magere, artenreiche Extensivwiese biotopkartiert. Zudem ist sie im FFH-Managementplan als Lebensraumtyp 6510 kartiert. Die Gesamtbewertung der Fläche entspricht nach der Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde, auch nach aktueller Erfassung im von ihr durchgeführten Ortstermin am 25. April 2018 (Ausführungen in der mündlichen Verhandlung und im Schriftsatz vom 11. Oktober 2017 – Blatt 62 der Gerichtsakte) einem hervorragenden Zustand. Die Fläche ist sehr artenreich mit Kräutern und Gräsern. Die Aufforstung dieser Fläche würde zu einer Zerstörung des Lebensraumtyps auf dieser Fläche führen.
In diesem Kontext ist klarzustellen, dass die klägerseitig angeregte Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den naturschutzfachlichen Auswirkungen des Aufforstungsvorhabens nicht erforderlich war. Grund hierfür sind die nachvollziehbaren und überzeugenden naturschutzfachlichen Ausführungen der unteren Naturschutzbehörde als Teil der Kreisverwaltungsbehörde, der in Art. 42 Abs. 2 BayWaldG im Erlaubnisverfahren nach Art. 16 BayWaldG die Stellung eines Fachgutachters zugewiesen ist (vgl. VG Augsburg, U.v. 10.7.2012 – Au 3 K 11.1555 – juris Rn. 18). Den Ausführungen des Fachgutachters ist die Klägerseite letztlich nicht hinreichend fachlich substantiiert entgegengetreten. Die Klägerseite hat im Kern schlicht ihre abweichende Einschätzung der Beurteilung des gesetzlichen Fachgutachters entgegengesetzt. Auch konnte der Vertreter der unteren Naturschutzbehörde in der mündlichen Verhandlung die Einschätzung der Fachbehörde plausibel und schlüssig auch im Lichte der Einwände der Klägerseite darlegen und erläutern. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts führt eine Aufforstung, die den Verlust einer Fläche eines Lebensraumtyps des Anhangs I der FFH-Richtlinie (Richtlinie 92/43/EWG) darstellt, grundsätzlich zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Erhaltungszustands im Sinne des Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie und ist damit gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Bundesnaturschutzgesetz grundsätzlich unzulässig, soweit die Veränderung zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann (BVerwG, U.v. 12.3.2008 – 9 A 3.06 – juris Rn. 123 ff.). Eine erhebliche Beeinträchtigung wird dann nicht angenommen, wenn der Flächenverlust lediglich Bagatellcharakter hat. Das Bundesverwaltungsgericht zieht als Entscheidungshilfe Orientierungswerte für die Einzelfallbeurteilung heran, nach denen von einer Bagatelle gesprochen werden kann, wenn der mit einem Vorhaben verbundene Flächenverlust 1% der geschützten Fläche überschreitet, auf welcher Lebensraumtypen des Anhangs I der FFH-Richtlinie vorkommen. Als einschlägiger absoluter Orientierungswert ist von 100 m² auszugehen (BVerwG, U.v. 12.3.2008 – a.a.O. – Rn. 125, 126). Dieser absolute Orientierungswert wird hier mit der beantragten Fläche von 0,3 ha überschritten. Auch sind keine Umstände des Einzelfalls vorgetragen oder sonst ersichtlich, welche die Annahme einer Bagatelle rechtfertigen könnten. Die Naturschutzbehörde hat vielmehr auf die gute Qualität der Fläche hingewiesen. Hinzu kommen die Beeinträchtigungen für die Lebensraumqualität für die auf der streitgegenständlichen Fläche nachgewiesene Tierart (Spanische Flagge – Euplagia quadripunctaria), die auf die Nektarsaugpflanze Gemeiner Dost angewiesen ist. Diese Pflanze kommt auf der beantragten Aufforstungsfläche vor und würde durch die Aufforstung gefährdet, was wesentliche Belange des Naturschutzes gefährden würde (Stellungnahme untere Naturschutzbehörde, Blatt 63 der Gerichtsakte).
b) Die beabsichtigte Erstaufforstung widerspricht zudem Plänen i.S.v. Art. 3 BayNatSchG a.F. (Art. 16 Abs. 2 Alt. 1 BayWaldG).
Die planbezogene Verweisung in Art. 16 Abs. 2 BayWaldG, in dem noch Art. 3 BayNatSchG a.F. genannt ist, bezieht sich nunmehr auf die in §§ 9-11 BNatSchG i.V.m. Art. 4 BayNatSchG geregelten Landschaftsrahmen-, Landschafts- und Grünordnungspläne. Insoweit ist nicht formal auf die im Gesetzestext weiterhin genannte Altnorm abzustellen; entscheidend ist vielmehr, dass die gesetzgeberische Nennung von Art. 3 BayNatSchG a.F. von Anfang an nur bezweckte, die nach Art. 16 Abs. 2 BayWaldG maßgeblichen naturschutzrechtlichen Pläne inhaltlich hinreichend zu umschreiben (vgl. zum Ganzen: VG Regensburg, U.v. 12.1.2016 – RN 4 K 15.700 – juris Rn. 36; VG Würzburg, U.v. 26.3.2015 – W 5 K 14.113 – juris Rn. 36; U.v. 17.7.2014 – W 5 K 12.244 – juris Rn. 38 f.).
Art. 16 Abs. 2 BayWaldG stellt nach seinem Wortlaut ausdrücklich nicht auf den gesamten Flächennutzungsplan, sondern nur auf dessen Bestandteil im Landschaftsplan ab (vgl. Art. 4 Abs. 2 BayNatSchG). Im Landschaftsplan der Gemeinde …ist die Fläche als Schwerpunktgebiet Landschaftspflege/Kerngebiet Entwicklung von Magerrasen dargestellt. Diese Bereiche sind von Erstaufforstungen freizuhalten. Eine Erstaufforstung widerspricht diesen Festsetzungen.
c) Da auf die Erlaubnis schon aus oben genannten Gründen kein Anspruch besteht, ist es unbeachtlich, dass der Übergang von Wiese zu Wald nach Ansicht der Klägerin abrupt ist (Blatt 35 der Gerichtsakte) oder dass das Landschaftsbild nicht beeinträchtigt ist.
2. Das AELF B. … hat die Erlaubnis zur Erstaufforstung ohne Ermessensfehler versagt, so dass der Anspruch des Klägers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung erfüllt wurde und eine Verpflichtung des Beklagten zur Neuverbescheidung gem. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO nicht in Betracht kommt.
Insbesondere werden im angegriffenen Bescheid die Belange des Klägers, insbesondere seine Eigentümerbefugnis, berücksichtigt. Es sind auch keine sonstigen, besonders schwerwiegenden Belange des Klägers ersichtlich, die zwingend für eine andere Entscheidung sprächen, die also die Ermessensentscheidung fehlerhaft erscheinen ließen. Diese Ermessenserwägungen wurden in der mündlichen Verhandlung ergänzt dadurch, dass es für den Kläger möglich wäre, finanziell aus der Fläche einen Nutzen zu ziehen. Die Bewirtschaftung der Fläche wird derzeit gefördert. Der Kläger ist gehalten, durch den Abschluss zivilrechtlicher Vereinbarungen (insbesondere den Abschluss eines Pachtvertrages mit dem Bewirtschafter der Fläche) seinen Anteil an der wirtschaftlichen Förderung sicher zu stellen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Kläger gerügten fehlenden Anhörung vor Erlass des Bescheids. Eine Anhörung nach Art. 28 BayVwVfG ist nach ständiger Rechtsprechung nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht erforderlich, wenn die Ablehnung eines Antrags auf einen begünstigenden Verwaltungsakt betroffen ist. Eine Anhörung ist demnach nur erforderlich, wenn der Verwaltungsakt Rechtsbeeinträchtigungen verursacht, die mit der Anfechtungsklage abgewehrt werden müssten (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Auflage 2015, § 28 Rn. 26 unter Hinweis auf BVerwGE 66,184, 186). Hinzu kommt, dass von einer Heilung eines möglichen Fehlers nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG ausgegangen werden muss.
II.
Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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